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und für die jüngst oom Sultan den ihm vor gestellten deutschen Persönlichkeiten erwiesenen Aufmerksamkeiten. Die FreitagSsttzung de» Reichstages hat endlich die Entscheidung über die am meisten umstrittenen Bestimmungen deS der lsx Heinze gezeitigt, über die Paragraphen 184 a („Künstler paragraph") und 184 b („Theaterparagraph"). Beide Paragraphen wurden in der Compromiß- sassung angenommen, von ihnen 8 184 d in namentlicher Abstimmung mit 166 gegen 124 Stimmen; vorher war 8 184 (Feilhalten un züchtiger Schriften, Abbildungen oder Dar stellungen) in der Fassung der Regierungsvor lage genehmigt worden. Die diesen Abstimmungen vorangegangene Debatte bewegte sich fast aus schließlich im Rahmen scharfer persönlicher Be merkungen und Auseinandersetzungen, die in der Hauptsache zwischen den Abgeordneten Stöcker (wild), Schrempf (kons.) und Roer en (Centr.) einerseits, dem Abgeordneten vr. Müller- Meiningen von der srrisinnigen BolkSpartei anderseits, ausgetauscht wurden und welche das öftere Eingreifen der Präsidenten Trafen Balle strem nöthig machten. Dann wurde zur Ab stimmung über die erwähnten Paragraphen ge schritten, welche das schon mitgetheilte Resultat hatte. Hierauf wurde zur Berathung deS 8 184 o (Mittheilungen anstößigen Inhalts aus den Ge richtsverhandlungen) geschritten, wobei sich der sozialdemokratische Abgeordnete Stadthagen eine fast zweistündige „Dauerrede" gegen diesen Paragraphen leistete. Nach Schluß dieser sehr unruhig verlaufenen Spezialdiskussion veranlaßte der vom Abgeordneten Singer (soz.) gestellte Antrag auf namentliche Abstimmung über 8184 o eine abermalige gereizte Debatte persönlicher Art, die zwischen dem Abgeordneten Graf Oriola (nat.-lib), Stadthagen (soz.) und Graf Arnim (ReichSp.) spielte, worauf endlich 8 184c: mit 196 gegen 73 Stimmen angenommen wurde. Ein von sozialdemokratischer Seite beantragter neuer 8 184 ä, laut welchem die Bestimmungen der 88 184, 184» und 184 d keine Anwendung auf Produktionen und Darstellungen finden sollen, bei denen ein höheres Interesse für Kunst und Wissenschaft obwaltet, rief eine lebhafte und ziemlich verwickelte Geschäftsordnungsdebatte hervor, die damit endete, daß der sozialdemo kratische Antrag auf Einführung deS neuen Paragraphen 184 ä, mit 155 gegen 112 Stimmen als nach der Geschäftsordnung nicht zulässig erklärt wurde; alsdann erfolgte Schluß der stellenweise stürmisch bewegten Sitzung. Am Sonnabend befaßte sich der Reichstag mit den noch restirenden Bestimmungen des lox Heinze. Die Budgetkommission des Reichstage S lehnte am Freitag nach lebhafter Debatte die Regierungsvorlage wegen Verwendung über schüssiger Reichseinnahmen aus dem Jahre 1900 ab. Dafür wurde ein vom Centrum-abgeordneten Müller-Fulda beantragter Gesetzentwurf ange nommen, welcher diese eventuellen Ueberschüsse nicht, wie die Regierungsvorlage, zur Verstärkung der Betriebsmittel der Reichskasse gesammelt, sondern sie unter gewissen Voraussetzungen zur Verminderung der Reichsschuld verwendet wissen will. Nach Erledigung von Petitionen vertagte sich die Budgetkommission bis auf Weitere»; wahrscheinlich wird sie am 27. März wieder zu sammentreten, und zwar, um die Flottenvorlage in der TeneraldiSkusston zu berathen. Dem BundeSrathe ist ein Nachtragsetat zugegangen, dessen Hauptforderung die Summe von 4V, Millionen Mark zur Vervollständigung des Eisenbahnnetze« im Westen im Interesse der LandeSvertheidigung bildet. Die Versuche, ein Kompromiß in Sachen deS Fleischbeschaugesetzes herbeizuführen, sollen nun doch einstweilen gesichert sein, während es bislang geheißen hatte, diese erstrebte Verständi gung gelte als aussichtsvoll. Die dritte Lesung des Fleischbeschaugesetzes ist daher bis auf un bestimmte Zeit vertagt worden. Die von einer Reihe landwirthschastlicher Bereinigungen an den Kaiser gerichteten Telegramme, in welchen die Hilfe des Monarchen zur Aufrechterhaltung der letzten Kommissionsbeschlüsse zum Fleischbeschau gesetz erbeten wird, sind, wie sich einer Auslassung der offiziösen „Nordd. Allg. Ztg." entnehmen läßt, unbeantwortet geblieben. Das preußische Abgeordnetenhaus arbeitet fortgesetzt mit Hochdruck, um den Staatshaushaltetat noch rechtzeitig fertigzustellen, zu welchem Zweck auch am Freitag wieder zwei Sitzungen abgehalten wurden. Ja der Tage»- sttzung kam in Fortsetzung der Berathung des BauetatS der Staad der Kaaalsrage zur Sprache, wobei der AubritSmiaister erklärte, er köaae dra Tag, an welchem die neue Kanalvorlaze de« Abgeordnetenhause zugehen werde, noch immer nicht genau angeben, jedenfalls herrsche aber be züglich der Kanalangelrgenheit vollkommene Einmüthigkeit im Staatsministerium. In der Sitzung vom Freitag Abend fand eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen Finanzminister vr. v. Miquel einerseits, dem CentrumSabgeordneten Eynatten und den Polen Brodnicki und Motty anderseits über das Prinzip deS Ansiedelungs gesetze« für Posen und weiter über die Polen frag« statt. Der durch seine Beschlagnahme feiten» der Engländer so bekanntgewordene Reichspost- Kämpfer „BundeSrath" ist in Hamburg ein getroffen. Der Führer der Nationalliberalen im baierischen Landtage, vr. Aub, ist gestorben, womit die gemäßigt-liberale Partei in Baiern einen empfindlichen Verlust erleidet. Im Uebrigen hat vr. Aub nicht nur al» Politiker und Parlamentarier, sondern auch als Arzt und medizinischer Fachgelehrter Hervorragende» ge leistet, ihm verdankte das baierische Medizinal wesen sehr viel. Der österreichische ReichSrath ist Ende ver gangener Woche vertagt worden, nachdem am Freitag die Delegationswahlen stattgesunden hatten. Ministerpräsident v. Körber erklärte im Abgeordnetenhaus, daß der ReichSrath jedenfalls im Mai zu einer längeren Session wieder ein berufen werden würde. — In Nürschau meldete sich eine größere Anzahl streikender Bergleute zur Wiederaufnahme der Arbeit für Montag. Im Teplitzer Revier fanden am Freitag größere Ruhestörungen seitens der streikenden Bergleute statt; Militär zersprengte die lärmenden Massen. Auch in Schatzlar kam eS zu einem Tumult der Bergarbeiter, wobei die GenSdarmerie ein schreiten mußte. Frankreich scheint auf seiner eingeschlagenen Annexionspolitik gegenüber China verharren zu wollen. Wenigstens wird die neuliche Konferenz deS französischen Gesandten am Pekinger Hofe, Pichan, mit dem französischen Konsularbeamten für das chinesische Grenzgebiet gegen Tonking all seitig als ein Anzeichen betrachtet, daß die fran zösische Politik zum BorwärtSgehen auf dem angedeuteten Wege entschlossen ist. Die Presse in Tonking verlangt bereits energisch die Annexion der südchinesischen Provinzen KwantuSg und Junnan, doch dürften die Dinge wohl noch nicht so weit gediehen sein. DaS Schicksal des um 3 Wochen über fälligen Güterdampfers „Pauliac" erweckt angstvolle Spannung. Wenn er untergegangen wäre, so hätte man nicht nur den Verlust von 51 Menschenleben zu beklagen, der Schlag würde auch die Weltausstellung hart treffen, denn der „ Pauliac" hat weit über 1000 Tonnen in Amerika bestellter unentbehrlicher Maschinen an Bord, die bis Mitte April unmöglich ersetzt werden können und ohne die der Betrieb der elektrischen Ausstellung unmöglich ist. Die Spezialdebatte der italienischen Deputirtenkammer über Artikel 1 des Gesetzes, betr. die politischen Maßnahmen, schleppt sich noch immer resultatlos aus einer Woche in die andere fort, dank der Verschleppungstaktik der Radikalen und Sozialdemokraten. Am Freitag beschloß daher die Kammer, wöchentlich zwei Sitzungen am Vormittag abzuhalten und außer dem die Nachmittagssitzungen vom 20. März ab bis 8 Uhr Abends auSzudehnen. OSman Pascha, der „Löwe von Plewna," sollte nach einem Konstantinopeler Privattele gramm deS „B. T." nach kurzem Krankenlager gestorben sein. Eine Meldung des „Wiener Korresp. Bur." au» Konstantinopel bezeichnet indessen diese Nachricht al» unrichtig, erklärend, Ghazi OSman Pascha sei allerving» erkrankt, er befinde sich jedoch seit einigen Tagen auf dem Wege der Besserung. Ja den weiteren Operationen des Feld- marschall» Roberts ist nach der Besetzung von Bloemfontein durch die englischen Truppen zunächst eine Pause eingetreten, soweit e» sich um da» fernere Vordringen nach Norden handelt. Dafür geht der englische Feldherr offenbar darauf au», die au» dem nördlichen Kaplqnd über den Oranjefluß in den Freistaat zurück gehenden Burenabtheilungen abzufangen, wir die Entsendung einer englischen Streitmacht unter General Polikarew von Bloemfontein nach Süden zur Vereinigung mit den Generälen Gatacre und Clement» beweist. Wie Robert» au» Bloem fontein vom 16. März meldet, traf Polekam» in Spriagfontein rin, was di« Wiederherstellung der Vahnverbinduug zwischen Kapstadt und AK Der sächsisch« Girzichler. GrGe ». ttGG Bloemfontein beweist. Im Weiteren äußert sich Robert» in der betreffenden Depesche über die bereit» eintretenden Wirkungen der Proklamation zur Waffenuiederlegung, welche General Pretgman, der neue englische Gouverneur von Bloemfontein, an die Buren im Umkreise von zehn Meilen um die Stadt erlassen hat. Die in der argentinischen Provinz Ent re Rio» ausgebrochene rebellische Be wegung wird von Seiten der Crntralregierung in Bueno» Aires al» belanglos bezeichnet. An geblich soll e» sich um einen Streich politischer Streber handeln, die lediglich zur Befriedigung ihrer pecuniären Interessen die RegierungSgewalt an sich reißen wollten. Inzwischen sind Re gierungstruppen nach Entre Rio» abgegangen. 18. März. Mittag« sand in» von den Aeltesten der Berliner einberufene Versammlung von * Berlin, Börkensaale eine Kaufmannschaft Vertretern deS Handels, der Industrie und einer Anzahl größerer Städte behuf» Stellungnahme gegen da» Fleischbeschaugesetz statt. Die Ver sammlung nahm eine Resolution an, worin eS heißt, da« Verbot der Fleischeinfuhr schädige die Industrie, den Handel und die Schifffahrt Deutschlands empfindlich, störe in wirthschaftlichrr Beziehung Deutschlands Handel und Gewerbe fleiß zu gedeihlicher Entwickelung und stelle den Erfolg der Handelsvertragsverhandlungen in Frage. Nicht nur die Lebenshaltung der industriellen Arbeiter, sondern auch die gesammte Volkser nährung werde durch die Erschwerung des Fleisch konsums in Mitleidenschaft gezogen. Die Ver sammlung erblicke daher in den Folgen deS Fleischeinfuhrverbots eine Schwächung der wirth- schastlichen Kraft des Deutschen Reich» und lege gegen die Reichstagsbeschlüsse vom 9. März ent schiedenste Verwahrung ein. Kiel, 16. März. Der Professor an der hiesigen Universität und frühere Reichstags- und Landtagsabgeordnete Geh. RegierungSrath vr. Karsten ist gestorben. * Wien, 18. März. Die „Wiener Ztg." meldet: Die Kronprinzessin-Wittwe Stephanie hat sich, nachdem sie die Zustimmung und Ein willigung des Kaisers al» Familienoberhauptes eingeholt und erhalten hat, mit dem Grafen Lonyay verlobt. Verschoben soll die Vermählung der Kron prinzessin Stephanie sein. Wie wir seinerzeit mittheilten, sollte die Vermählung am Montag, den 12. März, in Miramare vollzogen werden. Graf Lonyay ist jedoch bei den in Triest herrschen den Schneestürmen und dem kalten Wetter an Influenza erkrankt. Thatsächlich hat der Graf Triest verlassen und ist, nach einer Meldung au« Görz, daselbst angekommen, wahrscheinlich, um sich in dem dortigen milden Klima gänzlich von der Influenza zu erholen. * Wien, 18. März. Die „Arbeiterzeitung" meldet aus Teplitz, da» AuSstandSkomitS beschloß gestern einstimmig, baß der Ausstand im nord west-böhmischen Kohlenbecken als beendet an- zusrhen ist. * Teplitz, 18 März. In einer in der vergangenen Nacht veröffentlichten Extraausgabe de» hiesigen Arbeiterblattes fordern da» Central- Streik-Komitö und die GcwerkschaftSkommisstonen in Wien und Prag die Ausständigen auf, die Arbeit morgen wieder aufzunehmen. In Prag und Brüx haben sich zur morgigen Schicht zahl reiche Ausständige angemeldet. In Falkenau sind Unterhandlungen wegen Wiederaufnahme der Arbeit im Gange. Mährisch-Ostrau, 17. März. In Folge der bestimmten Zusicherung der Regierung, die Arbeitszeit zu regeln und Seneralpardon zu er wirken, beschloß da» Streikkomitö, im Sinne einer friedlichen Beilegung de» Streike» thätig zu sein. Prag, 17. März. Nach den au» dem AuSstandSgebiet vorliegenden Nachrichten ver anstalteten in Karbitz die Streikenden Kund gebungen, wurden indessen von Militär und Gendarmerie zerstreut. 9 Personen wurden ver haftet. — Die in Dux au» der Umgebung ein treffenden Arbeiterzüge wurden ebenfalls zerstreut. 3 Verhaftungen wurden vorgenommen. — In Zuckmantel und bei Turn wurden kleinere An sammlungen durch Gendarmerie und Militär auseinander getrieben. 2 Personen wurden ver haftet. Bor dem Walzwerkschacht in Zuckmantel erschienen gestern 200 Streikende, forderten die Entlassung der Arbeitenden, zogen sich jedoch bei der Ankunft der Gendarmerie zurück. Zwei Rädelsführer wurden festgenommen. Auf de« Schacht „Antonia Tiefbau" in Brüx ist Ue Arbeit wqea Waffereinbruch«» eiufeKmkt.^