Volltext Seite (XML)
1»S Dienstag, den 5. September. _ ML. Ker siicWche Frzähler, Bezirksanzeiger für Bischofswerda, Stolpe« ««d Umgegend. Amtsblatt der Kgl. AmtshmqMmmschast, der «gl. Schllliutzcüim «. des «,l.HiuWwaam1ts zu Bmi-m, Wie des «gl. Amtsgerichts und des Stadtnahes zu Bischussmerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich drei Mal, LtemSta»-, Danneroiag* und Sannabe«»«, und kostet einschließlich der Sonnabends erscheinenden „Helle- teiftik*«« B-aa,e" vierteljährlich 1 Mark SV Ps. Nummer der Zeitung-Preisliste S338. Aarttfprachftall« Nr. SS. Bestellung« werd« bei all« Postanstalten de« deutsch« Reiches, für WschosSwerda und Umgegend bei unser« ZeitungSbotm, sotvir m der Exprd. d. Bl. angenommen. Drar«»»f»,f,t,s»«r Swkaraw, welch« in diese« Blatte dir weiteste Verbreitung Men, werd««» Montag, Mittwotb imd Freit«, sttlh o Uhr angenommen und kostet die drrtgespaltm« TorvuSzeilr 10 M., unter „Eingesandt" 20 W. Geringster Jnseratmbrtrag 2b Pf. — Emzrlne Nummer 10 Pf. Mittwoch, am 13. September ds. Jahres, von Bormittags v/i Uhr ab, Bautzen, am 1. September 1899. K ö n i g l i ch e A m t S h a u p t m a n n s ch a f t. »r. Hempel. Hpr- Die Lage in Oesterreich. ES scheint nun wirklich fast, als ob die Tage des Thun'schen MißregimeS in Oesterreich endlich gezählt seien. AIS ein beachtenSwerthes Zeichen hierfür gilt namentlich dir stattgcfundene Be rufung des bekannten deutsch-liberalen Partei führers v. Chlumecky zum Kaiser Franz Josef nach Ischl; man nimmt an, daß in der ein stündigen Audienz, welche Herr v. Chlumecky beim Kaiser hatte, dieser erfahrene Parlamentarier und Politiker den Monarchen über die durch die Un fähigkeit des Ministerpräsidenten Grafen Thun herbeigesührte verwirrte und haltlose Lage in Oesterreich hinlänglich aufgeklärt hat, um dem Kaiser einen Wechsel in der verantwortlichen Leitung der inneren Staatsgeschäfte als räthlich erscheinen zu lassen. Slovenische Blätter wissen denn auch schon bestimmt zu melden, es sei be schlossen worden, den Deutschen durch Aushebung der Sprachenverordnungen entgegenzukommen, eine Maßregel, welche Graf Thun schwerlich noch durchführen würde, und das Czechenblatt „Politik" in Prag folgert auS der Audienz Chlumecky's beim Kaiser, daß Graf Thun und sein Ministerium nächstens zurücktreten würden. Jedenfalls ist die Stellung deS jetzigen öster reichischen Ministerpräsidenten .schon infolge der Nothwendigkeit, den ReichSrath zur Vornahme der Delegationswahlen einzuberufen, äußerst schwierig geworden. Er wird hierbei wohl oder übel einen letzten Versuch machen müssen, sich friedlich mit der deutschen Opposition auseinander« zusetzen, dessen Gelingen indes bereits heute mit Fug bezweifelt werden darf, und da an ein Regieren ohne ReichSrath auf die Dauer nicht zu denken ist, so wird Graf Thun nun eben doch einmal gehen müssen. Ueberhaupt ist eS hierzu thatsächlich die höchste Zeit. Graf Thun hat durch seine konsequente Begünstigung nament lich der Czechen auf Kosten der Deutschen über aus muthwillig an einer der Grundlagen des österreichischen Staatswesens gerüttelt, als welche sich die Vaterlandsliebe und dynastische Treue der Deutschösterreicher darstellen. Es soll keines wegs Alles entschuldigt werden, was in der letzten Zeit in Nordböhmen, Salzburg, Süd- steiermark und Kärnten sich abgespielt hat, die Deutschen haben hier und da offenbar den An laß zu den stattgefundenen Unruhen und Demon strationen gegeben. Aber die jetzt in Oesterreich herrschenden Zustände sind einfach für die dortigen Deutschen unerträglich und lassen es begreiflich erscheinen, wenn unter ihnen das Stammes- bewußtsein, der nationale Selbsterhaltungstrieb mehr und mehr in Konflikt mit ihren Pflichten als österreichische Staatsbürger kommen. In Böhmen gebärden sich die Czechen als die all einigen Gebieter, in Wien und Eilst treten sie wie Eroberer auf, und überall ist die Hand der Regierung mit den Bedrängern des DeutschthumS, vr. Kaizl, die „Seele" des Kabinetts Thun, hat seinen jungczechiichen Freunden in Prag sogar die völlig, Ezechistrung der Verwaltungsbehörden m Böhmen verheißen. Die Deutschen auf ihren eigenen Schollen, wo sie seit Jahrhunderten sitzen, empfinden den sich steigernden Druck einer Fremdherrschaft, sie spüren deren Faust an der Kehle, kein Wunder, daß eine solche Situation auch in den Kaltblütigsten ingrimmigen Zorn erregt! Unter solchen Verhältnissen, welche die blutigen Straßenszenen in GraSlitz, die Demonstrationen in Saatz, Karlsbad, Eger, Asch u. s. w. gezeitigt haben, ist jetzt Kaiser Franz Josef zu den Manöver» in Reichstadt in Böhmen eingetroffen. Bon vornherein galt eS als gewiß, daß sich die Czechen eine solche günstige Gelegenheit, vor dem greisen Monarchen mit ihrer Kaiser- und Vater- landstreue zu prunken, nicht entgehen lassen würden, und daS ist denn auch besonders aus giebig bei der Durchreise des Kaiser« in Prag geschehen. Der Bürgermeister vr. Podlipny be grüßte den Kaiser in einer vor lauter Loyalität und Patriotismus schier triefenden Rede, in derselben die dynastische Treue des CzechenvolkeS rühmend und zum Schluß den Monarchen er suchend, künftig längere Zeit in der Hauptstadt Böhmens zu verweilen. Derselbe dankte gerührt in czechischer Sprache für diese huldigende Be grüßung und gab zuletzt in deutscher Sprache dem Wunsche Ausdruck, daß die Stadt Prag die Segnungen einer stetigen, ruhigen Entwickelung genießen möge. Während aber der Prager Bürgermeister den kaiserlichen Gast mit über schwänglichen Versicherungen der Hingabe und Anhänglichkeit der Czechen an Kaiser und Reich begrüßte, prangten die städtischen Gebäude Prag» auf Anordnung desselben Bürgermeisters lediglich im weiß-rothen Fahnenschmuck, also in den Farben deS Königreichs Böhmen, die Anbring ung auch schwarz-gelber Flaggen, der Farben deS GesammtstaateS Oesterreich, war ängstlich vermieden. Die Czechen sind eben zunächst nur Czechen und immer wieder Czechen, mit ihrem österreichischen Reichsgefühl gehen sie nur dann haustren, wenn eS ihnen in ihre Zwecke hinein paßt — sollte man in der Wiener Hofburg nicht einmal zur Erkenntniß dieser czechischen Heuchelei kommen? Politische Weltschall. Der Kaiser hielt bei der Paradetäfel, die am Freitag Nachmittag im Berliner Residenz- schlöffe anläßlich der vorangegangencn Herbst parade deS Gardekorps stattfand, eine kurze An sprache. In derselben betonte der Monarch, daß jetzt die Fahnen deS GardekorPS zum letzten Male im gegenwärtigen Jahrhundert gemeinschaft lich auf dem Tempelhofer Felde geweht hätten, und erinnerte dann daran, wie eS dem Garde- korp» brschieden gewesen sei, seinen Vorfahren in Treue zu dienen. Der Kaiser knüpfte hieran den Wunsch, daß sich dasselbe auch im neuen Jahrhundert in unermüdlicher FrirdenSarbeit und, wenn nöthig, auch auf dem Schlachtfeld-, auSzrichnen möchte. Der erlauchte Redner schloß mit einem Hurrah auf da» GardekorPS. Der Kaiser gedachte an diesem Montag Bormittag» r/,w Uhr auf Bahnhof Neudorf bei Straßburg i. E. einzutrrffen und sich von dort alsbald nach dem Polygon zur Ab- nahm- der Parade über da» 1v. (elsässische) Armeekorps zu begeben. Montag Abend ist im Kaiserpalast große Paradetafrl, Dienstag Abend findet im Kaiserpalast Tafel für die Spitzen der dortigen Civilbehörden statt. Die angrkündigte einstweilige ZurdiS« Position« st ellung derjenigen politischen BerwaltungSbeautten, die im preußischen Abge ordnetenhause mit gegen die Kanalvorlage ge stimmt hatten, ist nun doch erfolgt; mehrere der hiervon betroffenen Herren, wie die Regierungs präsidenten v. Colmar in Lüneburg und von Jagow in Posen, sowie die Landräthe vr. Baarth in Posen und vr. Lewald in Rawitsch, haben bereit» ihre Aemter niedergelegt. Der ergangene Erlaß deS preußischen GesammtstaatSministeriumS über die Haltung der politischen Verwaltungs beamten überhaupt ließ allerdings in der seltsamen Fassung seine« Schlußpassus kaum vermuthen, daß e» noch zu der signalistrten Strafaktion kommen werde, nun ist die»^ aber doch geschehen. Offenbar soll dieselbe, wie sich die» jetzt dem erwähnten Erlaß entnehmen läßt, eine Warnung für die oppositionslüsternen Elemente in den Kreisen der politischen Beamtenschaft Preußens sein, künftig über die Stränge zu schlagen, sie sollen sich vielmehr bewußt »erden, daß sie unter ollen Umständen nur die RegierungSvolitik zu vertreten haben. Inwieweit der Erlaß in Ver bindung mit der vorgenommenen Beamten-Maß- regelung die regierungsseitig erhoffte Wirkung auf die nicht im Landtage sitzenden Landräthe u. s. w. äußern wird, daß muß sich erst noch zeigen; daß aber speziell die konservative Partei sehr unangenehm von dem kaum noch erwarteten energischen Schritte der Regierung berührt werden wird, daS ist in Hinblick auf die bekannte Kund gebung, durch welche die Leitung der konservativen Partei in der „Kons. Korresp." im Voraus gegen die jetzt erfolgte ZurdiSpositionSstellung der Herren von Jagow und Genossen protestirte, nicht zu bezweifeln. Als ein weiterer Nachklang der Canal affäre ist die Meldung zu vernehmen, daß der Abgeordnete Graf Limburg-Stirum, der Führer der Konservativen im preußischen Abgeordneten hause, von der Berliner Hosliste gestrichen worden sei. Offenbar hängt dieser Vorgang mit der oppositionellen Haltung deS Grafen Limburg- Stirum in der Canalfrage zusammen. Bon den preußischen Ministern befinden sich augenblicklich neben dem ReichSkanzer und Minister präsidenten Fürsten Hohenlohe, selbst der Vice präsident des Staat-Ministerium», Finanzminister vr. v. Miquel, der CultuSminister vr. Bosse, der Eisenbahnminister Thielen und der Minister de» Innern, v. d. Recke, auf Urlaub. Bon ihnen hat Herr v. d. Recke dtn längsten Urbaub, wie r- heißt, sechs oder sieben Wochen, wa» in der TageSpresse vielfach al» ein Zeichen betrachtet wird, daß dieser lange Urlaub nur der Vorläufer de» definitiven Rück tritte» Herrn v. d. Recke'» sein werde. Wa» die aufgetauchten Gerüchte von der angeblichen Amt»- Müdigkeit de» Finanzministers anbelangt, so ver sichert die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg.", daß von einer solchen trotz de» hohen Alter» de» Ministers ernstlich nicht die Rede sein könne, wobei da» Blatt auf die lebhafte Theilnahme Herrn v. Miquel » an den Verhandlungen und CommisstonSarbritrn de» Landtage» während der verflossenen Session hinweist.