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Zur Kenntnis der Kirkbyacea (Ostracoda) Von .JOACHIM GRÜNDEL, Freiberg (Sachsen) Einleitung Vertreter der Kirkbyacea sind schon seit langem bekannt. Bereits vor mehr als 100 Jahren begründete T. R. Jones im Jahre 1859 die Gattung Kirkbya. Doch wurde die Kenntnis über diese interessante Ostracodengruppe über Jahrzehnte hinweg nur wenig vermehrt. Erst 1910 faßte Girty mehrere Arten zur neuen Gattung Amphissites zusammen. Noch 1929 konnte Roth mit guten Gründen Amphissites als Unter gattung von Kirkbya auffassen. Seil den 30er Jahren stieg die Zahl der Arbeiten, die sich mit Vertretern der Kirkbyacea befaßten, sprunghaft an. Viele neue Arten und Gattungen wurden beschrieben. Aus dieser Zeil sind besonders Geis (1932), Coryell & Booth (1933), Kellett (1933, 1935, 1936), Swartz (1936) und Cooper (1941, 1945, 1946) zu nennen. Nach 1945 schritt die Erforschung dieser Gruppe weiter schnell voran. Von besonderer Bedeutung sind die Arbeiten Sohns (1950, 1953, 1954, 1961) und Keslings (1952, 1957, Kesling & Weiss 1953, Kesling & Copeland 1954). Auch Brayer (1952), Stover (1956) und andere lieferten wertvolle Bei träge. Außerhalb Nordamerikas wurden wichtige Unter suchungen auf diesem Gebiet seit den 50er Jahren vor allem in der Sowjetunion durchgeführt. Zu nennen sind hier Posner (1951), Polenova (1952), Schneider (1956), Zanina (1956). Cizova (1960) u. a. In Mitteleuropa haben die Kirk byacea bisher relativ wenig Beachtung gefunden. Die Ur sache ist darin zu suchen, daß zur Zeit der Hauptblüle dieser Überfamilie (Karbon bis Perm) im Bereich des heutigen Mit teleuropas sich ein Festland befand (seit dem Oberkarbon, variskische Gebirgsbildung) oder ungünstige Fazies Verhält nisse vorlagen (Flyschsedimentation im Unterkarbon). Aus dem Zechstein Thüringens beschrieb Richter 1855 und 1867 erste Kirkbya-Formen (z. T. unter anderem Gattungsnamen), Krömmelbein 1958 aus Pommern eine Roundyella-Art. Aus Devon und Karbon der ÖSSR wurden von Pokorny (1950) und Pribyl (1953, 1955, 1958, 1962, Ptibyl & Snajdr 1950) eine Reihe von Arten bekannt gemacht. Auch aus devoni schen und karbonischen Schichten Deutschlands und Polens sind einige kirkbyoidc Formen beschrieben worden (Kumme- row 1939, 1953; Gründel 1961, 1962). Zusammenfassungen des derzeitigen Kennlnisstandes sind in der ..Osnovy paleon- tologii“ (1960), im Band Q des „ I.realisc“ (1961) und in einer Arbeit von I. G. Sohn (1961) zu finden. Parallel zu der intensiven Erforschung der Kirkbyacea ging eine immer weiter gehende taxionomische Aufgliederung dieser Gruppe. Besonders Sohn erwarb sich auf diesem Gebiet Verdienste. Im „Trealise“ umfaßt die Überfamilie nicht weniger als 7 Familien; die mit Vorbehalt zu den Kloedenellocopina gestellten Miltonellidae gehören nach An sicht des Verfassers auch hierher. Die Überbetonung vor allem eines Merkmals, der sog. „kirkbyoiden Grube“, führte jedoch nach Auffassung des Autors zu einer unnatürlichen Anordnung. Offensichtlich nahe verwandte Gattungen sind 4 FFH:C182 verschiedenen Familien und sogar Unterordnungen (z. B. Sanniolus und Semipetasus, Kirkbya und Paegnium u. a.) zugewiesen worden, wodurch der Entwicklungsablauf inner halb der Kirkbyacea verschleiert wurde. Die vorliegende Studie ist ein Versuch, auf der Grundlage des allgemeinen Habitus der Gattungen und auf Grund erkennbarer Ent wicklungstendenzen für einige Merkmale die vorliegende Formenfülle in natürliche Einheiten zu gliedern. Verfasser ist es eine angenehme Pflicht, Herrn Dr. I. G. Sohn, Washington, für bereitwillig übersandtes Material verschie dener karbonischer und permischer Gattungen der Kirk byacea herzlichst zu danken. Entwicklungstendenzen innerhalb der Kirkbyacea Erste sichere Vertreter der Kirkbyacea sind im Unterdevon Nordamerikas gefunden worden (Reticestus, n. Sohn 1961). Im Mitteldevon treten sie bereits mit einer ganzen Reihe von Gattungen hervor, deren Kenntnis wir vor allem Kesling und seinen Mitarbeitern verdanken (Bild 1). Im Oberdevon Bild 1. Stratigraphische Verbreitung der Gattungen der Kirkbyacea ist die Formfülle anscheinend geringer. Mit dem Unter karbon beginnt die Hauptblüle der Überfamilie, die ohne Unterbrechung bis zum mittleren Perm andauert. Das obere Perm lieferte bisher relativ wenig Funde, verursacht wohl durch ein allmähliches Abklingen der Fähigkeit, neue Typen hervorzubringen. Aus jüngeren Schichten sind dem Verfas ser keine Kirkbyacea bekannt geworden. Das Entfaltungs bild der Überfamilie ist somit progressiv (A.II. Müller 1955), wobei zwei Maxima zu erkennen sind. Mehrere Merkmale wandelten im Verlauf der langen Lebenszeit der Überfamilie deutlich ab. Diese Erscheinung soll im folgenden näher untersucht werden.