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daß e» mit dem gesammten Kabinett vanffy wackelig steht. In Frankreich beherrscht die Drehfuß- Affaire wiederum die Lage, trotzdem find die augenblicklich hierüber zu verzeichnenden Pariser Mittheilungen nicht von Belang. Der Direktor de« Untersuchungsgefängnisses von La Santb exüärt die von den Blättern der Anti-Dreyfuß- Partei gebrachte Nachricht, Oberst Picquart habe im Gefängnisse nervöse Anfälle gehabt und Selbstmordgedanken bekundet, für unbegründet. Weiter wird da» Gerücht, Esterhazy sei wieder freigelassen worden, al« unzutreffend erklärt, ebenso die weitere Zeitungsmeldung, General Zur Linden, der frühere KnegSminister, habe bei der Staatsanwaltschaft Klage gegen den Unter suchungsrichter BertuluS erhoben. Der „ Temps" veröffentlicht daS SuSpendirungSdecret des DiS- ciplinarrathS der Pariser Advokatenkammer gegen deren bisheriges Mitglied LebloiS. In Frankreich wurde am Donnerstag der Nationalfesttag, der Tag des BastillensturmeS, in der üblichen Weise gefeiert; zu störende« Zwischenfällen ist eS hierbei weder in Pari» noch in der Provinz gekommen. In Paris fanden die herkömmlichen „patriotischen" Umzüge um die Straßburg-Statue, daS Jeanne d'Arc- und daS Gambetta-Denkmal statt, ferner wurde daS dem Schiffslieutenant Garnier, dem Eroberer TonkinS, aus der Place de l'Observatoire er richtete Denkmal feierlich enthüllt. Die erneut aufgetauchten Nachrichten über den angeblich beunruhigenden Gesundheitszustand des Papstes werden von der valicanischen Presse energisch dementirt. Der „Osservatore Romano" versichert, daß sich der Papst des besten Wohl befindens erfreue und habe derselbe gerade in den letzten Tagen mehrfach Spaziergänge in den Garten des BaticanS gemacht. General Kuropatkin, der bisherige Berwrser des russischen Kriegsministeriums, ist definitiv zum KnegSminister ernannt worden. Die Weigerung der Pforte, die Reklamationen Frankreichs wegen Schadloshaltung der bei den letzten armenischen Unruhen in der Türkei ge- schädigten französischen Staatsangehörigen anzu erkennen, hat nun die angedrohten weiteren Schritte Frankreichs nach sich gezogen. Bon der bei den Filiale» der Ottomanbank in London und Paris eingezahlten letzten Rate der griechi schen Kriegsentschädigung ließ die französische Regierung 1,600,000 FrcS. mit Beschlag be legen, in welcher Summe die 400,000 FrcS. mit einbegriffen sind, welche die italienische Regierung zur Entschädigung auch ihrer Unterthanen in der Türkei verlangt. Beide Regierungen haben die gerichtliche Entscheidung anzurufen. Die finanzielle Krisis in Chile hält an; viele gewerbliche Unternehmungen haben geschlossen werden müssen. Durch ein vom Kongreß be schlossenes Gesetz ist der Präsident für ein Jahr ermächtigt worden, 50 Millionen Dollars Papier geld auszugeben und den Banken bei genügender Sicherheit 20 Millionen Dollars zu 4 Prozent Zinsen zu leihen. Zu der bedeutungsvollen Nachricht von der Capitulation Santiagos nimmt man in Madrid eine etwas sonderbare Stellung ein. Zunächst liegt eine Erklärung des Ministerpräsidenten Sagasta vor, wonach den General Toral allein die Verantwortung für die Capitulation treffe, daran aber schließt sich die weitere von der Regierung ausgehende Erklärung an, eS sei in Madrid noch keine Bestätigung der Capitulation Santiagos eingegangen. Welchem Zweck soll dies Versteckspielen mit der Wahrheit dienen? Nach Meldungen aus Santiago will General Shafter mit seinen Truppen erst dann in Santiago rinziehen, wenn die spanische Besatzung eingeschifft sein wird; den Aufständischen gegen über erließ General Shafter energische Befehle, um sie vor Plünderungen und sonstigen Aus schreitungen zurückzuhalte«. In der Bucht von Santiago wurden mehrere der dort versenkten Minen gesprengt, doch bleibt vorläufig da» Ver bot für Schiffe, nach Sonnenuntergang in den Hasen rinzulaufen, noch bestehen. Darüber, ob die Capitulation von Santiago die spanische Regierung endlich veranlassen wird, Friedens unterhandlungen mit Nordamerika anzuknüpfen, liegen noch keine sicheren Meldungen vor, im Uebrigen laufen die Nachrichten über bevor stehende oder schon eingeleitete Friedensunter handlungen und FrirdenSbedinguagen noch ziem lich krau» durcheinander. * Drouthei«, L7. Juli. Al» die „Hohen- zollern" gestern Nachmittag 5 Uhr bei WtchWM dem Wetter tu Dronthrim ankau», tttzf fie va» Schulsckjff „Moltke", sowie da» engfische Schul- Geschwader an, die den Salftt abgaben. Seine Majestät blieb an Bord und arbeitete mit den Vertretern der Kabinett». Abend» hatte Se. Majestät *48 deutsche und 40 englisch« See kadetten zu eine» Glase vier auf die „Hohen- zollern" geladen, wo die jungen Leute in ge hobener Stimmung und heiter miteinander ver kehrten und bi» 11 Uhr auf dem Promenaden deck verweilten, während Se. Majestät in leut seligster Weise dieselben durch Ansprachen auS- zeichnete. Heute nahm Se. Majestät da» Früh stück beim deutschen Konsul Jensen in dessen Billa Grillstadt bei Drontheim ein und wird, einer Einladung de» Kommandanten Pol vom englischen Schulgrschwader folgend, da» Diner auf dem Flaggschiff „Raleigh" einnehmen. Dir Weiterreise erfolgt voraussichtlich Dienstag. * Konstantinopel, 17. Juli. Zu Ehren de» Staatssekretär» de- deutschen Reichspost- amte» findet heute Abend ein Diner bei denr Minister de» Aeußeren Trwfik Pascha statt, zu dem der Direktor deS Reichspostamtes Sydow, der Geh. Oberpostrath Gieseke, der Legation». rath von Schlözer, der erste Dolmetscher der deutschen Botschaft, sowie mehrere hohe türkische Regierungsbeamte Einladungen erhielten. v.Pod- birlSki reist morgen von hier ab. "Shanghai, 17. Juli. In der franzö sischen Toncession brachen Unruhen aus, weil die französischen Behörden gestern Vormittag 80 Matrosen von einem französischen Kanonenboot landeten, um einen chinesischen, auf dem franzö sischen Gebiet liegenden Friedhof wegen sanitärer Gefahren zu beseitigen. Die chinesischen Be hörden hatten e» abgelehnt, denselben gegen Ent schädigung zu beseitigen. Die Eingeborenen überfielen die Matrosen bei ihrer Landung mit Steinwürfen. Heute früh erneuerten sich die Unruhen. Drei Eingeborene sollen getödtet sein. DaS Freiwilligen - Corps und die Polizei sind in Bereitschaft. New-Jork, 15. Juli. Die Presse und die Bevölkerung wird immer aufgebrachter gegen Deutschland. Trotz der Berichte aus Deutschland, wonach die deutsche Regierung sich in die amerikanische Angelegenheit keineswegs einzumischen beabsichtige, ist man doch überzeugt» daß beim FriedenSschluß da» Deutsche Reich noch ein Wort mitreden werde und daß eS einen großen Einfluß auf die Philippinen zu bean spruchen gedenke. New-Aork, 16. Juli. Aus dem Lager von Santiago wird von gestern gemeldet: Die amerikanischen und spanischen Streitkräfte bleiben immer noch in ihren beiderseitigen Stellungen in den Laufgräben, weil unvermuthet Schwierig keiten bei den Verhandlungen über die Kapitu- latioaSbedingungen Santiago» entstanden sind. New-Uork, 16. Juli. Ein hier aus Washington eingegangene« Telegramm meldet, daß daS Geschwader SampsonS heute Morgen, in den Hafen von Santiago eingelaufen ist. Sachsen. Dresden, 16. Juli. Da« „Dr. Journ.^ meldet: Bei Sr. Maj. dem Könige sind zwar zeitweilig noch Blutungen ausgetreten, daS All- gemeinbefinden ist noch fortdauernd gut. * Dresden, 17. Juli. DaS Befinden Sr. Majestät deS König» ist ein recht zufrieden stellende». Heute Nachmittag 2 Uhr sand in Pillnitz Familien- und Marschalltafel statt. Ihre Majestäten der König und die Königin begeben sich, wie man au» Tegernsee meldet, zur VermählungSseier der Herzogin Sophie nach München. Nach der Vermählung werden sie auf Einladung deS Herzog» Karl Theodor nach Tegernsee gehen. Den Geburts tag Ihrer Majestät der Königin, 5. August, feiern die Majestäten in gewohnter Weise im Jagdschlösse Rehefeld. Bischofswerda, 15. Juli. In der heutigen, im Saale der Herberge zur Heimath abgehaltenen KirchenvorstandSsttzung trug zuerst: der Vorsitzende de» BauauSschuffe» die von den Herren Baumeister Mittag, Rehnert und Tutzschky erforderten Anschläge zum Abputz der Hauptkirch« vor. Nach längerer Besprechung, wurde beschlossen, die ganze Kirche in Eement abputzen zu lassen und deshalb neue Anschläge machen zu lassen. Ingleichen soll Herr Glocken- gießermeister Vierling gebeten werden, aoch einmal nach Bischofswerda zu kommen, die Glocken vor dem Kirchenvorstande läuten zur IMMsirWäpierrn im Lause der letzten Jahre er fahren haben. Fachkreise sind sich darin einig, daß augenblicklich sehr viele Industrie«ktien wert über den inneren Bjerth bezahlt werden; trotzdem aber ziehen die Kurse noch immer an, und finden noch immer Käufer. „In den letzten anderthalb Jochre« sind drei Milliarden Neu- werthe an die Börse gebracht worden, und trotz dem ist noch kein« Aussicht, daß die Fluth sich erschöpft und leert, — denn dir Privatkapitalisten nehmen willig den ganze« Segen auf. E» wäre von ihrem Standpunkte au» auch nicht» dagegen einzuwenden, wenn diese Werthe ein einigermaßen vernünftige» Kursniveau inne hielten. Aber man ist längst von der alffränkischen Gepflogenheit obgekommen, den Preis einer Jndustrieaktie zu berechnen nach dem Reservefonds de» Unter nehmen» und der Dividende, die e» seit einer Reihe von Jahren zahlt. Heute genügt e» z. B., daß die HaSper Eisenwerke 10 °/<» Dividende geben, um sie binnen drei Monaten um, sage und schreibe: 60 in die Höhe zu treiben! Daß hier furchtbare Rückschläge und Enttäuschungen nicht auSbleibeu können, versteht sich am Rande. Wer deshalb durchaus spekulativen Gewinn be gehrt und dafür hinsichtlich der inneren Güte seiner Effekten ein oder beide Augen zudrückt, der be fasse sich zum mindesten nur mit den Aktien solcher industriellen Unternehmungen, die er ein bischen genauer kennt, denen er nicht völlig un wissend und hilflos gegenübersteht. Schon jetzt mehren sich die Anzeichen, daß den hochgespannten und überspannten Erwartungen der Spekulation zahlreiche Enttäuschungen bevorstehen, und selbst in den Fällen, wo eine wirklich schwere Dividende abfällt, find Kurssteigerungen kaum noch zu er hoffen — man hat da» Erträgniß längst vorweg genommen. Also Hände weg, und jetzt kein Wage- muth mehr, der verbrechischer Leichtsinn wäre! Der kluge Kapitalist thut vielmehr gut, die Gunst de» Momentes auszunutzen, sich bei passender Ge legenheit seiner überwertheten Jndustriepapiere ' zu entledigen und dann im Besitze goldsicherer KonsolS den Finanzstürmen der Zukunst ruhig entgegenzusehen. Den letzten, das ist eine alte Weisheit, beißen die Hunde. Zollpolitische Schwierigkeiten drohen sich auch zwischen Deutschland und den Bereinigten Staaten zu erheben. DaS LandwirthschaftSministerium in Washington hat, einer Mittheilung in dem „Hamb. Nachr." zufolge, die Ausstellung von Untersuchungsbescheinigungen für dasjenige nord amerikanische Schweinefleisch verboten, welches zur Ausfuhr nach Deutschland bestimmt ist. In folgedessen wurden die preußischen Grenzpolizei behörden von den Ressortministerien angewiesen, etwaigen Versuchen, frisches Schweinefleisch in vorschriftswidriger Weise aus Amerika einzusühren, entgegenzutreten. ES entzieht sich noch der all gemeinen Kennlniß, welche Gründe daS land- wirthschaftliche Departement in Washington zu seinem in der That auffälligen Vorgehen bestimmt haben. DaS deutsche Schulschiff „Charlotte" ist am Freitag Nachmittag von Petersburg, wo e» eine Woche Aufenthalt genommen hatte, nach Christiania weitergesegelt. Der Besatzung der „Charlotte" ist in Petersburg die liebenswürdigste und auSzeichnrndste Aufnahme zu Theil geworden. Bei der Audienz, welche Czar Nicolaus und seine Gemahlin den dienstfreien Offizieren und Cadetten de» deutschen Schiffes am Freitag Mittag in Schloß Peterhof ertheilten, verlieh der Czar dem Schiffskommandanten Kapitän z. S. BüllerS gegenüber seiner Freude über den Besuch der „Charlotte" Ausdruck. Die in Wien stattgehabten Verhandlungen der Vertreter des Verfassungstreuen Großgrund besitzes mit dem Ministerpräsidenten Grafen Thun wegen der Sprachenfrage habe« am Freitag Nachmittag ihren Abschluß erfahren. Sie sind ebenso ergebnißlo» geblieben, wie die Unterredungen, welche kurz vorher die Beauf tragten der Conferenz der Obmänner der deutschen Parteien mit dem Trafen Thun Über denselben Gegenstand gepflogen hatten, man findet eben deutscherseits, daß die Zugeständnisse, welche der leitende Staatsmann den Deutschen in seinem projektirten Sprachengesetz macht, völlig nage« lügende sind. Run wird wohl die Freundschaft zwischen der Thun'schen Regierung und de« Ezechrn erst recht dick werde», und da» Deutsch- thum wird demnach auch fernerhin sich tüchtig seiner Haut wehren müssen. Die Stellung de» Ministeriums vanffy in Ungarn gilt al» etwa» unsicher geworden; die unfreiwillige Demission de» Staatssekretär» im Handelsministerium, s Börö», wird vielfach al» ein Anzeichen betrachtet,