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»»«. Sachsen. Dresden. 17. November. In dem Befinden Er. Majestät de» König« ist stetige Besserung zu verzeichnen. Die Erkältung«erschrivungen lassen nach. B «ft tag. Der Wind weht über die ver ödeten Fluren und schüttelt von den schon meist kahlen Baumkronen die letzten Blätter herab, während im Barten die letzten Zeugen der hinter uns liegenden sommerlichen Pracht und Herrlich keit dahinwelken. In dieser Zeit herbstlicher Ruhe, kurz vor dem Gedenktage unserer Tobten, feiern wir den zweiten Bußtag, — einen Tag, der nicht nur jedem Einzelnen von unS, sondern unserem ganzen Volke ein Tag innerer Einkehr und Sammlung sein soll. Es ist ein Tag, an welchem man in ruhigem Nachdenken sich wieder einmal über da« klar werden soll, wohin man strebt, wofür man lebt, ringt und kämpft, ^worin man geirrt und gefehlt hat. Und wer an diesem Tage in sich geht und die letztverflossenen Monate an seinem Geiste vorüberziehen läßt, wird sich sagen müssen, daß eS der Jrrlhümer und Verfehlungen nicht wenige sind, deren wir im Hasten des täglichen Lebens uns schuldig gemacht haben; vielleicht weniger aus bösem Vor satz, sondern fortgerissen von den Verhältnissen, ja. vielleicht in bloßer Gedankenlosigkeit, ohne unS der Folgen unserer Handlungen so recht bewußt gewesen zu sein. Hieran uns zu erinnern und uns gewissermaßen einen Spiegel vor die Seele zu halten, ist aber kein Tag so geeignet, wie gerade der Bußtag. Wenn indeß Selbste»kenntniß der erste Schritt zur Besserung ist, so muß diese Selbsterkenntniß auch jeden Menschen, dessen Seele noch nicht sür ernste Mahnungen des Gewissens vollends erstorben ist, zu dem Entschlüsse führen, Halt zu machen auf den falschen Wegen, die er eingeschlagen, es besser zu machen, wie bisher. Führt die innere Einkehr, zu welcher uns der Bußtag in so beredter Weise mahnt, auch zu dem festen Entschlüsse der Umkehr, dann klingen die BußtagSglocken, die so dumpf und ernst vom Gotteshause herniederschallen, als wollten sie mit ihrem Rufe das Innerste der Herzen erschüttern, nicht vergebens. Jst'S doch, als wollten sie weit inS Land hinaus aller Welt verkünden: „Auf Buße folgt Gnade!" Bischofswerda, 18. Nov. Am kommenden Bußtage wird in der hiesigen Kirche eine Kollekte für die Gemeindepflege in der Kirchengrmeinde Bischofswerda veranstaltet werden. Durch deren Ertrag soll die Gemeindepflcge in den Stand ge setzt werden, die Pflege sür arme Kranke, Sieche und sonstige Liebeswerke unterstützen zu können. Möchte die diesmalige Kollekte nicht zurückbleiben hinter ihrer Vorgängerin. Es warten schon Viele wieder auf die alte treue Helferin. Bischofswerda, 18. Nov. Ein Gedenktag recht trauriger Art vollzieht sich am nächsten 21. November. Es war Freitags, an einem Bußtage vor 50 Jahren, als in der Nacht vom 20. zum 21. November so gewaltige Schneemassen herrin brachen, daß im Königreich Sachsen viele Menschen leben zu Grunde gingen. Die Mittag'sche Chronik von Bischofswerda (Verlag von Friedrich May) schreibt über dieses Naturereigniß: „Am 21. Nov. wurde die Stadt und fernere Umgegend durch einen furchtbaren Schneefall in ein Sibirien verwandelt. Der Schnee war zu Bergen angewachsen, so daß selbst die ältesten Personen sich ähnlicher Schnee massen nicht erinnern konnten. Alles Fuhrwerk war total gehemmt und selbst die Fußgänger ver mochten nur mit größter Anstrengung sich durch die Schneebarricaden Bahn zu brechen. Die Ge höfte waren fast durchgängig bis über die Parterrefenster mit Schnee angesüllt, und mehrere Tage lang war der Verkehr auf der Eisenbahn gestört und gehemmt. Bei. diesem furchtbaren Schnrrsturme hatten in der Nacht zum 21. Nov. nur allein im KreiSdirectionSbezirke Bautzen mehr denn 20 Personen ihr Leben ringebüßt." V. Bischofswerda. Einen schönen Beweis seines Könnens und Strebens legte am Sonntag unser Turnverein in seinem in allen Thrilen wohl gelungenen 53. Stiftungsfeste ab. Pünktlich l/,8 Uhr, wie angesetzt, erklangen die Töne der hiesigen Stadtkapelle im Saale des Hotels „zur goldenen Sonne", um mit einigen Konzertstücken und einem Liede (Wahlspruch der Deutschen) da» Stiftungsfest zu eröffnen. Der zweite Thetl wurde von turnerischen Aufführungen auSgesüllt. Zuerst turnten 12 Turner unter Leitung Bingen- Heimer und Hentschel eine Gruppe Epreizübungen am Barren, denen Barrengrupprn folgten. Den Schluß drS 2. TheilS bildete rin Reigen, auSge- führt von 12 Turnern und 12 Turnerinnen. Da- farbenprächtige Bild, den dieser Reigen zeigte, war effektvoll, Turner wie Turnerinnen waren L« füchftfche ErMI«. Wett, » gründet in Rational - Farbe, schwarz - roth - weiß, die Turner mit Fahnen, Turnrrfarbe weiß-roth, die Turnerinnen Blumrnbogen tragend, Lande«- sarbe grün und »«iß. Alle Vorführungen vom Stadtmustkchor, sowie von den Barrenturnern und Reigentheilnrhmern ist als wohlgrlungen zu be zeichnen und konnten die Festbesucher, unter denen sich eine große Anzahl Ehrengäste, Gtadträthe und Stadtverordnete befanden, befriedigend den Saal verlassen. Nach dem Liede (Wahlspruch der Deutschen) begrüßte der Vorsitzende Herr Richard Menzel die zahlreich erschienenen Ehrengäste und Frstbesuchrr aufs Herzlichste mit einem „Gut Heil!" Den Ausführungen folgte der Ball, der die Festtheilnehmer, wie immer, bi» zum frühen Morgen zusammenhielt. Alles in Allem können wir dem Verein zu dem gezeigten Erfolge nur Glück wünschen. Möge er aus dem betretenen Wege fortschreiten — mögen sich aber auch die Eltern dem Verein noch wärmer gegenüberstellen und ihre Söhne und Töchter dem Turnen zu führen und nicht vergessen, daß tüchtige Turn vereine diejenigen Kräfte sammeln, pflegen und weiterbildrn, deren unser Vaterland stets bedarf, wenn eS wachsen, blühen und gedeihen soll. „Gut Heil!" Bischofswerda, 18. Nov. Der heutige Viehmarkt war mit 160 Rindern inkl. einigen Kälbern, 47 Läuferschweinen, ^130 Ferkeln und einer Heerde Schweine, Pferden aber nicht betrieben. Beides, der Zutrieb, sowie auch die Kauflust waren etwas geringer denn sonst. Umsogrößer war jedoch diesmal der Vorverkauf. Der nächste Viehmarkt findet am 9. Dezember statt. rro. (Schlafen.) Wir haben jetzt die Zeit, zu welcher man gern lange im Bette liegt, allein alles Langschlafen taugt nichts. DaS Schlafen kommt an Bedeutung gleich nach dem Essen und Trinken. ES ist in erster Linie die Stärkung des Gehirns, welches tagsüber durch Wahrnehmungen, Eindrücke, Denken, GemüthSoffektionen unaufhörlich thätig gewesen ist. Herz, Lunge, Magen, sind auch im Schlafe thätig. Das Gehirn hat die Eigenheit, daß eS auch im Schlafe thätig sein kann. Dann träumen wir. Alles Träumen taugt nichts, weil da da« Gehirn nicht ruht. Nur der feste, unbewußte Schlaf ist nach allen Seiten hin stärkend. DaS Träumen kann entstehen durch zu vollen Magen, durch Nervosität, und durch zu langes Schlafen. Wenn daS Gehirn genügend gestärkt ist, beginnt eS seine Thätigkeit von selbst. Aber diese Thätigkeit im Traume ist eine zügellose, voll der wunderlichsten Kombinationen und ver braucht ebensoviel Kraft, wie die von den An schauungen und von der Vernunft geregelte Thätigkeit im wachen Zustande, ja, vielleicht noch mehr, weil daS Gehirn sich dabei die Vorstellungen selbst herbeischafft, die es wach durch die Ein drücke erhält. Darum stehe man rechtzeitig auf, und nehme, wenn man sonst nicht« anderes vorhat, eine leichte Lieblingsbeschäftigung vor, auch rege man die Körperthätigkeit durch reizlose Getränke und Speisen an, wie Wasser-, Milchsuppe, Ge treidekaffee, Semmel. Wenn man, durch die Bettwärme zur Trägheit angeregt, wieder ein schläft, so kann man sicher sein, daß ein wüstes Traumleben beginnt mit den wunderlichsten Vor stellungssprüngen, man wird vor Ermattung nicht fertig mit Schlafen und steht müder auf, wie vorher. Für den erwachsenen Menschen ist eS besser, den Schlaf mehr abzukürzen, als ihn zu verlängern. Je weniger man schläft, desto größer wird daS Schlofbedürfniß und desto weniger träumt man. Zurrst muß aller Tagesschlaf Weg fällen. Wer Mittags schon ein bis zwei Stunden schläft, dem fehlt daS Schlafbedürfniß Abends. Damit ist nur die Gewöhnung gemeint. In Aus nahmen, wie z. B. beim Nachholen von ver absäumtem Nachtschlaf, kann das Mittagsschläfchen sehr oothwendig werden. Mit acht Stunden hat ein erwachsener Mensch genügend auSgeschlafen. Friedrich der Große reducirte seine Schlafzrit auf vier Stunden und befahl dem Kammerdiener, ihn aus dem Bett zu werfen, wenn er nicht ausstehrn wollte. Er hat sich ganz wohl dabei befunden, aber Zeit zum Träumen hat er wahrscheinlich nicht gehabt. Sehr viel veranlassen die dicken, warmen, lustabschlirßenden Federbetten zum langen Schlafen. Die Zeit de« Schlafen» ist durchaus nicht glrichgiltig. Da» erkennt man daran, daß sich der Körper genau an eine solche Zeit gewöhnt. Geht man sür gewöhnlich zu einer bestimmte« Stunde schlafen, so kann man in Ausnahme-Fällen machen, wa» man will, der Schlaf kommt nicht eher, wenn man sich auch zeitiger schlafen legt. Ist man da« Aufstehrn zu einer bestimmten Zeit gewöhnt, so wacht man zur Minute auf, man mag ganz gegen die Regel noch so spät schlafen ge gangen sein. Man erkennt, der Körper verlangt LAG». eine bestimmt« Zeit und Regelmäßigkeit zur Ruhe. Im Allgemeinen achte »an stet» auf einen festen, bewußtlosen Schlaf, er kann auch kurz sein! — Die Wildsaison steht jetzt auf der Höhe, da mit Mitt« November auch die Jagd auf KramutttSvögrl oder Ziemer, die nebst dem weib lichen Rehwild und den Rebhühnern die längste Schonzeit genießen, beginnt und nunmehr alle Sorten drS Haar- und Federwildes abgrschoffen werden dürfen. In kurzer Zeit jedoch schon wird diese volle Jagdberechtigung aus sämmtliche Wild arten wieder eine Einschränkung erfahren, indem vom 1. Dezember ab sowohl in Sachsen, al» in allen Provinzen Preußen» die Rebhühner nicht mehr erlegt werden dürfen und am 16. Dezember auch da» weibliche Rehwild oui'S Neue in die Schonzeit tritt. — Einen bemerkenSwerthea Vorschlag macht vr. Pause in der neuesten Nummer der Deutsch, med. Wochenschrift. Die Schulbehörden sollten dahin wirken, daß den Knaben und Mädchen die elementarsten Grundlehrrn der Gesundheitspflege beigebracht würden. Da» Richtige wäre, wenn den Kindern vom zwölften Jahre an rin Unterricht in hygieinischen Dingen ertheilt würde; alS^Lehrrr sollen Aerzte in Betracht kommen. Eine geringe Anzahl von Stunden im Jahre würde schon aus« reiche», um den Kindern gewisse wichtige Grund sätze beizubringen. — Verboten sind folgende Glücks spiele: 1. DaS „Tempeln", auch „Pharaospiel" genannt, 2. „Vingt et un" oder „17 und 4", 3. „Die lustige Sieben", 4. Die „Lotterie", 5. DaS „Pokern" oder „Okern", 6. DaS „Mauscheln" oder „Vierblatt", 7. DaS „Tippen" (daS sächsische Ober landesgericht hat hierzu erkannt, daß die beiden letztgenannten Spiele auch dann als Glücksspiele anzusehen seien, wenn sie nicht unter besonders verschärften Regeln gespielt werden!), 8. „Napoleon und sein Sohn", 9. DaS „Kümmrlblättchen", auch „Dreiblatt" genannt, 10. „Baccarat", 11. „Macao". — Die Protestbewegung gegen Chamber lains Schmähung der deutschen Krieger von 1870/71 greift in Sachsen immer weiter um sich. So sind für die nächsten Tage Protestversamm lungen von dem Bezirk Meißen des sächsischen Militärvereinsbundes, von der „Freien Bereinigung Kampfgenossen 1870/71 für Riesa und Umgegend" und von dem Militärverein „Kameradschaft" in Annaberg einberuien worden. — (Aus Buchdruckerkreisen.) Der Ver band der deutschen Buchdruckergehilfen hatte am Schluffe des dritten Quartals 31,363 steuernde Mitglieder (davon über 2500 in Leipzig) und verfügte über einen Kassenbestand von 3,120,898 Mark. Die Gesammteinnahmen bezifferten sich im dritten Quartal einschließlich des vorhanden ge wesenen Kassenbestandes von 3,202,923 Mark auf 3,697,234 Mark und die Gesammtausgaben, darunter 384,427 Mk. für Unterstützungen usw., auf 576,336 Mark. Umschau in der sächs.-preuß. Lausitz und dem Meißner Hochland, 18. November. Durch Feuer wurden vernichtet: Die Stallgr- bäude des GasthofSbcsitzerS Braulich in Baruth; die alte Brauerei des Rittergutsbesitzers Schöne in Kleinförstchen. — Der 18jährige Drainier arbeiter Chrystoph auS Oderwitz fiel in Gabel von der Treppe und beschädigte sich so, daß er bald darauf starb. — Schwer verletzt wurde die 5jähr. Krause in Lichtenberg durch rin Scheunrnthor. — Tischlermeister Eckart auS Kamenz hat sich durch Sturz in einen Steinbruch bei HäSlich schwer verletzt. — DaS 50jähr. Ehejubiläum feierten die Herren: GutSbes. Treuster tu Zittrl b. Zittau; Weber Zosel in Leutersdorf und Weber Kutschke in Schönberg bei Cunewalde. — Da» 50« und 60jähr. Bürgerjubiläum begingen die Herren Tischlermeister Imhof in Meißen und der 86jähr. rüstige Schuhmachrrmeister Kunath in Zittau; auch in Bautzen feierte Herr Hausbesitzer und Webermeister Gottwald da» 50jähr. Bürger jubiläum. — In HainSberg wurde die neue Kirche, in Uhyst an der Spree die neue Schule ringrweiht. — 23 evangel. wendische Parochiea der SSchs. Oberlausitz haben für evangel. Heiden mission vom 1. August 1890 bi» 31. Juli 1801 6598,64 Mk. zusammengrbracht. — In Zittau sind wieder einmal Mormonenapostel ausgetreten. — Da» Marttnstift für Blöde in Sohland am Rothstein hatte im vergangenen Jahre ttne Ein nahme von 20,809 und Ausgabe von 18,879 Mark. — In Weihwasser und Umgegend will man für Herstellung einer Bahn von dort nach Bautzen wirke« und eintreten. — Auf de« Soritzer Reviere wurde eine wild« Sau erlegt, die jeden falls au» der MuSkauer Haide herübergrkommen ist. -f* Demitz-Thumitz, IS. November. Der hiesige Mänarrgesangverein feier« unter großer