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Berlin, 13. Februar. Heute Bormittag 11 Uhr 2 Mm. traf auf t>d Anhalter Bahn hofe Se. König!. Hoheit Prinz Heinrich von Preußen ein. Auf dem Bahnsteige hatte eine Kompagnie de» Kaiser Alexander-Tarde-Grenadier- Regiments Nr. 1 in Mänteln mit den Blech mützen, der Fahne und Musik als Ehrenwache Aufstellung genommen, aus ihrem rechten Flügel die sämmtlichen direkten Borgesetzten bi» zum kommandierenden General hinauf. Ferner waren zum Empfange erschienen die in Berlin an wesenden Prinzen de» Königl. Hauses, von denen nur Prinz Friedrich Heinrich, Prinz Joachim Albrecht und der gestern Abend hier angekommene Erbprinz von Sachsen-Meiningen genannt seien, das gesammte Staat-Ministerium mit dem Reichs kanzler an der Spitze, da» Hauptquartier Sr. Majestät de» Kaisers, die in Berlin und Pots dam anwesende» Generaladjutanten, die Chefs des Militär- ünd Marinekabinetts, die Generalität von Berlin, sowie die in Jmmediatstellungen be findlichen und alle in Berlin anwesenden Marine offiziere, deren Anzahl nicht gering war, der Polizeipräsident, der frühere Flügeladjutant de» Prinzen Major von Brrugrl u. A. Se. Maj. der Kaiser in Marine-Jnfanterie-Unisorm mit dem Bande des Schwarzen Adler-Orden», am Tschako den schwarzen Haarbusch, erschienen kurz vor 11 Uhr und begrüßten die Anwesenden. Pünktlich lief der Zug ein. Prinz Heinrich in Admiral-uniform mit dem Bande des Schwarzen Adlerorden» stand am Fenster seines Wagens. Der Prinz, von der Sonne gebräunt, sah sehr frisch au». Während der Prinz dem Wagen entstieg und Se. Majestät der Kaiser ihn auf herzlichste begrüßten und mehrfach küßten, spielte die Musik einen Präsentiermarsch, und Hochrufe de» zahlreich auf dem Bahnsteige versammelten Publikums wurden laut. Sodann begrüßte der Prinz die zum Empfange versammelten Herren und schritt mit Sr. Majestät dem Kaiser die Front der Ehrevkompagnie ab, die sich sogleich znm Vorbeimarsch formierte. Nach Abnahme desselben begaben Sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften durch die Fürstrnzimmrr zu den Wagen. Se. Majestät der Kaiser fuhren mit de« Prinzen Heinrich in offenem Wagen durch die Küntggrätzrr Straße, da» Branden burger Thor, die Linden zum Königl. Schlosse. Auf dem Platze vor dem Bahnhöfe hatte sich eine gewaltige Menschenmenge angesammelt, darunter viele Schulkinder, da der Unterricht heute ausgefallen war. Se. Majestät der Kaiser und Prinz Heinrich wurden mit brausenden HurrahS empfang«. Die öffentlichen und viele Privatgrbäude haben geflaggt, die Wachen sind in Paradeanzug aufaezogen. Im Lustgarten wurden 21 Salutschüsse abgrieuert. Der Kaiser soll tu eine« Telegramm au den Herzog-Regenten Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwert« sein Befremden darüber auSgrdrückt habeu, daß sich der Regent durch «tu« Korrespondenten de» Pariser „Eclair" habe bttervirroeu lass«. Zn mehrer« Blättern ' Wa Meldung bezweifelt, in ander« da- «treffend bvüichnet; di, offiziös« WMMw^at" sich in der Angelegen- ' - — - , heit natürlich au». Jedenfalls müßte der Vor gang, sollte er sich wirklich zugetragen hab«, eine gewisse Verstimmung zwischen dem Kaiser und dem Hrrzog-Regrnten Johann Albrecht nach sich ziehen. Die dreitägige Generaldebatte des Reichstages über die neue Flottrnvorlage hat deren parlamentarische» Schicksal noch durchaus im Dunkln gelassen, sprachen doch in dies« Verhandlungen mindesten» ebensoviel Gegner wie Freunde der geplant« Flottenverstärkung. Bon dem verlaufe der Berathungen der Vutget- kommission, an welche der Entwurf de» künftigen Flottengesetze« verwiesen wurde, hängt nun zu nächst da» Weitere ab, wobei e» aber eigentlich nur noch auf die endgiltige Stellungnahme de» Centrum» gegenüber den neuen Flottrnfordrrungen ankommt. Denn die übrigen Partei« und Gruppen de» Reichstage» haben ihre Stellung nahmen in der Flottenfrage fast sämmtlich hin länglich gekennzeichnet, und jene dürfte durch die Kommissionsverhandlungen schwerlich noch eine besondere Veränderung erfahren. Al» Gegner der Flottenoorlage sind demnach die freisinnige Volk-Partei, die süddeutsche Volk-Partei, die Sozialdemokraten, die Polen, die Welfen und die Elsässer zu betrachten, während al» Anhänger der geplanten Flottenverstärkung die beiden konservativen Fraktionen, die Nationalliberale», die freisinnige Bereinigung und die Reformpartri erscheinen, letztere allerdings nur unter der BorauSsetzung, daß die Kosten der neuen Flottrn vorlage lediglich auf die „stärkeren Schultern" gelegt werden, unter welcher Bedingung übrigen» auch die baierischen Bauernbündler einer schließ lichen Zustimmung zu der Borlage nicht abge neigt wären. Freilich müßte auch das Äntrum nach der bestimmten Erklärung des Herrn vr. Schädler, seine Fraktion werde die jetzige Flotten vorlage weder dem Umfange noch dem Inhalte nach bewilligen, zu den unbedingten Flotten gegnern gerechnet werden, aber natürlich ist diese Versicherung des Herrn Schädler nur mit allem Vorbehalt aufzunehmen, aus keinen Fall hat da» Centrum durch seine anscheinend oppositionelle Haltung bei der ersten Lesung der Flottenvorlage die Brücke zu einer Verständigung mit den verbün deten Regierungen hinter sich abgebrochen. Ma die eventuelle Auflösung de» Reichstage» im Falle der Ablehnung der Flottenvorlage anbelangt, sy ist diese Möglichkeit bei der ersten Lesung der Vorlage mehrfach von den Rednern aus de« House berührt worden, doch wurde regierungs seitig auf die betreffenden Anspielungen nicht reagiert. Im Uebrigen war der äußerliche Gang der Generaldebatte über die Flottenvorlage vor wiegend rin sehr ruhiger und von jeder Leiden schaftlichkeit freier. Eine Ausnahme hiervon machte nur die Sonnabendsdebatte, dies haupt sächlich jedoch infolge de» Zwischenfalles vr. Hahn-Szmula anläßlich der Bemerkung de» ersteren von der „gräßlichen Flotte". Nach ziemlich allgemeinem Urtheil in parlamentarischen wie nicht parlamentarischen Kreisen ist hierbei der Abgeordnete vr. Hahn der Blamirte, die Ausrede, er habe die Worte von der „gräßlichen Flotte" nur im Scherz gemeint, war eben zu durchsichtig. Der Reichstag hat sich am Montag u. S. zum ersten Male mit dem deutsch-englischen Samoavertrag beschäftigt, dessen Erledigung durch den Reichstag die BorbedingMg für die endgiltige Ratifikation de» Vertragt» bildet. Sobald Letztere vollzogen sein wird, kann die Anweisung zur Uebernahme der Inseln Upolu und Sawan Namen» de» Reiche» an die deutschen Vertreter in Apia ergeh«. Da nach der Samoogruppe kine direkte telegraphische Leitung führt, sondern nur bi» zu den westlich davon gelegenen Fidschi- Inseln, so müssen Telegramme für Samoa von dm Fidschi-Jnseln au» per Dampfer nach Apia befördert werden. Al» Gouverneur von Deutsch. Samoa wird ein höherer Marineoffizier bestellt werden. Berlin, 13. Februar. Der Reichstag hat heute ohne Debatte in dritter Lesung die Freund- schaftSverträge, betreffend Toga, Samoa und Zanzibar, angenommen. Der Bergarbeiter-Streik im Wurm- re vier scheint wieder erloschen zu sein, dageaea droht nunmehr in Kohlenrevieren Mitteldeutsch land» ei« Streik au»,«brechen. Im Meuselwitz«, uud Weißenfrlser Revier wurde für DimStag oder Mittwoch di« Entscheid««- der Vertrau«»- Utäaner der Bergleute erwartet, i« Zwickauer Revier ist die Entscheidung über Weiterarbeit oder Streik einstweilen vertagt ward«, da zwei am Sonntag in Zwickau abgehaltmr Bergarbeiter- Versammlung« vrschlosiea, die Vermittelung der Behörden aapnnfen. Die Zweite Kammer beschäftigte sich in ihrer hevtt-enSiistm-, der Ihr« Sxcellrnzen die Hern« Staat-Minister vr. v. Seydewitz und v. Watzdorf beiwohnt«, mit der Schlußberathung über Tit. 43, 46, 55, 67, S1, 82 und 86 de» außer- ordentlich« Slaat»hau»haltS-Etat» für 1900/01 Bahnhofs-Erweiterung Tharandt (erste Rate), Erweiterung de» Bahnhof» Bischofswerda (erste Rate), Umbau der Strecke Chemnitz—Kappel und theilwrism Umbau de» Bahnhof» Chemnitz tzweite Rate), Erbauung «ine» Dienstgebäude» in Chemnitz, Erweiterung de» Bahnhofs Brambach, Erweiterung de» Bahnhof» BoiterSreuth uud Erbauung eine» Dirnstgebäude» für die Betriebs direktion Leipzig I betreffend. Die Berichte er statteten für die Finanzdeputation 8 die Herren Abgg. Huste, Niethammer und Kluge. Titel 81 und 82 wurden ohne Debatte nach der Vorlage bewilligt, Titel 43 und 46 wurden bewilligt, nachdem zu Titel 43 außer Herrn Geh. Rath vr. Ritterstädt Herr Abg. Andrä und zu Titel 46 Herr Abg. Rentsch gesprochen hatte. Zu Titel 55 und 57, die gemeinsam zur Berathung gestellt wurden, sprach außer Sr. Excellenz dem Herrn Staatsminister v. Watzdorf und Herrn Geh. Rath vr. Ritterstädt Herr Abg. Fräßdorf. Titel öS wurde nach dem DepurationSantrage bewilligt, Tit. 57 und Tit. 86 de» Deputation»« antrage gemäß abgrlehnt, nachdem zu letzterem Titel Herr Abg. Hofmann gesprochen hatte. — Nächste Sitzung Donnerstag. Der Zustand de» CentrumSabgeorduet« vr. Lieber ist andauernd «in äußerst kritischer. In den letzt« Tagen vergangener Woche soll sich da» Befind« de» Krauka noch weiter ver schlechtert hab«, e« heißt, er sei au» Schwäch« wiederholt in Bewußtlosigkeit verfall«. Am Krankenbette vr. Lieber » »eilt fast dessen ge sammte Familie. Oesterreich. Prinz Heinrich von Preußm ist am Sonntag Abend gegen 6 Uhr, von Genua kommend, in Wien eingetroffen und dort mit großen Ehr« empfangen worden. Der Kaiser Franz Josef selbst empfing, umgeben von sämmllichra zur Zeit in Wien anwesenden Erzherzügen, sein« erlauchten Gast auf dem Südbahnhofe. Der Kaiser hatte die Uniform seine» preußisch« Garde-Grenadier-Regiment» angelegt, während Prinz Heinrich die Uniform eine» österreichischen Bi«admiral» mit dem Großkreuz de» Stefan- ord«» und dem Schwarzen Adler-Orden trug. Beide Fürstlichkeiten umarmten und küßt« sich; auch die Begrüßung de» Prinzen mit den Erz herzögen war eine sehr herzliche. Nach Erledigung der übrigen EmpfangSceremonien geleitete der Kaiser den Prinzen Heinrich in geschloffener Hofrquipage nach der Hofburg. Daselbst empfing« Ober- hosmrister Fürst Liechtenstein und Obercenmonim« meister Graf Hunydady den prinzlichea Gast. Wien, 13. Febr. Eine Prager Deputation sprach gestern bei den Ministern Körber uud Rezek in Angelegenheit der zunehmenden Kohlen« noth vor. Die Deputation machte unter Anderem darauf aufmerksam, daß der Transport von Kohle von Aussig nach Magdeburg sich billiger stelle, al» von Aussig nach Prag. Die Minister versprachen Alles aufzubieten, um die Kohlen- calamität zu beseitigen. Den Wunsch der Depu tation, daß die Ausfuhr von Kohle nach Deutsch land verboten werden möge, erklärte Minister Rozek al» undurchführbar, weil dann Deutschland mit dem Verbot der Ausfuhr der oberschlesischen Kohle antworten würde, wa» für Nordböhmen eine noch schwierigere Lage Herbriführen würde. Mährisch.Ostrau, 13. Febr. Der Streik der Heizer und Maschinenwärter hat in mehreren Gruben bereits begonnen. Da die Schächte in Folge dessen zu ersaufen drohen, mußt« die Ingenieure den Maschinendienst übernehmen. Brüx, 13. Februar. Auf 28 Schächten sind zur heutigen TageSschicht von 3414 Man« 1645 angrfahr«. Prag, 13. Febr. Der Profess« Masaryk wurde heute wegen der seinerzeit konfiScirtea Broschüre über den Polnaer Mädchenmordprozeß zu einer Geldstrafe von 60 Kronen verurtheilt. — In Pilsen gab der Bergrath Porkorny den Aus ständigen bekannt, die Regierung werde behus» Einführung der Achtstundenschicht im März eine Enquite der beiden interresstrten Theile einberufen. Die Statthalterei in Prag bestätigte die Aus weisung de» protestantischen Pfarrer» Lemmer in Langenau. Lemmer ist bereit» nach Deutsch land abgereist. Die Mitgift einer Prinzessin! Welche irrigen Vorstellungen hat man doch i« gewöhnlichen Leben von der Mitgift und Aus steuer, welche die Fürstentöchter al» Morgengabe dem Gemahl in» Hau» bringen. Da» ver mög«, welche» dem Ehemann von der Ehefrau zur Mitbestreituna der ehelichen Last« zuge bracht werden soll, macht auch in fürstlichen Häusern dem Hausvater manche Sorge. Manche geplante fürstliche Ehe zerschlug sich, well der Brautschatz nicht in der von dem künftig« fürst lich« Bräutigam gewünscht« Höhe aufzubringen war. In Hofkreisen ist e» ein offene» Geheim- niß, daß die Mitgift, welche di« Kronpriazesstn- Wittwe Stefanie von Oesterreich bet ihrer Wiedervermählung mit dem Grafen Lonvay diesem al» Morgengabe mitbring« sollte, zu sehr scharf« Auseinandersetzungen zwischen dem Vater der Kronprinzessin, dem König Leopold von Belgien, und dem kaiserlichen Schwiegervater Franz Joseph I. von Oesterreich führt«; und daß König Leopold sich weigerle, auch nur die kleinste materielle Beistener bei einer Wirderverhetrathuag zu leist«, und zwar nicht nur bezüglich seiaer Tochter, der Ktonprinzessiu Stefanie, sondern auch gegenüber seiner Enkelin, denn Tochter, der Erzherzogin Elisabeth. Kaiser Franz Josqch l. hat r» m seiner bekannt« Ritterlichkeit au» selbst übernommen, für beide Erzherzoginnen Mitgift und Aussteuer zu stell«. Di« Kronprinzessin Stefanie erhält 1,500,000 Gulden al» Morgen- gab« uud deren Tochter di« gleiche Stneuue uud et« ÄftrtWP Gat in Nirder-Oesterrrich. Ferner