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de» Etat» de» ReichSamt» de» Innern fort. Bei dem Kapitel: ReichSgesundhritSamt begründet Aba. Baumbach (freis.) seinen Antrag auf die Zulassung der Frauen zur Approbation al» Arzt. Da» weibliche Geschlecht sei dem männlichen an Kapazität ebenbürtig, auf dem Knnstgebiete viel leicht sogar überlegen. Der von verschiedenen Seiten gemachte Einwurf, den Frauen de» Mittel standes fehle für den ärztlichen Berus die noth- wendige Charakterfestigkeit zur Leitung Kranker, treffe nicht allgemein zu. Diese Charakterfestig keit lasse sich anerziehen. Die Erwerbsfähigkeit der Frau müsse erhöht werden. Der Beruf der Frgu zum ärztlichen Studium ergebe sich au» ihren vorzüglichen Leistungen auf dem Gebiete der Krankenpflege. Das Zartgefühl gebiete, daß Frauenkrankheiten von weiblichen Aerzten be handelt werden. Staatssekretär v. Boetticher erwidert, die Frage gehöre nicht zur Kompetenz des Reiches. Schon jetzt können Frauen unge hindert die Heilkunde ausüben. Aber zur ärzt lichen Approbation sei die Reifeprüfung auf dem Gymnasium, sowie daS UuiversitätSstudium nöthig. Nur ein Eingriff in die Schulorganisation der Einzrlstaaten könne daher die Approbation der Frauen ermöglichen. Das Reich könne nur die Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium aussprechen. Wegen der Zulassung zur Gymnasial reiseprüfung müsse man sich an die Einzel staaten wenden. Abg. Hartmann (konservativ) schließt sich den Ausführungen des Staats ministers von Boetticher an. Abg. von Bar (freis.) wünscht, daß in der ärztlichen Prüfungs ordnung bestimmt werde, Frauen, welche auf außerdeutschen Universitäten studirten, können zur ärztlichen Prüfung in Deutschland zugelassen werden. Staatssekretär von Boetticher erwidert, dann müßten auch die Männer in der gleichen Lage zur Prüfung zugelassen werden. Aber schon jetzt seien unsere Aerzte Gegner des Zu zuges vom Auslande. Die Tendenz des An trages Baumbach bekämpfe er keineswegs. Abg. Endemann (national!.) lehnt den Antrag aus Zweckmäßigkeitsgründen ab. Wenn man die Frauen zum Aerzteberus zu lasse, würde der Kon kurrenzkampf in diesem bereits überfüllten Berufe noch härter werden. Abg. Bebel befürwortet die Zulassung der Frauen zu allen wissenschaftlichen Berufen. Die Konkurrenzvermehrung dürfe nicht maßgebend sein. Auch die Arbeiter müssen die Konkurrenz der Arbeiterinnen ertragen. Abg. Höffel (Rcichsp.) bekämpft den Antrag. Die Frauen ständen zu sehr unter dem Eindruck per sönlicher Empfindungen, sie seien den Anstrengungen des Aerzteberufs nicht gewachsen. Auf Antrag des Abg. Rickert wird der Antrag Baumbach von der Tagesordnung abgesetzt. Die fernere Berathung soll mit der Erledigung der dieselbe Frage betreffenden Petitionen verbunden werden. DaS Kapitel: Gesundheitsamt wird sodann an genommen. Bei dem Kapitel „ReichSversicherungS- amt" bedauert Abg. Rösicke (wild), daß 50 staatliche und 60 größere Kommunalbetriebe aus den Berufsgenossenschaften ausgetreten sind. Bundesbevollmächtigter Landmann erklärt, daß dem Austreten ein rechtliches Hinderniß nicht entgegenstehe. Abg. Wurm (Sozialdemokrat) behauptet, daß die Berufsgenossenschaften nicht genügend für die Unfallverhütung sorgen. Staats sekretär von Boetticher bemerkt gegenüber der Beschwerde des Aba. Auer, bei der zu erwarten den Revision der Unfallgesetzgebung werde eine schnellere Erledigung der Unfallangelegenheiten herbeigeführt werden. Berlin, 23. Februar. Der BundeSrath hat in seiner heutigen Sitzung dem Entwurf eines Gesetzes wegen Aenderung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 zugestimmt. In der Generalversammlung des deutschen Bauernbundes sprachen noch über die politische Lage und über das konservative Programm Abg. Lutz-Baiern und Graf von Thüngen-Roßbach, welcher folgende Resolution beantragte: „Die Generalversammlung des deutschen Bauernbundes erklärt, daß von jedem Abschlüsse eines Handels vertrages mit Rußland, bei dem die Landwirth- schaft von Neuem bluten muß, als einem Unglück für die deutsche Landwirthschast unter allen Um ständen abzusehen sei und stellt an den BundeS rath und Reichstag die dringende Bitte, einem solchen die Zustimmung zu versagen." Die Reso lution wurde unter lebhaftem Beifall angenommen. Liegnitz, 22. Februar. ReichStagS-Ersatz- wahl für den Wahlkreis Liegnitz-Haynau-Gold berg. Bisher sind gezählt: für Jungfer (freis.) 10,607 St., für Hertwig (Antisemit) 6586 St., für Kühn (Sozialdemokrat) 4952 St., für Graf Rothfirch (konserv.) 1363 St. Also Stichwahl zwischen Jungser und Hertwig. »er saeypMe «r-iWer» Veite n Die für den ÄeichStagSabgeordneten Ahlwardt hinterlegte Bürgschaft wurde der „StäatSb. Ztg." zufolge, am Montag zurückgegeben, so daß von da ab mit der Rücksendung der einzelnen Beträge an die Geber begonnen werden kann. DaS Blatt , richtet indeß vorher an die Einsender die Frage, ob sie nicht von den eingesendeten Beträgen einen größeren oder kleineren Theil zur Sicherstellung der Familie des Rektors Ahlwardt bestimmen möchten. Dieser müsse, um in dem angedeuteten Sinne weiter wirken zu können, sein Amt als Rektor niederlegen, weil ihm von seiner vor gesetzten Behörde die Verfügung zugegangen ist, daS Weichbild der Stadt ohne Urlaub nicht zu verlassen. Die von der „StaatSb. Ztg." für die Familie Ahlwardts veranstaltete Sammlung hat die Summe von etwas über 8000 Mark ergeben, von der ein großer Theil für die durch den Prozeß entstandenen Unkosten, für Bedürf nisse der Familie AhlwardS, sowie für einige andere nöthige Ausgaben verwandt werden mußte. Berlin, 23. Februar. Der Antisemit Karl Paasch hat sich den früheren Vertheidiger Ahl wardts, den Rechtsanwalt Hertwig, zu seinem Vertheidiger in dem schwebenden Beleidigungs prozeß gewählt. Der „Hamburger Korrespondent" schreibt: „Das „Deutsche Ädekdblatt" hat — man weiß nicht recht, ob eS ein, allerdings sehr geschmack loser, Faschingsscherz sein sollte — den Grasen Caprivi auf Freiers Füßen gehen lassen, und durch Berliner Blätter ist die Nachricht weiter verbreitet worden und so auch in unser Blatt gekommen. Wie uns aus Berlin berichtet wird, hat Caprivi nicht einmal die Ehre, die ihm als Braut angedichtete Dame auch nur dem Namen nach zu kennen." Die „Kreuzztg." fügt hinzu, daß im „Deutschen Adelsblatt" niemals eine solche Meldung gestanden hat. Von wo die Meldung in Wirklichkeit ausgegangen ist, scheine noch nicht ermittelt zu sein. Dortmund, 22. Febr. Die Strafkammer verurthcilte heute der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" zufolge, den ehemaligen Bergmann und langjährigen Bergarbeiterführer Fritz Bunte wegen indirekter Aufforderung zum Ausstand in Bergarbeiter-Versammlungen zu Dortmund, Essen und Dorstfeld zu einjährigem Gefängniß. Bunte wurde wegen Fluchtverdachtes verhaftet. Schweiz. Der französische Botschafter Arago ist bei dem schweizer BundeSrath wegen angeblicher Be leidigung des Präsidenten Cätnot vorstellig ge worden. Cacnot war in dem Basler FastnachtS- zuge inmitten einer Gruppe von Panamaschwindlern mit einem riesigen 500,000 Franken-Check darge stellt worden, wenn auch der Artikel 42 deS Bundesstrafrechts eine Beleidigung fremder Staats häupter vorsieht, so glaubt man doch in offiziellen Kreisen, obgleich jener unzeitgemäße Scherz nicht gebilligt wird, daß in Anbetracht der Sachlage die Angelegenheit sich als der MaSkensreiheit entsprungenen gütlich beilegen lassen wird. — Nach der Baseler Fastnacht 1889 hatte Fürst Bis marck einen Strafantrag beim schweizer Bundes rath gestellt, weil der HandelSkommi» Schill die deutsche Regierung beschimpft habe; dieser wurde zu 800 Franks Buße verurtheilt. Frankreich. Paris, 23. Februar. Die Morgenblätter besprechen die Möglichkeit der Wahl Jules Ferrys zum Präsidenten des Senats, welche als nahezu gesichert gilt, als eines der bedeutungs vollsten Ereignisse der letzten Jahre. Die ge mäßigten Okgane äußern sich befriedigt über diese Möglichkeit, indem sie hervorheben, daß mit Jules Ferry an die Spitze des Senates und eines eventuellen Kongresses ein Mann von fester Sprache und Willenskraft treten würde. Die Radikalen nennen die Wahl FerryS eine Heraus forderung der öffentliche» Meinung. Die „Lan- terne" sagt, für Frankreich beginne ein furcht bares Abenteuer; die nationale Sicherheit sei niemals so sehr dem Zerfall preisgegeben ge wesen. Die konservativen Blätter betrachten Ferry nunmehr als den Rivalen CarnotS. Der „Figaro" betont, die unerwartete Rückkehr Ferrys auf die politische Scene bedeute eine Niederlage CarnotS und RibotS, da Carnot offen die Wahl seines Freundes Magnin protegirt und Ribot entschieden die Wahl Ferrys bekämpft habe. Rußland. Petersburg, 23. Februar. Die Regierung wird demnächst die Schließung sämmtlicher deut scher Gymnasialbibliotheken in den Ostseeprovinzen anordnen. - Portugal. Lissabon, 22. Februar. DaS Ministerium hat sich heute wie folgt konstituirt: Hintze Ribeiro: Präsidium und Auswärtiges; Branco: Innere»; Antonio A„— Oberst Pimentel Pinto: Krieg; Fuschini: Finan zen; Neve» Ferreira: Marine; Bernardino Machado: Oeffentliche Arbeiten. Die Minister werden morgen ihr Programm den Korte» vor legen. V e r m i s ch t e^s. — Görlitz, 23. Februar. Bei der AuSfahrt deS Liebauer Güterzuges aus der Station Dittersbach entgleisten zwei Zugmaschinen und acht Personenwagen. Der Lokomotivführer Schubart und ein Liebauer Bremser wurden leicht verletzt. — (Eine Lawine im Riesengebirge.) Am 16. Februar ging am südöstlichen stellen Abhange des 1300 m hohen FuchSbergeS (Schneekoppe) unter donnerähnlichem Getöse eine Schneelawine von Kilometerbrrite ins Thal her nieder. ES war eine sogenannte Staub- oder Rutschlawine. Die oben stehengebliebenen Schnee wände von etwa 8 bis 12 m Höhe starren grausig zu Thal herab. Bei den riesigen Schnee massen sind weitere Abstürze und Rutschungen zu befürchten, und viele Höhenbewohner, besonder» jene in den Brunnbergbauden, stehen in Gefahr. — Der Geldverkehr der deutschen Reichspost stellt Summen dar, deren Größe wir uns kaum vorstellen können. 20,681 Millionen Mark wurden im Jahre 1891 durch die Reichspost befördert, wieder 553*/« Millionen mehr wie im Jahre vorher. Davon waren 15,237'/, Mill. Baarsendungen, 4769 Millionen PastanweisungS« gelder, 567'/, Millionen Postaufträge und etwas über 107 Millionen Postnachnahmesen dungen. Postanweisungen sind auf telegraphischem Wege zur Auszahlung überwiesen worden 29'/» Millionen Mark, gegen 25'/» Millionen im Jahre 1890. — Weißenburg (Elsaß), 22. Februar. Wegen Verweigerung des Gehorsams und Thät- lichkeiten gegen einen Unteroffizier außerhalb deS Dienstes sind hier zwei Soldaten des 60. In fanterie-Regiments zu 5 resp. 10 Jahren Festung verurtheilt worden. Die Trunkenheit, in der sich die Soldaten befanden, wurde als erschwerender Umstand in Betracht gezogen. — Trier, 23. Februar. Eine große Feuers brunst zerstörte die Drahtzieherei deS Wendel« schen Eisenwerkes in dem Dorfe Großmoyeuvre bei Diedenhofen. Der Schaden beläuft sich auf 1 Million Mark. — Kopenhagen, 23. Februar. Der Dampfer „Jakoff Prosoroff" aus Lübeck, Kapitän Herlich, mit Eisenerz von Oxelösund (Schweden) nach Rotterdam bestimmt, war 42 Tage auf See. Die Mannschaften nährten sich in den letzten 32 Tagen von Kartoffeln und Wasser. Der Dampfer ist gestern 9 Meilen östlich von Möen gesunken. Die aus 16 Mann bestehende Besatz ung landete gestern Abend in schlechtem körper lichen Zustande. — Kopenhagen, 23. Februar. Heute früh brach in dem Häuserkomplex am Königs-Neu markt, in welchem sich viele Werkstätten und Waarenlager befinden, ein großes Feuer aus, welches jetzt mit Hilfe von 4 Dampsspritzen und mit Unterstützung von Militär und Marine be wältigt ist, aber sehr großen und noch gar nicht zu übersehenden Schaden angerichtet hat. Drei Feuerwehrleute wurden leicht verwundet. — Lissabon, 22. Februar. Der berühmte portugiesische Asrikaforscher de Andrata ist nach einer Nachricht aus Zanzibar im Fambiugebiete von Eingeborenen ermordet und aufgesressen worden. — Amsterdam, 22. Februar. Auf An suchen der preußischen Behörden ist hier ein 73- jähriger Mann Namens de Mettin verhaftet, welcher seit dreißig Jahren Leichtgläubige ausbrutete, indem er namentlich in deutschen Zeitungen eine Millionenerbschaft auSbot, wobei er mit ge fälschten Dokumenten operirte. Eine um 15,000 Mk. betrogene Hamburger Dame zeigte den Schwindler an, worauf seine Verhaftung erfolgte. — Konstantinopel, 23. Februar. In der an der asiatischen Küste Konstantinopel gegenüber belegenen Vorstadt Kadiköi wurden durch eine heute früh 3 Uhr anSgebrochene Feuersbrunst 500 Häuser des türkischen und de» griechischen Viertels eingeäschert. DaS deutsche und da» englische Viertel blieben verschont. Menschen leben sind nicht zu beklagen. — Chicago, 22. Februar. Alle Weichen steller der Chicago-Wellern Jndiania-Eisenbahn streiken wegen der Verweigerung einer Lohn erhöhung. Der Waarenverkehr der Eisenbahn ist unterbrochen.