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Anlage zu Ar. 56 des sächsischen Lrzählers. Bischofswerda, den 14. Mat 1001. Rede des Reichstagsabgeordn. Heinr. Gräfe zum Weingesetz in der Sitzung des Reichstages vom 8 Mai. (Nach dem stenogr. Berichts Gräfe, Abgeordneter: Meine Herren, ich meine, r» geht un» mit diesem Weingesetz genau so, wie e» uns mit jedem anderen Gesetz ergeht: wir sind nicht in der Loge, etwa» Vollkommene» zu schaffen. Wir machen aber ja auch nirgend» Gesetze auf dir Ewigkeit. Genau wie wir da» erste Weingesetz 9 Jahr« in seiner Wirkung auSprobirt haben, wird sich auch von diesem Gesetz zeigen, ob es den berechtigten Ansprüchen der reellen Winzerschast und de» reellen Weinhandrl« genügt, oder wo wir in Zukunft von Neuem mit der Gesetzgebung aus diesem Gebiete einzusetzen haben. Meine Herren, ich kann offen gestehen, bah ich meinerseits diesem Gesetz, wie r» uns heute vorliegt, und wie wir rS beschließen werden, nicht so pessimistisch gegen überstehe, wie die« von verschiedenen Seiten hier zum Ausdruck gekommen ist. Für mich ist das Verbot des KunstweinS ein erfolgreicher, bedeut samer Schritt aus dem Wege der Weingesetzgebung, und ich bin der Ansicht, daß durch die zeitliche wie räumliche Beschränkung des Verzuckerns die Erwartungen nicht erfüllt worden wären, die man an diese Bestimmungen geknüpft hatte. Ich bin vielmehr der Ueberzeugung, daß daS Verbot der Maischezuckerung bei Weißwein uns nach dieser Richtung hin viel mehr Nutzen bringen wird; denn wenn die Maischrzuckerung verboten wird, wodurch hauptsächlich die ungemessene Permehrung des WeinS möglich war, wird dadurch wirksam eine Grenze der Verwässerung und Verlängerung des Wein» gezogen. Es wird nicht mehr möglich sein, Troubensast so zu verwässern und zu vermehren, wie dies bisher vielfach geschah, und daß ein solches Produkt noch als Wein verkauft werden kann. Dieses Produkt wird die Grenzzahlen nicht mehr innehalten; eS wird auch nicht mehr als Wein in den Handel gebracht werden können. Ich meine deshalb, daß daS Verbot der Maische zuckerung eine viel positivere Errungenschaft ist, als wenn die räumliche und zeitliche Beschränkung Gesetzeskraft erhalten hätte. (Sehr wahr!) Wäre dieses Verbot der Maischezuckerung nicht gekommen, so hätten wir eine große Hinterthür für die Fabrikation von Tresterweinen offen ge lassen; und daß dies verhindert worden ist, möchte ich mit besonderer Freude begrüßen. Meine Herren, gleichzeitig möchte ich aber meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß neben diesen beiden Punkten noch ein dritter vor handen war, dem die verbündeten Regierungen nicht zustimmen konnten: ich meine daS Verbot des Ver schnitte» von Rothwein mit Weißwein. Mit außer ordentlichem Bedauern, muß ich sagen, mußten eS diejenigen Mitglieder der Kommission, die auf dem Boden de» Schutze» der nationalen Produktion stehen, auch bei diesem Gesetze wahrnehmen, daß uns die bestehenden Handelsverträge im Wege stehen, erfolgreich Gesetze zu machen zum Schutze der nationalen Arbeit. Meine Herren, wie wir hier die deutschen Rothweinbauern den Interessen des Auslandes opfern müssen, dank dieser schlechten Handelsverträge, mußten wir bereit- unsere Schäl waldbauern opfern dem verkrachten Argentinien zu Liebe und zu Liebe den wenigen Quebrachoholz- grrbereien. — Ich will hiermit der Hoffnung Ausdruck geben, daß es gelingen wird, beim Zoll tarif Wandel zu schaffen und deutsche Arbeit zu schützen auf allen Gebieten. Meine Herren, wie oft ist eS un» schon passirt bei den verschiedensten Gesetzentwürfen, daß wir stehen bleiben mußten, weil die gegenwärtigen Be stimmungen der HandrlSgrsrtzgebung uns entgegen standen , sodaß wir uns vielleicht nicht wundern würden, wenn bei dem nächsten Gegenstand der Tagesordnung, dem Diätenantrag, ein Vertreter der verbündeten Regierungen uns erklären würde: wir können Ihrem Anträge nicht zustimmen, weil der Bewilligung der Diäten die Bestimmungen der Handelsverträge rntgegenstrhen. (Oh! Oh! link«. - Heiterkeit.) Meine Herren, wenn man beziehentlich des deutschen Rothwein» behauptet hat, er entspräche nicht dem deutschen Grschmacke, er wäre in Mittel und Norddeutschland nicht einführbar, weil ihn die Konsumenten nicht trinken wollten, so behaupte ich demgegenüber, «S liegt das lediglich an dem verdorbenen norddeutschen Geschmack, der groß gezogen worden ist durch die Weinpantscherei, durch die Wrinfälschungen die allerdings noch bi« in dir letzte Zeit hinein bis inS Ungemessene gegangen sind. Ich habe auS eigener praktischer Erfahrung die Ueberzrugung gewonnen, daß eS leicht möglich ist, Leute mit so verdorbenem Geschmack an Natur wein zu gewöhnen, daß sie dann überhaupt keinen anderen als solchen mehr trinken wollen. Wenn da mit Belehrung praktisch vorgegangen würde, so behaupte ich, würden unsere Rothweine guten und ausgiebigen Absatz im deutschen Vaterlande finden, und wir könnten diesem nothleidenden Br- standtheil unserer Bevölkerung Hilfe und Rettung bringen. Meine Herren, unser deutsches Volk würde sich noch viel mehr an unseren deutschen Natur- rothwein gewöhnen, wenn in weiteren Kreisen be kannt würde, was uns in der Kommission bekannt geworden ist, in welch schmählicher Weise die importirten französischen und italienischen Rothweine in nnsrren Seehäfen behandelt werden, und was wir nach Deutschland als Bordeauxweine herein- bekommkii. (Sehr wahr!) Meine Herren, wenn man nun auch seitens deS reellen Weinhändlerstandes sich bis heute so energisch gegen die Kontrolparagraphen wehrt und gewehrt hat, so kann man das meiner Ansicht nach sehr leicht begreiflich finden. ES ist eine eingreifende Neuerung in alle jene Betriebe. Ich meine aber, der reelle Weinhändler kann sich damit trösten, daß der Winzer und Weinhändler gemein- sam kontrolirt werden, und der verständige Mensch und auch der verständige Weinhändler muß sich sagen, daß, wenn man die Konsequenzen eines derartigen Gesetzes ziehen will, entschieden auch Kontrolmaßregeln vorhanden sein müssen, durch welche das Gesetz meiner Ansicht nach erst durch geführt und auSgrführt werden kann. Wenn man immer wieder sagt, e» deckt sich da» nicht mit den ähnlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung, so behaupte ich doch, das Aufhängen gewisser Bestimmungen der Gewerbeordnung in Fabrik räumen, wie daS Aushängen der Bäckereiverordnung in den Bäckereien, ist genau dasselbe. Meine Herren, ich glaube nicht daran, wenn auch Fälle Vorkommen können, daß die Denunziation groß gezogen werden wird. Der reelle Mann hat die Kontrole nicht zu fürchten; im Gegentheil, unsere reellen Weinhändler werden — so hoffe ich — recht bald zu der Ueberzeugung kommen, daß die Kontrole, welche wir vorgesehen haben, lediglich zum Schutze des reellen WeinhändlerthumS ge schaffen worden ist, und die Beschlüsse der Kom mission bieten volle Gewähr gegen polizeiliche Chikanen. Meine Herren, wir stimmen dem Gesetze zu; wir begrüßen cs als einen großen, bedeutenden Fortschritt auf dem eingeschlagenen Wege und hoffen mit allen denjenigen Herren Kollegen, welche an diesem Gesetz mit gearbeitet haben und heute für dasselbe stimmen werden, daß dieses Gesetz unserem deutschen Wein zu seinem materiellen und ideellen Rechte wieder verhelfen wird, und daß unsere Nachkommen noch werden singen können: „Zwischen Frankreich und dem Böhmerwald, da wachsen unsere Reben", daß sie nicht singen müssen: dort blühen unsere Weinfabriken. (Heiterkeit und Bravo!) Sachsen. Bischofswerda, 13. Mai 1901. — Ansichtskarten mit Verzierungen nsw. aus Mineralstaub, Glassplittern, Glaskügelchen, Sand, Metalltheilchen und dergleichen sind vom 1. Juli ab wegen der Nachtheile, welche durch Abfallen von Mineraltheilen usw. für die Gesund heit der Beamten und für den Postbetrirb ent stehen, von der offenen Versendung ausgeschlossen. Da- Gleiche gilt für den Verkehr mit der Schweiz; im übrigen Weltpostverein-Verkehr waren solche Karten schon seither unstatthaft. — Der Rhabarber sollte bei unS weit mehr genossen werden, al» eS bislang der Fall ist. Noch immer wird die Rhabarberpflanze, die ein so herrliche- Compot liefert, bei uns in Deutschland nicht genug gewürdigt. Und doch ist der Rhabarber so überaus schätzenSwerth; einmal j seine» erfrischenden aromatischen Geschmackes wegen, I sodann weil er zu einer Zeit im Jahre am besten I ist, in welcher die frischen Früchte mangeln. Die Engländer und Amerikaner haben den Werth dieser Pflanze lange vor unS erkannt. Von ihnen ist ihr Gebrauch erst zu unS gekommen. Die Koch kunst verwendet nur die zarten Blattstiele der Pflanze jetzt im Frühjahre. — Bäderschnellzug Dresden —Teplitz — Karlsbad. Der gewöhnlich schon in der zweiten Hälfte des Monat» April sich wieder ent wickelnde Besuch der böhmischen Bäder, namentlich Karlsbads, hat die sächsischen Staatsbahnen im Verein mit den österreichischen Anschlußbahnen veranlaßt, den bekannten Bäderschnellzug (V-Zug) Dresden—Teplitz- Karlsbad auch in diesem Jahre bereits vom 1. Mai ab verkehren zu lassen. Dieser Zug hat folgende Verkehrszeiten: Nach Ein treffen der Anschlußzüge 8.00 Vorm. ab Berlin und 9.15 Vorm. ab Leipzig erfolgt die Abfahrt von Dresden (Hauptbahnhos) 11.50 Vorm. und die Ankunft in Teplitz 2.00 Nachm., in Karlsbad (über Komotau) 4.39 Nachm. Der Schnellzug führt durchlaufende Wagen I. bis III. Klosse von Berlin und Dresden (Hauptbahnhos), sowie einen Speisewagen von Dresden (tzaupttahnhof) nach Teplitz und Karlsbad. Der überall eine so herrliche Entfaltung zeigenden Baumblüthe wurde in Pirna durch ein Schloßenwetter übel mitgespielt. Die vielfach die Größe von Haselnüssen zeigenden Eisstückchen prasselten in solcher Fülle hernieder, daß sie in Höfen u. s. w. mit der Schaufel entfernt werden mußten. Meißen, 10. Mai. AIS der Kahn der Ge brüder Zettwitz in Meißen thalwärtS fuhr, gerieth er in der Nähe der Karpfenschänke durch die Kraft des Wellenschlags des ihm entgegenkommenden Dampfers „Agnes" aus Grund. Die Mannschaft konnte nur ihr Leben retten. Bon dem Kahne ragt bloS ein Stück des Mastes hervor. Die Ladung bestand auS 10,000 Stück Ziegelsteinen von der Firma Otto L Schlosser. Borna, 10. Mai. Auf dem hiesigen „Wilhelm- schacht" ist gestern früh gegen 4 Uhr der 33 Jahre alte, in Neukirchen wohnhafte Bergarbeiter Herm. Scheibe durch hereinbrechende Kohle verschüttet und sofort getödtet worden. Leipzig, 9. Mai. Nach einer packenden, von wiederholtem Beifall unterbrochenen Rede des Superintendenten Wegner-Berlin nahm gestern eine vom Zweigverein Leipzig des Evangelischen Bundes berufene, von tausend Personen aller Stände besuchte Versammlung eine Resolution gegen den Toleranzantrag des Centrums an, in welcher erklärt wird, daß „die Annahme dieses Antrages eine Aushebung wichtiger staatlicher Aussichtsrechte in sich schließt, daß er eine von den intolerantesten Lehren und Grundsätzen durch drungene römische Propaganda und jesuitische Agitation frei gewähren lassen und eine verhäng- nißvolle Gefährdung des konfessionellen Friedens herbeiführen würde", weshalb die Versammlung an den Reichstag die Bitte richtet, den Antrag abzulehnen. Kändler bei Limbach, 8. Mai. Eine besondere Ehrung wurde dem hier wohnhaften Strumpfwirker Bretschneider zu theil, indem ihm ein großes Bild von König Albert mit eigenhän diger Unterschrift zugesandt wurde. Diese Aus zeichnung hat ihren Grund in dem Umstande, daß sieben Söhne BretschneiderS Soldat gewesen sind und er selbst beim Leib-Grenadier-Regiment ge dient hat. Oederan. In unmittelbarer Nähe deS Bahn hofs Falkenau wurden zwei aus der Strecke gehende Bahnarbeiter von zwei sich kreuzenden Zügen überrascht, wobei der 26jähr. Streckenarbeiter Paul Riegel aus Schönerstadt überfahren wurde; dem Unglücklichen war der Kopf völlig vom Rumpfe getrennt worden. Sein Gefährte kam mit dem Schrecken davon. Riegel war verheirathet und Vater von zwei Kindern. Augustusburg, 10. Mai. Die Kosten für unsere neue Hochdruckwasserleitung von Börnichen werden rund 100,000 Mark betragen und find durch eine Anleihe von der LandeSversicheruugS- anstalt für da» Königreich Sachsen beschafft worden. Die Jagd in Augustusburg, die bisher für 60 Mark an einen dortigen Einwohner verpachtet war, wurde jetzt für 650 Mark verpachtet. In Zwickau haben die Schiebstand, und Schießhallrnbauten für da» Mitteldeutsche BundeS- schießen begonnen; e» werden 16 Feldstandschriben, 16 Standscheibrn, je 1 Wildstand- und Hasen scheibe und 5 Pistolrnscheibrn ausgestellt.