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Ich habe bereit- im Jahre 1891 auf direkte Veranlassung der Leitung des Bauern bundes, sowie dessen Vertrauensmanns, eines in der Nähe wohnenden Gutsbesitzers, die erste hier abgeholtene öffentliche Versammlung des Bundes geleitet und bin seitdem Mitglied des selben. Ebenso hat die zweite Versammlung, welche vor einigen Wochen hier abgehalten wurde und dazu bestimmt war, den Eintritt des Bauern bundes in den Bund der Laiidwirthe vorzubereiten, wieder ans direkte Veranlassung der Bundes- leitung in Berlin unter meinem Vorsitze hier getagt. Kurze Zeit darauf erhielt ich ohne alles Zuthun meinerseits eine von den Herren „Hetzer" und „Brühl" unterzeichnete Postkarte, wodurch ich als Vertrauensmann des Bunde- der Land- wirthe zu einer Sitzung nach Bautzen cingeladen wurde, der ich auch beigewohnt habe. Bei dieser Gelegenheit sprach Herr Hetzer mir gegenüber noch seine besondere Freude darüber aus, daß ich seiner Einladung gefolgt sei und mich so lebhaft der Sache annähme. Ohne aus die Einzelheiten des von Herrn Hetzer als Delegirten des B. d. L. gegen mich beliebten Vorgehen näher cinzugehen, erhebe ich hiermit öffentlich Protest dagegen und erkläre dasselbe sür eine willkürliche Vergewal tigung, denn die Satzungen deS Bundes geben Herrn Hetzer keinerlei Recht zu seiner Handlungs weise, sondern erklären den Bund im Gegcntheil ausdrücklich gemäß den Berliner Tivoli-Beschlüssen unabhängig von jeder politischen Partei. Ich werde mich indes dadurch nicht einen Augenblick darin irre mache» lassen, nach wie vor, meiner Ueberzeugung getreu, die Landwirth- schaft als die Nährmutter unseres Volkes zu betrachten und für den Schutz derselben nach jeder Richtung hin thatkräftigst eintreten. Ich richte hierbei an alle meine Freunde im Bunde der Laiidwirthe, zugleich in Be antwortung der vielfach von diesen an mich er gangenen Anfragen, die dringende Bitte, sich durch daS Vorgehen des Herrn Hetzer und der mitunterzeichneten Herren Delegirten nicht irre machen zu lassen und dem Bunde der Laud- wirthe dessen ungeachtet treu zu bleiben, da der selbe durch unkorrektes Vorgehen des Einzelnen nicht gestört werden darf. Im klebrigen über gebe ich die Angelegenheit ruhig dem Urtheile jedes billig denkenden deutschen Mannes. Nur die eine Frage möchte ich noch an Herrn Hetzer und die mitunterzcichnrtcn Herren richten: haben dieselben mich s.Zt. zn ihrem Vertrauens mann ernannt, damit ich als solcher dem Bunde der Laiidwirthe oder der konservativen Partei dienen soll. Zu dem „Eingesandt", unterzeichnet „Ein Conservativcr", habe ich nur zu bemerken, daß ich von einer von etwa 60 bis 70 Herren ans dem ganzen Wahlkreise besuchten Vertrauens männersitzung der deutschen Reformpartei, der wederHerrvr. Liman noch Herr Hähnichen beiwohnten, als Kandidat des Kreises ausgestellt worden bin und mich zur Annahme der Kan didatur entschloß, weil ich die Vertretung des Mittelstandes, die bisher noch vollständig und besonders bei der conservativen Partei gefehlt hat, für unbedingt nothwendig halte. Wie wenig der Herr „Conscrvative" nicht nur hierin, sondern auch über die thatsächlichen Parteiverhältnissc überhaupt orientirt ist, und wie sehr er auf die Unkcnntniß der Wähler speknlirt, beweist, daß er Stöcker der deutsch-sozialen Partei zurechnet, der doch stets Mitglied der conservativen ge wesen ist, oder sollte der Herr „Conscrvative" selbst so schlecht unterrichtet sein? Herr Zimmer mann hat nur deshalb gegen die Militärvorlage gestimmt, weil die Ausbringung der Deckungs mittel nicht zugleich befriedigende Erledigung fand und hat dabei jedenfalls die Interessen des Mittelstandes besser gewahrt, als die Conser vativen, welche bedingungslos zustimmtcn, und die hinterher auch, wie zum Theil bei den Handelsverträgen, „wenn auch mit schweren Herzen", vielleicht für Brau- und SpirituSstcuer gestimmt hätten. Warum beliebt eS denn hierbei dem Herrn „Conservativen" nicht, Herrn Zimmermann außer als ReichSseind, auch als „Katholik" wie seine Gesinnungsgenossen eS in Dresden gethan haben, zu verdächtigen? Nicht wahr, in Dresden darf mau daS, in Bautzen verbieten eS wohl taktische Gründe? Daß ich meine Kandidatur „vorbereitet" hätte, weise ich als eine durchaus durch nichts zu rechtfertigende Behauptung zurück, da ich noch bis vor zwei Wochen nicht daran gedacht habe. Der Kampf, den ich sür Altar, Thron und Deutschthum seit 12 Jahren führe, ist von mir aus heißer Liebe zu meinem deutschen Vater lande geführt worden, was vielleicht nur denen unglaubhaft erscheinen mag, die selbst nicht dazu fähig sind. Bischofswerda, 2l. Mai 1893. Heinrich Gräfe, Blumenfabrikanr. (Eingesandt.) Die in den letzten Tagen von der Reform partei in Frankenthal, Panschwitz nnd Crostwitz abgehaltenen Wahlversammlungen, in welche» der Reichstagskandidat Herr Heinrich Gräfe-BischofS- werda das Programm der Reformpartei ent wickelte, nahmen sämmtlich einen Verlauf, der von Neuem Zeugniß dafür ablegte, daß die Kandidatur Gräfe nicht nur bei den Handwerkern und Gewerbtreibenden des Kreises, sondern auch bei der Landbevölkerung immer mehr an Boden gewinnt. Namentlich stimmte man auch in diesen Ver sammlungen den Ausführungen des Herr» Gräfe darin lebhaft bei, daß die Milstärvorlage erst dann bewilligt werden könne, wenn die Frage der Deckungsmittel in einer für den Mittelstand befriedigenden Weise gelüst sein wird. Der Ge danke, daß endlich die Lasten aus die Schultern der Börse vor Allem zu legen seien, fand überall begeisterte Zustimmung, lieber den Verlaus der Versammlung in Panschwitz, welche Dienstag, de» 23. d. M., Nachmittags '/,5 Uhr stattfand, ist noch zu berichten, daß, nachdem der Vor sitzende, Herr Drogist Schäfer ans Kamenz, die Versammlung mit einem Hoch aus Kaiser und König eröffnet hatte, der mitanwesende Herr Rechtsanwalt Sachße ans Bautzen, erster Vor sitzender des konservativen Vereins sür den 3. sächsischen Wahlkreis, bevor Herr Gräic daS ihm vom Vorsitzenden ertheilte Wort ergreifen konnte, sofort das Wort nahm und mit lauter Stimme den Einberufer der Versammlung zur Stelle verlangte, sowie die Wahl eines Vorsitzenden aus der Mitte der Versammlung forderte. Trotz der Ver sicherung deS Vorsitzenden, daß er als solcher der Kgl. AmtShauptmannschast angezeigt sei, was die Wahl des Vorsitzenden nach dem Vcr- cinsgesetz verüberflüfsigt, schwieg Herr Sachße nicht. Ter Unwille der Versammlung kam hier bei schon zum Durchbruch und trat mit demon strativem Beifall in Erscheinung, als der Ver treter der Königl. AmtShauptmannschast Kamenz, Herr NegierungSassessor vr. Körner, Herrn Sachße erklärte, daß die gesetzlichen Formalitäten der Anmeldung der Versammlung erfüllt seien. Erst nachdem der Herr Regierungsassessor Herrn Sachße das Sächs. VcreinSgesetz vorlegte, be ruhigte sich Herr Sachße. Nachdem nun Herr Gräfe seine ost von lautem Beifall unterbrochenen Ausführungen beendet hatte, ergriff Herr Sachße wieder das Wort und plaidirte sür den konservativen Kandidaten Herr» Grasen zur Lippe, als er sich aber zu der Be hauptung versticg, Herr Gräse sei nicht im Stande, den Wahlkreis „würdig" zu vertreten, brach ein wahrer Sturm der Entrüstung los und Zurufe: Beweisen, zurücknehmcn, Schluß rc. wurden von allen Seiten laut. Herr Gräfe erwiderte ruhig unter lebhafter Zustimmung und schloß mit den Worten: „Ich überlasse das Urthcil über das Austreten deS Herrn Sachße dem gesunden Sinne der Ver sammlung." Nachdem Herr Sachße nochmals das Wort ergreifen wollte, wurde mitten aus der Versammlung der Antrag gestellt, dem Redner das Wort zu entziehen. Dieser Antrag wurde mit donnerndem Applaus von der Versammlung angenommen. Jedenfalls hat Herr Sachße .durch sein Auf treten für die Kandidatur Gräfe die beste Stimmung gemacht und die Resormpartci möchte wünschen, daß der konservative Verein Herrn Sachße in alle ihre Wahlversammlungen entsendet, um den Erfolg für Herrn Gräfe stir den 1b. Juni weiter in derselbe»» Weise mit vorzubereiten. (Eingesandt.) In Nr. 40 Seite 3 des „Sächsischen Er zählers" befindet sich ein „Eingesandt", dessen Absicht leicht zwischen den Zeilen zu lesen ist. Die in demselben genannten Herren Zimmermann, Hähnichen, Gräfe u. a. m. haben sich seit Jahren bemüht, durch Vorträge die Bewohner vieler Ortschaften über die Ucbelstände im deutschen Volke und Reiche und über die Mittel zu deren Beseitigung zu belehren, gleichzeitig aber auch zur Bildung von Rcsormvereinen zu bewegen, was ihnen auch in erfreulicher Weise gelungen ist. Die Zwecke dieser Vereine mögen in der Hauptsache ganz dieselben sein, wie sie der Herr LandeSbrstallte Graf zur Lippe-Baruth aller dings erst seit seiner Kandidatur zum Reichs« tagSabgeordneteu öffentlich kund gegeben hat. Mit Recht verdient deshalb der Herr Griffe die» Sympathien der Anhänger des ReformvereinS^ nicht aber deshalb da einzutreten, wo letzterer- gesärt hat. — Wenn man nnn im obenbezcich-7 nrten Eingesandt von Herrn Blumensabrikand Gräfe verlangt, von seiner Kandidatur um des willen znrückzutreten, weil ein anderer sich zu letzt öffentlich zu jenen Grundsätzen bekennt, die- Herr Gräfe im Volke zu verbreiten seit Jahreir sich eifrig beflissen hat, und zwar ohne daran- zu denken, einmal mit einer Kandidatur beehrt: zn werden; so findet man keinen anständigen- Ausdruck, diese Handlungsweise zu bezeichnen. (Eingesandt.) Kein ehrlich Spiel. Wir haben schon wiederholt gegen die An maßung Einspruch erhoben, die darin liegt, daß. von conservativcr Seite den Antisemiten das Recht der Ausstellung eigener Candidaten abge sprochen wird. Ein ehrliches Cartell haben wir immer befürwortet; wenn ein solches aber con« scrvativerseitS blos darin gesehen wird. daß. der Antisemitismus als Schleppenträger der con- scrvativcn Partei zu dienen habe, so ist das nicht möglich, und die Conservativen werden cs sich selbst zuzuschreiben haben, wenn die Anti semiten die Geduld verlieren und nun auch jede weitere Rücksicht fallen lassen. Dies wird geschehen, wenn von conscrvativer Seite auch ferner in derselben Weise verfahren wird, wie sich dies jetzt beim Beginne der Wahl bewegung gezeigt hat, und Schuld der Con servativen wird es jein, wen»» die Folge davon ist, daß die »»patriotischen Ele mente Vortheil aus dem entstehenden Zwiespalt ziehen; zu spät aber wird man dann auf conservativcr Seite rinsehen, daß man durch die eigene Unehrlichkeit sich selbst den größten Schaden zugesügt hat. Untreue schlägt, ihren eigenen Herrn, und daS wird sich auch an den Conservativen zeigen, wenn sic nicht ab lassen, mit Hinterlist gegen die Antisemiten zn versa hrcn. Daß diese Erwägungen sehr berech tigter Natur sind, wird sich aus Folgendem er geben : In dem sächsischen Wahlkreise Bautzen- Bischofswerda ist seitens der dortigen Antisemiten der Stadtverordneten-Vorsteher und Blumen«- sabrikant Heinrich Gräfe flm. als ReichStagS- kandidat ausgestellt worden. Sein Gegenkandidat ist der Cvnjervativc Graf zur Lippe. Herr Gräfe ist ein Mann, der sich aus eigener Kraft zu einigem Wohlstände emporgcarbeitet hat und der sich im Wahlkreise um so größerer Beliebt heit erfreut, als er auch Vertrauensmann des Bundes der Landwirthe ist und bereits iin Bauernbunde eine gewichtige Rolle spielte- Seine Candidatur wurde alsbald nach der Reichstagsauflösung ausgestellt, in seinen Ausrufen und Reden betont er sein voll kommenes Einverständniß mit den Forderungen des Bundes der Landwirthe. Man sollte nun meinen, daß der Vorstand dieses Bundes über eine derartige Candidatur, die überdies, direkt aus dem Mittelstände hervor gegangen, die weitaus günstigsten Siegeschancen bot, überaus glücklich sein mußte. Weit gefehlt! Man hielt an der seitens der Conservativen an der Candidatur Gras Lippe fest — das war daS gute Recht der Conservativen. Aber man vermochte auch den Vorstand des Bundes der Landwirthe, obwohl eine große Anzahl von Mit gliedern sich jubelnd sür Gräfe erklärte, direkt gegen Gräfe einzutrcten. Wir fragen zunächst,, wie verträgt sich das mit den Statuten des Bundes? Wir fügen zugleich hinzu, daß auch im Wahlkreise Meißen-Großenhain, wo Hofrath Mehnert als Schützling deS Herrn v. Friesen- gegen den antisemitischen Bauernguts besitzer Lieber candidirt, die gleiche Erscheinung, zu coustatireu ist, obwohl nicht Herr Mehnert^ sondern Herr Lieber Vertrauensmann des dortigen Verbandes ist. Doch die Sache kommt noch besser, wenigstens- zunächst in Bischofswerda. Der antisemitische Candidat ist, weil er es wagt, eine ihm an geborene Candidatur anzunehmen, obwohl er sich völlig aus den Boden deS Bundes stellt, einfach ausgeschlossen worden. In einem Schreiben,. unterzeichnet Otto Julius Hetzer, Niederkaina,. Delegirter des Bundes der Landwirthe für die AmtShauptmannschast Bautzen, heißt eS: „Aus den Zeitungen habe ich erfahren, daß: Sie in Bischofswerda von dem Resormvrrein als Candidat (sio!) für den hiesigen dritten Reichs- tagSwahlkreiS aufgestellt worden sind und diese- Mandat anzunehmen erklärt haben. Dabei wurde- auSdrücklich erwähnt, daß Sie BertrauenSmanw de» Bundes der Landwirthe seien und für die.-