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2 „Glaube mir, Luise," gab der König, eine hohe, majestätische Erscheinung, mit einem innigen Blick auf die Königin, zurück. „Auch ich möchte immer nur hier leben und manchmal wünsche ich mir im Stillen, Du wärest wirklich nur die „gnädige Frau von Paretz." Denn als Luise gefällst Du mir noch viel, viel schöner, wie als Königin!" In dieseul Moment stieg der weihevolle Lobgesang „Nun danket alle Gott," ohne den nun einmal ein rechtes Erntefest nicht begangen werden kann, von den Kindern gesungen, empor und Preußens Luise lauschte, fast selbst wieder im Herzen Kind geworden, andachtsvoll den erhebenden Klängen. „O," sprach die Königin bewegt, nachdem der Gesang be endet war, „wie sich die Kinder freuen, wenn sie mich erblicken! Weißt Du, Fritz, oft will es mir scheinen, als ob der Herr mich mit zu viel Glück gesegnet hat, und dann bin ich fast besorgt im Herzen, daß mir dieses Glück entrissen werde« könnte. Nun aber will ich auch zu meinen Kindern gehen!" Bald befand sich die Königin Luise an der Sette deS Königs in dem Kreise der frohen Jugend, und wie sie neben dem Könige einherschritt, da schien es, als ob die Sonne den Wolken entstiegen sei, um einmal die Herzen der Menschen mit ihrer vollen Gluth zu beglücken, und wohin sie kam, wohin sie ihren milden, hoheitsvollen Blick richtete, der unter dem Strahlen glanze der Demuth und des reinsten Mutterglückes einen eigenen reizvollen Zauber erhielt, schuf sie glückliche Herzen. Vertrauend streckten sich ihr überall die Kinderhändcheu entgegen, und die gute Königin hatte für jedes Kind ein paar herzliche Worte. „Ihre Sache gut gemacht, Herr Cantor!" wandte sich der König an den Organisten, der, in ehrfurchtsvoller Haltung neben dem Herrn Pfarrer stehend, den Gesang der Schuljugend dirigirt hatte, und, zu den Kindern gewendet, fuhr er fort: „Immer brav sein, — dann werden auch später, — wenn Ihr groß seid, — gute Freunde bleiben!" Nachdem er noch dem Pfarrer die Hand gereicht, wollte er sich zur Königin wenden. „Wo ist denn, meine Frau?" fragte er betroffen, die Königin, die noch eben an seiner Seite geweilt, vermissend.