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AG Die Verbindung des Deutschen Reiches durch die deutsch-feindlichen Parteien , in Oesterreich. Dir Debatten über die Haltung und Erklärung des österreichischen Thronfolgers, des Erzherzogs Franz Ferdinand, im österreichischen Abgeordneten hause haben dem Jungczechen Kramartsch Ver anlassung gegeben, in geradezu frivoler Weise dir Stellung Deutschlands im Dreibunde und auch in Bezug auf die inneren Streitigkeiten io Oester reich zu verleumden oder doch kompromittiren zu wollen. Nach dem Abgeordneten Kramartsch und seinen Parteigenossen im czechischen, polnischen und flovenischen Lager hat Deutschland vom Dreibunde, bez. vom Bunde mit Oesterreich Alles, was es wünscht, während das deutsche Reich ohne daS Bündniß mit Oesterreich der „isolierteste", soll wohl heißen der gefährdeste Staat in Europa sei. Wer giebt dem Abgeordneten Kramartsch daS moralische Recht, eine solche freche Anzapfung gegenüber Deutschland los zu lassen? Ist es nicht weltbekannt, daß Deutschland und Oesterreich- Ungarn in Europa die gemeinsamen Interessen des Frieden-, der Konsolidation und der Erhaltung des Bestehenden in ihrem Bündnisse haben, und hat diese weise Politik nicht auch Oesterreich einen langen Frieden gebracht! Wahrhaftig, wenn eS nach dem blinden Deutschenhasse der Czechrn, Polen und Slovenen ginge, so könnten sich die europä ischen Völker schon längst wegen der angeblichen, aber erfundenen Bedrückung Europa« durch Deutschland in ihrem Blute wälzen! — ES kommt nämlich in den Auslassungen des Abge ordneten Kramartsch noch besser, er stellt die un verschämte und erlogene Behauptung auf, daß Oesterreich von Deutschland kommandirt werde!? Oder wollte dieser jungczcchische Klopffechter vielleicht etwas Anderes mit den Worten sagen: Wir wollen von Deutschland nicht kommandirt werden, wir wollen ein loyales Bündniß? DaS soll doch wohl heißen: Deutschland kommandirt und Deutschland ist nicht loyal im Bündnisse mit Oesterreich. Kann man auf politi'chem und staats männischem Gebiete Angesichts der großen Erfolge der Friedenspolitik des Dreibundes und Angesichts der Thatsache, daß Deutschland sich niemals in die österreichischen inneren Verhältnisse eingemischt hat, frechere Verleumdungen ausstreuen? Freilich, der Abgeordnete Kramartsch verlangt, daß Deutsch land die Lo« von Rom-Bewegung verurtheilen solle, weil sie eine politische und keine religiöse Bewegung sei. Daß Deutschland die« nicht darf, weil eS sich sonst unberechtigter Weise in Oester- reich'S innere Verhältnisse rinmischen würde, scheint der Logik der Jungczechen entgangen zu sein. Für eine weise Staatspolitik ist in dieser Hinsicht aber überhaupt jede Kundgebung ein Fehler, denn Oesterreich-Ungarn hat nicht nur Unterthanen römisch-katholischen Glaubens, sondern auch solch« anderer Konfessionen, und im deutschen Reiche liegen die Verhältnisse ebenso. Jede Kund gebung in religiösen Bewegungen muß also einer Regierung Undank, ja Haß bei der Gegenpartei einbringrn, zumal in allen konstitutionellen Staaten die Religionsfreiheit verbrieft ist. Nun, man hat sich ja in gewissen Kreisen sogar zu der Behauptung verstiegen, daß liberale und sreimaurische Vereine Deutschlands die „Los von Rom-Bewegung" in Oesterreich angestiftet hätten. DaS ist ja auch eine geradezu lächerliche Behauptung, im Uebrigrn aber wieder eine dreiste Verleumdung, denn Jeder, der die Verhältnisse kennt, wird wissen, daß dir Liberalen und Freimaurer Deutschlands ersten gar keinen Einfluß auf die gut katholischen Ein wohner Oesterreich» haben können und zweitens auch gar kein Interesse daran haben, religiösen Unfrieden anzustiften. In diesen wüsten und zwecklosen Kämpfen sollte doch endlich einmal ruhige Einsicht und Friedensliebe Einkehr halten! Politische Weltschm. Die Festlichkeiten in Straßburg anläßlich des jüngsten Aufenthalts des Kaisers in der Hauptstadt der Reichsland« sind infolge des Ab lebens der Prinzessin Luise von Preußen, welche am Freitag Nachmittag zu Wiesbaden im Alter von 72 Jahren plötzlich gestorben ist, unerwartet eingeschränkt worden. U. A. sind do» Prunkmahl, welche» am Abend de» Ankunftstage« de» Kaiser in Straßburg, d«S Freitag, im Kaiserpalast statt finden sollte, sowie der geplante große Zapfenstreich ausgefallen. Am genannten Tage unternahm der Kaiser gegen Abend «ine kurze Spazierfahrt; später nah« er den The« beim Statthalter Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg und seiner Gemahlin Der stchfisch« Ga-ichler. Wett» ». ein. Am Sonnabend Vormittag hielt der Monarch eine Parade über die Straßburger Garnison ab, der Nachmittag war einem AuSfluge nach der HohkönigSburg gewidmet. Die Hochflulh der Preßbrtrachtungen über den jüngsten Ministerwechsel in Berlin hat sich endlich wieder verlaufen, nunmehr steht man den Thaten der neuen Minister entgegen. Vorerst muß aber die öffentliche Meinung abwarten, wie sich Freiherr v. Hammerstein al» Minister des Innern, Freiherr v. Rhrinbaben al» Finanzminister, Herr Möller al» HandelSminister und Herr v. PodbirlSki al» LandwirthschaftSminister „an lassen" werden, die in dieser Beziehung laut gewordenen Combinationen und Bermuthungen haben daher einstweilen nur den Werth müssiger Conjecturen. DaS Projekt eine» Eintritts Württem berg- in die preußisch-hessische Eisenbahn gemeinschaft muß nach den hierüber von^ Minister v. Soden soeben im württembergischen Landtage abgegebenen Erklärungen al» definitiv gescheitert gelten. Unumwunden erklärte Herr v. Soden, für Württemberg würde die alsdann zu erwartende Einbuße in seiner wirthschaftlichen und politischen Selbständigkeit durch die finanziellen Vortheile, welche eS von einem Anschlüsse an die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft zu erhoffen hätte, nicht aufgewogen werden. Doch gab der Minister zu erkennen, daß ihm eine ReichS-Eisen- bahngrmeinschast durchaus sympathisch wäre. Der Reichstag ist zur Stunde vermuthlich in seine Sommerserien gegangen, da man den kaum erst gefaßten Plan, noch eine kurze Nach session nach Pfingsten abzuhalten und daun die gesammte Tagung endgiltig zu schließen, wieder fallen gelassen hat. UebrigrnS soll die beschlossene Sommecvertagung deS ReichSparlamrntS bis zum 26. November nicht auf die Initiative der Re gierung zurückzuführen sein, wie man bislang annehmen mußte, sondern auf einer au» der Mitte des Reichstages selbst ergangenen und vom RrichStagSprästdenten, Grafen Ballestrem, dem Reichskanzler übermittelten Anregung beruhen. Jedenfalls hat die Vertagung des Parlament- bis zum Spätherbst den einen unläugbaren Bortheil, daß alsdann in den jetzt abgebrochenen Berathungen ohne Weiteres sortgesahren werden kann, während bei einem formellen Schluffe der RrichStagSsession, sei eS vor, sei e« nach Pfingsten, zweifellos so mancher noch schwebender gesetzgeberischer Be- rathungSstoff hätte unter den „Tisch des HauseS" fallen müssen, so daß die hierauf verwendete Mühe und Arbeit vergeblich gewesen wären. Bedauerlich ist eS indessen, daß der Reichstag seine Arbeiten erst zu einem so späten Zeitpunkt im Jahre fort setzen soll, er hat ja von seinem Arbeitsprogramm der laufenden Session noch so viel zu erledigen, daß eS unverständlich bleibt, warum seine Wieder einberufung nicht schon auf die erste November woche festgesetzt worden ist. Die Sommervertagung tritt vermuthlich am Schluffe der Sitzung vom nächsten Dienstag ein. Die 13. ReichStagSkommission beendete am Freitag die zweite Lesung des Schaumwein steuergesetzes. Die 15. Reichstagskommission ge nehmigte am gleichen Tage ein vom Abgeordneten Gamp vorgeschlagenes „Nothgesetz", wonach daS gegenwärtige Branntweinsteuergesetz mit einem Zu schlag von 50 Prozent auf ein Jahr verlängert wird. Der kommandirende General des 7. (west fälischen) Armeekorps, Generalleutnant v. Bülow, ist an einer Lungenentzündung ge storben. In dem mehrwöchigen MilitärbesreiungS- prozeß zu Elberfeld wurde am Freitag das Urtheil gesprochen. Dasselbe lautete gegen acht Angeklagte auf Freisprechung, gegen die übrigen Angeklagten auf Gcfängnißstrafen von sieben Jahren bi- herunter zu einem Monat. Ja der Lage der italienischen Staats finanzen ist eine überraschende Besserung ringe- treten. Die Deputirtenkammer berieth am Frei tag da» berichtigte Budget für 1900/01, wobei der Berichterstatter einen reinen Ueberschuß von 50 Millionen Lire herauSrechnete, ja er sprach sogar die stolze Ueberzeugung auS, daß da» ita lienische Budget im gegenwärtigen Jahre da» beste in Europa sei. Natürlich war die Deputirten kammer ganz begeistert von diesen rosigen Dar legungen und geneh«igte schlankweg da» Budget. Der Papst empfing am Freitag die Prinzessin Friedrich Karl von Preußen. Die ernsten Straßrnunruhrn in Barcelona, welche von den Anarchisten unter Benutzung des Ausstande» der Straßenbahnangestelltrn hervorge- rufen worden waren, sind wieder unterdrückt worden. Wenigsten» versichert eine officiöse Depesche au» »VGI Barcelona vom Freitag, die Ruhe s« wieder hergestellt, die Straßenbahnen verkehrten wieder, einige Ansammlungen seien zerstreut worden, da» Militär sei in die Kasernen zurückgekehrt. Am Sonnabend hat in dem österreichischen Seebade Abbazzia die schon stgnalistrte Zu sammenkunft der Könige von Rumänien und von Griechenland stattgrfunden. Die politische Be deutung dieser Entrevue ist in Hinblick auf die Konstellation auf der Balkanhalbinsel zweifellos. DaS osficiöse Wiener „Fremdenblatt" widmet dem Ereignisse eine recht wohlwollend für Rumänien und Griechenland klingende Besprechung, in der e» jedoch der Anschauung Ausdruck verleiht, daß die Monarchenzusammrnkunst von Abbazzia Einerlei feindselige Zwecke gegen andere Staatengruppen auf der Balkanhalbinsel verfolge. Der englische Kolonialminister Chamberlain hat sich in einer zu Birmingham gehaltenen Rede wieder einmal über da« süd afrikanische Thema vernehmen lassen. Er betonte hierbei, daß England unbedingt den Kamps um seine Stellung und seinen Besitz in Südafrika habe aufnrhmrn und durchführen müssen, wollte eS nicht riSkiren, da- Vertrauen seiner Kolonien zu verlieren und dem Spott und der Verachtung der übrigen Welt prriSgegeben zu werden. In dessen vermied eS Chamberlain, sich über den End- au-gang des südafrikanischen Kriege« auszusprechen. Ein merkwürdige- Verbot hat der General- Gouverneur von Moskau erlassen. Dasselbe untersagt nämlich den Einwohnern der zweiten Hauptstadt Rußlands bei Geld« oder Gefängniß- strafe da- Tragen von Messern; ausgenommen von dem Verbot sind Diejenigen, welche infolge ihrer BerusSthätigkeit ein Messer mit sich führen müssen. Ob diese in ihren Zwecken noch einiger maßen räthselhoste Maßnahme sich praktisch durchführen lassen wird, das bleibt allerdings ab zuwarten. Straßburg i. Elsaß, 11. Mai. Se. Maj. der Kaiser unternahm gegen 5 Uhr Nachmittags eine Spazierfahrt über die Orangerie nach den neuen Hafenanlagen und fuhr gegen 6 Uhr bei dem alten bischöflichen Schloß vor, um dir Sammlung elsässischer Alterthümrr, besonders die Ausgrabungen der letzten Zeit, zu besichtigen. Von dort begab sich Se. Maj., begleitet vom Kaiserlichen Statthalter Fürsten zu Hohenlohe- Langenburg, nach der Jung-Sankt-Peter-kirche, um dir unter Leitung de» Oberbauraths Schaefer- Karlsruhe vorgenommenen RestaurirungSarbeiten zu besichtigen. Nach etwa dreiviertelstündigem Aufenthalt in dem Bau kehrte Se. Maj. nach dem Kaiserpalast zurück. DaS Abendessen gedachte Se. Maj. in kleinem Kreise beim Fürsten Statt halter einzunehmen. Straßburg i. E., 12. Mai. Der Kaiser wohnte heute Vormittag dem Gottesdienst in der evangelischen Garnisonkirche bei. Nach demselben nahm der Kaiser eine Parade der Garnison und sodann vom Balkon des Kaiserpalastes auS den Vorbeimarsch der Fahnrnkompagnie ab. Später fand beim kommandirenden General des 15. Armeekorps Generalleutnant Herwarth v. Bitten feld FrühstückStasel statt. Um 1 Uhr 40 Min. fuhr der Kaiser unter brausenden Hochrufen der Bevölkerung nach dem Bahnhof, um sich nach Schlettstadt und der HohkönigSburg zu begeben. Schlettst adt, 12. Mai. Der Kaiser ist um 2 Uhr 20 Min. hier ringetroffen und hat sich, von der Bevölkerung lebhaft begrüßt, zu Wagen nach der HohkönigSburg begeben. Baden-Baden, 12. Mai. Die Kaiserin ist um 5i/, Uhr Nachmittags nach Straßburg abgereist. Burka re st, 12. Mai. (Meldung de» Wiener k. k. Telegr.-Korr.-Bureau.) Die Quarantäne sür Provenienzen aus Konstantinopel ist von 10 auf 6 Tage herabgesetzt worden. Sofia, 12. Mai. Die Quarantäne für Provenienzen au» Konstantinopel ist aufgehoben worden. Konstantinopel, 10. Mai. Nachdem der in Konstantinopel vorgrkommene Pestfall vereinzelt geblieben ist und günstig verläuft, hat der russische SanitätSrath in Odessa beschlossen, Konstantinopel nicht mehr al» verseucht zu betrachten. Schiffe und Passagiere unterliegen infolgedessen in russischen Häfen keinerlei Quarantänrmaßregeln. — Der internationale SanitätSrath erklärt« Konstantinopel für pestfrei. Lyon, 12. Mai. Unter dem Vorsitz des Krieg-Minister» AndrS und de» MarineministerS Lanrffau fand heute hier ein Fest de» Krieger bunde» statt. ' Der Kriegsminister AadrS hielt dabei eine Rede, in der er ausführte, alle Bürger müßten den Gebrauch der Waffen kern« und die