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übrigen Universitäten, an denen die evangelische Theologie vertreten ist, gegen den CentrumSantrag, betreffend die Befreiung der Theologen vom Militärdienst, protestirt worden ist, so fand auch an der Universität Leipzig der vom Bor« sitzenden der academischen Ortsgruppe des Evan gelischen Bundes, Herrn stuä. tdsol. Heyne, an die theologische Studentenschaft gerichtete Aufruf, gegenüber dem CentrumSantrag folgende Gegen- erklärung zu unterzeichnen, lebhaften und begeisterten Anklang: „Der hohe Reichstag des deutschen Reiches wolle hochgeneigtest dahin wirken, daß das neuerdings bedrohte Recht auf Theilnahme an der allgemeinen Wehrpflicht den Studenten der evangelischen Theologie bewahrt bleibe." Fast alle Thcologie-Studirenden, in deren Hände dieser Aufruf kam, unterzeichneten. Die Zahl der Unterschriften betrug 300. Leider war die Zeit so kurz, daß er in die Hände von nicht viel mehr denn 300 Thcologie-Studirenden kommen konnte. Zur Hafennoth in Sachsen schreibt „Das Schiff": Besonders fühlbar macht sich der Hafen mangel bei der diesmaligen Einwinterung. Während die Hafen in Aussig und Rosawitz ge füllt sind, liegen in Sachsen zahlreiche Schiffe, darunter viele beladene auf freier Elbe. Das letztere ist namentlich in Dresden der Fall, wo selbst sich die von Hamburg und Magdeburg an gelangte Schifffahrt in letzter Zeit immer mehr anstaute, weil es an Ausladestellen, an Schuppen und an Eisenbahnwagen fehle. Am 10. Decbr. lagen in Dresden außerhalb der gefüllten Hafen: am Altstädter Quai 11 Schleppkähne, 1 Eil dampfer, im Gehege 5 Schleppkähne, am Neu städter Quai und unterhalb bis zum Pieschener Hafen 35 meist beladene Schleppkähne und 4 Raddampfer, zusammen also 56 Schiffe ohne Schutz. Ueber den Saatenstand und die Ernte im Königreich Sachsen berichtet der Landesculturrath: Die überaus günstige Witte rung der zweiten Octoberhälfte hat sich fast den ganzen Monat November erhalten und hierdurch die Beendigung der Feldbestellung allenthalben ermöglicht. Infolge derselben haben sich auch die Wintersaaten mit wenig Ausnahme sehr schön bestockt und gehen unter schützender Schneedecke sehr gekräftigt in den Winter. — Was nun die Dreschergebnisse der Körnerfrüchte und die Ernteerträge der Knollengewächse anbe langt, so bleiben erstere zum Theil noch hinter den gehegten sehr bescheidenen Hoffnungen zurück, denn nur in den Amtshauptmannschaften Anna- berg, Marienberg, Schwarzenberg, dem südwest lichen Theil der Amtshauptmannschaft Plauen und dem südlichen Theil der Amtshauptmann schaft Oelsnitz übersteigen die Erträge die des Vorjahres, während in allen übrigen Berichts bezirken die Mindererträge zwischen 5—60 Proc. wechseln. Am ungünstigsten ist der Weizendrusch, besonders in den englischen Sorten, auch hin sichtlich der Güte. In einigen Bezirken ist das Ergebniß in Roggen und Gerste etwas günstiger und kommt der vorjährigen Ernte ziemlich nahe, während der Hafer in den meisten Bezirken ziemlich gut bis gut schüttet und den vorjährigen Ertrag übertrifft. Der Kartoffel ertrag ist sehr verschieden und wechselt zwischen 50—200 Centncr pro Acker. In nur 6 Amts hauptmannschaften ist das Ernteergebniß ein besseres, in 5 ein dem Vorjahre fast gleich kommendes, in den übrigen ein schlechteres als im Jahre 1888, darunter bis zu 30 Procent kranke. Die höchsten Erträge lieferten ÄlaZnum bonum und Champion. Die übrigen Knollen gewächse, wie Zucker-, Stoppel- und Futterrüben, haben zumeist besseren Ertrag ergeben, als nach den Witterungsverhältnissen des Sommers er hofft werden konnte. Ganz besonders reichlich ist mit ganz wenig Ausnahme die Krauternte ausgefallen. Auch mit der Ernte der Futter gräser konnte man im Großen und Ganzen zu frieden sein, der Ausfall in der Grummeternte wurde durch das reichliche Hcrbstgrünfutter ge deckt. In der Amtshauptmannschaft Glauchau ist infolge von Wolkenbrüchen, Hagelwetter und zeitigem Frost eine vollständige Mißernte zu verzeichnen. Vermischtes. — Aus dem soeben erschienenen 3. Bande der Memoiren des Herzogs Ernst von Coburg- Gotha ist Folgendes von besonderem Interesse: Unmittelbar nach dem Attentat Beckers brachte König Wilhelm selbst seine Aussage über das Geschehene zu Protokoll. Ich weiß nicht, ob dasselbe damals sofort publicirt oder nur den befreundeten Höfen mitgctheilt worden ist; jeden falls soll es hier der Erinnerung aufbewahrt bleiben und im Wortlaute seine Stelle finden : „Als ich heute, den 14. Juli, in der Lichten- thaler Allee ging, früh V»d Uhr, ging ein junger, ungefähr zwanzigjähriger Mann bei mir vorüber, von hinten kommend, und grüßte mich auf eine besonders freundliche, fast herzliche Art, indem er, den Hut abnehmend, denselben mehrere Male grüßend senkte. Da er bald daraus seine Schritte verkürzte, so ging ich wieder an ihm vorüber, wobei er nochmals grüßte. Die« geschah wenige Schritte vor und hinter dem Hause, in welchem früher der Maler von Beyer wohnte. An der Kettenbrücke begegnete mir mein Gesandter, Graf Flemming, der mich nun begleitete. Vielleicht 150 Schritte jenseits des Hirtenhäuschens fiel ein Schuß in solcher Nähe von hinten auf mich, daß ich sofort einen Schmerz an der linken Seite des Halses fühlte, eine Dröhnung im ganzen Kopfe empfand und mit der linken Hand sogleich nach der verletzten Stelle griff, auSrufend: Mein Gott, was war das! — Graf Flemming und ich drehten uns gleichzeitig um, und ich sah oben bezeichneten jungen Mann ganz ruhig hinter uns auf 3 Schritte stehen. Graf Flemming fragte ihn: „Wer hat hier geschossen? Haben Sie geschossen?", worauf der Mann ganz ge lassen erwiderte: „Ich habe auf den König ge schossen." — Graf Flemming griff ihm nun in die Halsbinde und hielt ihn fest, fragend: „Wo mit haben Sie geschossen?" — Er zeigte auf einen in das Gras geworfenen Regenschirm, und einige Schritte von demselben lag ein Doppel- Terzerol, von dem beide Läufe abgeschossen waren. Da sofort ein Herr, der der Rechts anwalt Süpfle von Gernsbach sein soll, und ein anderer Mann, der Amtsverwcser Referendar Schill aus Achern, zugesprungen waren und den jungen Mann zu Boden warfen, ausrufend: „Das ist eine Schmach und Schande für Baden, das muß das Volk rächen", — so hatte Graf Flemming Zeit, die Pistole aufzunehmen und den Regenschirm. Mittlerweile war der Hotel besitzer Brandt aus Berlin hinzugekommen, und diese drei Herren brachten den Menschen in einen Miethswagen, der gerade vorbeifuhr. Ich er suchte die Herren, ihm nichts zu Leid zu thun, und bestimmte, daß dieselben unter Geleite des Grafen Flemming ihn zum Stadtdirector Kunz transportiren sollten. — Ein vierter Herr, Mr. Blanquet, Kaufmann in Paris, sagte mir auf Französisch, daß mein Rockkragen von einer Kugel zerrissen sei und ebenso die Halsbinde ge streift wäre; ich zog den Rock aus und über zeugte mich von der Richtigkeit der Angabe. Die Contusion am Halse blutete nicht, aber ver ursachte einen leichten brennenden Schmerz. Ich konnte daher die Promenade bis gegen Lichten thal fortsetzen und kehrte von dort mit der Königin zu Fuß nach Hause zurück. Baden- Baden, den 14. Juli 1861. — 11 Uhr Vor mittags. gez. Wilhelm." — (Kaiserliches Gnadengeschenk.) Eine schöne Weihnachtsfreude hat der Kaiser einem alten Veteranen bereitet. Am Freitag traf näm lich in Biesenthal die königliche Verfügung ein, daß dem dort wohnhaften Schleusenmeister a. D. Friedrich Niephagen, als letztem Inhaber des eisernen Kreuzes 2. Classe von 1813/15, ein Gnadengeschenk von Dreihundert Mark aus der Schatulle des Kaisers bewilligt worden sei. Gleichzeitig hat der Kaiser bestimmt, daß dem Veteranen für seine fernere Lebensdauer alljähr lich am 1. December dasselbe Gnadengeschenk ge währt werden soll. Am Freitag sind dem alten Helden durch Bürgermeister Plenske die Drei hundert Mark in angemessener Weise überreicht worden. Als der Greis von der Gnade seines Kaisers hörte, feuchteten sich seine Augen und Helle Dankesthränen rollten über die Wangen. Mit vor Rührung erstickter Stimme bat er den Bürgermeister, den aufrichtigsten Dank zur Kennt- niß an Allerhöchster Stelle gelangen zu lassen. — (Ein gemüthlicher Abend.) Aus Berlin wird berichtet: Der Reichstagsabgeordnete Commerzicnrath Gabriel Sedlmayr, welcher all jährlich einmal seine Fractionsgenossen und sonstige gute Freunde zu einem gemüthlichen Kneipabend einladet, der stets in den Räumen des Spatenbräus in der Friedrichstraße abgchalten wird, hatte diesmal den vergangenen Mittwoch Abend zu diesem Feste gewählt. Ein zahlreicher und glänzender Kreis war der Einladung gefolgt. In erster Reihe bemerkte man den StaatSsecretär Minister von Bötticher und den Präsidenten des Reichstages von Levetzow, ferner den Prinzen Carolath, Grafen Kleist-Schmenzin, von Benda, vr. Buhl, vr. Hammacher u. A. m. Staats- secrctär Graf Herbert Bismarck, welcher ebenfalls eine Einladung erhalten hatte, war eines leichten Unwohlseins wegen verhindert zu erscheinen. In den mit Tannengrün festlich drcorirten Räumen der zweiten Etage des Spatenbräu empfing Herr Sedlmayr seine Gäste. Bei dem süffigen Bier war die gemüthliche, durch launige Vorträge und Reden gewürzte Kneiperei bald in vollem. Gange. Auch der edlen Musik« wurde gehuldigt. So zeigte sich u. A. Minister von Bötticher al« Virtuos auf dem Vorast L pistoa. Erst in der vierten Morgenstunde trennten sich die letzten Gäste. — (DaS Weihnachtsgehen.) Einem, uralten Gebrauche zufolge haben m den böhmischen Ortschaften an der sächsischen Grenze die Weih nachtsgesänge oder auch das WeihnachtSgehen begonnen. Lier und da sind die darstellenden Personen costümirt. Die Sängerschaar zieht vor jedes HauS, um die nahende Weihnachtszeit zu verkünden und erhält meistens eine Gabe für ihr Erscheinen. In früheren Jahren statteten die Weihnachtssänger auch sächsischen Ortschaften ihren Besuch ab. — Freiburg i. Br., 11. December. Aus der Jagd erschossen wurde gestern Herr Favarger, der Geschäftsführer des Römerbades in Baden weiler. Eine Jagdgesellschaft hatte gestern bei Herzbolzheim eine Jagd veranstaltet. Plötzlich, entlud sich das Gewehr eines Baseler Herrn und Herr Favarger fiel todt nieder. Man sagt, es sei der betreffende Herr gestolpert und dabei das Gewehr losgegangen. (Ein wahnsinniger Buchhalter.) Eine recht fatale Ueberraschung wurde am. Sonnabend Nachmittag dem Chef eines Berliner Weißwaaren-Engrosgeschäftes zu Theil. Als der selbe von einem längeren Geschäftsgänge gegen Abend 6 Uhr zurückkehrte, sand er seinen. Buchhalter, welcher im Besitze eines Schlüssels zur Casse war, damit beschäftigt, die Figuren aus einem Hundert-Markschein herauSzuschneiden, während Papierschnitzcl von 5, 20 und 100- Markscheinen an dem Erdboden zerstreut Herum lagen. Der entsetzte Geschäftsinhaber stellte den. Buchhalter, den 23jährigen Sohn eines im Centrum wohnenden Beamten, darüber zur Rede, erhielt jedoch von demselben derartige confuse Antworten, daß er sofort erkannte, es mit einem Wahnsinnigen zu thun zu haben. Der schleunig hinzugerufene Arzt bestätigte auch eine plötzliche Geistesstörung des bcdauernswerthen jungen Mannes, der bereits am Sonntag nach einer Privat - Irrenanstalt geschafft werden sollte. Von den zerschnittenen Banknoten gelang es nach unsäglicher Mühe einen großen Theil wieder zusammenzusetzen, während der Rest der Geldscheine in der Höhe von 200 Mark un- wiederruflich verloren erscheint. — Hadersleben, 10. December. Die Wittwe Christine Andresen in Tyrstrup beging am gestrigen Tage die Feier ihres 100. Geburts tages. Nach einem Gottesdienst versammelten sich die Festtheilnehmer im Hotel zu Christiansfeld. Erst um 10 Uhr Abends verließ die hochbetagte Frau die Festversammlung. — (Das Ende eines Spielers.) Die Besucher der Spielbanken von Baden-Baden und Homburg werden sich vielleicht noch eines Mannes erinnern, der dort zu Ende der sechziger Jahre durch sein hohes und waghalsiges Spiel viel Aufsehen erregte; des berühmten Tenoristen^ Naudin, der in allen großen Städten Europas mit enormem Erfolge gastirt hatte. Er war es gewesen, den eine Klausel im Testamente Meyerbeer'S ausersehen hatte, den Vasco de Gama in der „Afrikanerin" zu creiren. Die großen Summen» die Naudin sich ersang, trug er in die deutschen Spielbäder, wohin ihm seine Frau, die der Gesell schaft jener Orte mannigfachen Unterhaltungsstoff bot, zu folgen pflegte. Dieser Mann, der' in Paris eine Gage von monatlich 10,000 Fr. und in Kairo sogar 25,000 Francs bezogen hatte,, lebt jetzt, nachdem er künstlerisch längst aus der Ocffcntlichkeit verschwunden war, in beklagenS- werthen Verhältnissen bei einem alten Gesangs lehrer Achilles Corsi zu Bologna. Er ist blöd sinnig geworden und hat eine Corpulenz erlangt, daß er sich nur mit Hilfe von zwei Männerir fortbewegen kann. Dies ist das Ende eines viel gefeierten Tenoristen, dessen Name einst im Munde aller Kunstfreunde war. — Die Influenza (Grippe)nimmt immer mehr überhand. So meldet man aus Halle, 14. d.: 80 Soldaten der hiesigen Garnison sind an In fluenza erkrankt. Aus München, 14. December» wird berichtet, daß verschiedene Erkrankungen an Influenza im Militär- und Lehrerstand vorge kommensind. Auch aus Brüssel wird geschrieben: Die Influenza ist heute, den 13. d. M., hier au-gebrochen. Die Seuche fordert zahlreiche Opfer. So erkrankten 30 Soldaten oer Ant werpener Geniecaserne und 40 Beamte der Haupt post, welche das Amt verlassen mußte«. — Ratibor, 13.December. 3tt