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Der fächfische Erzähler. Geile S. I8vi. Demokratie kam wieder einmal recht drastisch in k einer Berliner Parteiversammlung zum Ausdruck, s Ein Genosse, der die Schulgeheimnisse gar nicht recht wahrte, meinte u. A.: „ES sei schade, daß in der sozialdemokratischen Reichstagssraktion viele Leute säßen, die im Parlament nur ihre Zeit verschwenden, nichts nützen, „der Partei aber sehr viel Geld kosten". Wenn die Regierung nicht bald Diäten für die Abgeordneten bewilligt, dann werden uns die Beträge, die wir dafür aus dringen müssen, noch aussressen. Die Fraktion hat thatsächlich gar keine Macht im Parlament, und cS ist eine Täuschung, anzunehmen, wir hätten im Reichstag daS Sozialistengesetz über wunden- Das Ausnahmegesetz ist von der Re gierung fallen gelassen worden, weil es der Partei mehr genützt als geschadet hat. Wir werden uns durch die brutale Unterdrückung der Opposition dem Anarchismus nicht in die Arme Petzen lassen. Man kann durch den Ton, in dem inan unS jetzt bekämpft, nur erreichen, daß wir uns zur Diskussion nicht mehr stellen, weil wir öffentlich geradezu als Lumpe hingestellt werden. Die Alten bleiben wir aber doch — lind wir verstehen auch anders zu arbeiten." Das osfiziöse Wiener „Fremdenblatt" bespricht den bevorstehenden Besuch deS Kaisers in Prag nnd führt aus, der Kaiser werde in der Aus stellung die emsige Arbeit des czechischcn Volkes verkörpert sehen, die deutsche Arbeit in Böhmen aber werde der Monarch im Centrum der deutsch böhmischen Arbeit, in Reichenberg, bewundern. Damit sei jede Auslegung des kaiserlichen Be suches in eng nationalem Sinne ausgeschlossen. Die Ziele der Reise deS Kallers »ach Böhmen seien der getreue Ausdruck jener, Alle mit gleicher Innigkeit umfassenden Liebe deS Monarchen zu seinen Völkern, wie jener Politik, welche der gegenwärtige Ministerpräsident unter allen Vcr- chältnissen festhält und durchzuführen strebt. lieber die durch den Kronstädter Flotten besuch geschaffene Lage schreibt der militärische Berichterstatter der „Köln. Ztg." aus Peters burg, daß der Czar und die vornehme russische Gesellschaft infolge der Franzoscnsreundschast in Verlegenheit gebracht ist. Sie befürchten Gefahr aus dem Umstande, daß das russische Volk sich so sehr mit dieser Freundschaft brüstet. Die ganze Angelegenheit war planmäßig dnrch die Panslavisten vorbereitet, namentlich wurde der Czar geschickt als Werkzeug benutzt, niemals werde derselbe diesen Geist wieder los werden. Wenn der geeignete Zeitpunkt gekommen sei, werde die durch die Hetze angefachte russische Volksleidcnschast mit noch unwiderstehlicherer Gewalt auftreten als gegenüber Alexander II. vor dem letzten Türkenkriege. Dieser Zeitpunkt komme, sobald die neuen Gewehre hergestellt seien; daran zweifle Niemand, der mit den Ver hältnissen vertraut ist, am wenigsten die Offiziere; die Gefahr könne auch früher eintreten. Die Leistungen deS großen fran zösischen G eneralstabcs bei den gegen wärtigen Manöver« haben mit einem Versehen begonnen, welches für französische Verhältnisse charakteristisch ist. Der Maire von Thorigny im Departement Seine L Marne wurde benach richtigt, sein Ort werde 1200 Reiter zu ver pflegen haben. Der Maire bat wiederholt schriftlich, man möge sein armes Dorf verschonen, aber alle Einwendungen halfen nichts. Die Be wohner versahen sich daher, so gut cS gehen wollte, mit allem Röthigen. Aber an den be stimmten Tagen war nah und fern kein Soldat zu erblicken. Es stellte sich daun heraus, daß nicht ihr Dors, sondern Thorigny im Departement - Jonne gemeint gewesen sei. Jii diesem war man daher nicht im Mindesten auf den Empfang der Truppen vorbereitet. Im Frieden sind solche Dinge belanglos, im Kriege können sic aber un heilvoll genug wirken. Der Vertretung der provisorischen Regierung von Chile in Paris ging folgende Depesche aus Jquique vom 29. August zu: Nach der Landung -bei Valparaiso gewannen die Kongressisten zwei Schlachten, bei Coucon am 22. August und bei Placilla am 28. August. Bei Coucon verlor der Feind 1500 Todte und Verwundete, ebenso viel Gefangene, 14 Kanonen, 2000 Gewehre, 3 Mitrailleusen und viel Munition. Bei Placilla wurde die ganze Artillerie, 3000 Mann, gefangen. — Weiter eingetroffene amtliche Depeschen aus Santiago bestätigen die vollständige Vernichtung der Armee Balmaccda'S, die Kongressisten seien Herren deS Landes, eS herrsche vollkommene Ruhe. In Buenos AyreS war die Nachricht verbreitet, der Präsident Balmaceda habe zu Gunsten des Generals Manuel Balquedano die «Gewalt niedergrlegt. Dem Vertreter der Kongreßpartei in Washington, Pedro Montt, ging folgende Depesche deS Ministers Errazuriz aus Jquique vom 29. August zu: Unser Sieg ist ein voll ständiger. Der Kommandant Montt gicbt an, daß von den Truppen Balmaceda's, deren Zahl 12,000 Mann betrug, 3000 davon zu Ge fangenen gemacht wurden; seine ganze Artillerie ist erbeutet. Die Torpedoboote „Almirante Lynch" nnd „Almirante Condell" und alle anderen Schiffe befinden sich in unseren Händen. Vicuna, Godoy, DadanoS und viele Andere flüchteten auf auswärtige Schiffe. Aus Valparaiso wird gemeldet: Nach der Niederlage Balmacedas zündete der Pöbel eine große Anzahl Gebäude an. Das Eigenthum der Anhänger Balmacedas erlitt einen Schaden von zwei Millionen. Die Plünderer konnten nur durch Anwendung der Feuerwaffen bewältigt werden; sie ließen 200 Todte auf dem Platze. Jetzt sorgt eine Bürgcrgarde, zusammengesetzt auS Angehörigen der Fremden, für Ausrechthaltung der Ordnung. In Santiago wurde der Palast Balmacedas und zahlreiche andere Häuser, Mit gliedern der Regierung gehörig, in Brand gesteckt. In der Stadt herrscht allgemeiner Schrecken, die Geschäfte sind geschlossen. ES ging eine starke Truppenabtheilung nach Santiago ab zur Unter stützung des Generals Baquedano, welcher be müht ist, die Ordnung daselbst herznstellen. Potsdam, 31. August. Die Crbprinzessin von Hohenzollern ist gestern Nachmittag in Heiligendamm von zwei Prinzen entbunden worden. Köln, 31. August. Die „Köln. Ztg." ver zeichnet in einem Berliner Drahtbericht daS Gerücht, der russische Minister deS Auswärtigen, von Giers werde im Laufe deS Monats Septbr. den Fürsten von Bismarck besuchen nnd sich so dann nach Oberitalien begeben. Die diplomati schen Kreise beharren bei der Vcrmuthung, der längere Urlaub v. GierS sei nur der Vorläufer seiner Verabschiedung. Nach einer Berliner Meldung der „Köln. Ztg." sollen schon zuOstern k.I. alle diejungen Leute, welche die Berechtigung für den einjährig freiwilligen Dienst durch Versetzung auS Untcr- uach Obersekunda erlangen wollen, sich einer Prüfung unterwerfen. Diese Prüfung, welche auS einer schriftlichen und einer mündlichen be stehen werde, würde, wie daS Abitnrienten-Examen, an den Anstalten selbst, unter Vorsitz eines Re- giernngS-VertreterS, abgehalten werden. Zwei Häuer der fiskalischen KönigSgrube in KönigShüttc O.-S. werden sich in diesen Tagen nach Berlin begeben, um dem Handelsminister v. Berlepsch eine von mehr als 300 Bergleuten unterzeichnete Petition um Erhöhung der Löhne und baldige Einführung von WohlsahrtSeinrich- tungen, wie solche bereits auf anderen Gruben bestehen, zu überreichen. Nach amtlicher Feststellung wurden über Eydtkuhnen in der Woche vom 21. bis 27. August 14,260,000 Kilogramm Getreide aus Rußland importirt. WormS. DaS von etwa 5000 Personen besuchte nationallibcrale Parteifest nahm einen glänzenden Verlauf. Toaste wurden auSgebracht von: vr. Buhl auf den Kaiser, Freiherrn von Heyl auf die Landesfürsten, Rohrhuist auf das Vaterland, Marquardsen auf den Fürsten Bis marck nnd Osann auf das Heer. An den Fürsten Bismarck wurde ein Begrüßungs- Telegramm gerichtet. (Gesetz wider die Trunksucht.) Der „Reichsauzeiger" veröffentlicht den vom BundeS- rath angenommenen Gesetzentwurf, bctr. die Be kämpfung deS MißbrauchS geistiger Getränke. Danach soll die Konzession zum Gastwirthschafts- bctrieb und Kleinhandel mit Spiritus einmal vom BedürsnißnachmeiS und sodann von dem Leumund des Nachsuchenden abhängig sein. Der Kleinhandel darf Spiritus nur in Mengen von V, Liter und darüber abgeben. In Gastwirth- schaften muß Vorsorge getroffen sein, daß auch Speisen und andere als geistige Getränke verab reicht werden. Ortspolizeilich kann der Ausschank von Branntwein vor 8 Uhr Morgens verboten werden. Jungen Leuten unter 16 Jahren, sofern sie sich nicht unter Aussicht Großjähriger be finden, darf Branntwein überhaupt nicht verab reicht werden, ebensowenig allen „offensichtlich Betrunkenen" und solchen Personen, die nach Kenntniß des WirtheS innerhalb der letzten drei Jahre wegen Aergerniß erregender Trunkenheit als gewohnheitsmäßige Trinker rechtskräftig ver- urtheilt wurden. Auch auf Borg darf Brannt wein zum Genuß auf der Stelle nicht verabreicht werden, ausgenommen bei Mahlzeiten regelmäßiger Gäste rc. Trunkenbolde, die der Familie zur Last fallen, oder ihre Pflichten gegen die Familie verabsäumen, können entmündigt werden. Auf alle Uebertretnngen sind ansehnliche Geldstrafen, für gewohnheitsmäßige Trunkenbolde Haftstrafen vorgesehen. Der Gesetzentwurf ist mit einer an statistischem Material überaus reichhaltigen Be gründung versehen. Paris, 31. August. Wie der „Figaro" meldet, wurde infolge der Berichte deS fran zösischen Militär-Attachücs eine Spezialkommission mit der Prüfung der Frage wegen Einführung eines Schildes gegen die Geschosse beauftragt und soll dieselbe sich zu Gunsten der aus Bronze erzeugten Schilder ausgesprochen haben. In einem Artikel, der sich mit dem Ergebniß des französischen Flottenbesuchs in England beschäftigte, hatte der „Standard" die Zuversicht ausgesprochen, daß die alte Freundschaft zwischen Frankreich und England durch die Portsmouther Festtage neu besiegelt worden sei. Was es mit dieser alten „Freundschaft" für eine Bewandtniß hat, ergiebt sich aus einem Eingesandt in der „Pall Mall Gazette", wonach von 670 Jahren, nämlich 1141 bis 1815, England sich mit Frank reich 266 Jahre im Kriege befunden hat. Warschau. Die Auswanderung auS Mittel- Rußland nimmt große Dimensionen an; außer der MasseuauSwanderuug der Juden haben die zunehmende Nothlage, sowie die Furcht vor Huugersnoth und epidemischen Krankheiten eine bedenkliche Bewegung hervorgerufen, welche die Regierung nicht mehr cinzudämmen vermag. Allein auS dem Bezirke Lomza sind in letzter Woche 500 Männer ausgewandert und haben Frauen und Kinder znrückgelassen. Der Arzt der Königin von Rumänien, Theodor!, erklärt, die Königin leide an einer Kongestion dcS Rückenmarkes, nicht an fort schreitender Paralyse. Während der letzten Woche sei eine Verschlimmerung ihres Zustandes ein getreten. Die Königin leide an Schlaffheit der Aktion deS Herzens und müsse daS Bett hüten, obwohl weder Fiebererscheinungen noch andere Symptome der Veränderung dcS Rückenmarkes eiugetreten seien. Sachsen. Ihre Majestäten der König und die Königin sind Sonntag Nachmittag von Pillnitz nach Dresden gekommen und haben sich nach der königl. Villa zu Strehlen begeben. Mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug, welcher Dresden 7 Uhr 22 Min. Abends verläßt, reiste Ihre Mas. die Königin mit Begleitung nach Blankenberghe. Sc. Maj. der König übernachtete in Strehlen. Neber die Theilnahmc Sr. Maj. deS Königs an den österreichischen und deutschen Kaiser- manövern, sowie an den sächsischen Manövern verlautet, daß Se. Majestät vom 2. bis 7. September in Schwarzenau, am 12. und 13. September in Kassel und den 14. in Erfurt weilen wird. Am 16. Sept, wird Se. Majestät in Leipzig sein, woselbst eine große Manövertafel im kgl. Palais in der Goethestraße stattfindet, und zum 19. Sept, ist eine große Manövertafel in Pillnitz bestimmt. Außerdem finden zwei große Tafeln im Rcsidenzschlosse statt. DaS Ausscheiden Sr. Exzellenz dcS Oberhof marschalls Freiherr« von Könncritz aus könig lichen Diensten erfolgt erst am 1. November, au welchem Tage auch der königl. sächs. Kammerherr Graf Vitzthum von Eckstädt auf Lichtenwalde das ihm übertragene Amt antritt. Bischofswerda. AuS Anlaß der am 2. September stattfindenden öffentlichen Siegesfeier werden bei den kaiserlichen Postämtern die Dienst stunden für den Verkehr mit dem Publikum wie an Sonntagen abgehalten. — Am 23. September d. I. findet der 100- jährige Geburtstag dcS Dichters Theodor Körner statt. Mit Recht kann man wohl sagen, daß es außer Schiller keinen Dichter giebt, der so popu lär im deutschen Volke ist und dessen Lieder so allgemein in's Volk eingedrungen sind, als die Körner'S. Der unvergängliche Werth dieser patriotischen Lieder bewährt sich noch immer und schwerlich wird es Jemand geben, der sie nicht kennt nnd gesungen hat. Sie sind ein heiliges Erbe unseres Volkes geworden, das fort und fort seine Vaterlandsliebe und seinen nationalen Sinn zur Begeisterung entflammt. ES ist daher nur natürlich, daß unser Volk sich jetzt zu einer Heier für seinen Lieblingsdichter, den Heldenjüng ling rüstet, der schon bis zu seinem 22. Lebens jahre so Vorzügliches leistete und seinem großen Vorbilde Schiller mit Erfolg nachstrebte, aber alle» Glück und alle RuhmeSkränze, die ihm schon zu Theil wurden, preiSgab, um seinen Arm der Befreiung deS Vaterlandes zu widmen und in diesem Kampfe bei Gadebusch in Mecklenburg den Heldentod fand, zu dessen Grabe alljährlich