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Dritte Anlage zu Ar. 146 des sächsischen LrzWers. Bischofswerda, de« 17. Dezember 18V8. Aus der allgemeinen Etatsdebatte im Reichstage. Wie üblich, hat der neue Reichstag seine Arbeiten mit der ersten EtatSlesung eingelritet, die sich auch diesmal zu einer Debatte all gemeinsten Charakters gestaltete, in welcher vom «tat selbst und den mit ihm zusammenhängenden Dingen herzlich wenig gesprochen wurde. Als «ine der hervorragendsten Episoden der ge- sammtrn mehrtägigen Etatsdebatte darf wohl die Rede bezeichnet werden, in welcher der Staats sekretär des Auswärtigen von Bülow mit der ihm eigenen rednerischen Eleganz und Feinheit den derzeitigen Stand der auswärtigen Bezieh ungen des Reiches charakterisirte. AuS den häufig mit einem herzerfrischenden Humor durch- kränkten Darlegungen des Staatssekretärs konnte jeder BaterlandSfreund mit aufrichtiger Genug- thuung ersehen, daß diese Beziehungen nach allen Seiten hin friedliche und freundschaftliche sind und daß daS Hauptziel der deutschen auswärtigen Politik nach wie vor die energische Wahrung der deutschen Interessen wie des Weltfriedens bildet. In letzterer Beziehung hat Herr v. Bülow der Anschauung Raum gegeben, daß trotz der vor handenen internationalen Gegensätze der Völker friede als nicht bedroht zu betrachten sei, waS ängstlichen Gemüthern, die infolge der unsicher gewordenen Gestaltung der allgemeinen Lage schon an den Ausbruch eines kriegerischen Welt- brandeS glaubten, hoffentlich zur Beruhigung dienen wird. Hervorzuheben ist auS der Kund gebung des Staatssekretärs die bestimmte Ver sicherung, daß der Dreibund ungeachtet der be- bekannten Zwischenfälle der jüngsten Zeit nicht die mindeste Erschütterung erfahren habe, wobei dem österreichischen Ministerpräsidenten Grafen Thun wegen seiner Außweisungsrede im Abge ordnetenhause eine diplomatische feine Abfertigung zu Theil wurde. Ueber die Stellung des neuen Reichstages gegenüber den ihm bestimmten gesetzgeberischen Aufgaben hat die erste EtatSlesung noch keine besondere Ausklärung gebracht, war dadurch zu erklären ist, daß die betreffenden Vorlagen zum allergrößten Theil noch auSstehen, ja überhaupt nach ihrem Inhalt noch nicht näher bekannt sind. Wenn daher im Laufe der Etatsverhandlungen diese Vorlagen berührt wurden, wie z. B. der Gesetzentwurf über den Entwurf Arbeitswilliger, so konnte dies nur in Gestalt allgemeiner Rede wendungen geschehen, auf welche kein großer Werth zu legen ist. Dagegen ist durch die Generaldiskussion über den Etat wenigstens be züglich der dem Reichstage bereits unterbreiteten neuen Militärvorlage, die mit zu den Haupt- berathungsstoffen der neuen Reichstagssession gehört, schon eine Beurtheilung der Stimmung des Hauses gegenüber der geplanten HeereSver- stärkung bis zu einem gewissen Grade möglich geworden. Von den größeren Fraktionen stehen die Konservativen und Reichsparteiler, die Natio nalliberalen und das Centrum der vorgeschlagenen Armeereform nicht unsympathisch gegenüber, während sie seitens der Linken abfällig kritisirt wird, hiernach sind einstweilen die Aussichten der Militärvorlage als keine ungünstigen zu bezeichnen. Unter den zahlreichen verschiedenartigsten Themata, die bei der allgemeinen Etatsdebatte theilS nur flüchtig gestreift, theils eingehend er örtert wurden, befand sich auch der Lippe'sche Streitfall, den mehrere Redner berührten. Auf die betreffenden Auslassungen ging man am Regierungstische indessen fast gar nicht des Näheren rin, denn die Erwiderung des Staats sekretärs des Innern Grafen Posadowsky auf eine bezügliche „Anzapfung" seitens des Abge ordneten Eugen Richter war nur in sehr engen Grenzen gehalten; immerhin läßt die Fassung der PojadowSky'schen Antwort den Schluß zu, daß eine besrirdigende Erledigung der lippe'sche» Episode brvorsteht. Ein solcher Ausgang würde zweifellos auch ein gut Stück der unleugbaren „ReichsVerdrossenheit" wieder beseitigen, welche sich in weiteren Volkskreisen allmählich heraus« gebildet hat und die in den ReichStagSverhand« lungen jetzt ebenfalls ihre Rolle gespielt hat. Diese bedauerliche Verstimmung zog nicht zum wenigsten ihre Nahrung mit aus der bisherigen unglücklichen Art und Weise der Behandlung der lip pe'schen Frage: deren zu erhoffende Beilegung na ch Recht und Gerechtigkeit würde deshalb auch der „Reichsverdrossenheit" zu einem guten Thrile den Boden wieder entziehen. Im Uebrigen ist, wa» die Aeußerlichkeiten der allgemeinen Etatsdebatte des Reichstage» anbelangt, hierbei berntS wieder ein weiterer Uebelstand hervorgetreten: die schwache Besetzung des Hauses. Dasselbe wies derartige Lücken auf, daß im Ernstfälle die beschlußfähige Mindest zahl von 199 anwesenden Abgeordneten kaum hätte aufgetrieben werden können — und daS zum Beginn der neuen Session, wo man doch ein noch frisches Interesse unter den Reichsboten für die Reichstagsarbeiten vorauSsetzen muß! Hoffentlich sieht es im neuen Jahre, nach Ablauf der WeihnachtSpause, besser mit der Beschickung des Reichstages auS! Sachsen. Bischofswerda, 17. Dezember 1898. — Vom 1. Januar 1899 ab wird die Ein lösung gewöhnlicher Packete außerhalb der Schalterdienststunden gegen eine, auch für Einschreibbriefsendungen geltende besondere Ge bühr von je 20 Pfg. zugelassen werden. Die jetzige Vorschrift, wonach derartige Packete als „dringende" Sendungen (Gebühr 1 Mk.) be zeichnet sein müssen, wird von demselben Tage ab außer Kraft treten. — Nachdem die Ziehung der Meißner Dombau-Lotterie beendet ist, beeilen sich die glücklichen Gewinner, das ihnen von der Göttin Fortuna zugewendete Weihnachtsgeschenk von den Collekteuren zu verlangen. Zu ihrem Bedauern müssen diese aber die Inhaber der Gewinnloose noch um einige Tage vertrösten, da die Auszahlung der Gewinne erst nach der Druck legung der offiziellen Gewinnliste erfolgen kann. Diese soll, wie ja auch auf den Loosen angegeben war, acht Tage nach beendeter Ziehung herauS- gegeben werden. Also nächsten Dienstag, frühestens aber Montag oder Sonntag, wird die Gewinnliste vorliegen. — (Zur Pflege der Topfpflanzen im Spätherbst und Winter.) Die vornehmste Regel bei der Pflege der Topfpflanzen in dieser Jahreszeit ist die: „Begieße nur, wenn das Bedürsniß da ist, sonst nicht!" Ob aber ein Bedürsniß vorhanden, darüber kann man sich leicht Gewißheit verschaffen, wenn man sich nicht scheut, gelegentlich einen Finger mit zu Hilfe zu nehmen und nicht allein den Augen traut, die eigentlich das Bedürsniß nach Wasser erst erkennen, wenn die Pflanze bereit« zu trauern beginnt, d. h. die Blätter hängen läßt u. s. w. Mit dem Finger untersucht man die obere Erdschicht im Topf, ist dieselbe bis zu geringer Tiefe trocken und körnig, so ist Wasser nöthig; ist sie daS nicht, im Gegentheil klumpig, naß und fest, so unterläßt man besser daS Gießen, lockert aber die Oberfläche der Erde mit einem Hölzchen auf, um der Luft den Zutritt zur Erde im Topfe zu ermöglichen und gießt erst später, selbst wenn Tage darüber vergehen sollten. Muß aber Wasser gereicht werden, so gebe man dasselbe jo reichlich, wenn nöthig mehrere Male, daß die ganze Erdmasse im Topf vollständig durchdrungen wird, entferne aber ja nach etwa einer halben Stunde alles im Untersatz stehende Wasser, denn was nach dieser Zeit nicht aufgesogen ist, ist vom Nebel. —* Als wichtigstes Mittel gegen eine große Anzahl thierischer oder pflanzlicher Schmarotzer im Gartenbau wie in der Landwirthschaft erweist sich immer mehr das Bespritzen, sei es mit Kupferkalkbrühe, sei es mit sogen. Petroleum- mulsion. Damit bekommt von selbst die Garten spritze eine erhöhte Bedeutung. Zur Prüfung aller bestehenden Systeme solcher Spritzen hat der praktische Rathgeber im Obst- und Garten bau jetzt zwei Preise ausgesetzt von je 150 Mk. für die beste Gartenspritze von 15 Litern und von 50—60 Litern Inhalt — erstere auf dem Rücken zu tragen, letztere zum Fahren oder Tragen eingerichtet. Die Bedingungen, die mit großer Sorgfalt festgelegt sind, erfahren Inte ressenten am einfachsten durch eine Probenummer, die von dem Geschäftsamt de« praktischen Rath« grberS aus Wunsch umsonst zugesandt wird. Bautzen, 8. Dezbr. Die heutige Sitzung der Stadtverordneten, an welcher sämmtliche Mit glieder des Collegium« Teilnahmen und welcher Herr Stadtrath Heerklotz beiwohnte, wurde vom Stadtverordnetenvorsteher Herrn Schulrath vr. Müller mit der Vorlegung de» ««gegangenen 14. Stücke« de« Gesetz- und Verordnungsblattes eröffnet. — An BerathungSgrgenständrn kam folgendes zum Bortrage: 1. Petition der evang. Bolksschullehrer um Neuregelung ihrer Gehälter. Referent: Herr Justizrath Wetzlich. Mittels Eingabe vom 23. November d. I. haben die evang. Bolksschullehrer den städtischen Eol- legten die Bitte unterbreitet: „dieselben wollen beschließen, vom 1. Januar 1899 an eine neue GehaltSstaffel für die Lehrer an den hiesigen evang. Volksschulen in der Weise aufzustellen, daß da» AnfangSgehalt eines ständigen Lehrer» — einschließlich Wohnung» - Entschädigung — 1600 Mark beträgt, welche» durch 10 in drei jährigen Zwischenräumen zu gewährende Alter»- zulagen von je 200 Mk. bi» zu einem Höchst gehalte von 3600 Mk. steigt." Zur Begründung diese» Gesuche« haben die Lehrer auf die ein schlagenden gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen und einen Vergleich mit den Subalternbeamtrn der Justiz- und Verwaltungsbehörden, sowie der kgl. StaatSeisenbahnverwaltung gezogen, nicht minder haben sie eine Zusammenstellung der Minimal- und Moximalgehalte der Bolksschul lehrer von 28 sächsischen Städten, nach welcher die überwiegende Zahl dieser Städte schon jetzt höhere Gehalte al» Bautzen bezahlt, vorgrlegt. Der Herr Berichterstatter führte au»: Er könne sich den angeführten Thatsachen nicht verschließen; die Gewährung de» Gesuche», wenigsten» de» größeren TheileS desselben, sei rin unbedingte» Erforderniß. Die Mittel müßten eben beschafft werden. Der Schuletot werde allerdings da durch um etwa 20,000 Mk. mehr belastet werden, was ein -Simplum der Schulanlage betrage; aber diese Mehrbelastung treffe nach unserem Steuermodus den leistungsfähigeren Theil der Be völkerung. Dem Stadtrathe, in dessen Competenz die Angelegenheit zunächst liege, könne eS nur vom Werth sein, wenn er von der diesseitigen Anschau ung unterrichtet werde, und er beantrage daher: „den Rath zu ersuchen, mit thunlichster Beschleunig ung und thunlichster Berücksichtigung der von den Petenten zum Ausdruck gebrachten Wünsche eine neue GehaltSstaffel aufzustellen und dem diesseitigen Collegium zur verfassungsmäßigen Mitentschlirßung vorzulegen." — Vom Herrn Vorsitzenden vr. Müller wird darauf hinge wiesen, daß schon das Gesetz vom 17. Juni 1898 unbedingt dazu zwinge, die hiesigen Lehrergehalte zu erhöhen. Die hiesigen Lehrer, würden bei Beibehaltung der jetzigen Staffel und Wohnungsentschädigung bis zum 45. Lebensjahre mit ihren Gehalten zum Theil noch unter den gesetzlichen Minimalgehalten zu stehen kommen. Auch der immer fühl barer werdende Lehrermangel, dem auf lange Jahre hinaus nicht mehr abgeholfen werden könne, zwinge zur Neuregelung. Wenn Bautzen für seine Volksschulen tüchtige Kräfte bekommen und erhalten wolle, so müsse es der Konkurrenz anderer Städte durch bessere Besoldung begegnen. Die Lehrer anderer Kategorien erhalten die Höchstgehalte bedeutend zeitiger als die fraglichen Petenten, und so befürworte er die Annahme des von Herrn Justizrath Wetzlich gestellten An trages angelegentlich. Der Antrag wurde alsdann einstimmig angenommen. LangburkerSdorf. In der aus dem hiesigen Rittergute befindlichen Forellenzüchterei sind in diesem Herbste etwa 300,000 Stück Forellenbrut gezüchtet worden. Dresden. Da» hiesige chemische Unter such» ngSamt hat nach seinem neuesten Jahres berichte häufig rohe» gewiegtes Rindfleisch untersucht. Von 55 Hackfleischproben erwiesen sich 47 al» mit schwefligsaurem Natron mehr oder weniger versetzt. Selbst der geringste Zusatz dieser Salze ist unzulässig. Da der Gerichtshof nur eine fahrlässige Handlungsweise der betreffenden Fleischer annahm, so kamen sie diesmal mit 30 Mark Geldstrafe weg, in Zu kunft aber wird, nach der Erklärung de» Ge richtshöfe«, eine solche milde Bestrafung nicht wieder Platz greifen. Die Fleischer werden gut daran thun, statt minderwerthigen Fleische» zUm Wiege« und Hackfleisch künftig bessere, derbere Stücke Rindfleisch zu nehmen, um ko mehr, al» solche» rohe» gewiegte» Fleisch sehr häufig nach überstandener schwerer Krankheit, bei Bleichsucht rc. al« Kräftigungsmittel genossen wird. Die zur Wurstsärbung verwendete Wursttinktnr (Wurst- roth, Fleischroth) wurde wegen de» Borsäurezu satze» beanstandet und der betreffende Fleischer mit 30 Mk. bestraft. Bei den Fälschungen der