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Die Ernennung des Staatssekretärs Graf von Bülow zum deutschen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten. Wie au» Homburg, dem derzeitigen Aufent haltsorte de» Kaiserpaare» berichtet wird, hat der Kaiser Wilhelm am 17. Oktober da» Ent- lassungSgesuch de» hochbetagten und an die Grenze der menschlichen Leistung»fShigkeit ange» kommen«» Reichskanzler» Fürsten Hohenlohe ange nommen und sofort den bisherigen StaatSsekre» tär de« Auswärtigen Grafen von Pülow zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten ernannt. Mit diesem Kanzler» und Minister wechsel ist die schon seit Monaten schwebende Frage de« Ersätze« de« hochbetagtrn Reich«, kanzler« Fürsten Hohenlohe in einer Weise vom Kaiser erledigt worden, die wohl al« die beste von allen möglichen Lösungen bezeichnet werden kann und die auch den Vorzug hat, die Bahnen zu wandeln, die der erste große Reichskanzler und Mitbegründer de« deutschen Reiche« den deutschen Staatslenkern mit ehernem Griffel in der Weltgeschichte und der Geschichte de« deutschen Vaterlandes vorgezeichnet hat. Diese Ernennung des Reichsstaatssekretärs de« Auswärtigen, Grafen von Bülow, zum Nachfolger des Fürsten Hohen lohe in den beiden höchsten Ministerämtern des Reiches und Preußens hat auch ferner den großen Vorzug, daß der neue Reichskanzler kein Neuling auf diplomatischem und staatsmännischem Gebiete ist, und daß man deshalb keine Frage zeichen und Bedenken an seine Ernennung zu knüpfen braucht. In der großen Schule des realpolitischen Künstlers und genialen Reichs kanzlers Fürsten Bismarck groß geworden, hat Gras v. Bülow schon frühzeitig hervorragende Be fähigung gezeigt, sodaß er bereits vor seiner im Sommer 1897 zunächst provisorisch erfolgten Beauftragung mit der Leitung des Auswärtigen Amtes deutscher Botschafter in Rom war. Noch im Oktober 1897 wurde der Graf von Bülow, der damals im besten Mannesalter stand und sich großer körperlicher und geistiger Frische er freut, zum definitiven Nachfolger des Staats sekretärs Marschall von Bieberstein in der Leitung des Auswärtigen Amtes ernannt und die damals seitens de- Grafen von Bülow bei dem Altreichskanzler Fürsten Bismarck in FriedrichSruh gemachten Besuche lassen e« auch als wahrscheinlich gelten, daß Fürst Bismarck die Berufung des Botschafters von Bülow zum Staatssekretär des Auswärtigen und eventuellen Nachfolger des Reichskanzler« billigte. In der Thal hat auch die frische, Kare, zielbewußte Art, wie der Staatssekretär im diplomatischen Dienste und auch im Reichstage als Minister und Parlamentsredner seines Amtes waltete, gezeigt, daß man mit ihm den rechten Mann auf den schwierigen Posten gestellt hatte. Mit der er folgreich durchgeführten Streitigkeit Deutschlands mit China und der Erwerbung KiautschouS im Januar 1898 verdiente sich der Staatssekretär von Bülow die ersten Lorbeeren. Glänzend be währt hat sich de« Grafen v. BülowS Talent auch bei der Beendigung des Samoa - Streites mit England und Amerika durch die Erwerbung der meisten Samoa-Inseln für Deutschland, sowie durch die Erwerbung der Karolinen»Inseln. Von dem Geschick und der Festigkeit deS neuen Reichskanzlers erhoffen wir auch eine baldige glückliche Beendigung der chinesischen Frage und seiner ganzen staatsmännischen Thätigkeit für das deutsche Reich steht ein starkes Vertrauen und gute Hoffnung zur Seite. Politische Weltschau. Die eingetretene Besserung im Befinden der Kaiserin Friedrich hält an, infolgedessen Prinz und Prinzessin ^Heinrich von Preußen, welche zusammen mit ihre» kaiserliche« Ver wandten in Homburg weilten, von dort jetzt wieder nach Kiel zurückgekehrt sind. Such der Kaiser und die Kaiserin dürften nunmehr ihre Homburger Herbstvillrggiatur in Hinblick auf die fortschreitende Wiedergenesung der Kaiserin Friedrich nächsten» beendigen, um dann ver- muthlich dir einstweilen unterbliebenen Besuche in Elberfeld, Barmen u. s. w. noch auszuführen. Am Freitag Nachmittag statteten die Majestäten, begleitet von dem soeben konfirmirten Prinzen Adalbert, wieder einen Besuch bei der Kaiserin Friedrich in Schloß Friedrich-Hos ab. Der stattgesundene Wechsel im Reich »- kanzleramte und im preußischen Minister präsidium beherrscht in Deutschland vorerst noch die politische TageSsttuation. Im Allgemeinen zeigt sich Genugthuung darüber, daß die so lange schleichende Krisis in den leitenden Berliner Re» gierung-kreisen mit dem Rücktritt de» Fürsten Hohenlohe-SchillingSfürst und dessen Ersetzung durch den Staatssekretär Grafen Bülow endlich ihren Abschluß gesunden hat und daß hierdurch, wie man allseitig annimmt, nachgerade unhaltbar ge wordene Zustände und Verhältnisse beendigt worden sind. Freilich bleibt immerhin noch ab zuwarten, wie sich Graf Bülow in seine neuen Aufgaben al» leitender Staatsmann de» Reiche» und Preußen» eigentlich einleben wird, er hat sich aber schon in seinem bisherigen Wirkungs kreise derart bewährt, daß man vertrauen darf, er werde auch als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident den an ihn herantretrndrn An forderungen voll entsprechen. Ungewißheit herrscht noch darüber, ob jetzt in Homburg auch gleich bezüglich deS Nachfolgers des Grafen Bülow in der Leitung deS Auswärtigen Amtes eine Entscheidung gefällt worden ist; zunächst ist der Reichskanzler Graf Bülow aus Homburg wieder in Berlin angelangt, ohne daß bis lang in dieser Frage etwas Bestimmtes bekannt geworden wäre. Alsbald nach seiner Rückkehr nach der Reichshauptstadt hatte Graf Bülow eine lange Besprechung mit dem Vizepräsidenten deS preußischen Staatsministeriums, Finanz minister vr. v. Miquel, welcher Vorgang vielleicht als daS beste Dementi der umlaufenden Gerüchte, Herr v. Miquel gedenke im Zusammenhang mit dem stattgefundenen Kanzler- und Minister präsidentenwechsel seinen Abschied zu nehmen, zu betrachten ist. Inwiefern überhaupt die Zeitungs nachrichten, welche von bevorstehenden Ver änderungen im preußischen Staatsministerium infolge deS Abganges Hohenlohe'S wissen wollen, irgendwie begründet sind, das muß jedenfalls dahin gestellt bleiben; im Reichsdienste dagegen sind weitere Personalverändrrungen wegen der Berufung des Grafen Bülow in das Reichs kanzleramt selbstverständlich zu erwarten. Der seitherige Reichskanzler Fürst Hohenlohe ist aus Homburg in Baden-Baden eingetroffen, um daselbst einen Erholungsaufent halt zu nehmen und sich dann an den süd deutschen Höfen zu verabschieden. Erst darnach gedenkt Fürst Hohenlohe nach Berlin zurückzu kehren und die Leitung der Reichs- und Staats geschäfte formell seinem Nachfolger zu übergeben. Der Reichstag ist bekanntlich auf den 14. November einberufen worden, welches Datum diesmal auf einen Mittwoch fällt. DaS ist eine Abweichung von der längere Jahre hindurch auSgeübten Gepflogenheit, den Reichstag immer an einem Dienstag zusammentreten zu lassen, waS irgend einen politischen Spaßvogel wohl zur AnSstreuung des lustigen Gerüchte» bewogen hat, man habe die bevorstehend« neue Session deS Reichsparlaments nicht an einem 13. ihren Anfang nehmen lassen wollen! Der Kolonialrath soll erst Ende November zu seiner neuen Tagung einberufen werden. Die genannte Körperschaft wird also diesmal dem Reichstage ausnahmsweise nach folgen. Was die Vorbereitungen für die heran nahende ReichStagSsrssion anbelangt, so wird offiziös aus Berlin gemeldet, daß jetzt die Spezialetats zum Reichshaushaltsplan für 1901 zur Drucklegung fertiggrstellt seien. Die Nachrichten über da» Befinden deS Königs Albert lauten immer befriedigender. Die Kräfte de» erlauchten Patienten beginnen sich mehr und mehr zu heben, der Schlaf wird wieder fester, auch kann der Monarch jetzt Tag» über zumeist bereits wieder außerhalb de» Bette» verweilen. In Glog au wurde am IS. Oktober da» dort errichtete Denkmal Kaiser Wilhelm» de» Großen enthüllt; Prinz Friedrich Leopold wohnte im Auftrage de» Kaiser» al» dessen Vertreter der Feier bei. Zur chinesischen Krisi» liege« nun auch von japanischer Seite Vorschläge vor. Sie bezwecken dem Vernehmen nach di« Erleichterung und Beschleunigung der mit China «inzuleitenden Verhandlungen der Mächte, und zwar dadurch, daß die Vertreter der Mächte in Peking er» mächtigt werden sollen, in gemeinsame Unter handlungen mit den chinesischen Bevollmächtigten einzutretrn. Die Anregung Japan» soll wegen ihrer politischen vorthelle beifällig fetten» der Mächte ausgenommen worden fein. Zugleich wird die Erwiderung de» Kaiser» von Japan auf da» Schreiben de» Kaiser» von China be kannt, in welchem Ersterer ersucht wurde, seinen Einfluß zur Wiederherstellung de» Frieden» geltend zu machen. Der japanische Herrscher Der sächsisch» «r-Mler. Sette ». »" . „ 1 -1 . > -E > »I s —MM— «acht in seinem Antwortschreiben dem .Sohne de» Himmel»- den Standpunkt erfreulich klar, indem er darauf hinweist, Kaiser Kwangfü müsse alle reaktionären und fremdenfeindlichen Beamten entlassen, eine neu« liberale Regierung einfetzen und selber sofort nach Peking zurücklehren, dann erst würde er sich Anspruch auf Rücksichtnahme, feiten» der fremden Regierungen, erwerben. Jedenfalls scheint e» allmählich Ernst mit den FriedenSverhandlungrn mit den Chinesen zu werden, da sich auch der russische Gesandte, v. Gier», von Tientsin nach Peking zurückbegebe« hat; ebenso trifft der deutsche Gesandte, Mumm v. Schwarzenstein, Vorbereitungen, von Tientsin nach Peking abzureisen. Im Finanzausschüsse de» ungarischen Abgeordnetenhauses ist letzter Tage auch der bekannte Fall de« Grafen Revertera, de» österreichisch-ungarischen Botschafter« beim Vatikan, zur Sprache gekommen. Bon allen Seiten wurde hierbei Graf Revertera wegen seiner schwächlichen - Haltung, gegenüber der CurS, schärfsten» an gegriffen. Ministerpräsident v. Szell begnügte sich mit Abgabe der Erklärung, bei Lösung der Revertera'schen Angelegenheit würde den Inte ressen Ungarns Rechnung. getragen werden. Weiter gelangte noch die chinesische Frage auf'» Tapet; Szell versicherte hierbei, die österreichisch ungarische Regierung beabsichtige keine größere Aktion in China. Mit dem an Bronchitis erkrankten König OSkar von Schweden geht es wesentlich besser; es werden deshalb auch keine täglichen Krankheitsberichte mehr auSgrgeben. Vermuth- lich wird da auch die eingesetzte Regentschaft deS Kronprinzen nicht allzulange dauern. Der rumänisch-bulgarische Konflikt geht immer mehr seiner Beilegung entgegen. Die bulgarische Regierung ließ dem diplomatischen Agenten Rumäniens in Sofia eine authentische Uebersetzung deS Beschlusses der Bukarester Anklagekammrr zugrhrn, wonach 22 Bulgaren, welch« der materiellen und intellektuellen Urheber schaft, sowie der Mitschuld an der Ermordung rumänischer Staatsangehöriger beschuldigt sind, vor daS Schwurgericht verwiesen worden. Der Agent soll die« Schriftstück seiner Regierung übermitteln. Zugleich ließ die bulgarische Re gierung dem Agenten mittheilrn, sie werde ihm die weiteren Aktenstücke in dieser Angelegenheit, sobald sie eingelausen seien, ebenfalls zustellen. Der Bürgerkrieg in Columbien (Amerika) wüthet weiter. Derselbe beraubt die» von der Natur so reich gesegnete Land allmählich aller seiner Hilfsquellen, daS Innere de« Landes ist schon ganz verwüstet. Eine energische aus wärtige Initiative zur Beendigung der Wirren in Columbien wäre da wirklich zu wünschen. Die von Peking und von Tientsin nach Poatingfu im Südwesten abgegangene Expedition der Verbündeten hat ihr Ziel offen bar noch nicht erreicht; die wiederholten Meldungen, wonach eine französische Kolonne den genannten Platz bereit« besetzt haben sollte, erweisen sich demnach al« verfrüht. Doch voll zieht sich der Vormarsch der ExprditionStruppen bi» jetzt im Allgemeinen ziemlich glatt, wie aus Depeschen der englisch« Generäle Gaselee, der die von Tientsin abgegangene Kolonne befehligt, und Campbell erhellt. Widerstand wurde der selben nirgend» geleistet, die Einwohner der durchzogenen Gegenden bekundeten eine den Truppen freundliche Gesinnung, Lebensmittel sind reichlich vorhanden, der Gesundheitszustand der Mannschaften ist ausgezeichnet. Campbell erreichte am IS. Oktober mit seiner Abtheilung Schang-schiao; 2000 Mann Hort befindliche Kavallerie der Chinesen zogen sich sofort süd wärts zurück. Am genannten Tage standen die deutsche und die französische Kolonne in Patsch«, 20 Meilen nördlich von Poatingfu. Zur Lage in Südchina ist die Hongkonger Meldung zu verzeichnen, daß sich die Rebellen bei Sannschun vor der Streitmacht Admiral Hö» nördlich vom Ostflusse zurückzogen. Laut einem Bericht au» Tanton tndrß macht der Aufstand am Ostflusse große Fortschritte, er soll der Taiping-Rebellion ähneln. Chinesische Blätter wollen wissen, Kang-ji, einer der Führer de» südchinesischrn Aufstande«, fei todt. Präsident Krüger ist am IS. Oktober früh b Uhr an Bord de» holländischen Kreuzer» .Gelderland- gegangen, wie eine .Reuter-» Depesche au» Lourenyo Marque» meldet. I» Iager»fontein entspann sich ein blutiger Kamps zwischen einer Abtheilung eingedrungener Buren und der dortig« englischen Garnison, über den Ausgang desselben liegt noch keine Meldung vor.