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f1874. Sonnabend, de» S. Mai. gehoben" — stempelt dasselbe zu einem epoche machenden Ereignisse. Das Concordat bestand allerdings nicht mehr als internationaler Vertrag, aber sein Inhalt lebte noch in der Gesetzgebung und besonders in den Thun'schen Ausführungsverordnungen fort, die zahllos sind wie Sand am Meere. Dem ist jetzt ein Ende gemacht. Die Gesetze find aller dings, um uns des Ausdrucks eines Wiener Blattes zu bedienen, nur Kehrbesen zum Wegräumen von Schutt und Scherben; aber auch dieses Wegrämnen ist ja doch eine Arbeit, die den Neubauten eben voran gehen muß. Auf dem gesäuberten Platze dürften schnell genug neue Gebäude entstehen. Es wird in Oesterreich gerade so kommen, wie in Preußen. Nachdem man den Grundsatz der Emav- cipation des Staates von der Kirche im Princip anerkannt, wird die praktische Verwirklichung von selbst folgen. Dafür sorgen schon , wenn Niemand, so doch die — Ultramontanen. Mögen immerhin in dieser Gesetzgebung jetzt noch Lücken bestehen, der Bruch Oesterreich» mit der ConcordatSpolitik datirt doch vom Tage ihrer Sanctionirung durch den Kaiser. Die Geschichte wird ihm diese That zum bleibenden Ruhm an rechnen. Sehr treffend bemerkte der Abgeordnete Fux in der Debatte über die klösterlichen Genossenschaften r Noch fühlt sich der Staat zu schwach, die Axt an den Giftbaum der Klöster zu legen und sie aufzw- lösen; aber er tritt der um sich greifenden Pest doch^ in manchen Stücken entgegen. Wohl giebt eS rlr Oesterreich keine Selbstabtödter, die eS zu Wege bringen, tagelang den eigenen Nabel zu beschauen oder auf einem Fuße zu stehen; aber der Arbeits scheu, die noch jetzt Tausende in die Klöster treibt, muß gesteuert werden. Das Kreuz, da» mancher kleine Handwerker und Tagelöhner trägt, die Erwerbs losigkeit, der Kummer, die Krankheiten und Entbeh rungen, mit denen er kämpft, find ein drückendere» Kreuz, al« die Beschaulichkeiten und Pöniteuzeu der Mönche. Die härene Kutte und der Stachelgürtel wollen gegenüber dem Luxus vieler Klöster nicht viel sagen ; die Arbeit des Matrosen, Ackerbauer», Hand werker« und Fabrikarbeiter» steht unendlich höher al» da» Brevierbeten und Rofenkranzhinmurmeln der Mönche; da« Wirken der Hausfrau, die Mann und Kinder kleidet, für sie kocht und sie sauber hält. Oesterreich und die Äirchengesetze. Die neuen Kirchengesetze in Oesterreich haben nun ihre legislatorischen Stadien glücklich durch laufen und sind nach heftigen Kämpfen im Abge ordnetenhaus« und im Herrenhause mit Glanz durch gegangen. Auf die Sanktion durch den Kaiser Franz Joseph werden sie nicht lange zu warten haben. Man mag es bedauern, daß weder das Eherecht auf neue Grundlagen gelegt, noch ein neues PatronatSrecht erlassen, noch die Reform der katholisch-theologischen Fakultäten in Angriff ge nommen worden ist; gleichwohl hat die mit den realen Verhältnissen rechnende Critik wenig Ursache, mit den Gesetzen unzufrieden zu sein und zwar hauptsächlich deshalb, weil dieselbe als Keime eines Systems zu betrachten find, welche der Geist der Zeit schnell genug befruchten wird. Sie sind ge wissermaßen da» vom Staate gesagte A, welchem das B und schließlich das ganze Alphabet allmälig nachfolgen muß. Darum jammert auch das Wiener ultramontane „Vaterland" nicht ohne Grund, in ihnen vermähle sich der Josephinismus mit den Grundsätzen, welche die neupreußischc Kirchengesetz gebung leiten. Neben diesem Urtheile fallen die Schmerzenslaute von Schablone-Politikern, denen die Gesetze nicht programmgerecht genug sind, wenig in's Gewicht. Hat doch selbst unser Herrgott, wie in der Bibel zu lesen, zur Ausführung seines Schöpfungswerkes sieben Tage gebraucht. Kann man es daher einem Staate wie Oesterreich übel nehmen, wenn er nicht in einem Tage und mit einem Wurf zerstört, was viele Jahrhunderte müh sam aufgebaut haben? Doch besehen wir «ns die Gesetze etwa« näher. Da» erste betrifft die Regelung der äußeren Rechts verhältnisse der katholischen Kirche und Artikel 1 lautet: „Das Patent vom 5. November 1865 (da heißt da» Concordat) ist aufgehoben." Das zweite Gesetz reformirt die äußern Rechtsverhältnisse der klösterlichen Genossenschaften; da» dritte regulirt die Besserstellung de» niederen CleruS und macht Ihn unabhängiger von der Laune und dem Belieben der Bischöfe ; da« vierte endlich handelt von der gesetzlichen Anerkennung der ReligionSgesellschaften. Unstrittig ist da« erste Gesetz am wichtigsten. Schon dq- Wort: ,,da» Concordat ist auf- «emnmdzman^gM Jahrgang Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt des Königlichen Gerichtoamteo nnb des Stadtratheo zn Wischosowerda. Vkse Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mai, Mittwoch« und Sonnabend«, und testet einschließlich »er Soun« n»en»t erscheinend«, „belletristische» Beilage" vierteljährlich IS Nge. Inserate «erden bi« Dienstag« und Freitag« früh 0 Uhr angenommen und kostet dir gespaltnu Sorputzeile »der deren Raum 1 Stgr. '