Volltext Seite (XML)
87. Der sächsische Erzähler. Gelte 2 Montag, den 20. Juli, Viehmarkt in Pulsnitz. Dienstag, den 21. Juli, Krammarkt in Pulsnitz. Die Gegner des Dreibundes. Wenn schon die Nachricht von der Erneue rung des Dreibundes in Frankreich und Rußland ein Gefühl tiefen Mißbehagens erregte, so ist dasselbe seitdem durch die freundliche Annäherung Englands an den Dreibund noch bedeutend ge steigert worden. Das innigere Berhältniß, in das England während des Besuches unseres Kaisers zu den verbundenen mitteleuropäischen Mächten getreten ist, berechtigt zwar Niemand, von einem „Vierbund" zu reden, aber es ist doch wohl ein solches, welches einer freundschaft lichen Genossenschaft gleichkommt und die von Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien auf'S Neue gemeinsam übernommene Bürgschaft für den Frieden Europa'S ansehnlich verstärkt. So lange England abseits stand, war die Rüstung zur Abwehr der Friedensstörer nicht vollkommen und Italien nur ungenügend gegen weitere Schädigungen seiner Interessen im Mittelmeer geschützt. Ein Land, dessen Politik von dem Wechsel der Parteien io sehr beeinflußt wird wie England, kann selbstverständlich keine schriftlichen und auf lange hinaus bindenden Verpflichtungen cingehcn, aber die von dem britischen Premier minister Marquis v. Salisbury eingcleitete und von dem Unterstaatssekretär dcS Auswärtigen, Fergusson, im Unterhause geschickt vertretene Politik ist offenbar nicht diejenige einer einzelnen Partei, sondern deS ganzen britischen Volkes, das recht gut weiß, daß seine von Frankreich mit Mißgunst betrachtete Oberherrschaft in Egypten und die Sicherheit seiner durch das stete Vor dringen Rnßland's in Mittelasien gefährdeten indischen Besitzungen ein solches Vorgehen drin gend erheischen. Die jubelnde Begeisterung, welche das britische Volk während des letzten Kaiserbc- fuchs für die hohe» deutschen Gäste beständig kundgab, bewies hinreichend, daß cs weder Ab neigung noch Mißtrauen gegen die Verabredungen hegt, welche der leitende Staatsmann England's in Windsor mit dem deutschen Kaiser begann und auf seinen« großartigen Landsitze Hatfield fortsetzte. Die unserem Kaiser bei seinem Besuche der Altstadt Londons, der City, zu Thcil ge wordene unvergleichlich großartige Aufnahme mußte gerade deshalb die französischen Chauvinisten tief verstimmen. Ein großer Theil der Pariser Presse hals sich mit Lügen über diese Unbequem lichkeit hinweg, schilderte die enthusiastische Auf nahme in London als eine kühle, die glänzenden Empfangsfeierlichkeiten als kümmerliche und knauserige, die geschickten Anordnungen der eng lischen Festlichkeiten als vollständig verfehlte. Mit dieser Leistung der Pariser Journale ist wohl nichts weiter erreicht worden, als eine tiefe Verletzung derjenigen Engländer, denen diese ver logenen Berichte vor die Augen kamen. Zweifellos gicbt es in England Politiker, welche einen festen Anschluß an den Dreibund bekämpfen würden, gegen die von Salisbury be wirkte freundliche Annäherung an de» Dreibund haben aber selbst das liberale Gladstone'sche Or gan „Daily NeioS" und die von dem bekannten Russensreund W. F. Stcad redigirte radikale „Pall Mall Gazette" nichts Ernstliches cinge- wendet. Stead brachte nur dabei den eigenartigen Gedanken zu Tage, es sei gar kein Grund vor handen, warum die Friedens-Konföderation nicht neben England auch Rußland umfassen, damit aber den einzigen grundsätzlichen Friedensstörer, Frankreich, gänzlich isolircn und gefahrlos machen könne. Wenn Rußland dazu Lust verspürte, hätte cs diesen harmlosen Wunsch längst befriedige«« können, aber selbst diejenigen russischen Blätter, die sich nicht für ein Bündniß mit Frankreich be geisterten, machten ans ihrer Abneigung gegen England und Oesterreich-Ungarn kein Hehl und ließen unschwer Heraussühlen, daß Rußland unter allen Umständen freie Hand behalten müsse, um den Ausbruch eines deutsch-französischen Zerwürf nisses zur Ausführung längst gehegter auf den Orient bezüglichen Anschläge zu benutzen. Mit seinen im Grunde recht zahmen Angriffen gegen den Dreibund hat daö englische Parlamentsmit glied Labonchorc dei« Franzosen immerhin eine Herzensfreude bereitet, die sic durch Ucberrcichung eines wcrthvollen KunstgegenstandeS und einer Dankadresse vergelten wollen. Jin Grunde hat aber Labouchore mit der von ihm gewünschten Rücksichtnahme auf Frankreich doch nur dem UntcrstaatSsckretär Fergussoi« zu einem neuen parlamentarischen Erfolg vcrholsen. ES ging ihm dabei wie dem italienischen Jrredentistenführer Cavalotti, dessen heftiges Zetern gegen die Ver längerung des Dreibundes nur die Wirkung hatte, die Mehrheit, des italienische«« Parlaments sich um den für das feste Bündniß mit Deutsch land und Oesterreich-Ungarn eintretenden Minister präsidenten Rudini noch fester schaaren zu lassen. Der freundschaftliche Besuch, den die italienische Flotte demnächst, fast unmittelbar nach der 25. Wiederkehr des Jahrestages der Seeschlacht voi« Lissa mehreren österreichischen Häsen abstatten wird, dürfte dei« italienischen Irredentisten beweisen, daß sie sich vergebens bemühen, die Flamme des Hasses gegen Oesterreich-Ungarn wieder anzufachen. Nicht einmal die Aufrichtigkeit der in London von unserem Kaiser abgegebene«« FriedenSversiche- rungen wollen die Franzosen gelten lassen. Das Regierungsblatt „Temps" sprach den offizielle«« FricdenSredeu jede politische Bedeutung ab und der Pariser Gemeinderath Strauß zog sogar einen höhnischen Vergleich mit der bekannte«« Phrase Napoleons III. ii« Bordeaux: „Das Kaiserreich ist der Friede." Die in Paris so zahlreiche«« Nnsscnsreundc benutzen die jetzige Annäherung England's an den Dreibnnd, um aus den förmlichen Abschluß eines sranzösisch- russischei« Bündnisses zu dringen. An« Weiteste«« wagt sich dabei das Royalistenblatt „Gaulois" hervor, welches erklärt, daß ein solches Bündniß die Antwort auf die Erneuerung des Dreibundes sei«« müsse. ES schreibt wörtlich: „Die vorsich tigsten russischen Blätter drängen uns jetzt zu festen Vorschlägen. Sie erinnern mit Recht daran, daß auch die Urheber des Dreibundes sich nicht aus gegenseitige Freundschaftsversiche- rnngcn und anögetauschte Meinungen beschränkt haben, und daß ihr Werk sich aus einen präzisen Text stützt. Natürlich muß Frank reich den Russen etwas bieten, und das kann nur Konstantinopel sein. Was wir unseren nordische«« Verbündeten in« Falle eines siegreichen Krieges zusichcrn könnten, würde einen der thcncrsten Wünsche Rußlands verwirklichen, ohne uns ein wirkliches Opfer zu kosten. Denn man dars nicht vergessen, daß seit dem Durchstechen des Isthmus von Suez eine Macht, welche Herrin in Konstantinopel ist, darum doch nicht, wie früher, Herrin des Mittelländischen Meeres sein würde. Muß nicht das Eintreten Englands in den Dreibund unsere letzten Bedenken be seitigen? Da dieses Meer nicht ein ausschließlich französischer See sein kann, warum sollen wir nicht mit Freude«« die Ankunft einer rnjsischen Flotte begrüßen, welche verhindern würde, daß dieses Meer ein See des Dreibundes wird?" Diese Sprache läßt freilich an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, aber sie hat auch daS Gute, daß sie die Franzosen über den thcueren Preis der russischen Allianz aufklärt. Das Pariser Blatt „Solcil" erwiderte bereits auf den gedachten Vorschlag, daß ein fester Vertrag mit Rußland gewiß sehr wünschenöwerth sei, aber keinesfalls die Zerstückelung der befreundeten Türkei zur Grundlage haben dürfe. Bekanntlich haben schon früher einige andere Pariser Blätter „Matin", „Figaro", „Gil Blas" u. A. m. den Gedanken eines festen Bündnisses mit Rußland bemängelt, was das Russenblatt „Nowosti" zu der Aeußermlg veranlaßte, wer diese Artikel lese, der müsse glauben, sie seien nicht von Franzosen, sondern von Deutschen ge schrieben. Rußland bedürfe nicht der Ausgüsse liebenswürdiger Gefühle, würde aber in den Aeußerungcn der öffentlichen Meinung in Frank reich etwas mehr Konsequenz, Festigkeit und Glauben an ihre Kraft gern sehen. Rußland und Frankreich seien thatsächlich durch gemein same politische Interessen verbunden, doch hänge die Festigkeit dieser Bande in erheblichen« Maße von dem gegenseitigen Wohlwollen ab. Dagegen erfüllt es die russische Presse mit hoher Genug- thuung, immer und immer wieder scststcllen zu können, daß der wüthendc Gegner deS Dreibundes, der Jungczeche Vasaty, wegen seiner bekannten Auslassungen im österreichischen Abgeordneten hause von seiner Fraktion und Partei schließlich doch nicht desavouirt worden ist. Wie sehr die jungczechische Abneigung gegen den Dreibund aber auch die Franzosen erfreut und zu Dank verpflichtet, bewies die Verbrüderung auf der Landesausstellung in Prag, welche letztere in de«« deutschen Blättern so ziemlich todtgeschwicgen, um so mehr aber in den französischen Blättern verherrlicht wird. So bringt sogar die neneste Numiner dkr Pariser „Illustration" mehrere Abbildungen der Hauptgebäude dieser Ausstellung. Mehr als je ist man in Rußland geneigt, sich mit den Gegner«« des Dreibundes zu ver binden und die hochbedeutenden Kundgebungen, zu welchen die Reise des deutschen Kaisers nach England und der Trinkspruch des Königs von Italien auf die englische Flotte Veranlassung gaben, mit unzweideutigen Demonstrationen kür Frankreich zu beantworten. Das russische Ma rineblatt „Kronstadski Wästnik" brachte in den letzten Tagen einen Ausruf an die Bevölkerung, in welchem gesagt wurde, der bevorstehende fran zösische Besuch gehe keineswegs nur die russische Marine allein an, sondern sei auch Sache der Bürger und Kaufleute Kronstadts, welche für eine würdige Ausschmückung der Straßen und Häuser Sorge tragen möchten, und zwar seien Flaggen der französischen Farben blau-roth-weiß vorzuziehci«. ES braucht kaum gesagt zu werden, daß die Bevölkerungen Kronstadts, wie thcilweise auch Petersburgs, einer solchen halbamtlichen Aufforderung eifrig Nachkommen und große Vorbereitungen treffen. Aus Anlaß des fran zösischen Besuches kehrt der Kaiser von Rußland früher als ursprünglich beabsichtigt war, von seinem Ausfluge nach den sinnländischen Schären nach Kronstadt zurück, woselbst die Ankunft des französischen Geschwaders am 25. d. M. erwartet wird. Der russische Großadmiral Großfürst Alexis fährt auf dein Kreuzer „Asia" bis zum Leuchtthurm Tolbuchin entgegen. Schiffe mit Mitgliedern der französischen Botschaft und der von Jgnaticff geleiteten Sklavengcsellschaft und mit Vertretern der Presse werden dein Kreuzer „Asia" folgen. Am Abend des 25. Juli soll ein Hosball in Peterhof stattfiudeu, zu welchem die französischen Offiziere geladen werden. Die Feinde des nur zum Schutze des Weltfriedens abgeschlossene«« Dreibundes mögen nur immer Farbe bekennen: Deutschland fürchtet keinen offenen Gegner; cS wird mit Hilfe seiner beiden großen Bundesgenossen, zu denen sich gewiß in der entscheidenden Stunde auch noch England, die Balkanstaaten u. A. m. schaaren werden, mit jedem Friedensstörer fertig werden, er komme von Westen oder von Osten! Deutsches Reich. Ihre Majestäten derKönig und die Königin benutzten bei ihrer am Donnerstag erfolgten Ab reise nach Berlin 7 Uhr 33 Min. einen eigenen Salonwagen. Die im strengsten Inkognito reisenden Majestäten beabsichtigten in Berlin im „Hotel Continental" ihr Absteigequartier zu nehmen und Freitag die internationale Ausstellung zu besichtigen. Die Trauung Sr. königl. Hoheit des Prinzen Friedrich August mit Ihrer kaiserl. königl. Hoheit der Erzherzogin Louise von ToSkana soll, wie nunmehr bestimmt verlautet, in den ersten Tagen deS November in der Hofpsarrkirche St. Augustin in Wien stattfinden. Bis dahin wird die Herrichtung des unter dein Namen Eckpalais bekannten, nach dein Zwinger zu gelegenen Thcils des Taschenbergpalais, der dem prinzlichen Ehe paar als Residenz übergeben werden soll, voll endet sein. Gegenwärtig wird ununterbrochen daran gearbeitet. Die grobherzoglich toskanische Familie hat übrigens ain Mittwoch Abend Wien wieder verlassen-und sich auf ihre Besitzungen in Salzburg begebe««. Nach kurzem Aufenthalt setzten die hohe«« Herrschaften ihre Reise nach der groß herzoglichen Sommerresidenz in Lindau fort. Dresden, 16. Juli. Ihre Königliche Hoheit die Frau Herzogin-Mutter von Genna hat gestern Nachmittag das Hoflager zu Pillnitz verlassen und sich nach Lindau am Bodensee begeben. Sc. Majestät der König haben dein Rechts anwalt und Notar Jnstizrath vr. Wilhelm Michael Schaffrath ii« Dresden dm Charakter als Oberjustizrath zu verleihen Aller- gnädigst geruht. Mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs ist den Mitgliedern der freiwillige«« Feuerwehr zu Gelenau, Musikus Friedrich Albi«« Hosmann und Strumpfwirker Karl Eduard Buschmann daselbst, kür die von ihnen in der Nacht voin 5. zum 6. Mai d. I. bei einem Brande in Gelenau unter eigener Lebensgefahr bewirkte Rettung zweier Männer vom Tode deS Verbrennens die silberne Lebensrettungsmedaille nebst der Befug- niß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden. >