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zs IIS taris nicht gewährten. Nun bei drn hoch geschraubten Ansprüchen und der dabei schon oft bekundeten Hartnäckigkeit in drn Kreisen des Bundes der Land- wirthe, der sich in seinen politischen und Wirth« schaftlichen Anschauungen mit denjenigen der Consrrvattven deckt, wäre rS schon möglich, daß der vom Centralverband der Industriellen ange bahnte VerständigungSversuch abgrlrhnt wird, dann wäre aber auch die Reform des Zolltarifs im Sinne der Conservativen unmöglich. Daraus «rgirbt sich die weitere Folge, daß der Zolltarif entweder mit einer mäßigen Erhöhung der Getreide- und Jndustriezölle, für die auch die National liberalen und die Centrumspartei zu haben sind, bewilligt oder bei dem Festhalten am Doppeltarif und über die Vorlage hinauSgrhenden agrarischen Zollfordrrungen abgrlehnt wird. Den ersteren Fall halten wir aber für den wahrscheinlichen, denn wenn die Nationalliberalen, die CentrumS« Partei und ein Theil der gemäßigten Conservativen, die ja alle mehr einen vermittelnden Standpunkt in den Zollfragen einnrhmen, für den neuen Zoll tarif mit den einfachen Zollerhöhungen stimmen, so kann er sehr wohl auch eine Mehrheit im Reichstage erlangen. Und die Regierung muß sobald als möglich in den Besitz einer positiven Abstimmung über den Zolltarif gesetzt werden, damit sie eine BerhandelungSgrundlage bei dem Abschluß neuer Handelsverträge hat. Uns scheint auch die in der erwähnten Richtung mögliche Ver ständigung am meisten den derzeitigen Wünschen deS deutschen Volkes zu entsprechen, denn das muß schon allen Vertretern der Landwirthschast gesagt werden, daß die maßgebende Mehrheit des deutschen Volkes, also außer den Landwirthen auch die Industriellen und Gewerbetreibenden, ferner auch die meisten Kaufleute, Beamten u. s. w. der Hebung der Wohlfahrt in landwirthschaftlichen Kreisen entschieden wohlwollend gegenüberstehen und auch eine weitere maßvolle Erhöhung der Getreidezölle deshalb gewähren, aber die Handels politik in einem so großen Reiche, wie eS das deutsche geworden ist, und wo die größere Hälfte der Bevölkerung von der Industrie, dem Handel und den Gewerben lebt, kann nicht nur lediglich von dem Standpunkte landwirthschaftlicher Forde rungen ausgemacht oder einseitig beeinflußt werden. Mag Gott geben, daß sich in diesem Sinne die widerstrebenden Geister in Deutschland bald klären und wir der Welt nicht mehr lange das Schauspiel der wirthschaftlichen Uneinigkeit geben! Politische Weltschau. Der Kaiser hat seinen Jagdausenthalt in Rom inten nochmal« um einige Tage ver längert, infolgedessen sich auch seine Ankunft in Schloß Hubertusstock bis auf Weiteres noch ver zögert. Die Kaiserin wird, entgegengesetzt den bisherigen Dispositionen, den bevorstehenden Aufenthalt deS Kaisers in Hubertusstock nicht theilen, da sich die hohe Frau durch ihre jüngste Unpäßlichkeit noch zur Schonung genüthigt steht. Die Wiedereinstellung zahlreicher Offiziere des ostasiatischen Expeditions korps in die Armee ist vom Kaiser verfügt worden. Der gewesene Oberbefehlshaber des Expeditionskorps, Generalleutnant v. Lessek, wurde einstweilen bet den Offizieren der Armee ein gestellt. In den Kreisen unserer Chinakrieger wird man das ihnen dergestalt bewiesene Wohlwollen des obersten Kriegsherrn gewiß nur mit freudiger Genugthuung empfinden! Die österreichische Institution der „Lands - mann"-Minister ist auch für Deutschland in einer Resolution, welche eine in Corbach statt gefundene Versammlung des Bundes der Land- wirthe annahm, gefordert worden. Die Resolution beruft sich darauf, daß der preußische Handels - Minister Möller durch mehrere Reden neuer dings die Funktion eines „Landsmann"-Ministers ausgeübt habe, und zwar eines solchen der rheinisch.westfälischen Exportindustrie, und verlangt demzufolge, daß dem preußischen Landwirth- schastSmtnister v. PodbtelSki gestattet werde, ebenfalls in der Eigenschaft eines „Landsmann".MinisterS die Interessen der deutschen Landwirthschast beim neuen Zolltarif zu vertreten. — Dieser Wunsch eines „LandSmann'-MinisterS für die drutiche Landwirthschast, zu welchem also Herr v. PodbielSki von Seiten des Bundes der Landwirthe ausersehen ist, ist anscheinend ganz ernsthaft gemeint, er soll nach der gefaßten Reso lution dem Reichskanzler Grafen Bülow vorge tragen werden. Man darf einigermaßen gespannt darauf sein, wie sich der leitende Staatsmann zu . dem Vorschläge, auch in Deutschland „ Landsmann"- Ministerien einzuführen, stellen wird. Der sächsische Erzähler. Sette ». In der baierischen Abgeordnetenkammer haben anläßlich der daselbst vom Crntrum an die Regierung gestellten Anfrage, welche« ihre Stellung, nähme gegenüber dem neuen Zolltarif entwurf sei, mehrtägige lebhafte zoll- und handelspolitische Debatten stattgefunden. Regie rungsseitig wurden hierbei wiederholte Erklärungen abgegeben, wonach die baierische Staatsregierung für einen erhöhten Zollschutz der Landwirthschast eintritt, jedoch zugleich die Interessen der Konsu menten und Exportindustrie berücksichtigt wissen will. In diesem Sinne ließ sich namentlich Ministerpräsident v. Crailsheim auch in der Freitags - Diskussion wiederum vernehmen, hierbei betonend, wie unser gesammtrS StaatSlrbrn mit dem Gedeihen der Industrie eng verknüpft sei. Im Uebrigen war Herr v. Crailsheim bemüht, nachzuweisen, daß speziell die Arbeiterschaft von einer Erhöhung der Getreidezölle keine Beein trächtigung ihrer wirthschaftlichen Interessen zu befürchten brauche. Zu Gunsten der Getreidezoll erhöhung sprachen sich aus dem Hause die Redner des CentrumS, deS Bauernbundes und thrilweise auch der Liberalen aus, während von sozial demokratischer Seite diese Zollpläne entschieden be kämpft wurden. Ueber die Ergebnisse der am 4. Oktober voll zogenen Urwahlen zum badischen Land tage lagen bis zum 5. Oktober Mittags nach Auswärts nur sehr dürftige Meldungen vor. Aus ihnen erhellte aber doch vor Allem die bemerkens- werthe Thatsache, daß der hitzige Kampf um die Landtagsmandate der Hauptstadt Karlsruhe mit dem Siege der vereinigten Nationalliberalen und Freisinnigen geendet hat. Wie auS Karlsruhe ge meldet wird, führte die Wahlmäaner-Wahl daselbst zum Siege der Liste der genannten Parteien über diejenige der anderen Parteien. Das Gesammtergebniß der ungarischen Reichstagswahlen ist nunmehr annähernd bekannt. Es sind gewählt worden 254 Liberale, 20 Mitglieder der katholischen Volkspartei, 72 Anhänger der Kossuth-Fraktion, 19 Mitglieder der die äußerste Linke repräsentirenden Fraktion Ugron, 11 Parteilose, 5 Vertreter der Nationalitäten, 1 Demokrat, außerdem sind 21 Stichwahlen nöthig. Bei dieser Zusammenstellung fehlten nur noch 17 Wahlen, abgesehen davon, daß in zwei Wahlkreisen die Wahlen wegen der vorgekommenen Unruhen sistirt werden mußten. Nach diesem vorläufigen Ergebniß ist es allerdings noch etwas fraglich, ob die liberale Partei im neuen Abgeordneten hause eine 2/g-Mehrheit erlangen wird, wie man in den Pester RegierungSkceisen hofft. In Wien hat am Freitag eine einstündige Begegnung des Kaisers Franz Josef mit dem König von Rumänien anläßlich der Durchreise des letzteren durch die österreichische Hauptstadt stattgcfunden. Noch am gleichen Tage empfing der König den österreichisch-ungarischen Minister des Aeußeren, Grafen GoluchowSki, in einstündiger Audienz und hierauf auch den rumänischen Gesandten am Wiener Hofe, Ghika; Abends reiste der König nach Pest weiter. Offen bar kommt dieser jüngsten Zusammenkunft zwischen Kaiser Franz Josef mit König Carol und dem nachgefolgten Empfange des verantwortlichen Leiters der auswärtigen Angelegenheiten Oester- reich-UngarnS feilens deS rumänischen Herrschers eine besondere politische Bedeutung zu, namentlich, wenn man die zeitliche Dauer der beiden Ereignisse berücksichtigt. Die Landtage von Tirol, Dalmatien, Goerz, Gradiska und Istrien sind wegen Beendigung ihrer Legislaturperiode aufgelöst worden. Die Neuwahlen sollen noch im laufen den Jahre stattfinden. — Der Wahlaufruf des feudalen Großgrundbesitzes Böhmens ist erschienen; er spricht sich in seinem Kernpunkte gegen alle einseitigen nationalen Bestrebungen aus. Aus dem hie und da prophezeihten großen „Kulturkampf" in Frankreich anläßlich des neuen OrdenSgesetzeS wird wohl nichts werden. Freitag Mitternacht war die Frist der den religiösen Ordensgesellschaften gestellten Frist zur Einreichung ihrer Genehmigungsgesuche abge- laufen, am 12. Oktober soll dann das gerichtliche Einschreiten gegen diejenigen Congregationen be ginnen, die sich dem neuen Gesetz nicht unter worfen haben. Es wird indessen hierzu auS Paris gemeldet, daß strafrechtliche Verfolgungen der reli giösen Gesellschaften nicht stattfinden dürften, da diejenigen Congregationen, welche noch um keine Genehmigung nachgesucht hätten, anscheinend ent schlossen seien, sich entweder aufzulösen oder Frank reich zu verlassen. Der Bergarbetter-AuSstand in Belgien nimmt allmählich einen gewaltthättarn Charakter an. In mehreren Ortschaften der Umgegend von «SOI. Lüttich kam e» zu Zusammenstößen zwischen der TenSdarmerie und ausständigen Bergleuten, her vorgerufen durch da« Verhalten der letzteren. Die Menge bewarf die TenSdarmen mit Steinen; «S erfolgten mehrere Verhaftungen. Ein Haager Telegramm des „Petit Bleu" in Brüssel bezeichnet das Gerücht, Präsident Krüger wolle durch eine Abordnung an den Präsidenten Roosevelt denselben um seine Ver mittelung im südafrikanischen Kriege angehen, al- unbegründet. Dagegen theilt das Telegramm mit, e« sei an Roosevelt rin amtlicher Protest von burischer Seite gegen die Ausfuhr von Pferden und Maulthieren au« der Union nach Südafrika gerichtet worden. Dir in verschiedenen Blättern verbreiteten allarmirenden Gerüchte über eine angebliche schwere Erkrankung des Königs Eduard von England erweisen sich als unbegründet. König Eduard, der zur Zeit mit seiner Gemahlin in Balmoral, dem schottischen LieblingSsttze der verstorbenen Königin Viktoria, weilte, leidet nach dem „Aberdeen Evening Expreß" lediglich an rheumatischem Lendenschmerz, doch wird in seiner Umgebung das Uebel nicht als ernst angesehen. Im Gegentheil ist der König von seinem Unwohl sein beinahe wiederhergestellt; am Freitag Nach mittag konnte er, begleitet von der Königin, bereit« wieder eine Ausfahrt unternehmen. In London soll man auf einen plötzlichen Zusammenbruch des Widerstandes der Buren rechnen und daher beabsichtigen, keine weiteren Verstärkungen nach Südafrika zu senden, abgesehen von den nöthigen Ersatztruppen. Offen bar denken aber die Buren noch lange nicht daran, die Flinte ins Korn zu werfen, sonst würden sie doch schwerlich zu der kräftigen Offensive an den Grenzen deS ZululandeS übergegangen sein. In der Nähe von Helpmakaar in Natal fand ein Ge fecht zwischen 150 Buren und Natalfreiwilligen statt; über dessen Ausgang wird noch nichts Be- stimmteres gemeldet. Eine „Reuter"-Depesche be richtet von einem Angriffe einer 200 Mann starken Burenabtheilung auf die von Eingeborenen ver- theidigte Missionsanstalt Bethsabella bei Middel burg im östlichsten Transvaal. Die Ankunft eng lischer Truppen veranlaßte die Angreifer angeblich zum Rückzüge. In der Capkolonie dringt der unternehmende Burensührer SmutS eiligst nach Süden vor, wahrscheinlich um sich mit Scheepers zu vereinigen. Auch die Burenkommandos im Bezirke von Cilvinia, im Nordwesten der Cap kolonie, die zum Theil auS Caprebellen bestehen, rücken fortgesetzt südwärts vor. Greiz, 3. Oktbr. An der nächsten Mittwoch findet in der Stabtkirche hier das Missionsfest deS hierländischen Missionsvereins statt, wobei die Festpredigt unser früherer erster Geistlicher, Herr Konsistorialrath Freiherr von der Trenck, jetzt Pfarrer in Oberneukirch in Sachsen, halten wird. Berlin, 5. Oktbr. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Ueber die Vorgänge an Bord deS kleinen Kreuzers „Gazelle", sowie über den Stand der Untersuchung, die durch das Kommando des 1. Geschwaders in Kiel geführt wird, kann jetzt amtlich Folgendes bekannt gegeben werden: Die Untersuchung ist eingeleitet wegen Abhanden kommens von Geschütztheilen, und zwar von zwei Maschinenkanonen-Schulterstücken, zwei Schlag bolzen, eines Abzugstockes für Schnellladekanonen, sowie wegen Anbringung eines Drohzettels. Die That dürfte von Jemandem begangen sein, der den Verschluß der Schnellladekanonen genau kennt. In Untersuchung befindet sich allein der Obermatrose Weiß. Dieser war einige Tage vorher bei einem der in Betracht kommenden Geschütze als Nr. 1 wegen schlechten Zielens abgelöst worden und ihm die Geschützsührerzulage genommen worden. Die Enthebung deS Korvettenkapitäns Neitzke als Kommandant deS Kreuzers „Medusa" bezw. des Kreuzers „Amazone" ist lediglich auf seine eigene Bitte erfolgt. Neitzke ist thatsächlich erkrankt, und ist ihm aus diesem Grunde ein sechswöchiger Urlaub bewilligt worden. Köln, 5. Oktober. Auf dar Huldigungs telegramm an den Kaiser wurde der 54. Haupt versammlung deS evangelischen Vereins der Gustav Adolf-Stiftung nachstehende Antwort zu theil: „Se. Maj. der Kaiser und König haben den theil- nahmSvollen HuldigungSgruß der Hauptversamm lung de» evangelischen Verein« der Gustav Adolf- Stiftung gern entgegen genommen. Se. Majestät lassen vielmals danken und geben der Haupt versammlung allerhöchst Ihr fortgesetzte» Jntereffe an der segensreichen Arbeit der Gustav Adolf- Stiftung zu erkennen." Auf allerhöchsten Befehl i gez. v. LucanuS. . > _