66 Wenn es keinem Zweifel unterliegt, daß die Seen Ober italiens durch Einstürze des Bodens, oder durch Erdbrüche aus getieft worden sein müssen, so kann es auch nicht bezweifelt wer den, daß diese Austiefung überall gleichzeitig erfolgte, und zwar durch eine gewaltige Katastrophe, deren Ausdehnung und Kraft nicht bloß die in Rede stehenden Seen, sondern auch eine neue Spaltung der Thäler und eine neue Umstürzung der Gebirge, weit über die Bereichsgrenzen dieser Seen, hervor brachte. Diese Katastrophe ereignete sich erst, nachdem die Ebenen der Lombardie bereits gebildet waren, und daher noch viel später, als jene Gebirge geformt wurden, welche den Schotter und die Felsblöcke für die Ebenen lieferten. Diese unzweifelhafte Thatsache gibt uns einen lehrreichen Wink über die Zcttfolge der geologischen Gebilde Ober-Italiens, und zeigt uns demgemäß und analog auch die Chronologie der Bildungen anderer Theilc der Erde an. Sie lehrt uns, mit Bestimmtheit zu erkennen, daß die jetzigen Flußniederungen Oberitaliens jünger als die Seen, die Seen jünger als die Ebenen, die Ebenen jünger als die nahen Gebirge, und diese wieder jünger als die fernen Central-Alpen- kettcn sein müssen. So ist die Tieflegung der Flußbette in ihr jetziges Niveau die jüngste, die Bildung der krystallinischen Centralketten aber die älteste geologische Bildung oberitalienischer Erde; und so bestätiget sich die Thatsache, daß die Riesen unserer Alpenwelt keine Empor dringlinge jüngerer geologischer Tage, sondern die kräftigen Reste ältester Generationen unserer Mutter Erde seien. Wir ersehen aus dem Gesammtbilde dieses Fragments, daß die gegenwärtig bestehenden Formen der Erdoberfläche noch sehr klar sprechende Belege für die von uns ausgestellten Gesetze der Bildung der festen Erdoberfläche, und namentlich für jene der Einstürze zu liefern im Stande sind. Wenn aber schon die wenigen Andeutungen, welche wir in dieser Richtung gaben, dies