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Bischofswerda, de« SV. MSrz 1V0V vorbestrafte Handelsmann Schair Kallmann, der sein Dienstmädchen in unbarmherziger Weise miß« handelt hatte, ist für diese Rohheit zu vier Wochen Gefängniß verurtheilt worden. Chemnitz. Im „Feldschlößchen" zu Happel wurde am Sonntag die erste sozialdemokratische Gemeinde-Bertreter-Konferenz für Sachsen ab geholten. Dieselbe war von inSgesammt SO Dele gierten au» 74 Orten besucht. Nach einer längeren Aussprache wurde beschlossen, für da» Programm die von KautSky gegebene Einleitung anzunrhmen. Zu erwähnen ist, daß die Forde rung, an Gemeindevertrrter dürfen keine Gemeinde arbeiten vergeben werden, gestrichen wurde. In einer Resolution sprach man sich sodann für den Wegfall der Steuervergünstigung für Beamte und Festangestellte bei der Gemrindrbesteurrung au». — Die hiesigen Schuhmacher geben bekannt, daß sie infolge der in der letzten Zeit ganz bedeutend gestiegenen Preise de» Leder» und der übrigen Rohmaterialien sich genöthigt sehen, die Preise ihrer Erzeugnisse dementsprechend zu erhöhen. — Der Straßenmeister Göthel kam am Sonn abend im Elektrizitätswerk zu Gablenz dem Schwungrade zu nahe, wurde von demselben er faßt und dermaßen mit herumgeschleudert, daß sofort der Tod eintrat. Göthel hinterläßt eine Wittive mit fünf Kindern. Deutscher Reichstag. * Deutscher Reichstag. 176. Sitzung vom 26. März 1900, Mittag» 1 Uhr. Am BundeSrathStisch: Graf PosadowSky. Da» schwach besuchte Hau» trat heute in die erste Berathung der npien SremannSordnung in Verbindung mit den Gesetzen über die Ver pflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute, über die Stellen vermittelung für Schiffsleute und über die Ab änderung srerechtlicher Borschristen de» Handels gesetzbuches rin, Die Vorlage fand bei fast allen Rednern deS^ause», insbesondere be. den Abgg. Frese (fr. Vgg), Rettich (kons.), Spahn (Ct.), Möller-Duisburg (nl.) und Lingen» (Ct.) freund liche Aufnahme. — Abg. Metzger (Soz.) erklärt sich in allen Punkten gegen die Vorlage. Er vermißte vor Allem die Einführung von See schöffenämtern und die Sicherung de» Koalitions recht» der Seeleute. Ohne diese beiden Vor bedingungen sei die Vorlage sür seine Partei unannehmbar, weil sie den AuSbeutungSgelüsten der Rheder freie Hand läßt. — Abg. Raab (dtsch.-soz. Resormp.) erklärt sich mit den Grund zügen der Vorlage einverstanden, bedauert aber die Einführung de» ZüchtigungSrrcht» und da» Fehlen von Bestimmungen behuf» Sicherung der Koalitionsfreiheit. Im einzelnen fordert er die Schriftlichkeit de» Heuervertrage», Einschränkung der sogenannten freien Vereinbarung, die Ein richtung von Seeschöffrnämtern, eine längere Ruhezeit und hofft, daß diese Anregungen in der Kommission Berücksichtigung finden werden. Gehrimrath Zonquiere» bestreitet, daß die Hamburg-Amerika-Linie den SchiffSosfizierrn und Kapitänen die Theilnahme an dem Verein deutscher Offiziere und Seeleute verboten habe. Da» Recht körperlicher Züchtigung in Aus- nahmefällen müsse im Interesse der Disziplin zugrstanden werden. Nach einer einstündigen Rede de» sozialdemokratischen Abg. Schwarz- Lübeck, während der sich da» Hau» bi» auf einige Personen leerte, erhielt nach 6l/, Uhr da» Wort Abg. vr. Hahn (B. d. L.) der sich der gemaßregelten Offiziere der Hamburg- Amerika - Linie warm annahm und an die Ge sellschaft da» dringende Ersuchen richtete, sich mit den Offizieren zu verständigen, da sie doch nicht im Ernste versuchen werde, ihnen die Theil- nähme an einem Verein zu verbieten, der so Hervorragende» geleistet hat und so durchau» gute Zwecke verfolgt. Im einzelnen wünschte Redner die Schriftlichkeit de» Heuervertrage», Schöffengerichte und EeemannSämter, die in der Mehrzahl mit Fachleuten zu besetzen seien und eine dienstliche und wirthschastliche Besserstellung der Offiziere und Mannschaften. Hierauf wurde die Vorlage an eine Kommission von 21 Mit gliedern verwiesen. Schluß nach 7 Uhr. 177. Sitzung vom 27. März 1900, Mittag» 1 Uhr. Am BundeSrathStisch: Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, Graf PosadowSky, Frbr. von Thirlmann, v. PodbielSki, v. Goßler, Tirpitz, Vermischtes. — (Vermischte Nachrichten.) Große» Aufsehen erregt in Altona die Thatsache, daß der kürzlich verstorbene Justizrath Jessen zu seinen Lebzeiten bedeutende Betrügereien und Unterschlagungen begangen hat. Wie erst jetzt bekannt wird, hat Jessen eine Dame um 80,000 Mk., eine andere uw 40,000 Mk. betrogen. InSgesammt belaufen sich die defraudirten Gelder auf etwa 200,000 Mark. — Im städtischen Krankenhaus zu Frankfurt a. M. mußte am Freitag einem Manne, der sich beim Hühner- augrnschnriden eine Verletzung zugezogen hatte, rin Bein amputirt werden. — Ein Großseuer hat am Sonnabend einen Theil de» umfang, reichen Fabriketablissement» der Aktiengesellschaft „Möncheberger Gewerkschaft" bei Kassel voll ständig eingräschert. — Die Entdeckung eine» entsetzlichen Verbrechen» wird au» der Stadt Nagy Körö» (Ungarn) gemeldet. Seit Jahren schon treibt Therese Gyulai, ein alte» Mädchen, da» furchtbare Handwerk al» Engelmacherin. Da» Verbrechen wurde durch einen Zufall ent deckt. Eine sterbende Frau beichtete, Gyulai habe ihr bei der Geburt der Kinder geholfen, ein Kind erdrosselt und dann den Schweinen vor geworfen, die e» aussraßrn. Therese Gyulai leugnete zurrst, schließlich legte sie ein Grständniß ab. E» kamen entsetzlich« Dinge zu Tage. Die Engelmacherin hatte seit einigen Jahre« über 200 Kinder getödtet. Außer Therese G' 'i wurden bisher 40 Personen verhaftet. Di« Stadt ist in unbeschreiblicher Ausregung. Sachsen. Bischof»werda,.28. März 1900. — Die neue Postordnung. Am 1. April tritt für da» Verhältniß de» Publikum» zur Postverwaltung bei Benutzung der postalischen Einrichtungen eine neue Postordnung in Wirk samkeit, welche eine Fülle von BerkehrSerlrichte- rungrn bringt. Die wichtigsten greifen wir hier kurz heraus. In der Aufschrift postlagernder gewöhnlicher Briefe dürfen statt de» Namen» de» Empfänger» auch einzelne Wörter oder kurze Sätze angegeben sein. Bei Drucksachen sind Zusätze durch Stempel oder Druck unbeschränkt zugelaffen. In Einladung»- und Einberufungs karten darf man den Namen de» Eingrladenen oder Einberufenen, ferner Zeit, Zweck und Ort der Zusammenkunft vermerken. Bei Maaren« proben ist die Zahl der zulässigen handschrift lichen Vermerke erweitert; auch darf die Aufschrift auf einer haltbar befestigten Fahne von Pergament papier oder sonstigem festem Stoffe angebracht werden. Postausträge mit dem Vermerk „Sofort zum Protest" sollen nicht mehr sofort nach der ersten vergeblichen Vorzeigung oder nach dem ersten vergeblich gebliebenen Versuche der Vor zeigung zur Protesterhebung weitergegeben, sondern noch bi» zum Schluffe der Schalterdienststunden an dem betreffenden Tage bei der Postanstalt zur Einlösung bereit gehalten werden, wenn nicht etwa der Vorzeigelag schon verstrichen ist. Bei dringenden Packeten ist die Inhaltsangabe nicht mehr erforderlich. Außerhalb der Schalterdienst stunden gelangen fortan neben Einschreibbriefen und gewöhnlichen Packeten auch Einschreibpackcte zur Annahme. Bei gewöhnlichen Briefen kann der Absender eine einfache Berichtigung der Adresse — ohne Aenderung des Namens oder der Eigenschaft de» Empfänger» — unmittelbar bei der Bestimmung»-Postanstalt beantragen. Inhaber von nicht eingetragenen Handelsfirmen erlangen Erleichterungen für den Nachweis der Empfangsberechtigung. Briese mit Werthangabe und Packele können auf Verlangen des Empfängers ohne Sicherstellung sür da» Porto nach gesandt werden. AbholungSrrklärungen erstrecken sich auch auf Postsendungen an andere Personen, wenn die Aufschrift den Abholer als zweiten Empfangsberechtigten enthält, sowie auf gewöhn liche Packete, in deren Aufschrift ein Gasthof al» Wohnung de» Reisenden angegeben ist. Eine UnbestellbarkeitSmeldung soll auch sür den Fall erlassen werden, daß eine Postanweisung oder «in Brief mit Werthangabe unanbringlich ist, weil der Empfänger infolge mangelhafter Adresse nicht sicher zu erkennen ist. Bei Reisen mit den Posten dürfen Kinder bi» 10 Jahren frei be fördert werden. Die Packetadressen und Post anweisungen gehen mit den aus denselben befind lichen Marken vom Augenblick der Einlieferung ab in da» Eigenthum der Postverwaltung über und müssen bei Abnahme des Packet» oder Aus zahlung de» Betrage» an die Postanstalt zurück gegeben werden. Da» Ablösen der Marken ist unstatthaft. Die Rückgabe ist auch dann er forderlich, wenn die Annahme de» Packet» oder de» Geldbeträge» abgelehnt wird. Bei nicht rechtzeitiger Abholung werden gewöhnliche Packete, soweit sie zur Bestellung geeignet sind, am zweiten Tage nach dem Eingang bestellt, die zur Bestellung nicht geeigneten Packete aber, sowie Einschrrib-. und Werthsendungen, ferner Postanweisungen am achten Tage nach dem Eingang al» unbestellbar behandelt. Wir werden auf einzelne Punkte der neuen Postordnung in nächster Nr. d. Bl. noch eingehender zurückkommen. Dresden. In der Nähe der Felsenkeller- brauerei hat sich am Freitag da» 13jährige Schulmädchen Friede Preußer au» Plauen bei Dresden erhängt. Krankhafte Furcht vor Strafe wegen eine» geringfügigen häuslichen Vergehen soll da» bedauernSwerthe Kind in den Tod ge trieben haben. Leipzig. Für den zu Ostern (1b/ und 16. April) hier stattfindenden Führer« und Aerzte- tag der Freiwilligen SanitätSkolonne vom Rothen Kreuz im Königreiche Sachsen liegen zahlreiche Anmeldungen schon jetzt vor. Die Verhandlungen werden manche» WissenSwerthe bringen. — vom nächsten 1. April an haben die Beamten de» Rath«» und Polizeiamtes der Stadt Leipzig sich, bevor sie angestellt werden, einer Prüfung zu unter- ziehen; da» betreffende Regulativ wurde am Svaua-rnd vom Rath« grnehmigt. — D«r schon Graf Bülow, Nieberding, vr. Schulz und zahl reiche Kommissare. Bei wiederum schwachem Besuch, aber stark besetztem BundeSrathStisch, trat da» Hau» heute in die dritte Lesung de» Reich»hau»halt»etat» rin. Nach kurzer unwesent licher Generaldebatte ging da» Hau» sofort zur Spezialdrbatte über. Zum Etat de» Reichs tage« lag ein Antrag der freisinnigen Volk-Partei auf Gewährung von Diäten für dir Reichtag»- Mitglieder vor. Der Antrag wurde von den Rednern de» Crntrum», der bridrn freisinnigen Parteien, der Sozialdemokraten und der deutsch sozialen Reformpartei befürwortet, vom Abg. von Kardorff (Rp.) dagegen bekämpft, weil er in diesem Stadium der Berathung de» ReichShauS- holtSetat» eine Urberrumpelung sei. Abgeordneter Bassermann (nl.) beantragt, daß statt der Diäten Anwesenheit-gelber gezahlt werden sollen. Dieser Antrag wurde gegen die Stimmen der Konservativen zum Beschluß erhoben. Der Etat i de» Reichskanzler», sowie der Etat de« Auswärtigen Amt» wurden fast debattelo» genehmigt. Beim Etat de» Reichsamt» de» Innern fordert Abg. vr. Arendt (Rp.) den Abg. Thiele (Soz) auf, die in zweiter Lesung gegen den Steiger Rother im ManSfeldschen erhobenen Beschuldigungen zurückzunehmen, weil diese Anschuldigungen absolut grundlos seien. Abg. Singer (Soz.) erklärte, daß sein FraktionSgenosse Thiele nicht anwesend sei und daß er ihm die Antwort Vorbehalten müsse. Hieran schloß sich eine lange, zum Theil recht hitzige Debatte in der die Abgg. vr. Arendt (Rp.) und vr. Paaschke (nl.) den Sozial demokraten vorwarfen, daß sie leichtfertig gegen Abwesende mit einem gewissen Schein der Wahr heit Beschuldigungen erhöben, die sich hinterher fast immer al» grundlos hrrauSstellten. ES folgte die vom Abg. Fürst zu Inn« und Knyphausen beantragte Resolution, betreffend den Abschluß einer Konvention mit Holland, England, Dänemark und Schweden, betreffend die Förderung der Hochseefischerei, die nach ein gehender. Befürwortung de» Antragsteller» und de» Abg. vr. Hahn, (B. d. L.) mit großer Mehrheit zur Annahme gelangte. Sodann kam in vorgerückter Stunde die vou den Abgg. Rembold und Genossen vorgeschlagene Resolution zur Begründung, die Regierung zu ersuchen, angesichts der schweren wirthschaftlichen Schädig ungen, die durch die Maul- und Klauenseuche die angeordneten Sperrmaßregeln herbeigesührt werden, die bestehenden Vorschriften einer weit gehenden Revision zu unterziehen. Nach längerer Begründung der Resolution feiten» de» Abge ordneten Rembold und einer Antwort de» Staatssekretär» Graf PosadowSky wurde die Weiterberothung auf Mittwoch 1 Uhr vertagt. Schluß 7^4 Uhr.