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verließ. Unmittelbar darauf eilte der Kaiser zur Kaiserin, welche nach dem tiefsten Schmerze den- noch die Kraft fand, an der Seite des Kaiser fich zu der Kronprinzessin zu verfügen. Nur mühsam gelang es dem Kaiserpaare, die Kron prinzessin von dem Entschlüsse, sofort nach Meier- ling zu fahren, abzubringen. Der Kaiser zog sich dann in seine Gemächer zurück und blieb bis 3 Uhr Nachmittags mit seinem Schmerz allein. Sodann ertheilte der Kaiser Anordnungen zur Ucberführung der Leiche, worauf er den Bericht des Hofrathes Widerhofer empfing, welcher Vormittags nach Meierling entsendet worden war und sich hierauf abermals nach Meierling begab. Wien, 31. Januar, 12 Uhr Mittags. Daß Kronprinz Rudolf Todesahnungen gehabt hat, ist verbürgt. Zum Hofrath Weilen, dem be kannten Schriftsteller, äußerte er vor wenigen Tagen erst: „Sie werden sehen, mein Gesund heitszustand ist ein solcher, daß ich nicht mehr lange lebe!" Am Sonntag auf der Soiree, welche Prinz Reuß zur Feier des Geburtstages Kaiser Wilhelms veranstaltete, fiel mehreren Per sonen, die den Kronprinzen gut kannten und ihn genau beobachteten, dessen schlechtes Aussehen auf. Freilich war trotzdem gar Niemand auf eine so rasche Catastrophe vorbereitet, ja man dachte nicht einmal an die Möglichkeit einer solchen. Und nun ist sie eingctreten, nun stehen wir unter ihrer erdrückenden Wucht. Wien, 31. Januar. In Meierling segnete heute der Hofburgpfarrer Mayer die Leiche des Kronprinzen Rudolf ein. Die Züge des Todten zeigen nicht die geringste Veränderung. Der Wagen zur Ucberführung der Leiche nach Baden war von der Badener Gemeinde gestellt und von Gendarmen escortirt. Um 1 Uhr 28 Min. setzte sich der Zug in Bewegung und traf 1 Uhr 49 Min. auf dem Badener Bahnhofe ein, wo eine ungeheure Menschenmenge die Leiche mit ehr furchtsvoll entblößten Häuptern begrüßte. Die Leiche wurde zu Wagen von Baden durch einen Hofzug nach Wien übergeführt, wo sie um 1 Uhr anlangte, vom Oberhofmeister Prinzen Hohenlohe auf dem Südbahnhofe empfangen und sodann, begleitet vom Hofburgpfarrer Mayer, dem Prinzen Hohenlohe, den Adjutanten des hohen Verblichenen, Oberstlieutenant Grafen Orsini und Hauptmann Gießl, in einem sechsspännigen Hofwagen nach der Hofburg geführt wurde. Die Leiche wurde von der Menge entblößten Hauptes und in stummer Ehrerbietung begrüßt. In der Hofburg wurde der Sarg sofort in die Appartements des Kron prinzen getragen. Abgeordneten- und Herrenhaus halten morgen Mittag Trauersitzungen ab. Die Haltung der Wiener Bevölkerung spiegelt sich in einer tiefschmerzlichen Stimmung wieder. Wien, 31. Januar. Das Sterbegemach des Kronprinzen in Jagdschloß Meierling zeigt die denkbar schlichteste Einrichtung, das Sterbebett ist ein einfaches Bett von Nußbaumholz, über welchem in silbernen Rahmen das Bild der Kron prinzessin Stefanie hängt. Auf dem Schreibtisch lagen Aquarellzeichnungen, Bücher, eine große Mappe mit Bauplänen, zwei uneröffnete Briefe. Die aus Wien eingetroffenen Hofbeamten ver siegelten sofort nach ihrer Ankunft die Briefschaften und Papiere und nahmen ein Protocoll darüber auf. Prinz Philipp von Coburg ist gestern Abends V-10 Uhr hier angekommen. Erzherzog Franz Ferdinand ist aus Prag, Erzherzog Otto und Erzherzogin Maria Josepha sind aus Brünn hier eingetroffen. Die Ankunft der übrigen außerhalb weilenden Mitglieder des kaiserlichen Hauses wird heute erwartet. Wien, 31. Jan. Am Bette, auf welchem die Leiche des Kronprinzen ruht, erschienen heute früh die Mitglieder des Kaiserhauses, um ihre Gebete zu verrichten. Die Erste war um 7 Uhr die Kronprinzessin. Die Scene wird herzzerreißend geschildert. Keines Wortes mächtig, mit beben den bleichen Lippen, die Augen trocken, erschien die Gebeugte vor dem Tödtenbette. Kaum daß ihre Augen den todten Gatten erblickt, stürzte die Kronprinzessin zusammen. Man brachte sie wieder zu sich und suchte sie fortzuführen. Aber die junge Wittwe war hierzu nicht zu bewegen. Es folgten schreckliche Scene», die Kronprinzessin war in bitterlichem Schluchzen vor dem Todten niedergesunken, und in der Raserei des Schmerzes verlor die arme Frau zwei Mal das Bewußtsein. Erschütternd war auch die Scene, als um acht Uhr der Kaiser und die Kaiserin vor dem Todten- bett erschienen. Der Anblick des todten Sohnes rief namenloses Weh bei den Eltern hervor. Aufgelöst in Schmerz, kniete das Kaiserpaar nieder und verweilte längere Zeit am Todtenbctt. Das Aussehen des Kronprinzen ist fast un verändert, seine Züge sind wie die eines Schlafen Folgen der Pariser Ersatzwahl. Die Bestürzung, welche der Erfolg Boulangers bei der Pariser Ersatzwahl im republikanischen Lager hervorgerufen hat, spottet jeder Beschreibung, spiegelt sich aber ziemlich deutlich in den grimmigen Auslassungen der republikanischen Blätter und in dem herausfordernden Tone der monarchistischen und boulangistischen Organe wieder. Die „Lan- tcrne" schreibt: „Paris hat sich entehrt!" Die „Rüpublique franyaise" sagt: „Das Wahlergeb- niß ist eine Schande für Paris, das hat die republikanische Regierung trotz ihrer Fehler nicht verdient!" Der „Radikal" ruft die 162,000 für Jaques eingetretenen republikanischen Wähler zu weiterem thatkräftigen Handeln auf. Das „Eve nement" versteigt sich zu dem Schwur, daß Frankreich noch nicht für die Dictatur Boulangers reif sei. Der „Rappel" meint, wenn Boulanger es auch zum Deputirten des Seine-DepartementS gebracht habe, beherrsche er doch noch nicht die Lage, da ihm Präsident, Senat und Kammer feindlich gegenüber stünden. CiSmenceaus „Justice" fürchtet, daß der verflossene Sonntag die schwersten Folgen haben werde, wenn Frankreich nicht wache. Daran knüpft sich die schmerzliche Bemerkung: 240,000 Pariser hätten durch ihre Abstimmung das Fehlschlagen des großen von der Republik vorbereiteten Friedenssestes verschuldet. Muthiger äußert sich der „Matin": „Verzagen Neueste Nachrichten. Wien, 1. Februar. (Telegramm des sächs. Erz.) Rach der „Wiener Zeitung", im nichtamtlichen Theile, hat sich Kronprinz Rudolf durch einen Revolverschuß in den Kopf selbst den Tod gegeben. Der Kron prinz zeigte in den letzten Wochen mehrfach krankhafte Rervenauf- regungen. den. Die Leiche ist mit einer einfachen Bettdecke bis knapp an den Hals zugedeckt. / Wien, 31. Januar. Große Menschenmassen sind vor der Hofburg ^versammelt, blicken weh- müthig nach den Gemächern des Kronprinzen und ziehen dann still weiter. — Das „Neue Tageblatt" erfährt, daß der Kaiser die Nacht schlaflos verbrachte. Den ersten Kranz legte die Kronprinzessin auf dem Sarge nieder. Das Töchterchen des Kronprinzen, Elisabeth, legte einen kleinen Kranz von weißen Moosrosen mit einer weißen Schleife nieder. Nachdem die höchsten Herrschaften das Trauerzimmer verlassen, wurde den Hofbediensteten und Dienern der Zutritt zur Leiche gewährt. Wien, 31. Januar. Der Kaiser genehmigte, daß Dienstag die Bestattung stattfindet. Die Leiche wird in der Kapuzinerkirche aufgebahrt und in der Kapnzinergruft beigesetzt. Demnach wird kein feierlicher Begräbnißzug stattfinden.. Montag wird die Parade-Ausstellung der Leiche dem Publikum geöffnet werden. An diese Berichte schließen wir noch eine Angabe der österreichischen Blätter betreffs der Frage der Thronfolge. Der pragmatischen Sanction und den österreichischen Hausgesetzen gemäß ist der Thron nach dem Rechte der Erst- geburi und der gemischten Linearerbfolge in dem Hause Habsburg-Lothringen erblich. Die männ liche Linie geht der weiblichen vor und letztere folgt erst nach dem völligen Aussterben ersterer. Durch das eingetretene tragische Ereigniß geht nun die Anwartschaft auf den Bruder Sr. Maj. des Kaisers, auf den Erzherzog KarlLudwig,. geboren am 30. Juli 1833, über, dessen ältester Sohn, wie bekannt, der gegenwärtig in Pra^ domicilirende Erzherzog Karl Ferdinand von Oesterreich-Este, geboren 18. December 1863 zu. Graz, ist. Die Kinder der zweiten Ehe des Erz herzogs Karl Ludwig sind drei Söhne und eine Tochter. Der älteste Sohn, Erzherzog Karl Ferdinand, geboren 18. December 1863, hat die nach vielen Millionen zählende Erbschaft dcS im. Jahre 1875 ausgestorbenen Hauses Oesterreich- Este übernommen und führt den Namen dieser Linie. Wie seiner Zeit behauptet wurde, sollte Karl Ferdinand bei Antretung der Erbschaft auf die Nachfolge auf den Kaiserthron verzichtet: haben; diese Gerüchte werden jetzt entschieden widerlegt, so daß derselbe als der präsumtive Thronerbe erscheint. Erzherzog Karl Ferdinand ist noch unvermählt. Der zweite Sohn, Erz herzog Otto Fran; Joseph, geb. 21. April 1865, ist bekanntlich vermählt mit der Tochter Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Georg von Sachsen, Marin Josepha. Hoffnung der Nation ist gebrochen, todt. Er schüttert stehen wir vor dem Rathschluß des Allmächtigen und können ihn nicht fassen. — AuS allen Theilen des Landes treffen Nachrichten über die tieferschütternde Wirkung der Todes nachricht ein; überall sind die öffentlichen und Privatfestlichkeiten abgesagt. Kaiser Wilhelm hat die Nachricht von dem Tode des Kronprinzen Rudolf in Berlin zuerst erhalten, und begab sich, nachdem er sich von dem ersten Schreck etwas erholt und beruhigt hatte, sofort mit dem dienstthuenden Adjutanten in das österreichische Botschaftshotel, um dem Grafen Szechenyi seinen Schmerz auszudrücken. Durch das Portal eilte der Kaiser bei dem ihn nicht erkennenden Portier vorbei die Treppe hinauf und trat nach schleunigster Meldung sofort beim Botschafter ein. Der Botschafter war Anfangs nicht fähig ein Wort zu sprechen und zeigte eine ungeheure innere Aufregung. Auch des Kaisers Worte sollen deutlich eine tiefe Bewegung mit mehrfachen Unterbrechungen vor Rührung haben erkennen lassen. Während der Anwesenheit des Kaisers traf auch der Ober- Ceremonienmeister Graf Eulenburg in der Bot schaft ein. Vor derselben hatte sich eine nach Tausenden zählende Volksmenge eingefunden, die die Trauerbotschaft bereits durch Extrablätter erfahren hatte, und nur durch Schutzmannsposten zurückgehalten werden konnte. Als der Kaiser das Palais am Pariser Platz verließ und seinen Wagen bestieg, war auf seinem Antlitz der deut liche Zug des Schmerzes zu lesen. Zur selben Zeit fuhren auch schon Hof-Fouriere in der Stadt herum, um die Einladungen zu der für heute Abend bei dem Kaiserpaare angesetzt ge wesenen musikalischen Soirse abzusagen. Ebenso ist sofort das Kaiserdiner, welches am Sonnabend dem 2. Februar in der russischen Botschaft statt finden sollte, abbestellt. Wie der Kaiser der Erste war, welcher die Trauerbotschaft in Berlin erhielt, so war er auch der Erste, welcher dieselbe den bis zum Kaiserlichen Besuche nichts ahnenden Botschafter Grafen Szechenyi überbrachte. Nach dem Monar chen fuhren noch die Großherzöge von Baden und Sachsen-Weimar, die College» des Grafen, die Mitglieder des diplomatischen Corps und viele andere hochgestellte Personen vor dem Palais am Pariser Platz vor, um ihr Bei leid auszusprechen. Obwohl nach dem Trauer- Reglement für den preußischen Hof die Hof trauer um den Sohn eines fremden Kaisers oder Königs nur auf 14 Tage vorgesehen ist, so nimmt man doch an, daß der Kaiser bei den guten Beziehungen zum Habsburgischen Hause die Trauer auf 3 Wochen zu verlängern befehlen dürfte. Zur Vertretung unseres Kaisers dürfte Prinz Heinrich oder Prinz Albrecht den Trauer feierlichkeiten in Wien beiwohnen. Meierling, wo der Kronprinz gestorben ist, liegt etwa anderthalb Wegstunden vom Kurort Baden, inmitten einer landschaftlich prächtigen Gegend; dasselbe ist vor ungefähr zwei Jahren vom Kronprinzen angekauft und war dessen Lieb lingsaufenthalt. Das Jagdschlößchen Meierling ist alt und war ehemals ein Kloster. Die Leiche des Kronprinzen wird noch heute hierher gebracht; zur Abholung ist eine Hof commission nach Meierling gereist. Der Trauer zug dürfte in später Nachtstunde eintreffen; dabei wird das altspanische Ceremoniell eingehalten. Unter Vorantragung von Windlichtern und mit Seitenbegleitung von Hellebardiören wird der von zwei weißen Maulthieren getragene Sarg zur Burgcapelle gebracht und dort in Gala auf gebahrt. Ueber den erschütternden Todesfall können wir Nachstehendes mittheilen: Der Durchlauch tigste Kronprinz hatte sich vorgestern zur Jagd nach Meierling bei Baden begeben und mehrere Jagdgäste, wie den Prinzen Philipp von Coburg und den Grafen Hoyos geladen. Se. Hoheit befand sich jedoch schon gestern etwas unwohl und mußte sich deshalb entschuldigen, bei dem in der Hofburg Allerhöchst anberaumten Familien diner nicht erscheinen zu können. Als die Jagd gäste' sich heut Morgens versammelten und der Durchlauchtigste Kronprinz nicht erschien, wurden dieselben nach sofortiger teilnahmsvoller Er kundigung durch die entsetzliche Nachricht von Schmerz überwältigt, daß der Durchlauchtigste Kronprinz infolge Schlaganfalles seine edle Seele ausgehaucht habe. Wien, 31. Januar. Die Ueberbringung der Trauerbotschaft nach der Hofburg schildert die „Presse" nachstehend: Graf Hoyos, welcher in Jägertracht '/,12 Uhr in der Hofburg an langte, begab sich sofort nach dem Cabinet des Kaisers, welches er nach einer Viertelstunde wieder