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« PMWe WeWau. Kaiser Wilhelm hat die feierliche Enthüllung des Denkmals Kaiser Wilhelms I. in Görlitz, welchen erhebenden Akt der erlauchte Monarch durch seine Gegenwart auSzeichnete, zu einer erneuten Kundgebung in Sachen der schwebenden ernsten inneren Krisis benutzt. Auch in der Görlitzer Rede des Kaisers kommt, wie schon in seiner bekannten Ansprache aus dem Tempelhofer Felde, die unerschütterliche Ueberzeugung des Monarchen von der Nothwendigkeit der erstrebten Verstärkung der deutschen Wehrkraft wiederum zum Ausdruck. Besonders wohlthuend berührt die Rede durch den warmen patriotischen Appell, welchen der kaiserliche Herr in ihr an die Einig keit und die Vaterlandsliebe der Deutschen unter Hinweis auf die großen Errungenschaften der Ruhmesjahre 1870 und 1871 richtet. Hoffent lich wird letztere so zeitgemäße Erinnerung ans dem Munde des Kaisers ihr Echo in dem Herzen aller Deutschen finden, welche ihr Vaterland wahr und aufrichtig lieben. Wie man der „V. Z." aus Muskau meldet, findet auf Befehl des Kaisers das diesjährige Herbstmanövcr unter persönlicher Theiluahme deS Kaisers bei Görlitz statt. Neber den bekannten vom „Vorwärts" ver- öffentlichten Brief des Prinzen Albrecht verlautet neuerdings Folgendes: Der Prinz schrieb den Brief aus dem Jagdschloß Blankenburg, ließ ihn ohne Kouvert und Adresse auf dem Schreib tisch liegen, und als er ihn nach einiger Zeit suchte, war er von, Schreibtische verschwunden. Der Adressat sollte General Winterfeld sein. Noch befinden wir unS nicht aus dem Höhe punkt der Reichstagswahlbewegung und schon werden von verschiedenen Seiten allerhand Betrachtungen über den Zeitpunkt deS Beginnes der neuen ReichStagSscssion, über deren muth- maßlichen Verlauf re. angestellt. Vorläufig kann man indessen alle diese Erörterungen wohl als verfrüht bezeichnen, zu ihnen wird es nach dem Vollzüge der Wahlen am 15. Juni noch Zeit genug sein. Auch wissen Berliner Meldungen bestimmt zu versichern, daß von zuständiger Seite bislang weder über den Tag deS Zusammen trittes des neuen Parlamentes, noch über die Form der ihm erneut zu unterbreitenden Militär vorlage und ebensowenig über die anderweitige Gestaltung der Deckungsfrage schon Beschlüsse gefaßt worden seien. Als ein immerhin bedeutsamer Vorgang der Wahlbcwegung der letzten Tage erscheint der Beschluß der in BreSlau versammelt gewesenen Vertrauensmänner der schlesischen Centrums partei, den CentrumSkandidatcn in der Militär vorlage-Angelegenheit freie Hand zu lassen. Denn dieser Beschluß markirt eine offenbare Schwenkung in einem Theile deS CenlrumS nach der Richtung einer Verständigung mit der Regierung in der „Militärfrage" hin, und allem Anschein nach wird dieses Einlenken nicht nur auf die Centrums wählerschaft Schlesiens beschränkt bleiben. Denn auch in anderen Theilen deS Reiches giebt sich unter den Anhängern der CentrumSpartci ein ähnliches Bestreben kund, welche in verschiedenen Wahlkreisen bereits dazu geführt hat, daß zwei CeutrumSkandidaten ausgestellt worden sind, von denen der eine auf dem Boden der Militärvor lage steht, während der andere Gegner derselben ist. Diese zweifache Strömung innerhalb der CentrumSpartei spielt offenbar auch in der so auffälligen Verzögerung der Veröffentlichung des offiziellen Wahlaufrufes des Centrums ihre Rolle. Die „Franks. Ztg." warnt vor einer von München ausgehenden, augenscheinlich mit großer Energie betriebenen V er l e i tu n g z u m Börsen spiel, welche umso bedenklicheren Charakters ist, als sie sich nicht sowohl und nicht allein an Bankgeschäfte, sondern vorzugsweise an Privatleute wendet, welchen in Briefen angerathen wird, österreichische Kreditaktien in Blanko zu verkaufen, also in eine Baissespekulation einzu treten, welche sogar für erfahrene Geschäftsleute besonders gefährlich ist und für Privatleute ganz ausgeschlossen sein sollte. Leute mit ge sundem Urtheil dürfte freilich die „Münchener Börsen-Office", von welcher diese Einladungen auSgehen, nicht sehr gefährlich sein. Denn der Charakter der Offerte dürfte daraus deutlich zu ersehen sein, daß sich die „Münchener Börsen« Office" im Falle eines erzielten Gewinnes ein Zehntel desselben außer den Spesen ausbedingt und im anderen Falle „mit eigenen Mitteln für einen event. entstehenden Schaden zu haften" verspricht. Eine derartige Uneigennützigkeit, welche sich auf der einen Seite mit 10 Prozent deS Gewinnes begnügt und aus der anderen 100 Prozent des Verlustes tragen will, ist so ungc- Der sächsische Erzähler. Gelte L. wöhnlich und so außerordentlich, daß sie nicht nur Erstaunen erregt. Natürlich verlangt die „Münchener Börsen - Office" Einsendung von Depots. Die am 1. April d. I. abgeschlossene Liste über das schwimmende Flottenmäterial der deut schen Marine weist 86 zum aktiven Dienste ge eignete Schiffe auf, die einen Gesammtraum von 250,623 Tonnen besitzen bei einer Gesammt- maschinenstärke von 264,620 Pserdekräften und einem vollen BcsatzungSetat von 21,593 Mann, ausschließlich der an Bord der Torpedoboote be findlichen etwa 1500 Mann. Ami.April 1888 bestand die deutsche Kriegsflotte aus 60 Fahr zeugen, sie hat sich also seitdem nm 26 Schiffe vermehrt. Die eigenthümliche, mit der Wahlbewegung in einem gewissen Zusammenhänge stehende Affaire Herbette-Baumbach macht weiter von sich reden. Jetzt ist der zwischen dem fran zösischen Botschafter Herbette in Berlin und dem Danziger Oberbürgermeister vr. Baumbach statt gefundene Briefwechsel zur Veröffentlichung ge langt. Der Botschafter schreibt, er könne sich nicht erknuem, jr mit Baumbach Beziehungen gehabt zu haben oder ihm zufällig begegnet zu sein, und verwahrt sich Herr Herberte darum dagegen, die ihm von Baumbach zugeschobenen Acnßerungen in Betreff der russisch-französischen Allianz gethan zu haben. Der Brief drückt zum Schlüsse des Botschafters Bedauern ans, durch Baumbach in den Wahlkampf hineingezogen worden zu sein. In seinem Antwortöschreiben erinnert Oberbürgermeister Baumbach den Bot schafter daran, daß er mit ihm aus einem Diner beim Reichskanzler im vorigen Jahre zusammen getroffen sei und nach erfolgter Vorstellung ein Gespräch mit ihm gepflogen habe. Hierbei soll nun Herbette, wie vr. Baumbach behauptet, er klärt haben, er glaube nicht, daß man berechtigt sei, von einer Allianz zwischen Rußland und Frankreich zu sprechen. — Das Gespräch zwischen Hcrbctte und Baumbach hat also doch stattgc- funden und vielleicht hat auch ersterer hierbei die ihm zugeschriebene Acußerung gethan. Hier mit erfährt aber die Position deS Herrn vr. Baumbach keine Verbesserung, denn offenbar hat er die nichtssagende Bemerkung des fran zösischen Botschafters für gewichtig genug be funden, um sie dann in der Wahlbewegung zu verwerthcn. Bankdirektor vr. v. Schantz, der Führer der baierischen Nationalliberalen, ist in München nach schwerem Leiden gestorben, nachdem er ver gebens im Süden Heilung gesucht hatte. Der deutsch-spanische Handelsvertrag soll nach monatelangen Verhandlungen unmittelbar vor seinem Abschlüsse stehen. Die Unterzeichnung erfolgt dem Vernehmen nach dieser Tage in Madrid. Die Jnngczechcn in Böhmen wachsen sich immer mehr zu einer politischen Rüpelpartei aus. Die wüsten Szenen, durch welche sie den vor zeitigen Schlutz veS Landtages herbeiführtcn, suchen in den parlamentarischen Annalen aller Länder ihres Gleichen; selbst der berühmte Ohr feigentag in der französischen Deputirtenkammer und die herkömmlichen Prügeleien in der Agramer Landstnbc können dagegen nicht aufkommen. Dem vandalischen Treiben der Jnngczcchen in der jüngste» Schlußsitzung des böhmischen Landtages ist aber eine andere „Heldenthat" der neuhussitischen Stürmer und Dränger auf dem Futze nachgefolgt, indem jungczechische Demonstranten einen Strick um den Hals des Reiterstandbildes deS Kaisers Franz aus dem Franzensquai legten. Was mag man wohl in den Wiener Hof- nnd Regierungs kreisen zu dieser kolossal frechen Demonstration sagen? Die italienische Deputirtenkammer lehnte in ihrer Freitagssitzung das gesammtc Justizbudget mit 139 gegen 138 Stimmen ab, obwohl die einzelnen Artikel desselben vorher genehmigt worden waren. Dieses überraschende Abstim mungsresultat rief in der Kammer lebhafte Bewegung hervor, cS ist nicht unmöglich, datz eS cine CrisiS innerhalb des Ministeriums Giolitti nach sich zieht. Noch ain Freitag trat die Kammer in die Berathung des Etats des Auswärtigen ein. Hierbei kam cS wieder zu einer kleinen irrcdentistischen Hetze gegen Oesterreich, da die Irredentisten Giovagnoli und Barzibai sich miß billigend über das Verhalten Oesterrcich-UngarnS gegenüber Italien aussprachen. Zugleich bekun dete Barzibai seine sranzosensreundliche Gesinnung, denn er bedauerte, datz Frankreich bei der silbernen Hochzeit des italienischen KönigSpaarcS nicht durch eine Spezialgesandtschaft vertreten gewesen sei. In Bordeaux hielt am 21. Mai bei einem ihm zu Ehren veranstalteten Wahlbankct Goblet eine längere Rede, in welcher er auSführte, die' wiederhergestellke militärische Macht Frankreich»' schütze dasselbe vor auswärtigen Angriffen. Seit dem Jahr« 1889 hätte sich zwischen Frank reich und Rußland eine Annäherung vollzogen; ein Bündniß mit Rußland hatte Frankreich in. der Welt die ihm gebührende Stellung wieder geben sollen. ES scheine indessen, wenn man nach den bekannt gewordenen Thatsachen urthrilen könne, daß Frankreich sich immer noch auf dem selben Punkte befinde, indem e- dem Dreibunde nicht« entgegenzusetzen hab« als Sympathiekund gebungen, ans denen man nur ein relatives Vertrauen schöpfen könne. Es sei nur zu gewiß, datz Frankreich auf allen Punkten der Erde, in Asien wie in Afrika, von selten der anderen Staaten mehr oder minder versteckten Feind seligkeiten begegne, welche nur zu häufig die Aktionskraft Frankreichs lähmten. Goblet fügte hinzu, diese Erscheinung sei eine Folge des Um standes, daß Frankreich gegenwärtig ebensowenig, eine auswärtige wie eine innere Politik habe^ Goblet richtete darauf scharfe Angriffe gegen die- opportunistische Politik, tadelte den neuen Zoll tarif und trat für die Politik einer radikalem VerfassungSrcvision entschieden ein. Der Versuch, die CrisiS in den griechischer Staatsfinanzen durch die Bildung des neuen Ministeriums SotiropuloS zu beschwören, gilt als mitzlungen. Nach privaten Meldungen au» Athen soll der Staatsbankerott Griechenlands kaum mehr vermeidbar sein, wenn nicht eine außerordentliche Wendung cintritt. Dem neuen. Cabinct wird gar kein Vertrauen cntgegengebracht„ man hofft einzig nur noch aus daS energische Eingreifen deS Königs. In dem serbischen Donauhasen Cladowv' hat am Freitag die angekündigte Begegnung, zwischen dem jungen König Alexander und seiner Mutter, der Ex-Königin Natalie, stattgcfunden. Letztere soll sehr gerührt gewesen sein. Am Sonntag Nachmittag fand im Hydepark in London eine große Demonstration zu Gunsten der Homerulebill statt. Etwa 50,000 Menschen,, zumeist Kleinbürger, zogen mit Fahnen und Musik nach dein Hydepark, woselbst 13 Tribünen errichtet waren, von denen Deputirte der Iren,. Mitglieder der GrasschaftSräthe und Arbeiter führer Reden hielten. ES wurde eine Resolution angenommen, in der sich die Anwesenden ver pflichten, Gladstone in der Beendigung deS Werkes, den Frieden zwischen den Völkern Eng lands und Irlands herbeizuführen, zu unter stützen nnd die Obstruktion der Konservativen zu tadeln, und, falls die Obstruktion durch das Oberhaus fortgesührt würde, mit Genugthuung den Kampf zwischen der Volksmacht nnd der Kammer der erblichen Gesetzgeber aufnehmen zu wollen. Die Versammlung verlief in vollkommener Ordnung. Der endgültige Sieg der Revolution in der südbrasilianischen Provinz Rio Grande do Snl wird immer wahrscheinlicher. Die Regic- rungStruppen unter General Telles sollen bei Ponche Verde von den Insurgenten völlig zer sprengt worden sein und die gesammte Artillerie verloren habe». Aus Samoa kommt wieder einmal eine politische Nachricht. Sie besagt, datz die beiden Konkurrenten um die samoanische Königswürde, Mataafa und Malictoa- auf Anregung deS ersteren ihrer beiderseitigen Ansprüche der Ent scheidung durch das Volk selbst unterbreiten wollen. Potsdam, 20. Mai. Die Taufe deS am 6. April geborenen Sohnes des Prinzen und- der Frau Prinzessin Friedrich Leopold wurde heute Mittag 12 Uhr im königlichen Stadt schlosse durch den General-Superintendenten vr.. Dryander anS Berlin unter Assistenz des Hof predigers vr. Rogge vollzogen. Als Pathcn waren zugegen: Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, Ihre königl. Hoheit die Prinzessin Friedrich Karl und der Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg; abwesend waren: der König und die Königin von Italien und der König und die Königin von Württemberg. Der Tauf rede lag das Schristwort Röm. Kap. 8 VerS31: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein," zu Grunde. Dasselbe war von der erlauchten Mutter selbst gewählt.. Der neugeborene Prinz, welchen Ihre königl. Hoheit die Prinzessin Fried rich Karl über die Taufe hielt, empfing die Namen Thassilo, Wilhelm, Humbert, Leopold, Friedrich Karl. Nach der heiligen Handlung fand eine Dcfilircour vor der hohen Taufmutter und demnächst die Festtafel im Marmorsaale statt. Der Termin für die Stichwahlen ist von* preußischen Minister des Innern aus den sflusttM