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8. könnten die Unterzeichnung eines Vertrages ver langen, der den Ausbruch eines internationalen Konfliktes lediglich beschleunigen würde. Auf einem heute Dienstag stattfindenden großen Gartenfeste im königlichen Schlosse Monza, zu welchem die Mailänder Aristokratie und Sportswelt geladen ist, soll die Verlobung des italienischen Kronprinzen mit einer Tochter des Czaren verkündet werden. Es könnte sich nur um die 16 Jahre alte Großfürstin Xenia handeln, denn die jüngste Tochter des Czaren, Olga, zählt erst 9 Jahre. Der rumänische Gesandte in Rom, E. Vacarescu, der Vater des bekannten Hos- fräuleinS der Königin Elisabeth, ist von seinem Posten abberufen worden. Der Vorgang hängt mit den Jntrignen in der Familie VacareScu zur Ausbeutung der Neigung ves rumänischen Thron folgers für Fräulein VacareScu zusammen und dieselben machten die Abberufung VacarescuS von seinem römischen Posten zu einer Noth- wendigkcit, zumal der Gesandte die ihm gelassene Frist zur Einreichung seiner Demission unbenutzt hatte vorüberstreichen lassen. Neber den Nach folger VacarescuS ist noch nichts entschieden. Ein trübes Bild ist eS, welches die „Boss. Ztg." von den Verhältnissen in Griechenland entwirft. Wendet man den Blick ab von den auswärtigen Fragen, an denen dieses Land intc- ressirt ist und deren eS mehr giebt, als seine Kräfte lösen können, um sich den inneren Verhältnissen zuzuwenden, so wird man leider aus diesen nicht die Ueberzeugung schöpfen, daß Griechenland seinen Ausgaben gewachsen sei. Parteikämpse bis auf das Messer, Eigennutz als leitendes Motiv, Zersetzung, Unordnung — das sinv die großen Striche, mit welchen daö Blatt daS Bild Grie chenlands skizzirt. Und dabei sollen jetzt unerhörte Skandale jeder Art ans der Tagesordnung stehen. „Auf dem Kriegsschiff „Spelria" hatten", so heißt eS in einer Zuschrift aus Athen, „die Fähn riche eine Insubordination begangen und sollten sich deswegen vor dem Kriegsgericht verantworten. Man ließ sie nach Athen kommen und das Gericht war schon ziisammengcstcllt, aber die Maschine wollte gar nicht in Gang kommen. Nun vernimmt man, daß eS sich gar nicht um eine so schwere Sache handele, und von Kriegs gericht ist keine Rede mehr; mit einem blauen Auge kommen die hoffnungsvollen Jünglinge davon. Wenn die Justiz nach einem Schuldigen greift, stößt sie eben nur allzu oft auf Vetter», Verwandte und Landsleute, vor Allein ans be freundete Abgeordnete, diese moderne Gotter Griechenlands, welche Alles durchsetzen, und gelte eS einen bereits unter der Guillotine Befindlichen zu retten. — Ein Mann, der bisher in Athen Staatsanwalt war und aus Unmuth über die ihm bevorstehende Versetzung sich vom Dienste znrückzog, gründete eine Zeitung und veröffent lichte darin auf seine Amtsführung bezügliche Aktenstücke, um der Regierung zu schaden! So beschuldigt er den Ministerpräsidenten, Besitzer von Spielhöllen, denen der Prozeß gemacht werden sollte, beschützt zu haben! — Der ärgste Skandal dcS Tages ist aber die Feststellung einer Thatsache, welche von Vielen seit Langem schon vermuthet wurde. Man hat nämlich entdeckt, daß die GcsindevcrmiethungS-BureauS in Athen nur Dcckmäntelchen bilden für den schändlichsten Menschenhandel. Seitdem nun das Treiben dieser Hyänen aufgedeckt ist, melden sich Eltern, deren Töchter spurlos verschwunden sind, wahr scheinlich an das Ausland verkauft. DaS Alles spielte sich offen, vor den Augen der Polizei ab." — Auch wenn hier, wie zu hoffen, Manches übertrieben sein sollte, so bleibt doch noch allzu viel übrig, was der Regierung einen gründlichen KehrauS, eine energische Reinigung des anschei nend noch immer nicht beseitigten sozialen Augias stalles zur dringenden Pflicht macht. Major von Wißman» befindet sich augen blicklich in Kairo, um Sudanesen anzuwcrbcn. Er wird mit diesen nach Ostafrika zarückkehren, um alsdann seine Seeexpedition in'S Werk zu setzen. Amtliche Meldungen bestätigen, daß die Expedition trotz der verunglückten Expedition Zelewski's sich in Bewegung setzen kann, sobald die Ergänzung der Schutztruppe durch die Suda nesen herbeigeführt ist. Major von Wißmann hat für die Expedition bereits einen sehr erheb lichen Vorschuß von der AusführungSkommission der Antisklavereilotterie erhoben. Ingenieur Hoch stetler, der der Wißmann'schen Expedition voran gehen soll, um den Viktoria Nyanza auSzupeilen, wird voraussichtlich noch in diesem Monat seinen Marsch in'S Innere antreten. Die Ergebnisse der vollzogenen Neuwahlen zum chilenischen Kongreß liegen jetzt voll ständig vor und geht aus ihnen hervor, daß die Der sächsische Erzähler. Beite ». liberale Partei sowohl im Senat wie in der Deputirtenkammer die Mehrheit besitzt. Der Kongreß hat u. A. auch die Wahl des neuen Präsidenten der Republik Chile vorzunehmen, doch verlautet noch nichts Näheres über die Kandidaturen um diesen Posten. In der chinesischen Provinz Pukir hat ein ernster Aufstand stattgefunden, dessen Mittel punkt die Stadt Thema bildete. Dieselbe wurde von den etwa 2000 Mann starken Insurgenten unter Anführung eines gewissen Chen nach drei tägiger Belagerung erstürmt, doch alsbald trafen von dem nächsten Regierungssitz Truppen ein, welche die Insurgenten wieder aus der Stadt vertrieben. Die letzteren haben sich nunmehr auf einem Hügel in der Nähe von Thema festgesetzt und verschanzt, so daß sich zu ihrer Vertreibung aus dieser festen Stellung wahrscheinlich größere Operationen nöthig machen werden. Im Sonstigen ist die Lage in China unverändert, speziell will aus dem so ost angekündigten gemeinsamen energischen Vorgehen der fremden Mächte zum Schutze ihrer Staatsangehörigen in China noch immer nichts werden. Berlin, 24. Oktober. Die Rückreise dcS Königs von Rumänien von Potsdam erfolgt am 30. Oktober. Politische Kreise halten daran fest, daß der König mit den leitenden Staatsmännern darüber verhandeln wird, welche Stellung dem Dreibünde gegenüber die Unverletzlichkeit Rumä niens cinnehmen wird. Berlin, 25. Oktober. In einer heute ab gehaltene» sozialdemokratischen Volksversammlung erstatteten die Delegirten vom Erfurter Partei tage, Auer und Liebknecht, Bericht. Die an wesenden Mitglieder der Opposition riefen wiederum stürmische Szenen hervor, so daß dieselben schließ lich vom Worte ausgeschlossen wurden. Die Versammlung nahm mit allen gegen eine Stimme eine Resolution an, in welcher sie sich mit den Verhandlungen des Parteitages einverstanden erklärte. Aus Stuttgart ging dem „B. T." folgende Meldung zu: Herzog Albrecht von Württemberg reist heute im Auftrage des Königs »ach Berlin, Petersburg und Wien ab, um an den dortigen Höfen die Notifikationsschreiben über den Re gierungsantritt König Wilhelms zu überreichen. In Stuttgart scheint das KvnsumvcreinS- wcsen, wen» man dein Bericht von dort unbe dingt Glauben schenkt, auf einer Stufe angc- kommcn zu sein, die cs in der That gemeingefähr lich macht, weil der Konsumverein einen Einfluß auSübt, welcher das freie HandelSgewcrbe schädigen muß. Der Konsumverein daselbst richtet neben seinem Verkauf von Kvlonialwaaren auch eine Bäckerei ein, das ist jedoch nicht schlimm, schlimm aber ist eS, wenn er auch noch sogenanntes Markengeld auögicbt. Die „Kolonialwaarcn- zcitung" erzählt davon: Kaufleute und Hand werker schließen mit dem Konsumverein Lieser- antenverträge ab, laut welchen die Mitglieder dcS Konsnmvcrcins bei diesen Geschäftsleuten mit sogenanntem Konsumgcld, d. h. mit vom Konsumverein angegebenen Blechmarken bezahlen dürfen. Der Geschäftsmann seinerseits liefert dieses Konsnmgeld in größeren Beträgen wieder an den Verein ab und erhält beispielsweise für 100 Mark Konsnmgeld 93 Mk. Ncichsmünze, d. h. er gewährt dem Verein einen Rabatt von 7 Prozent. Je mehr Konsumgcld durch die VercinSmitglicdcr umgesetzt wird, desto größer ist der Gewinn deS Vereins, waS Wunder, wenn schließlich auch gelegentlich die Marktweiber für ihre Butter, ihre Eier, ihr Gemüse rc. mit Kon snmgeld bezahlt werden, „weil man gerade kein anderes Geld bei sich hat." Die Eier- und Gemüsehändlerin nimmt diese Blcchmarken nur, damit ihr der Kunde nicht wegläuft, sie ist aber gcnöthigt dieses Blechgeld wieder in der Stadt auszugcben und zwar kann sic dies nur in solchen Geschäften, die Konsumgeld nehmen."weil sie Liescrantenverträgc haben. Geräth eine solche Händlerin zufällig in einen anderen Kaufladen mit ihrem Blechgeld, so muß sie der betreffende Geschäftsmann entweder fortschicken, oder ihr Blechgeld nehmen und seinerseits wieder an den Mann bringen. Unter allen Umständen bekommt der Konsumverein dadurch seine 7—8 Prozent Rabatt. Ohne daß der Konsumverein dabei irgend ein Geschäft besorgte (vom Abschluß der Lieserantenverträae und dem Umwechseln des KonsumgeldcS abgesehen!) sind ihm auf solche Weise im Jahre 1890 an Gewinn aus Liescr- antcnvcrträgen 110,366,97 Mark zugcflössen. Soweit darf die Freiheit des Konsumvereins nicht gehen, wenn nicht der gesummte Kaufmann- stayd dabei zu Grunde gehen soll. Petersburg, 24. Oktober. Die „Nöwoje Wremja" meldet gerüchtweise, eS sei beabsichtigt den Hebräern im ganzen Reiche die Betheiligung' an den Lieferungen für die Krone, an der Fabri kation und den Verkauf von Spiritus und spirj- tuosen Getränken (ausgenommen die Fabrikation dieser Artikel zum Export) zu verbieten. Petersburg, 24.Oktober. DaSneueJuden- gesetz, welches im Januar nächsten Jahres ver öffentlicht werden wird, wird unter Aufrecht erhaltung der bisherigen, allgemeinen Beschränk ungen denjenigen Juden, welche ihrer Militär pflicht im stehenden Heere genügt haben, alle Rechte der russischen Unterthanen zuerkennen und ihnen gestatten, überall zu wohnen und ein Ge werbe ausüben zu können. Sachsen. Bei Sr. Majestät dem König fanden am Sonntag und Montag in Sibyllenort größere Tafeln statt. Einladungen zu diesen wie zu der vorausgegangenen Jagd waren an mehrere Stabs offiziere der in BreSlau in Garnison liegenden Regimenter des 6. Armeekorps und an höhere Staatsbeamte ergangen. Se. Maj. der König ist am Montag Abend von Sibyllenort abgereist und traf heute Dienstag früh wieder in Strehlen ein. Se. königl. Hoheit Prinz Georg ist am Sonnabend Abend von Sibyllenort abgcreist und am Sonntag Morgen mit dem fahrplanmäßigen Schnellzng 3 Uhr 55 Min. in Dresden angekommen.. Anch Ihre Exzellenzen General der Kavallerie Gencraladjutant v. Carlowitz, Generallieutenant v. Tschirschky und Bögendorff, Generallicutenant Obcrstallmeisicr v. Ehrenstein sind mit diesem. Zuge von Sibyllenort abgereist. Sc. Königl. Hoheit der Prinz Georg, Her zog zu Sachsen, hat Sich in Begleitung des Hosmarschalls Wirkt. Geheimen Rath Freiherr» v. Gutschmid am Montag Vormittag nach Leip zig begeben. Dresden, 26. Oktober. Se. Königl. Hoheit der Prinz Max ist gestern Nachmittag znr Fortsetzung seiner UniversitätSstudicn nach Leip zig znrückgckehrt. Bischofswerda, 25. Oktober. Der hoch- geschätzte Männergesangverein „Liedertafel" bot, wie schon früher, so auch am Freitag, dem 23. Oktober, einer sehr großen Zuhörerschaft einen ausgezeichneten musikalischen Genuß durch die ausnahmslos ganz vortreffliche Aufführung neuester Gesangsstücke, worunter namentlich das große Tongcmäldc „Aus großer Zeit" mit Deklamation, welche musterhaft von Herrn Lehrer Wolf anögeführt, sich des größten Beifalls er-, freute. Die Aufführungen erfüllten die Erwar tungen des zahlreichen Publikums durchaus und gebührt an dieser Stelle dem überaus tüchtigen Dirigenten der „Liedertafel", Herrn Kantor Fritsch, für seine großen Mühen der aufrichtigste und wärmste Dank. Der stürmische, nicht enden wollende Beifall galt aber auch der wackeren Sängerschaar, denn die Leistungen waren vor züglich, was auch von den Solovorträgen gesagt und anerkannt werden muß. Herr Organist Stecher, welcher die Begleitung in liebenswürdiger Weise übernommen, zeigte sich wieder von Neuem als Meister auf dem Flügel. Der Männer gesangverein, welcher im Jahre 1872 infolge der Verschmelzung deS SängcrklubS sich den Namen Liedertafel beilegte, begeht im Juli nächsten Jahres, das fünfzigjährige Bestehen, und wie wir vernehmen, wird daS goldene Jubiläum des Männergesangvereins „Liedertafel" unter Teil nahme vieler auswärtiger Vereine in feierlicher und würdiger Weise begangen werden. — Von Seiten der Haus- und Arund- besitzcrvereine Sachsens soll dem Anfang Novem ber d. I. znsammentretenden sächsischen Landtage wiederholt eine Petition wegen Herabminderung der Grundsteuer unterbreitet und dazu nicht nur die Mitglieder obengenannter Vereine, sondern sämmtliche Hausbesitzer zur Betheiligung bczw. Unterschrift aufgefordert werden. Die von dem Allgemeinen Hausbesitzervereine in Leipzig auf Grund amtlichen Materials äußerst sorgfältig auögearbeitete Petition beweist schlagend, daß der Grundbesitz seit Einführung der Grundsteuer ganz wesentlich an Werth verloren hat und daß die doppelte Besteuerung des Haus- und Grund besitzes durch Grund- und Einkommensteuer, da in letzterer das Einkommen durch Grundbesitz doch nych einmal versteuert werden muß, für die Dauer nicht Durchführbar sein kann. Es steht somit zu hoffen, daß der Landtag dieser berech tigten Forderung Gehör schenken wird, zumal wenn die Betheiligung an dieser Petition eine allgemeine ist. — Ans die vor einiger Zeit hurch die Zeitungen gegangene ministerielle Perordtrpng