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VI. Deutscher Gabelsberger-Stenographentag. Nachdem bereits am Donnerstag, Freitag und Sonnabend Vorberathungen gepflogen und am Sonnabend Nachmittag und Abend die von auswärts kommenden Stenographen auf dem Hauptbahnhofe festlich empfangen worden waren, fand am Sonnabend im Gewerbehause ein großer Begrüßungsabend statt, an welchem etwa 1500 Personen theilnahmen. Am Sonntag Vormittag fand eine Reihe interner Sektionssitzungen statt und Mittags gegen 12 Uhr versammelten sich im großen Saale des Gewerbehauses etwa 1500 Mitglieder des Stenographentages zur festlichen Eröffnungssitzung, zu der u. A. als Ehrengäste, erschienen waren Ihre Excellenzen die Herren Staatsminister vr. Schurig, General der Infanterie und Kommandeur des 12. <1. Kgl sächsischen) Armeekorps, Freiherr von Hausen und Stadtkommandant Generalleutnant von Schmaltz, eine Deputatton der 2. Ständekammer, bestehend aus den Herren Präsident Geh. Hof rath vr. Mehnert und Landtagsabgeordneten Behrens und Grumbt, und weiter die Herren Generaldirektor Geheimrath von Kirchbach, Ge- heimräthe vr. Vodel, Merz und Kockel, Ober postdirektor Halle und eine Deputation des Rathes und der Stadtverordneten der König lichen Haupt- und Residenzstadt Dresden. Punkt 12 Uhr betrat in Begleitung der Herren Geh. Finanzrath Oberbürgermeister Beutler, Bürger meister Hetschel und Rittmeister von Metzsch- Reichenbach Se. König!. Hoheit Prinz Georg den Saal und nahm auf dem reservirten Sessel Platz. Bald darauf erklang Weber's Jubel- Ouverture, deren letzten Theil die Festversamm lung stehend anhörte, und hiernach erfolgte die Konstituirung des Stenographentages durch die Wahl des Gesammtvorstandes in der Weise, daß durch Zuruf gewählt wurden die Herren Professor vr. Clemens-Wolfenbüttel als erster, Reichs- rathSabgeordneter Noske-Wien als zweiter, Professor vr. Fröhliger - Dresden als dritter Vorsitzender, vr. Greif-Serkowitz als erster, vr, Gaster - Stralsund als zweiter und Schaible- Stuttgarl als dritter Schriftführer. Die Reihe der sodann erfolgenden Begrüßungen eröffnete Herr Professor vr. Clemens - Wolfen büttel, indem er Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Georg für Uebernahme des Protektorates dankte und dieses Protektorat als den Ausfluß des innigen Verhältnisses zwischen dem sächsischen Volke und dem Königshause Wettin bezeichnete. Weiter hob der Redner noch die ganz besonders lebhafte Förderung der Gabelsberger Steno graphie in Sachsen hervor und entbot sodann den Vertretern der Königlich sächsischen und auswärtigen Regierungen, sowie den Vertretern der sonstigen Faktoren des öffentlichen Lebens herzliche Willkommengrüße. Demnächst ergriff Herr Geh. Finanzrath Oberbürgermeister Beutler als Ehrenvorsitzender des Stenographentages und Vertreter der Stadt Dresden das Wort zu einer längeren Begrüßungsrede. Unter den vielen Kongressen und Versammlungen, die man in Dresden begrüßen dürfe, zeichne sich der Stenographentag nicht nur durch die große Zahl der vertretenen Mitglieder aus, sondern auch durch die wachsende Bedeutung der von ihm vertretenen Sache, die ein bedeutsamer Faktor in unserem Kulturleben, ein nothwendiges Glied im politischen und sozialen Leben sei. Der Steno graphentag werde dazu beitragen, daß die Kunst niemals rosten kann. Und so wünsche er den Arbeiten dieses Tages Erfolg und in der arbeits freien Zeit möchten die Teilnehmer recht ver gnügte und angenehme Stunden verleben. Herr Geh. Rath Vodel ergriff im Namen der Kgl. sächsischen Staatsregierung das Wort zu einem ganz besonders herzlichen Willkommensworte, dabei zunächst mittheilend, daß es Se. Excellenz Herr Staatsminister v. Metzsch außerordentlich bedauere, der Feier nicht beiwohnen zu können. Die.Frage, welche Bedeutung die Stenographie im Allgemeinen und die nach Gabelsberger nn Besonderen sowohl in wissenschaftlicher, als auch in praktischer Beziehung habe, brauche er in diesem Kreise nicht zu erörtern, wohl aber glaube er, hervorheben zu müssen, das die Königlich sächsische Staatsregierung von jeher hohen Werth auf die Stenographie gelegt habe und sie auch m Zukunft in Wort und That zu würdigen wissen werde. Den Verhandlungen deS Steno- graphentages werde die König!. Staatsregierung mit Interesse folgen und wünsche denselben reichen Erfolg. Weiter hielten noch Begrüßungs ansprachen die Herren Landesschuldirektor vr. Kummer-Wien im Auftrage deS österreichischen Unterrichtsministeriums, Herr Professor vr. Lautenhammer-München im Namen des König!, baierischen Ministeriums für Kirchen- und Schul- angelegenheiten, und Herr Hofrath Professor vr. Rotter im Namen des Königlichen Steno graphischen Instituts in Dresden. Alsdann berichtete der Vorsitzende, Herr Professor vr. Clemens-Wolfenbüttel, daß der Bund in den letzten fünf Jahren von 670 auf 1420 Vereine mit rund 50,000 Mitgliedern gestiegen sei, und hierauf theilte für die Kommission zur Prüfung der Vollmachten Herr Laue-Braunschweig mit, daß auf dem gegenwärtigen Gabelsberger Steno graphentage 888 Vereine mit 1265 Stimmen durch 365 Personen vertreten würden, während auf dem fünften deutschen Stenographentage in Wien nur 487 Vereine mit 824 Stimmen durch 167 Abgeordnete vertreten wurden. Nach dieser, mit großem Beifall aufgenommenen Mittheilung, hielt Herr Professor vr. Clemens- Wolfenbüttel einen ausgezeichneten Vortrag über die Ziele der Gabelsberger Stenographie und die Aufgaben des Deutschen Stenographenbundes. Alsdann nahmen die Herren Seminaroberlehrer Böhme- Dresden und Reichsrathsabgeordneter Noske- Wien am Bundesbanncr Platz, an welches zu nächst Frl. Fanny Marcus aus Wien im Namen des ersten Wiener Damen-Stenographen- vereins „Gabelsberger" ein rothes Fahnenband heftete. Fräulein Melanie Friedmann über reichte Namens des Damen-Stenographenvereins „Gabelsberger" ein weißes und Fräulein Melanie Schmidt-Dresden im Auftrage des Dresdner Damen-Stenographenvereins ein grün und weißes Band Frl. Hofschauspielerin a. D. Rau überbrachte als Festgabe vom Damen- Stenographenverein „Gabelsberger" in Dresden mit sinniger Rede ein weiß und grünes Fahnen band. In sinniger Weise ehrte sodann der Stenographentag seinen Vorsitzenden, Herrn Professor vr. Clemens, durch Ueberreichung eines kostbaren Tafelaufsatzes aus Meißner Porzellan, wofür der Gefeierte in bewegten Worten dankte. Mit dem neuen Jubelfestmarsch „Hoch Wettin" von Reinhold Baade erreichte die Feier ihr Ende. Als Se. Kgl. Hoheit Prinz Georg den Saal verließ brachte die Versammlung auf ihn ein begeistertes Hoch aus. Nachmittags 3 Uhr fand ebenfalls im „Ge werbehause" ein großes Festmahl zu etwa 400 Gedecken statt. Die Reihe der Trinksprüche eröffnete Herr Bürgermeister Hetschel. Er machte darauf aufmerksam, daß das Streben nach einer deutschen Linheitsstenographie ein nationales sei, und feierte im Anschluß daran in begeisternder Weise Ihre Majestäten den deutschen Kaiser und den König von Sachsen. Das am Schluffe der Rede ausgebrachte Hoch auf beide Monarchen fand lebhaften Widerhall. Außerdem folgte noch eine ganze Reihe freudig aufgenommener Trinksprüche. Gegen 7 Uhr er reichte die Festtafel, welche sehr animirt verlief, ihr Ende. Den Abend verbrachten die Festtheil- nehmer theils in Sektionssitzungen und theils bei Helbig's, wohin auck die kamen, die Nach mittags Ausflüge in Dresdens herrliche Umgebung unternommen hatten. Am Montag Vormittag '/,8 Uhr traten zunächst die Sektionen für Stenographie und Militär und für Stenographie und Damen zu sammen und um 9 Uhr nahmen unter Teil nahme von etwa 800 Personen die Verhand lungen des Stenographentagcs unter Leitung des Herrn Prof. vr. Clemens-Wolfenbüttel ihren Anfang. Zunächst gelangte eine Ge schäftsordnung für den Stenographentag zur Annahme, die Prüfung der Bundesrechnung wurde geregelt und alsdann zur Berathung von 4 Anträgen, in denen Systemsfragen berührt wurden, verschütten. Ueber den Antrag des Deutschen Vereins in Wien auf Einigungsverhandlungen mit Systemgegnern entspann sich eine längere Debatte, welche vie Ablehnung oeS Anträge« mit allen gegen 47 Stimmen und die Annahme folgender, von vr. Gantter - Frankfurt a. M verfaßten Begründung zu der ablehnenden Haltung der Versammlung: „In der Erwägung, daß durch eine Verschmelzung mit anderen stenographischen Schulen das System GabelSberaerS an wissen schaftlichem Gehalt und an Leistungsfähigkeit eine entschiedene Einbuße erleiden würde, in Sachsen. ^^'Bischofswerda, 25. Juli. Heute ist Jakobi-Tag, ein Tag, dem der Landmann mit besonderen Gefühlen entgegensteht. Denn seit alten Zeiten schon pflegt er an diesem Tag in seine Hauptarbeit, in die Ernte, einzutreten. So werden denn auch heute schon am frühen Morgen die fleißigen Schnitter und Schnitterinnen, jene mit frisch gedengelter Sense, diese mit blitz blanken Rechen, hinauSgezogen sein auf das Korn feld, dessen Schnitt zum Theil anderwärts schon begonnen hat. Während die Schnitter bedächtig ausgreifend unter dem weiten Schwung der Sense die goldgelben Halme zu Falle bringen, binden die Mädchen aus den langen Schwaden die schweren Garben und stellen sie zu Puppen oder zu Mandeln zusammen. ES ist für das tiefe GemüthSleben des deutschen Volks bezeichnend, daß Alles, was es thut, mit einem Ausblick nach oben beginnt und endet! Zu den Göttern schaute der altgermanische Landmann empor, wenn er seine Saat ausstreute. DeS Donnerers Thor vornehmlich gedachte er beim Pflügen seiner Aecker, und seiner goldhaarigen Gemahlin Sis, wenn er sich der goldnen Felder freuen konnte. Frau Holda selbst, oder NerthuS, die allnährende Erdenmutter, schützte als Roggenmuhme die reifende Feldfrucht vor frevelhaftem Niedertreten und ist selbst heute noch in manchen Gegenden ein Schreck gespenst für Kinder, welche Blumen suchend in die geweihten Aehrenfelder eindringen. Der Bilsenschnitter war gefürchtet, weil er nächtlicher weile durch die Felder mit zwei Sicheln, die er an seine Füße gebunden hatte, die Halme abfchnitt, ehe sie zur Reise gelangen konnten. Ganz anders handelte der rothe Donnerer. Wenn sein Hammer in flammenden Blitzen über die Felder hinwegfuhr, Felsen zerschmetterte und Bäume zersplitterte, so segnete er die fruchtbare Feldflur. Und der freundliche Sonnengott Fro umritt gern die wogenden Felder, und überall, wo er gewesen, war die Ernte reicher als je. Darum gedachte man dankbar der Götter. Ihnen galt das erste Wort auf dem Erntefeld; ihnen war die letzte Garbe geweiht, die man daher auf dem Feld aufrichtete und mit Blumen schmückte; ihnen brachte man reiche Garben als Ernte-Opfer dar. Die alten Götter sind geschwunden, die alten, schönen Bräuche sind geblieben. Der fromme Sinn deS LandmannS beginnt noch heute Aus saat und Ernte vielfach mit einem schlichten „Walt'S Gott!" Noch heute bleiben oft die letzten Garben auf dem Feld zurück, nicht für die Götter, die ihrer nicht bedürfen, sondern für die Armen, die sie sich freilich selbst erst sammeln müssen. Ist eS doch christliche Lehre, im Ueber- fluffe derer nicht zu vergessen, die bedürftiger sind als wir. Noch wird in Westfalen am Schluffe der Ernte den Schnittern und Schnitte rinnen das Wadelbier gespendet, wobei freilich Niemand mehr an den asten Göttervater denkt, bei dessen Opfersesten man eS früher zu trinken pflegte. Und an Stelle der Götter ist oft ein christlicher Heiliger getreten. An Stelle Wodan» trat dir Apostel JakobuS. An seinem Ehrentag begann man die Ernte-Arbeit, und seinen Segen erbat man sich dazu. Möchte nun auch in diesem Jahr der Fleiß unserer Landwirthe seinen Lohn finden. — Die HundStage, die Zeit vom 23. Juli bi» 23. August, in der die Sonne, die in den ersten beiden Dritteln de» Juli im Zeichen de» Krebse» gestände», in da» de» Löwen tritt, be gannen am Montag, und damit dir heißeste Zeit de» Jahre». Während jetzt in den Bädern und Sommerfrischen sich fröhliche» Leben entfaltet, zieht in der Stadt die Still« de» Hochsommer» ein. Die saure Gurke tritt ihr« Herrschaft an. Für den Landmann aber bringen die Tage de» Juli und August Arbeit in Hülle und Fülle. Denn nun gilt e», den Segen der Felder einzu- brinarn. Noch viel Sonnenschein ist jetzt zu wünschen, denn von drw Hund»tagm verlangt der Sandmann trockene» Wetter; Hundstage hell und klar — zeigrn an ein gute» Jahr; — Uage zu M. 85 des sächsischen Lrzähters Bischofswerda, de« L«. Juli 1V0O. fernerer Erwägung, daß die Stenographie als Schnellfchrift nach wie vor dazu berufen sein muß, auch den höchsten Anforderungen der Schreibfiüchtigkeit zu genügen", zur Folge hatte, lehnt der VI. Deutsche Gabelsberger-Steno- graphentag den Antrag ab Darauf trat eine zweistündige Mittagspause ein. LI