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nässen bcigesügt werde. Bor einigen Tagen wurde das Dorf Kück nitz bei Bautzen von einem Wirbelwinde betroffen. Nachmittags gegen 3 Uhr vernahm man ferne «in unheimliches Sausen. Im Nu begannen die Dachziegel vom Wohnhause des KretschambesitzerS Donath herunterzufliegen. Der ausgebrochene Sturmwind führte dieselben weit hinaus, riß das Dach des Vorhauses nieder, zerschmetterte das Scheunenthor und richtete auch sonst Schaden an. Dann zog der Wirbelwind in südlicher Richtung unter unheimlichem Sausen nach der Eisler'schen Ziegelei hin, wo er ebenfalls Be schädigungen herbeiführte. Geestemünde, 1. Mai. Am Don nerstag, den 30. April, fand im 19. hannöver'schen Wahlkreise die Stichwahl zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Sozialdemokraten Schmalfeld statt. Laut uns zugegangener Nachricht erhielt Fürst Bismarck 7406 Stimmen, Schmalfeld 4791 Stimmen. Der Sieg des Fürsten Bismarck gilt als sicher. Berlin, 29. April. Der Kaiser und die Kaiserin sind heute früh nach Eisenach abgereist. — Zu der Leichenfeier in Kreisau ist heute früh ein Extrazug mit zahlreichen Theilnehmern ab gegangen, darunter das Präsidium des Reichs tage« und zahlreiche Abgeordnete. Weimar, 29. April. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin sind heute Nachmittag 1'/, Uhr hier eingetroffen und von den groß herzoglichen und erbgroßherzoglichen Herrschaften auf dem Bahnhofe empfangen worden. Vom Bahnhose au« begaben sich Ihre Majestäten mit dem Großherzog und dem Erbgroßherzog gemeinsam in einem vierspännigen Galawagen durch die reich mit Flaggen geschmückte Stadt nach dem Schlosse, auf dem ganzen Wege von der Bevölkerung mit sympathischen Zurusen stürmisch begrüßt. Der Kaiser tritt am Sonntag Abend von Potsdam aus seine Rheinreise an und trifft in Düsseldorf Montag Vormittags 9 Uhr ein. Berlin, 30. April. Wie die „Post" meldet, legte der Kaiser dem Infanterieregiment Nr. 38 den Namen Moltke bei. Kreisau, 29. April. Die Leiche beS Generalfeldmarschalls Grafen Moltke ist um 2 Uhr hier eingetrvffen und wurde von 12 Unter offizieren des Kürassierregiments Großer Kur fürst abwechselnd mit Infanteristen des 38. Re giments zur Gruft getragen. An der Haltestelle warteten General v. Lewinski, der Fürstbischof Kopp, sowie die Provinzial- und Militärbehörden. Bei der Lcichenparade bildeten die Kriegervereine von Schweidnitz und deS Waldenburger Kreises Spalier. Im Leichenzug befand sich neben zahl reichen Deputationenfeine beträchtliche Volksmenge, darunter Einwohner auS Kreisau. An der Gruft hielt Pastor Schirs-Gräditz die Leichenrede. Gesang leitete die Feier ein, welche eine halbe Stunde dauerte, und schloß dieselbe. Zum Tode Moltke's schreiben die „Hamb. Nachr.": „Mit dem Grasen Moltke ist aber mals ein Repräsentant der großen ruhmreichen Zeit in'S Grab gesunken, die den Stolz und die Zuversicht unseres Volkes für alle Zeiten bildet. DaS unheimliche Gefühl einer Art von Verwai sung des jetzigen deutschen Reiches gewinnt in solchen Augenblicken Gewalt über das deutsche Volk und verstärkt so manche Empfindung der Beunruhigung, die eS der ungewissen Zukunft, den neuen Männern gegenüber hegt, in deren Hand das Wohl und Wehe des Vaterlandes gegeben ist. Freilich stand Graf Moltke schon seit einigen Jahren nicht mehr auf dem Platze, an dem er so Großes vollführcn half, aber die Vorstellung, daß er überhaupt noch am Leben sei, hatte etwas Beruhigendes, wenn auch mehr Mr das Gefühl. Besonders schwer wird der Verlust Moltkes vom jetzigen Kaiser empfunden werden, der auf die Kunde von Moltke's Ab leben hin sofort aus Thüringen nach Berlin zurückgeeilt ist. Die Gegenwart deS gefeierten Helden an der Seite des jungen Monarchen bei allen festlichen und sonstigen Anlässen war ein Moment von nicht zu unterschätzender Bedeutung; Las fällt jetzt fort. Mit schwerem Herzen mag auch Fürst Bismarck auf den vom Tod« ereilten treuen Genossen blicken. Die im Leben vereint so Große» schufen — nun hat sie der Tod ge trennt; gänzlich vereinsamt ragt die Riesengestalt Le» grüßten Repräsentanten jener ruhmreichen Epoche deutscher Geschichte, die seinen Namen trägt, in die Gegenwart hinein. Kaiser Wilhelm noch in der Einsamkeit senieS Sachsenwalde». Nicht mehr „deS Dienstes,ewsg gleichgestellte, Uhr" hält ihn im Geleise, sondern der Wunsch, dem Baterlande, das er mit Pioltke'S Hilfe unter Kaiser Wilhelm I. schuf, auch ferner zu nützen bis ans Ende seiner Tage, soweit seine Macht und seine Kraft hierzu reichen." Der Erbe des Grafentitels des verstorbenen Feldmarschalls und deS von ihm errichteten Fideikommisses ist^der Major Wilhelm v. Moltke, der beim Generalstabe des 6. Armeekorps in Breslau steht. DeS Feldmarschalls Adjutant war deS Grafen Wilhelm jüngerer Bruder, Major Hellmuth v. Moltke. — Der Kaiser hat den ältesten Neffen deS Generalfeldmarschall» v. Moltke, Major v. Moltst, zu seinem Flügel adjutanten ernannt. , Der „Kreuzzeitung" zufolge hat Fürst Bis marck unmittelbar auf die ihm seitens der Mvltke- schen Familie zugegangene Nachricht von dem Ableben des Feldmarschalls folgendes Telegramm entsendet: „Mit tiefer Betrübniß erhalte ich Ihre telegraphische Mittheilung von dem unersetz lichen Verlust, welchen unser Vaterland erlitten hat. Ich empfinde denselben besonders schmerz lich, nachdem es mir vergönnt gewesen ist, Jahrzehnte hindurch Mich nicht nur an der ruhmreichen Mitwirkung deS Feldmarschalls im Dienste zu erfreuen, sondern auch an seiner stets gleichen Liebenswürdigkeit bei den nahe befreundeten Beziehungen, in denen ich mit ihm zu stehen die Ehre hatte, v. Bismarck." Die von verschiedenen Zeitungen gebrachte Meldung, Fürst Bismarck werde zur Leichenfeier für den Grafen Moltke nach Berlin kommen, hat sich nicht bestätigt. Der Fürst hat auf den Sarg seines alten Freundes einen mächtigen, kostbaren Kranz niederlcgen lassen. Alterspräsident de« Reichstages ist jetzt nach dem Ableben des Grafen Moltke dessen Fraktions genosse Frhr. von Tettau, Vertreter de« ostpreu- ßischen Wahlkreises Heiligenbeil - Preuß. Eylau. Derselbe ist am 26. Jan. 1810 geboren. Diesem stehen im Alter am nächsten die Zentrums-Ab geordneten Reichensperger und Dieden, deren Geburtsjahr gleichfalls daS Jahr 1810 ist. Für daS Nationaldenkmal, das dem Fürsten Bismarck in der Reichshauptstadt errichtet werden soll, sind bisher 949,070 Mark 82 Pfg. ge sammelt worden. Berlin, 29. April. (Reichstag.) Die Berathung der Zuckersteuervorlage wird bei Paragraph 67 (Ausfuhrprämien) heute fortgesetzt. Nachdem die Antragsteller ihre verschiedenen An träge begründet, erklärte Staatssekretär von Maltzahn, die Regierung habe zu den Anträgen noch nicht Stellung genommen. Der Antrag des Äbg. Witte (die Ausfuhrprämien ganz zu streichen) sei ein finanziell günstigster, entferne sich aber am meisten von den Absichten der Re gierung. Die deutsche Industrie werde auch ohne Prämien der Konkurrenz des Auslandes be gegnen können, aber man müsse Zeit haben und den Nachbarstaaten Zeit lassen, sich zur Ab schaffung der Prämien zu entschließen. Sollte sich Herausstellen, daß durch Herabsetzung der Prämien die deutsche Industrie nicht konkurrenz fähig bleiben könne, so müsse man sofort erwägen können, ob die Prämien völlig abzuschaffen sind. DaS Hau» lehnte 8 67 (Ausfuhrprämie), sowie 8 2 (Verbrauchssteuern) und 8 64 (Eingangs zoll) ab. Der Bundesrath hat am Mittwoch die offi zielle Betheiligung des Deutschen Reichs an der Weltausstellung in Chicago beschlossen. Es wird zu diesem Zweck ein Reichskommissar ernannt und ein Nachtragsrtat zum ReichshauShaltSetat für 1891/92 festgestellt werden. Noch in dieser Woche sollen die Verhand lungen über den deutsch-österreichischen Handels vertrag zum Abschluß gelangen. Ein Theil der deutschen Delegirten wird in den nächsten Tagen nach Deutschland zurückkehren; ein Theil bleibt in Wien zur Führung gemeinsamer deutsch österreichischer Verhandlungen mit anderen Staaten. ES ist jetzt endgiltig entschieden, daß die Vorlage deS Vertrages an die Parlamente erst erfolgt, wenn die Verträge mit anderen Staaten abge schlossen sind. Der „Deutsch. Fleischerztg." zufolge will die deutsche Regierung eigene Veterinär-Beamte nack Amerika entsenden, um Bericht zu erhalten, in welcher Art und Weise daS amerikanische Fleisch- fchau-Gesetz praktisch auSgesührt wird. Rach de« eingehenden Berichten werben dann über die Ein fuhr weitere Beschlüsse gefaßt werden. Essen a. d. Ruhr, 29. April. Der Streik ist im weiteren Abnehmen begriffen. In den „Rheinisch-Westfälische ZG" Mlvet. hedinttend chchr Arbeiter an alt, gestern. Fast vollzählig wird gearbeitet auf Schacht „Wilhelm", Zeche „Königin Elisabeth", „Vereinigte Hakenbeck?, „Johann DrimelSberg", „KönigSgrube", „Ber einigte Germania" Alstaden. Im Gelsenkirchener und Herner Revier arbeitet Alle». Essen a. d. R>, 29. April. Die „Rhein.- Wests. Ztg." beziffert die heute früh noch au»- . ständigen Bergleute aus 9500. Der Ausstand werde am Nachmittag noch weiter nachgelassen haben. Essen a. d. Ruhr, 30. April. Die Zahl der Streikenden hat sich heute Morgen auf etwa 3000 Mann vermindert. Auf der Zeche „Ein tracht Tiefbau" bei Steele, wo der Streik seinen AuSgang nahm, meldete sich, wie die „Rheinisch- Westfälische Zeitung" schreibt, fast die gesammte Belegschaft zur Wiederanfahrt. Auf den „Rhei nischen Stahlwerken" bei Weiderich, wie auf den Werken, der Gesellschaft „Phönix" ist der ge sammte Betrieb wieder in voller Thätigkeit. Frankreich. „Paris" hat die Marschälle Mac MahoN und Canrobert über den Feldmarschall von Moltke interviewen lassen. Marschall Mac Mahon kannte die Todesnachricht noch nicht. Als der Besucher ihm sagte, waS ihn hergeführt, schnellte er von seinem Sitze am Feuer auf, seine Stirn furchte sich, wie bei einer schmerzlichen Erinne rung, er starrte zwei oder drei Sekunden vor sich hin und sagte dann, wie zu sich selbst: „Dieser Mann hat uns weh gethan, sehr weh." Er fuhr fort: „Wenn ich eS auch wollte, ich könnte ihn nicht beurtheilen. Sie müssen meine Bedenken begreifen. Gewiß war er ein sehr großer Soldat, der aus seinem Lande machte, was eS heute ist, aber darf ich vergessen . . . .? Nein, nein, ich kann Ihnen meine Meinung nicht sagen, Sie müssen mich entschuldigen und ich hoffe, Sie werden mich begreifen." Marschall Canrobert, selbst hochbetagt, schien nicht erstaunt zu sein, als der Reporter ihm die Trauerkunde in dem Augenblicke mittheille, da er, von zwei Dienern gestützt, in seinen Wagen steigen wollte. — „Ach so, Herr von Moltke gestorben! Wa ich von ihm halte? Er war ein furchtbarer Feind, von Allen der furchtbarste. Ohne ihn wäre Deutschland nicht, waS cs heute ist, er war eher Ingenieur, als Soldat. ... Ein Militär- Ingenieur, ja sagen Sie das, ein Ingenieur, aber ein Genie. Er hat auch viel Glück gehabt. Erinnern Sie sich, daß er in dem Augenblicke kam, da die Kriegskunst eine Umwandlung durch machte, da Raum war für gute Ideen. Er konnte den Seinigen Geltung verschaffen und sie durchsetzen; das nennt man Glück. Ich stand ihm drei Mal auf Schlachtfeldern gegenüber, namentlich in Saint-Privat. Ach der herrliche Tag! Des Abends schrieb der König von Preußen an die Königin — Moltke hatte befehligt — Unsere Garde ist vor den Soldaten des Marschalls Canrobert in'S Grab gesunken! Leider hat Moltke andere Revanchen genommen. Deutschland ver liert viel, obwohl das Genie des Herrn v. Moltke seit einigen Jahren abgenommen hatte; aber eS darf nicht vergessen, daß er die Haupttriebfeder seiner Stärke war, daß er da« Reich geschaffen hat. Ja gewiß, er hat eS geschaffen." Der Marschall nickte vor sich hin und murmelte noch, al« er den Fuß auf den Wagentritt setzte: „Er war ein Genie, ja, ein Genie." Italien. Neapel. Ein Erlaß des Präfekten verbietet das Zusammenstehen von mehr als 5 Personen auf der Straße. In der Stadt herrscht große Panik. Die Studenten der Universität veröffent lichen einen Aufruf, in welchem sie erklären, am 1. Mai mit den Arbeitern feiern zu wollen. Am DienStag verhaftet« die Polizei mehrere Anarchisten wegen Aufreizung zur Revolte. Rußland. Petersburg. Der Einzug deS Großfürsten Sergei in Moskau erfolgt am 12. Mai. Die Nationalen hoffen, der Großfürst werde Moskau von allen Juden säubern. — Den unmittelbaren Anlaß zur Verabschiedung des Fürsten Dolgoruki soll der Umstand gegeben haben, daß bei dem letzten Aufenthalt de» Großfürsten Sergei in Moskau zu dem aus diesem Anlaß veranstalteten Balle auch der Banquier Poljakow einaeladen war. Derselbe wurde von dem Fürsten Dolgo ruki dadurch ausgezeichnet, daß dieser mit ihm Arm in Arm durch den Saal schritt. Odessa, 28. Avril. 8000 Personen (Juden) sollen die Stadt Kiew unverzüglich verlassen. Die Gesammtsumm« der au» dem Gouvernement lÄew vertriebenen beträgt 15,000. Die reichen