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B. 1V00. Mch Paris zur Wcltausstcllmig im Jahre Ivo» Bon Oberpfarrer 0r. Wetzel. > xm. Paris, Mittwoch, 2b. Juli 1900. Gestern waren wir in Versailles. DaS war wohl das Großartigste und Erhabenste, wa» wir gesehen haben. Schon die Fahrt durch den frischen grünen Wald des boiS de Boulogne auf den schönen breiten wohlgepflegten Wegen war nach der Hitze der vorhergehenden Tage eine Er quickung. In St. Cloud, so genannt nach dem Enkel des Frankenkönigs Chlodwig, dem heiligen Chlodoald , der hier im 6. Jahrhundert ein Kloster gegründet hatte, wurde Halt gemacht und zunächst die Schloßterrasse besucht. Cm Schloß ist nicht mehr vorhanden. Ludwig der 14. hatte das Kloster angekauft und in ein Schloß verwandelt, Napoleon I. hatte «S glänzend er neuert, Napoleon III. machte es zu seiner Sommerresidenz; von hier aus erließ er die Kriegserklärung gegen Deutschland; bei der Be lagerung von Paris wurde eS von den Franzosen selbst vom Mont Valerien au» in Brand ge schossen, well es von den Deutschen besetzt war. Erst vor wenigen Jahren find die Rumen ent fernt worden. Ein gewaltiges Stück Geschichte zieht schon hier an unserer Seele vorüber. Rach einem kurzen Besuche de» Park» mit seinen breiten Fahrwegen unter hohen alten Bäumen, unter denen Napoleon III. und Euaenie gern gewandelt, geritten oder gefahren, bestiegen wir von Neuem unsere« Ommbu» und fuhren flach Die Kämpfe um die Gestaltung der künftigen deutschen Handelspolitik. Wenn man alle die Zollfordrrunarn und Zoll ermäßigungen, die in den langwierigen Kämpfen U» die Gestaltung der künftigen deutschen Handel»- pWitik laut werden, auf ihr« wahren Grund ursachen prüft, so ist r» nicht die uackte Gewinnsucht, «te viele Wegner «einen, dir diese Forderungen diktirt, sondern e» ist da» Bewußtsein, daß die handelspolitischen Maßregeln de» Staate» den Produzenten wirthschaftlich vortheil oder Schaden bereiten, und daß daher alle Produzenten, Land- wirth« wie Industriell«, naturgemäß bestrebt find, diese handel»politischen Maßnahmen, Handels verträge und Zolltarif, zu ihrem vortheil«, mindesten» aber nicht zu ihrem Nachtheile ge staltet zu sehen. Da» Menschengeschlecht ist eben sittlich und kulturell noch nicht so weit entwickelt, daß man mit christlicher Duldung im GrschäftS- lrben rechnen kann, in dieser durchaus praktischen LebrnSsphäre gilt vielmehr der Grundsatz „Vom Nutzen wird die Welt regiert," Und derjenige Geschäftsmann, mag er nun Kaufmann oder Landwirth oder Fabrikant sein, der ohne Nutzen arbeitet, hat da» traurige LooS schmählichen Verfalle» zu ertragen. Die Nächstenliebe schützt ihn höchsten» vor dem Verhungern. Nun kommt in der Handelspolitik noch die schwierige Frage hinzu: Werden dem Welthandel und dem Welt verkehre entsprechend die meisten Culturstaaten vom einheitlichen Gesichtspunkte au» ihre Handels politik regeln oder wird jeder Staat eigene, gr« schlösse»« Handelspolitik treiben. Die Neigung zur letzteren ist offenbar in den meisten Staaten sehr stark ausgeprägt. Bekannt ist ja, daß zumal zwei der größten Länder der Erde, Rußland und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit Vorliebe und zäher Eigenart ihre besondere Handelspolitik zu treiben geneigt sind. Aber neben dem Willen der Regierungen und den Wünschen der Völker, brz. der Geschäftsinteresse«^ giebt eS noch eine andere gewaltige Macht im wirth- schastlichen Leben, da» ist der naturaesetzlich sich vollziehende und vom allgemeinen Weltverkehre mächtig geförderte internationale Güteraustausch. Diesem kann kein Staat, ohne sich selbst in eine wirthschaftliche Sackgasse zu treiben, auf die Dauer sich entgegenstellen, Rußland hat die» auch durch den letzten Handelsvertrag mit Deutschland anerkannt, indem e» Zollermäßigungen für deutsche Jndüstrirartikel bewilligte, und Nordamerika hat auch vor Kurzem eingelenkt, indem e» Deutsch land dieselben Handel-Vergünstigungen wie Frank reich gewährte. So könnten die handelspolitischen Kämpfe sehr wohl durch die Förderung der gemeinsamen Interessen brigelegt werden. Fürsten wollten e» ja alle dem großen Könige . A haben wir genommen. Rache an Denen, die i > (der König eS prunkvollen Schlosse» berichtet wird, ans Fabelhafte. 36,000 Menschen und „Ur mit den Erd- ., , „ . ,!in." Die Gesammt- j summe der Kosten belief sich auf 500 Millionen ; Versailles, einer Stadt von 55,000 Einwohnern, „einer Schöpfung Ludwig» de» 14." Versailles hat vielen anderen Fürstensitzen, so auch PotS- dam, zum Vorbilde gedient.^ Die keinen deusschen nachmachens Welche Folgen das nach sich ge- Andere keine Aufmerksamkeit « zogen, lehrt die Geschichte. „Wa» über dm noch durch die kunstreichen < Bau des prunkvollen Schlosse» berichtet wird, Wasserwerke, die nur zwennal grenzt ans Fabelhafte. 36, ' ' - - - - 6000 Pferde sollen täglich arbeiten beschäftigt gewesen sei Franks, abgesehen von den Frohndiensten der Bauern; der jährliche Unterhalt kostet noch jetzt 600,000 bis 650,000 Franks. Bon 1682 an war Versailles die ständige Resi denz des königlichen HofeS und ist dadurch eng mit der Geschichte jener Zeit verknüpft. Bon hier wurde auch in der französischen Revolution Ludwig der 16. abgeholt und zunächst genöthigt, in die Tuilerien überzusiedeln. Man kann wohl sagen: Hier sehen wir den Grund und die tiefste Ursache der französischen Revolution: Die Prunk sucht und die Ruhmsüchten Könige von Frank reich, eine wichtige Lehre für alle Stände und für alle Zeiten. Wir besuchten unter der treff lichen Führung des Stangen'schen Vertreters, Herrn Romeli, zunächst die beiden Keinen ein stöckigen Schlösser Grand-Trianon, das Ludwig der 14. für Frau von Maintenon bauen ließ, und Petit-Trianon, von Ludwig dem 15. für die Gräfin Dubarry erbaut' später der Lieblings aufenthalt der Königin Marie Antoinette, auch der Kaiserin Marie Louise. Auch den schönen Park hinter dem Schlosse mit seinen prachtvollen und zum Theil seltenen Bäumen besuchten wir. Besonders fiel uns gleich am Eingang eine hohe prächtige Ceder auf mit der Angabe: Ceder vom Libanon. DaS Alles aber verschwindet wie Nichts gegen das von Ludwig dem 14. erbaute großartige Schloß, das eine Länge von 580 in hat (also mehr als 6 Mal so lang ist, als der stattliche Marktplatz von Bischofswerda) und Raum für 10,000 Bewohner bot. Jetzt ist das Schloß zu einem „National- Museum" eingerichtet und umfaßt zwei Haupt- theile : Die Prunk- und Wohnräume Ludwigs des 14. und seiner Nachfolger und das von Louis-Philipp begründete „Museum der Ge schichte Frankreichs" („L tonlos los gloiros äs la Uranos!") Für die Franzosen muß dieses Museum in der That eine Schule sein, in der ihr Durst nach Ruhm theilS gestillt, theilS aber auch immer von Neuem geweckt wird. Die ganze Geschichte Frankreichs ist in riesigen Bildern zur Rechten und zur Linken der hohen Säle als eine Geschichte des Ruhmes der Fran zosen dargestellt, Schlacht an Schlacht, Sieg an Sieg reiht sich aneinander, Niederlagen giebt es nicht, nur ruhmvolle Siege. Man begreift es, wie es in diesen Räumen den Franzosen zu Muthe sein muß. Die ganze Geschichte von Frankreich eine einzige Kette von Siegen und nun besiegt, gedemüthigt, zweier Provinzen be raubt! E« kann Nichtsein. Es darf nicht sein. Wir waren verrathen. Rache an de» Verräthern durch Verrath-gesiegt haben, werden wir nehmen! Das sind ihre Gedanken. Für uns Deutsche aber ist dieses Schloß Ludwig des 14. zu einer Stätte der herrlichsten und heiligsten Erinnerungen geworden. Denn hier, mitten im Feindesland nach einem Kriege, der in der That nichts als eine einzige Kette von Siegen war, fand am 18. Januar 1871 zwischen 12 und 1 Uhr da» weltgeschichtliche Ereigniß der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches statt. Mit Ehrfurcht und innigster Dankbarkeit gegen Gott und Menschen treten wir in die Galerie de» Glace» ein, wo die» ge schah. »Ziehe deine Schube au». der Boden, da rauf du stehest ist ein heilig Land," so klingt'« in unserem Herzen. Die Galerie ist 73 w lang, also nur 27 m kürzer, al» unser Marktplatz, 11 w breit und 13 m hoch. ES ist also m der That eine Galerie, ein langer hoher, nicht allzu breiter Gang. 17 hohe Bogenfenster lassen da» Licht in Strömen einfließen und gewähren eine reizende Aussicht in die Gärten: dm Fenstern gegenüber sind eben so viel«, für die damalige Zett unendlich ' ' der Name: Spiegelgale ' sd»d mit Oelbwern ae der Decke der Wahlsp Is Rot gourarn« par Masses«», sMS^S» Wasserwerke, die nur zweimal im Monat gehen, weil jedes Mal 10,000 Franks mit dem Wasser ! zur Seine fließen, d. h. well da» Gehen der > Wasserwerke jä>eS Mal 10,000 Fran» kostet, i und kehrten hoch beglückt, durchaus nicht ermüdet nach Paris zurück. Nach dem Abendbrot hab« wir noch in einem Kaffechause auf der Straße sitzend das Pariser Lebm an «n» vorüberfluthen und die Ereignisse des Tage» an «n» vorüber- gehen lassm. ES war vielleicht, wenn nicht der genußreichste, so doch der werthvollste Tag. Der ganze heutige Tag soll wieder der Ausstellung gewwmet sein. Paris, Donnerstag, 26. Juli 1900. Der gestrige Tag war wieder der Ausstellung gewidmet. Wir besuchten zuerst die beiden Kuhst- Paläste, erst dm Keinen, dann dm großen. In diesem sog. keinen Kunstpalast „ist dir franzö sische Kunst von den ersten Anfängen der kl- tischen, dann der römischen Kultur, bis zum AuSgang des 18. Jahrhundert» in einer ganz hervorragenden Sammlung von Alterthümern aus Kirchen, Museen und aus Privatbesitz zur Anschauung gebracht." Gemälde, Bildhauer werke und Werke der Kleinkunst sind gleichmäßig vertreten. Uns fesselten ganz besonder» die herr lichen kirchlichen Alterthümer, nur daß man sich nicht zu lange aufhalten darf, .weil die Mmge der Gegenstände zu groß, unsere Zett zu be schränk ist. Ganz unübersehbar sind die Werke der Kunst im „Großen Kunstpalast". In dem großen Lichthofe sind die Skulpturen, d. h. die Werke der Bildhauer ausgestellt, in der Mitte das thurmhohe Denkmal für Viktor Hugo, dm gefeiertsten Dichter des gegenwärtigen Frankreichs. Es sind gewiß viel schöne Sachen unter diesen Werken, es ist aber ganz unmöglich, eiumUeher- blick davon zu bekommen. Man hat auch hier den Eindruck des Riesigen, Unermchlichm, ganz ebenso wie in den Biwersälen, die drei Stock werk füllen. Frankreich nimmt '/« des Raumes ein, den übrigen Staaten ist ein Theil der linken Seite des Palastes eingeräumt. Im Allgemeinen muß.man sagen, daß die gesammte Kunstaus stellung viel Schönes, aber nicht» besonder» Hervorragendes bietet. Auffallend ist nur, daß die sog. „moderne Malerei" bei allen Völkern Europa's, Franzosen, Engländern, Dänen, Schweden, Ungarn, Bulgaren u. s. w. ganz gleichmäßig in den Vordergrund tritt und daß doch jede einzelne Nation hierbei wieder ihr Be sonderes hat. Gewiß aber bedarf dieser schäu mende Most bei Allen noch einer längeren Zeit der Abklärung ehe er gmießbar wird. Gegen über der erdrückenden Fülle des hier Gebotenen gewähren die sogen. „Staatenhäuser" (pavMoos äos kuissauoss StraugSros) an der sog. Völker straße (ruo äoo Nations) am linken Seineufer das ruhige, übersichtliche Bild der Bauweise und der Kultur jedes einzelnen der Völker Europas, ganz besonders „das deutsche HauS", ein mittel deutsches RathhauS des 16. Jahrhunderts in vorzüglichem Material ausgeführt und reich bemalt. ES enthält die Ausstellung des deutschen Buchgewerbes, der deutschen WohlfahrtSeinnch- tungen (Arbetterhäuser und dergl.) und vier Zimmer mit französischen Kunstwerken au» dm Wohnräumen Friedrich des Großen in Potsdam. Die Zimmer sind denen in Potsdam genau nachgebildet und gelten al» da» vornehmste Stück der Kunstausstellung. Ebenso ist Italien in emem, wie mir scheint, übergroß«! Kuppelbau, d« Türkei in einer Moschee, Nordamerika, Oesterreich, Bos nien, Ungam, England, Belgien, Spanien, Schweden, Griechenland und auf der Innenseite der Bölkrstraß« Persim, Finnland und Serbien in dm diesen Völkern eigenthümlichen Bauweisen dargestellt. Die Angestellten trag« messt die Tracht der betreffenden Völker. Da» ist in der That ein Anschauungsunterricht in der Völker kunde, wie man ihn nicht besser wünsch« kann. Auch das .Schweizerdorf', eine recht woP- «giert durch sich sckbst) auch «ine sehr lehrreiche Inschrift! — Tief ergriff« und mit der Bitte zu Gott, daß «r m Gnad« da» erhalt« wolle, wa» «r au» Gnaden un» geschenkt, verließ« wir dm Saal und hab« mm auch für alle» .E. ,