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natürlichen EinigunySpunkte fehlen. Man giebt von allen Seiten tue Parole auS: Politik der freien Hand! Keine Partei möchte sich vorläufig binden, jede erwartet, daß man sie brauchen und gegebenen Falles ihre Dienste belohnen werde. Diese rückhaltende Stimmung findet ihre Er klärung und Förderung in der Haltung des Grafen Taaffe. Es hat in den Verhandlungen, namentlich in denjenigen, die die Führer der deutschen Linken mit dem Grafen Taaffe ge pflogen, nicht an vernünftigen und ausführbaren Vorschlägen zur Bildung einer dauerhaften Mehrheit gefehlt. Unter Anderem hat man dem Ministerpräsidenten empfohlen, aus der deutschen Linken, den Polen und dem Coronini-Klub den Kern einer Majorität zu bilden, der nötigenfalls allein für das parlamentarische Bedürfniß aus gereicht hätte, weil diese Fraktionen mehr als 180 Stimmen, also die Mehrheit des Reichs- ratheS, in sich vereinigen, der aber auch die be gründete Hoffnung gewährt hätte, daß sich in den meisten Fragen bei zweckmäßiger Führung auch manche gemäßigte Elemente der ehemaligen Rechten, wie der konservative Großgrundbesitz und bisweilen vielleicht auch einzelne gemäßigte Klerikale angeschlossen hätten. Freilich hätte eine solche Majoritätsbildung vorausgesetzt, daß die Regierung mit dem bisherigen System der nationalen und provinziellen Begünstigungen ge brochen, daß sie die Stellung der Deutschen in Oesterreich berücksichtigt und ihnen den ent sprechenden Einfluß auf die Regierung einge räumt hätte. Dazu aber konnte oder vielmehr wollte Graf Taaffe sich nicht entschließen. Das wäre ein Systemwechsel geworden, der das Ein- geständniß des bisherigen Mißerfolges in sich geschlossen hätte. Graf Taaffe wollte die Deutschen gewinnen, gleichzeitig aber die Rechte, mit der er bisher zusammen gegangen war, nicht verlieren. Er machte deshalb den Deutschen den Vorschlag, einer Mehrheit beizutreten, welcher auch der föderalistische Hohcnwartklub angehören sollte. Graf Taaffe berief sich hierbei darauf» daß Graf Hohenwart und dessen Partei ihn zwölf Jahre unterstützt und kein Anlaß vorliege, sie in die Opposition zu drängen. An der Weigerung der Deutschen, auf dieses Ansinnen einzugehen, scheiterten die letzten Verhandlungen. Graf Taaffe beabsichtigt nunmehr, sämmtliche Klerikalen, ferner die konservativen Großgrund besitzer und mährischen Allczcchcn zum Eintritt in den Hohenwartklub zu bewegen, der damit nach dem Klub der Vereinigten deutschen Linken der stärkste im neuen Hause wäre und gemeinsam mit dem Polenklub und sonstigen Anhängern der Regierung vielleicht eine neue parlamentarische Mehrheit — wenn auch nur mit wenigen Stimmen — Herstellen könnte. Daß die deutschliberale Partei mit dem Grafen Hohenwart nichts gemein haben will, darf nach der ganzen politischen Vergangenheit dieses Parlamentariers nicht Wunder nehmen. Graf Hohenwart war es bekanntlich, der als Ministerpräsident im Jahre 1871 die Verfassung zu beseitigen suchte, den Föderalismus durchführen wollte und damals mit dem Erlaß, der ein selbständiges böhmisches Königreich schaffen wollte, bei den Deutschen einen solchen Ent rüstungssturm entfesselte, daß er sich gezwungen sah, seinen Abschied zu nehmen. Die Jungczechen zählen jetzt 35 Mitglieder. Auf sie wird Graf Hohenwart, wie von liberaler Seite ausgeführt wird, schwerlich mit Erfolg rechnen. Sie werden mit dem ilovenisch-kroatisch-klerikal-altczechisch- konservativen Klub nichts gemein haben wollen. Graf Taaffe mag die kleinen Gruppen immerhin zusammensassen, die deutsche Linke hat eine leichtere Rechnung. Sie zählt 110 Mitglieder; in natio nalen Fragen stehen zu ihr 18 Dcutschnationale, 8 Mitglieder des Coroniniklubs, etwa 10 von den Antisemiten, 2 Deutschkonservative, zusammen schon 148 Mitglieder; es fehlen ihr mithin zur Mehrheit im Hause nur noch 29 Stimmen, welche sie in den meisten Fällen in den kleineren Gruppen finden wird, zumeist auch bei den kon servativen Großgrundbesitzern. In den meisten Fragen rein politischer Art kann die deutsch liberale Partei auf die deutschnationale Gruppe, den Coroniniklub und die Jungczechen zählen. Wie Graf Taaffe zugleich gegen die Deutschen und die Jungczechen regieren könnte, ist vorerst unerfindlich. Die Deutschen Oesterreichs machen kein Hehl daraus, daß sie durch die neuesten Entschließungen des Grafen Taaffe schwer enttäuscht sind. Sie sind sich ihrer Macht jedoch wohl bewußt und haben offenbar die Absicht, der Entwickelung der Dinge zunächst Gewehr bei Fuß zuzusehen. Dabei unterlassen sie eS nicht, darauf hinzuweisen, wie wenig Aussicht Graf Taaffe hat, mit der von ihm jetzt eingeschlagenen Politik auf einen grünen Zweig zu kommen. So läßt sich die „N. Fr. Pr." vernehmen: „Die Majorität von Fall zu Fall", ist also, wie allseitig bestätigt wird, der Weisheit letzter Schluß, welche in dem neuen ReichSrath bethätigt werden soll. Der Grund solcher Weisheit wird um so dunkler, wenn gleichzeitig ein Regierungsblatt die Frage aufwirft: „Besitzt eine solche Mehrheit die Bürgschaften eines dauernden Bestandes?" und als Antwort hinzufügt: „Sie ist ein Noth- behelf, der für einige Zeit ausreichen, aber auch plötzlich versagen kann." Niemand kann es zwar, wie dasselbe regierungsfreundliche Organ versichert, bestreiten, daß nur die Vereinigte Linke sowohl vermöge ihrer Zahl, als vermöge ihres Programms die Trägerin einer solchen Mehrheit sein könne; trotzdem zieht cs der Minister-Präsi dent vor, mit einem Nothbehelf zu arbeite», der eingestandenermaßen jeden Augenblick versagen kann. Der wesentlichste Differenzpunkt, der wenigstens äußerlich klar erkennbar hervortritt, ist die Angliederung der Partei des Grafen Hohenwart an die künftige Majorität. Graf Taaffe wünscht die Heranziehung dieser Elemente und vielleicht auch die der Altczechen zur Majorität, um durch das Kräftespiel innerhalb der aus verschiedenen Fraktionen zusammen gesetzten Majorität das mögliche Uebergewicht der Vereinigten Linken anfzuhcben. Aber darin mußte für die Führer der deutsch-liberalen Par tei nicht minder ein Grund für die Ablehnung dieser Kombination liegen, als in der Persönlichkeit des Grafen Hohenwart, die an sich eins Programm ist, welches jenes der deutsch-liberalen Partei grundsätzlich ausschließt. Das gouvernementale Blatt meint zwar, es dürfe auf eine weitere Entwickelung der Lage in dem Hause selbst ge zählt, von dem lebendigen Zusammenspiel der Kräfte eine solche erwartet werden. Wird aber der Reichsrath, wenn er versammelt ist, eine andere Zusammensetzung zeigen, als jene, welche er jetzt hat? Oder will sich Graf Taaffe erst durch das Versagen des Nothbehelfs drängen lassen, die Bildung einer festen Mehrheit in An griff zu nehmen? Ein eigenthümliches Spiel ist es jedenfalls, welches soeben die offiziöse Presse gegen die Deutschliberalen eingcleitet hat. Wahrscheinlich um den Entschluß des Grafen Taaffe, die Deutschen bei der Bildung einer Mehrheit bei Seite zu lassen, vor der Oeffcntlichkeit zu recht fertigen, hatte man offiziöserseits verbreitet, die deutsche Linke habe der Regierung unannehm bare Bedingungen gestellt. Sie habe das Aus scheiden der bisherigen Minister von Gautsch, von Bacquehem, Graf Schönborn und von Zaleski verlangt, ferner die Ersetzung des bis herigen Reichörathspräsidenten Smolka durch den deutschen Parteiführer Chlumecky. Die Parteileitung der Vereinigten deutschen Linken hat die Meldung sofort als eine böswillige Er findung erklärt. Wenn die deutschen eine Neu gestaltung des Kabinets fordern — und dazu haben sie ein gutes Recht — so müßten der Altczeche vr. Prazak, der Klerikale Graf Falken- hayn und der Föderalist Gras Wclsersheimb ihre Stellungen guitliren. Damit aber hat es jetzt noch gute Wege, nachdem sich die Verhand lungen zwischen den deutschen Parteiführern und dem Grafen Taaffe zerschlagen haben. Wie sich auch die Verhältnisse in unserem Nachbarstaat demnächst gestalten werden, eine Aenderung in den engen Beziehungen zwischen dem deutschen Reiche und der österreichisch-un garischen Monarchie können sie nicht herbei- sühren. Graf Taaffe ist weder ein begeisterter Freund Deutschlands noch des Dreibundes. Hat aber der Dreibund trotz seiner bisher immer mehr an innerer Festigkeit gewonnen, dann wird er, wenn Graf Taaffe einmal nicht mehr am Ruder sein sollte, erst recht fcststehen. Deutsches Reich. Sc. Majestät der König hat beschlossen, die Bestimmungen über die Gestalt der Ordens- Insignien des Verdienstordens im H 5 und 6 der Statuten des Verdienstordens vom 12. Aug. 1815 dahin abzuändcr», daß von jetzt an dem Ordenskreuze für die Großkreuze und für die Komthurkreuze eine königliche goldene Krone hinzugefügt wird, und daß an die Stelle des zum Großkreuze gehörigen sechseckigen silbernen Strahlensternes ein achteckiger tritt. Ein Um tausch der bisher verliehenen Dekorationen des Großkreuzes und KomthurkrcuzeS gegen Deko rationen in der durch diesen Nachtrag abge änderten Form findet bei der Ordenskanzlei nicht statt. — Ihre Maj. die Königin ist von ihrem Fußlciden vollständig wieder hergestellt. Größerer Schonung wegen bedient sich die hohe Frau jedoch mehrfach der Sänfte. Bei Ihren Majestäten dem König und der Königin fand am Donnerstag Nachmittag aus Anlaß des Geburtstages Ihrer Königs. Hoheit Prinzessin Mathilde Familientafel statt, an welcher Se. Königl. Hoheit Prinz Georg und Familie theilnahmen. Auch Se. Königl. Hoheit Prinz Max ist aus diesem Anlaß am Donners tag von Leipzig nach Dresden zurückgekehrt. Dresden. Die Verlegung des Königl. Hof- lagerS nach Strehlen erfolgt am 3. April. Dresden. Die Königl. Hostheater bleiben vom Montag, den 23. d. M., bis mit Sonnabends den 28. d. M., geschlossen. Bischofswerda, 20. März. Die öffent lichen Prüfungen der hiesigen Schulen wurden vom 16.-19. d. M. im Schulsaale der Bürger schule unter zahlreicher Betheiligung der Behörden und der Eltern der Kinder abgehalten. Das Interesse, was damit das Haus und die Familie an unserer Schule nahm, ist um jo mehr zu loben, als von der Theilnahme des Hauses das Gedeihen der Schule abhängt. Haben sich hier durch doch die Eltern der betreffenden Kinder selbst von dem Fortschritte ihrer Pflegebefohlenen überzeugt und gewiß auch anerkannt, daß die Treue und Mühewaltung der Lehrer nicht ver geblich auf die Zöglinge eingewirkt hat. Mit immer frischer Arbeitskraft, mit steter Unver drossenheit, mit Geduld und Nachsicht tritt der Lehrer täglich unter seine Kinder und sucht ihre Kenntnisse zu erweitern, die Sittlichkeit zu fördern und den religiösen Sinn zu heben. Gewiß eine schwere Arbeit, die ja nur gedeihen kann, wenn das Haus darin die Schule unterstützt. Auch die letzten Prüfungen legten davon Zeugniß ab, daß unsere Schule nicht vergeblich ein Jahr lang gearbeitet hatte, da jeder Zuhörer sich von den wesentlichen Fortschritten der Schüler über zeugen konnte. Dieselben waren recht wohl unter richtet in den einzelnen Fächern und zeigten sich auch sehr tüchtig in den verschiedenen Fertigkeiten, wie Zeichnen, Schreiben, und die Mädchen in den weiblichen Arbeiten. Das Turnen wird mit großer Exaktheit getrieben und kamen bei der Prüfung die ost schwierigen Hebungen recht gut zur Ausführung. Morgen Sonnabend erfolgt nun die feierliche Entlassung der Konfirmanden. — 19. März. Aus der „Winkler-Stiftung" erhielten abermals 6 arme Konfirmanden neue Klcidunsgstücke und vom Frauenverein wurden außerdem noch 3 Kinder ebenfalls mit Kleidung bedacht. Am 14. dss. Mts. erhielten diese Kon firmanden unter Ansprache die betreffenden Sachen eingehändigt. L. Bischofswerda, 18. März. Aus dem hiesigen Lehrerkollegium scheidet zu Ostern d. I. aus Herr Lehrer Eckner, da derselbe nach Reichenbach i. V. als ständiger Lehrer designirt ist und da der bisherige Hilfslehrer Herr Miersch, aus Gesundheitsrücksichten, noch längere Zeit der Schule fern bleiben muß, so wird auch diese Stelle anderweitig besetzt werden. Es müssen also 2 neue Lehrer Ostern d. I. in das Kollegium eintreten. — Da in nächster Zeit nach erfolgter Kon firmation viele Knaben in ein Lehrverhältniß treten und die für dieses bestehenden Vorschriften der Reichsgewerbeordnung vielfach unbeachtet bleiben, was für die Lehrmeister bez. für die Eltern des Lehrlings oftmals von nachtheiligcn Folgen begleitet ist, so sei darauf hingewiesen, daß, wenn der Lehrvertrag nicht schriftlich ge schlossen wird, dem Lehrmeister kein Recht auf Zurückführung des das Lehrverhältniß will kürlich aufgebenden Lehrlings, sowie auf Ent schädigungsanspruch zusteht. Uebrigens kann auch bei dem Vorhandensein eines -schriftlichen Vertrages, wenn eine längere Frist nicht verein bart ist, während der ersten vier Wochen der Lehrzeit das Lehrverhältniß durch einseitigen Rücktritt aufgelöst werden. Eine Vereinbarung, wonach diese Probezeit länger als drei Monate betragen soll, ist nichtig. Will der Lehrling, wie das öfter- geschieht, dasselbe Gewerbe bei einem andern Meister weiter erlernen, so darf dies ohne Zustimmung des früheren Lehrherrn erst neun Monate nach Ablauf des ersten Lehr verhältnisses geschehen. Der Antrag auf Zurück führung eines aus der Lehre entlaufenen Lehr lings ist nur zulässig, wenn er binnen einer Woche nach dem Austritte des Lehrlings gestellt ist. — Das von Sr. Majestät dem König ge stiftete ErinnerangSkreuz für 1863 und 1864 wurde dem Gemcindevorstand Ritsche in Canne- witz verliehen. — Amtlich ist entschieden, daß auch Orga nisten, Küster, Kirchendiener und Todtengräber, ferner auch die Angestellten bischöflicher Kanzleien»