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Berlin, 11. Oktober. Zu Ehren des zum Besuch jetzt in Berlin weilenden Prinzen Friedrich August von Sachsen fand heute Nachmittag im Kasino des GardeschiitzenbataillonS großes Diner statt, zu welchem auch das Gefolge des Prinzen Ein ladungen erhalten hatte. Das Befinden des Fürsten Bismarck ist ein durchaus befriedigendes. Der Fürst hat vor Allem seinen guten Appetit und — seinen Humor, die beste Arznei, wieder. Wie verlautet, sieht die Gräfin Herbert Bismarck geb. Gräfin Hoyo» in sehr naher Zeit einem freudigen Familicnercignisse entgegen. Mit Rücksicht hierauf weilte Gras Herbert Bis marck die letzten Tage nicht mehr in Kissingen, sondern hatte sich nach Schönhausen begeben. Berlin, 12. Oktober. Die „Kreuzzeitung" meldet das Ableben des ehemaligen Kriegsministers v. Kamele. München, 12. Oktober. Die Kammer der Abgeordneten lehnte den sozialistischen Antrag auf Reform des Wahlgesetzes ab, desgleichen den freisinnigen Reformantrag. Die deutsch-rassischen Handelsvertrags verhandlungen werden bekanntlich in aller Stille weitergeführt. Die Beschlüsse werden strengstens geheim gehalten; waS darüber bekannt wird, be zieht sich im großen Ganzen aus Aeußerlichkeiten. Wie ein Berliner Mitarbeiter des „Hann. Cour." seinem Blatte mittheilt, umfaßt die Liste der deutschen Forderungen 77 Positionen. Die Dauer der Verhandlungen wird weit über das festge setzte Maß hinauSgehen, es wird davon gespro chen, daß sich die Verhandlungen bis zum Oster feste hinziehen werden. Die Erfahrungen der jüngsten Manöver galten, wie von militärischer Seite geschrieben wird, vornehmlich der Cavallerie. Mit besonderem Interesse wird darum dem bevorstehenden Zu sammentritt einer Commission von hervorragenden Cavallerie-Offizieren entgegengesehen. Fragen, die seit geraumer Zeit als erledigungsbedürftig betrachtet wurden, sollen endlich zum AuStrag kommen. Im Mittelpunkt dieser Dinge steht die Frage einer neuen Exerzierordnung für die Ca vallerie. Bedeutsam ist die Thatsache, daß ein Gedankenaustausch über die fragliche Angelegen heit mit österreichischen Capacitäten stattfindet und daß die Folgerungen der gewonnenen Erfahr ungen auch im verbündeten Staate an der Donau zu gleichen Neuordnungen führen sollen. Im Ernstfälle würde eine combinirte Cavalleriemasse auS Truppen beider Staaten sonach Schwierig keiten nicht mehr begegnen können, denn die taktischen Evolutionen würden bei den gleichmäßig geschulten Reitern nach einem Commando auS- geführt werden können, gehe dies von einem österreichischen oder einem deutschen cavalleristischen Heerführer aus. Die politischen Vortheile dieser leichten Verschmelzung der Truppen der Alliirten springen in die Augen. Der Fall des Generals Kirchhoff findet in der „Kreuzztg." eine Besprechung, der wir fol gende zutreffende Ausführungen entnehmen: Die TageSpresse soll ein Spiegel, ein Organ, ein Leiter der öffentlichen Meinung sein, und noch giebt es Zeitungen, welche diese hohe Aufgabe mit Ernst, Frennuth und Uneigennützigkeit zu erfüllen suchen. Indessen scheint eS, als ob sie an Zahl, an Verbreitung, an Einfluß zurück gingen. (In Sachsen entstehen derartige Blätter gerade jetzt wieder.) Eine illoyale Konkurrenz hat sich auch hier aufgethan, und die ehrliche Arbeit wird verdrängt von dem modernen In dustrialismus. Man will rasch zu Reichthum und Einfluß kommen, und dazu führt erfahrungs gemäß ein Zeitungsunternehmen um so sicherer, je skrupelloser man auf die Unwissenheit, auf die Schwächen und Leidenschaften der Menschen spe- kulirt. So wenig e» vom christlichen Stand punkt entschuldbar, man begreift doch, daß ein Mann von gerader Haltung, ein Offizier, in an diese glorreiche Waffenthat eine Ausstellung zu veranstalten, bei der alle die zahlreichen Er innerungszeichen an jene Tage, an welchen seine Sammlungen so reich sind, zur Vorlage kommen sollen. Zwickau, 11. Oktober. In einer Sand grube bei Zwickau wurden vorgestern ein 14jährigeS Mädchen und ein 6jähriger Knabe, die Sand holen wollten, von einer hereingegangenen Wand verschüttet und getödtet. Plauen, i. B., 11. Oktober. Die königlichen Ministerien des Innern und der Finanzen haben die Erbauung einer elektrischen Straßenbahn in hiesiger Stadt durch die Allgemeine Elektrizitäts gesellschaft in Berlin endgiltig genehmigt. Die Gesellschaft hat den Bau der Bahn nunmehr binnen 12 Monaten auszuführen. leumS für den verstorbenen Kriegsminister Grafen v. Fabrice Se. Excellenz der Herr KriegSm inisterEdler von der Planitz folgende Ansprache: „Die Grab stätte, welche Se. Maj. der König und mit Allerhöchster Erlaubniß die Armee dem StaatS- und Kriegsminister> General der Cavallerie Grafen von Fabrice, gewidmet hat, hat nunmehr ihre Weihe erhalten. Von bewährten Meistern der Kunst entworfen, erbaut und gekrönt mit dem Standbilde des Dahingeschievenen soll die Grabstätte Zeugniß ablegen von der dauernden Anerkennung Sr. Majestät für die Verdienste seines treuen Dieners, sowie von dem nie ver siegenden Danke der Armee für die hingebende und erfolgreichste Fürsorge, welche der Verewigte in seiner fast 25 jährigen Ministerthätigkeit ge habt hat. Die Grabstätte soll aber nicht bloß ein Merkmal des unauslöschlichen DankeS der Armee sein, sie soll auch eine Mahnung für uns Soldaten bilden, dem großen Tobten nachzueifern. — Nicht in seinen Erfolgen. — DaS wäre ver messen. Rur selten stattet Gott der Allmächtige seine menschlichen Werkzeuge mit so reichen Gaben wie den Kriegsminister Graf Fabrice auS. Mit dem weiten Blicke deS Staatsmannes, der die Ereignisse von ferne kommen sieht, Richtung sowie Tragweite derselben erkennt und darnach seine Entschlüsse trifft; mit der unbeugsamen Energie, welche den erwählten Weg rastlos bis ans andere Ende verfolgt, mit der Gewandheit, welche Menschen und Dinge erfolgreich nutzbar zu machen weiß, endlich mit der imponirenden Ericheinnng, welche das Wirken deS Verewigten gleichsam versinnbildlicht, — zu vergleichen einem festgewurzelten, schlanken, hochgewachsenen, jugendkräftigen Baume, welchen der Wind bewegt, der Sturm beugt, der sich aber immer wieder elastisch ausrichtet und seinen Platz behauptet. Wenn aber auch nicht in seinen Erfolgen, so doch in seiner KönigStreue, seiner Vaterlandsliebe, seinem Pflichtgefühle bis zum Tode können und sollen wir dem Verewigten nacheisern und ist er uns in dieser Beziehung ein Vorbild, so ist sein Andenken nach dem Tode ebenso segensreich, wie sein Wirken im Leben. Das walte Gott!" Pirna, 11. Oktbr. Zur LandtagSwahl in unserem 4. städtischen Wahlkreise berichtet der „P. A.", daß in einer zu Neustadt stattgesun- denen Zusammenkunft von Herren des Reichs treuen Vereins auS Pirna und Neustadt von Herrn Buchhändler Mißbach, welcher in dieser Versammlung erschien, die ausdrückliche Erklärung -abgegeben wurde, zur Vermeidung von Stimmen- Zersplitterung von der ihm angetragenen Kandi datur zurücktreten zu wollen. Die Kandidaten frage hat hierdurch die nöthige Klärung erhalten, und eS werden jetzt weitere Schritte im Interesse -der Kandidatur deS Herrn Fabrikbesitzer Wilhelm Hering zu Königstein, welcher der obenerwähnten Versammlung ebenfalls beiwohnte, unverzüglich zu erwarten sein. Die Bahnstrecke Waldheim- Hartha-GeringS- walde-Rochlitz schreitet rüstig vorwärts. Am 6. d. M. traf Nachmittags gegen 4 Uhr die erste Lokomotive scstlicb geschmückt in Hartha ein. Außer den städtischen Kollegien und der Vorsitzenden des Gewerbevereins hatte sich die Einwohnerschaft zahlreich eingesunden. Treuen i. V., 9. Oktober. Nachdem der hiesige Stadtgemeinderath, dessen übergroße Mehrheit aus Anhängern der freisinnigen Partei besteht, die Wiederwahl des bisherigen Bürgermeisters Wildenhahn auf Lebenszeit nahezu einstimmig abgelehnt hatte, war in der letzten Sitzung die Neuwahl eines Bürgermeisters vorzunchmen. Zur engeren Wahl waren in Vorschlag gebracht die Herren Bürgermeister Keil in Markranstädt, Bürgermeister Drache in Geyer und Bürgermeister vr. Zahn in Lom matzsch. Nach längerer Debatte, in welcher die Resultate der von ejnigen Stadtgemeinderaths mitgliedern über vorgenannte Herren eingezogenen Erkundigungen bekannt gegeben wurden, schritt man zur Wahl mittels Stimmzettel. Die Aus zählung der letzteren ergab, daß Herr Bürger meister Drache in Geyer zum Bürgermeister der Stadt Treuen gewählt worden ist. Auf Herrn Drache fielen 14, auf Herrn Keil 4 Stimmen. Der Gewählte ist ein geborener Bautzner, und zwar ein Sohn des daselbst verstorbenen Kom- missionSrathS Feodor Drache. Die seit einigen Tagen vermißte 15jährige Tochter der Haußmamn'schen Eheleute m Burkersdorf wurde äm Montag Vormittag in der Mulde bei RochSburg ertrunken aufgefunden. Binnen wenigen Tagen erfüllen sich 80 Jahre, seit die Völkerschlacht bei Leipzig, welche Deutschland vom französischen Joche befreite, geschlagen worden ist. Der „Verein für die ^Geschichte Leipzig»" beabsichtigt, zur Erinnerung seinem feinen Ehrgefühl auf das Raffinirteste verletzt, nachdem ihm ausreichende Genugthuung durch die Praxi» der Rechtsprechung nicht ge worden, in Ermangelung einer höheren Instanz, die solche Genugthuung hätte auSsprechen können, von einem unwiderstehlichen Drange nach Selbst- hülfe erfaßt und zu dem ungewöhnlichen Schritte gedrängt werden kann, sich zum ursprünglichen Anwalt seiner Ehre zu machen. Solche fein fühligen und dabei kraftvollen Naturen können nur Sympathien erwecken. Im Vertrauen auf ihr gutes Recht setzen sie sich über die Formen der Rechtsprechung hinweg, nachdem dieselben versagt haben. Es handelt sich um den Akt der Nothwehr, den General Kirchhoff begangen hat. Ein sozialdemokratisches Blatt verbreitet, zunächst mit der Tendenz, einen hervorragenden Ange hörigen des Heeres zu diskreditiren, über dessen Haus ein schimpfliches Gerücht, und das „Berl. Tageblatt" druckt es dem sozialdemokratischen Winkelblatt nach, aus GeschästSrücksichten, weil Pikanterien und Skandalgeschichten am Meisten „ziehen". Sozialdemokratie und Juden- thum arbeiten sich wieder einmal in die Hände. Vor Gericht haben die beiden ange klagten Redakteure die Dreistigkeit, der formell verantwortliche Redakteur des „Berl. Tagebl." offenbar wiederum aus GeschästSrücksichten dazu genöthigt, den Beweis der Wahrheit anzutreten, der indessen vom Richter al« irrelevant abgelehnt wird. Die beiden Angeklagten wurden zwar verurtheilt. Allein durch das Anerbieten des Wahrheitsbeweises mußte sich General Kirchhoff aus's Neue und um so mehr gekränkt fühlen, als er solchem advokatischen Schachzug gegenüber sich wehrlos sah. Wie sollte er diesem heimtückischen Angriff begegnen? Da der Richter ihm nur formell, nicht aber auch in der Sache Genug thuung verschaffte, schien nach der Ausfassung des Generals kein anderer Ausweg zu bleiben, als den Redakteur des „Berl. Tagebl." zu der Erklärung zu zwingen, daß er gelogen habe, daß seine Versicherung, er könne den Beweis der Wahrheit erbringen, eine wissentlich falsche Be hauptung sei. WaS General Kirchhoff gethan, stand zwar im Widerspruch mit dem Buchstaben des Gesetzes, nicht aber mit dem Geiste des Rechts, es war ein Akt der Nothwehr, begangen in Wahrnehmung berechtigter Interesse», unter dem Drucke eines peinlichen Ehrgefühls, wie eS im OsfizierkorpS lebendig ist und lebendig sein muß. Und so ist zu hoffen, daß die That deS Generals Kirchhoff nicht ohne Folgen bleiben, daß sie, nachdem sie erschreckendes Licht auf die Wehrlosigkeit des von höchstem Ehrgefühl durch drungenen Mannes gegenüber den modernen Skandalpressen geworfen hat, zu neuen RechtS- bestimmungen führen wird, welche geeignet sind, HauS und Familie wirksamer als bisher vor den Auswüchsen dieser Presse zu schützen. Berlin, 11. Oktober. Jener Herr Harich, der als verantwortlicher „Redakteur" des „Berl. Tagebl." zu so trauriger Berühmtheit gelangt ist, soll nach Angabe eines hiesigen Blattes in Wahrheit Korrektor sein, nach der „K. Volks zeitung" aber — Barbier! Eine „große" deutsche Zeitung giebt sich also, wenn daS richtig ist, dazu her, ihren geistigen Inhalt durch einen Barbier vertreten zu lassen, jedenfalls aber nicht durch einen wirklich verantwortlichen Redakteur. O e st e r r e i ch. Wien, 11. Oktober. Die Motive zur Ver ordnung, betreffend die Ausnahmeverfügung in Prag und Umgegend, sind heute vertheilt worden. In denselben wird der maßlose Mißbrauch der Preßfreiheit und des Vereins- und Versammlungs rechtes hervorgehoben, wodurch von Agitatoren eine Verhetzung der Bevölkerung gegen die konstitutionellen Institutionen, die sozialen Stände und Nationalitäten, sowie gegen jede gesetzliche Autorität insccnirt würden. Die Folgen der Agitationen hätten sich gezeigt in den wiederkehrenden rohen Ausschreitungen gegen die katholische Kirche, in der Störung der öffent lichen Ruhe und Ordnung, in der Gefährdung der Sicherheit von Personen und Eigcnthum, in der Mißachtung von Behörden, in Widersetzlich keiten gegen höhere Organe, sogar in sehr be dauerlichen Ausschreitungen und in einer hoch- verrätherischen Tendenz — zu deren Bekämpfung die gewöhnlichen Mittel der Regierungsgewalt nicht, ausgereicht hätten. Die Regierung behält sich vor, konkrete Thatsachen während der parla mentarischen Berathungeu mitzutheilen. Wien, 11. Oktober. Die Diskussion über daS neue Taaffesche Wahlgesetz steht fort gesetzt im Vordergrund de» Interesse». Die deutsch-liberale Presse sieht in dem Entwurf das größte Monstrum, welche» je da» Licht der Par-