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»Marie, da8 ist nicht recht von Dir, daß Du nicht ant wortest!" rief der Prinz, ein geweckter Knabe mit große«, tiefblauen Augen, aus denen eine weit über sein Alter hinauS- gehende Klugheit und Entschlossenheit sprach. »Der Papa hat es mich gelehrt, daß man stets und vor Allem die Wahrheit sagen muß!" Die wenigen Worte waren so treuherzig gesprochen, daß die kleine Marie alle Scheu verlor. Die Thräncn trocknend, wandte sie das reizende, noch geröthete Gesichtchen dem kleinen Prinzen zu und, halb betrübt, halb kindlich trotzend, erwiderte sie: »Ich möchte ja gern mit Dir spielen, aber der Paul sagt, das schickt sich nicht. Du wärest ein Prinz und da könnten wir doch nie Mann und Frau werden. Der Paul aber wird einmal Förster, und wenn er dann eine Anstellung hat, werde ich seine Frau Försterin!" »Das hat der Paul gesagt?" fragte der kleine Willy betrübt. »Ja, das sagte ich," fiel hier ein etwa zehnjähriger Knabe entschlossen ein. „Denn ich mag die Marie so sehr gut leiden. Sie ist meine Spielkameradin und deshalb will ich nicht, daß sie mit einen» Anderen spielt!" In den Augen des Prinzen Willy schimmerten Thränen. Plötzlich aber richtete er sich mit einem Stolz, der weit über seine Jahre hinausging, empor, und die Hand der kleinen Marie ergreifend, sprach er, während eine feste Zuversicht in seinen treuen, blauen Augen zu lesen war: „Gut, Marie, wenn Du den Paul lieber hast, als mich, magst Du immer mit ihm spielen, denn ich bin ein Knabe und ein Knabe muß sich daran gewöhnen, zu entsagen. Aber das kannst Du Dir merken: In zwei Jahren bin ich Offizier, und das ist doch ebensoviel, wie Förster und dann wärst Du sicher meine Frau ge worden!" „Ich will ja mit Dir spielen! ' r< Marie plötzlich, feine Hand ergreifend und ihn mit kindlichem Ungestüm zurück ziehend. „Aber alle Leute sagen. Du bist ein Prinz und ein Prinz darf nur, so lange er klein ist, mit anderen Kindern spielen. Später sieht er sie oft gar nicht wieder." Einen Moment stand der kleine Willy sinnend seiner Spielkameradin und seinem jugendlichen Rivalen gegenüber,