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» erst am konnte infolge des stürmische» Dienstag Bormittag erfolgen. Ein am 2Ä. Octover von dem Präsidenten Tarnst unterzeichnetes Dekret beruft die französischen Kammern auf den 12. November ein. Für die jetzige Stimmung in Frankreich ist eS bezeichnend, daß selbst entschiedene Radikale, wie Henry Maret u. A. m. Angesicht» der fortgesetzten Schmäh- ungen Boulangistenblätter erklären, für die Ein schränkung der Preßfreiheit, welche der Oppor tunist Joseph Reinach in der Kammer beantragt, stimmen zu wollen. ES würde sich darum handeln, die Presse wieder unter da- gemeine Recht zu stellen und die von ihr begangenen Berläumdungen und Beschimpfungen dem Zucht polizeigerichte zu überweisen, als wären sie münd lich auf offener Straße verübt worden. Die französischen Blätter sind wenig erfreut über die seit dem Czaarenbesuch in Berlin gänzlich ver änderte Sprache der russischen Blätter und be sprechen den bevorstehenden Besuch des deutschen Kaisers in Constantinopel mit demselben Miß vergnügen. Sehr eindringlich warnt das „Journ. des DsbatS" den Sultan vor dem Beitritt zu dem Dreibund und bemerkt dazu, daß eS der Pforte ohnehin an Freunden in Europa nicht fehle. Aus dem Castell von CaScaöS ist die Leiche des Königs Louis von Portugal am 21. Oct. nach dem Kloster der Hieronymiten zu Belem gebracht worden. Die Proklamation des König Carlos I. machte einen sehr günstigen Eindruck. Wenn der Pariser „Figaro" in dem Umstande, daß der junge König mit der Tochter des Grafen von Paris, Prinzessin AmLlie, vermählt ist, den Keim eines künftigen Bündnisses Portugals mit Frankreich erblickt, so ist dies als reine Schwärmerei zu bezeichnen. Die jetzige Königin von Portugal ist die Tochter eines französischen Prätendenten ; wie hieraus die französische Republik Vortheil ziehen soll, ist nicht abzusehen. Weit wahrschein licher ist es, daß Portugal sich in Afrika mit England friedlich vertragen wird, denn ungestörte ruhige Entwickelung ist es, was es vor alle«» Dingen nöthig hat. Seinem Lande den Frieden nach innen und außen zu wahren, wird die selbst verständliche Hauptaufgabe des neuen Königs von Portugal sein. Von den englischen Radikalen wird alles Mögliche versucht, die letzten Wahlerfolge der Gladstone-Partei auszubeuten. Gladstone, der vom Schlosse Hawarden aus den Wahlfeldzug organisirte, hielt am 23. Oktober in einer zu Southport veranstalteten Versammlung eine Rede, in der er bei Besprechung der auswärtigen An gelegenheiten die türkische Mißwirtschaft in Kreta und Armenien berührte, bezüglich der inneren Frage aber sich außer Stande erklärte, den Plan der zukünftigen liberalen Politik darzulegen. DaS Programm der liberalen Partei sei aber in den Hauptsachen schon bekannt. Die irische Frage überwiege immer noch alle anderen; die jüngsten Wahlergebnisse hätten zugleich eine Warnung für die Conservativen gegeben und dieselben be lehrt, daß England zuletzt doch die irischen Forderungen zugeben werde. Die große Mäßigung, deren sich Gladstone in Southport befleißigte, soll mit dem Bevorstehen der Parlamentswahl in Brigthon zusammenhängen, der alle Parteien eine große Bedeutung beilegen. Am 21. Oktober Mittags statteten die Mit glieder der serbischen Scupschtina dem König Alexander einen Besuch ab, wobei der junge Monarch auf eine loyale Ansprache des radikalen Präsidenten Pasic eine mit stürmischem Jubel auf genommene geschickt gefaßte Antwort ertheilte. Am Donnerstag machte das Präsidium der Scupschtina den Regenten seine Aufwartung. Die Berathung über die Adresse hat am Sonn abend in der Scupschtina begonnen. Durch die Vermählung des Kronprinzen Konstantin vonGriechenlandmit einer Schwester des deutschen Kaisers und durch die Reise der deutschen Kaiserfamilie nach Athen ist das Augen merk der Welt wieder einmal auf das kleine Königreich gelenkt, welches im Anfang dieses Jahrhunderts bei seinem Befreiungskämpfe vom türkischen Joch die Aufmerksamkeit der gesammten Welt erregte. Von Patras aus wurde das in den Meerbusen von Korinth cinlaufende Braut schiff „Jmperatrix" mit ungeheurem Jubel be grüßt. Bei Korinth und Kalamaki, an den beiden Endpunkten des Canals von Korinth, waren große Ehrenpforten aus Lorbeer» und Myrthen errichtet. Die Braut des griechischen Kronprinzen, Prinzessin Sophie von Preußen, wurde bei ihrem Eintreffen in Athen am Freitag Nachmittag überaus herzlich empfangen. EHMVaiin unter den Schutz de» deutschen Kaiser» gestellt worden fei. Man geht wohl kaum fehl, wenn man annimmt, daß die neue Erwerbung Deutschlands den Ausgleich für die Zugeständnisse darstellt, welche den Engländern in Ostafrika in der letzten Zeit zu Theil ge worden sind. Die aus Zanzibar eingetroffene Nachricht, daß der ReichScommissar Hauptmann Wißmann die in das Gebiet von Usaramo ein gefallenen Banden BushiriS zurückgeworfen und ihnen einen Verlust von 40 Todten beigebracht habe, wird vielfach dahin gedeutet, daß eS sich dabei um ein siegreiches Gefecht de- stellver tretenden ReichScommissarS von Gravenreuth handelt, während Wißmann selbst seinen Marsch auf Mpwapwa fortsetzt. — Auf den Prinzen Wilhelm von Württemberg wurde in Marien- wahl bei Ludwigsburg am vorletzten Sonntag ein Attentat unternommen, das glücklicher Weise erfolglos blieb. Der verhaftete Uebclthäter gab erst einen falschen Namen an, wurde aber als der verkommene Sohn des 1878 verstorbenen Landtagsabgeordneten für Marbach, Eugen Müller, der Gerbergehilfe Martin Müller aus Oethlingen erkannt. Die Bevölkerung von Ludwigsburg bekundete ihre Freude über das Mißlingen des Attentats in so herzlicher Weise, daß Prinz Wilhelm tiefbewegt erklärte, diese Beweise treuer Anhänglichkeit würden das Band zwischen der Königsfamilie und dem württem- bergischen Volke noch mehr festigen. Im österreichischen Kaiserhause vollzog sich ein seltsamer Vorgang; der feit 2'/, Jahren in Ungnade befindliche Erzherzog Johann ver zichtete freiwillig auf alle Rechte und Ehren seines hohen Standes, um sich seinen Lebens unterhalt als einfacher Schiffscapitän zu ver dienen. Erzherzog Johann grollt seit seinem vor 2^/z Jahren erfolgten unfreiwilligen Rück tritt von dem österreichischen Armee-Commando in Linz, der eine wohlverdiente Strafe für die Unterstützung war, welche der Erzherzog ohne Genehmigung des Kaisers Franz Joseph dem Prinzen Ferdinand von Coburg bei seiner Be werbung um den bulgarischen Thron zu Theil werden ließ. Nachdem der jungczechische Führer Julius Gregr am Donnerstag im böhmischen Landtage den Antrag betreffs der Krönungs adresse begründet hatte, um, wie er sagte, das böhmische Staatsrecht auf die Tagesordnung zu bringen, stellte der altczechische Führer L. Rieger folgenden Antrag: „Obgleich wir gerechte Bedenken gegen den Inhalt, die Form, sowie be züglich der Zeitgemäßheit der Adresse haben, be trachten wir dennoch die Angelegenheit für unser Volk als wichtig und theuer. Ich beantrage daher, die Adresse einer Commission zur gründ lichen Erörterung zu überweisen." Dieser Antrag wurde unter stürmischen Beifallsbe zeugungen angenommen; im Uebrigen werden die Altczechen die Krönungsadresse ablehnen. Dieselben sind aber ebenso wie die Jungczechen wenig erbaut davon, daß der dualistische Character der Gesammtmonarchie neuerdings ein noch schärferes Gepräge erhalten hat. In Wien und Pest haben nämlich am letzten Sonntag die Amtsblätter ein Kaiserliches Handschreiben an den Grafen Kalnoky veröffentlicht, wonach künftig die österreichisch-ungarische Armee die Bezeich nung „Kaiserlich und Königlich" führen soll. Während die österreichischen Regierungsblätter und die Czechen sich mit dieser Lösung einer alten Streitfrage wenig zufrieden erklären, er blickt die regierungsfreundliche ungarische Presse darin einen neuen Beweis der wahrhaft konstitutionellen Gesinnung des Königs von Ungarn. Die ungarische Opposition will freilich trotzdem die Armeefrage nicht zur Ruhe kommen lassen und ermächtigte deshalb den Abg. Daniel Jranyi, im Abgeordnetenhause die Versetzung des Honvedministers Baron Fejervary in den Anklagestand zu beantragen, weil er bei der Beantwortung einer Interpellation über die Monoer Fahnen-Angelegenheit für die Zulassung der schwarzgelben Fahne als Signalzeichen ein trat. Ueber diesen Antrag wird sich der ungarische LandeSvertheidigungSminister kein graues Haar wachsen lassen. Da der Besuch des deutschen Kaiserpaares bei der italienischen KöniaSfamilie theils durch eine Unpäßlichkeit der Kaiserin Augusta Viktoria, theils durch das widrige Reaenwetter, sowie durch die Nachricht von dem Hmscheiden des Schwagers des Königs Humbert, des Königs Louis von Portugal, empfindlich gestört wurde, sollen die Kaiserlichen Majestäten versprochen haben, das Versäumte bei der Rückkehr von Athen und Constantinopel nachzuholen und über Monza nach Deutschland zurückzukehren. Die Abfahrt der hohen deutschen Gäste von Genua Der Kaistr hat an den Fürsten UEmäM folgende- von der „R. A. Z." veröffentlichte» Telegramm gesandt: „Fürst von Bismarck, Frirvrich-ruh. Nach berauschend schöner Fahrt hier im alten schönen Athen angelangt. Rach herrlichem Empfang von Fürst und Volk war Ihr Telegramm der erste Gruß von der Heimath; heimlichen Dank dafür; sonne Mein erste» Wort in'S Vaterland ein Gruß an Sie von der Stadt de- Perikle» und von den Säulen de» Parthenon her, dessen erhabener Anblick Mir tiefen Eindruck macht. Wilhelm." Kaiser Wilhelm hat, wie in Malland au- angeblich zuverlässiger Quelle verlautet, dem König Humbert da- Versprechen gegeben, ihm auf der Rückreise von Constantinopel noch einen Besuch in Monza abzustatten. Der „Lombardia" zufolge würde da» Kaiserpaar am 11. November daselbst eintreffen und diesmal vier Tage ver weilen. ES sollen alsdann eine große Hofjagd und ein Ausflug nach den» Lago Maggiore veranstaltet werden. Infolge dieser kaiserlichen Zusage haben die Hundertgarden Befehl erhalten, in Monza zu bleiben. Das Kaiserpaar wird, von Pera kommend, in Venedig an's Land gehen und sich von dort nach Monza begeben. Auch der „Corriere" bestätigt diese Mittheilungen. Der Besuch des Grafen Kalnoky in FriedrichS- ruh beim Fürsten-Reichscanzler wird am Donners tag und Freitag stattfinden. Graf Kalnoky ver läßt Mittwoch Abends die österreichischeHauptstadt. Graf Moltke erläßt folgende Danksagung: „Aus Anlaß meines 89. Geburtstages sind mir so zahlreiche schriftliche und telegraphische Glück wünsche von Städten, Corporattonen und Pri vaten zugegangen, daß eS mir nicht möglich ist, dieselben alle einzeln zu beantworten. Ich bitte daher auf diesem Wege meinen verbindlichen Dank allen Denen aussprechen zu dürfen, die meiner an diesem Tage so freundlich gedacht haben. Graf Moltke, Feldmarschall." Der BundeSrath hat im Hinblick auf vom vorigen Reichstage gefaßte Beschlüsse u. A. eine Portoherabsetzung für Drucksachen im Gewicht von 50 bis IW Gramm abgelehnt. Ueber die Einführung von Gewerbegerichten ist noch keine Entscheidung getroffen. Berlin, 28. October. Die deutsche Heeres verwaltung läßt ihren Bedarf an rauchlosem Pulver jeder Art in eigenen Fabriken unfertigen; nur insoweit soll bezüglich der Rottweiler Pulverfabrik eine Ausnahme eintreten, als der selben die Lieferung einer bestimmten Menge des von der Heeresverwaltung acceptirten Pulvers übertragen wurde. Das Dynamit-Trust-Präparat hat mit diesem Pulver absolut nichts zu tbun. Das neue Socialistengesttz ist am Sonnabend im Reichstage vertheilt. Es bestimmt in Ab änderung des bestehenden Gesetzes, daß die Be schwerde wegen des Verbotes von Vereinen, Druckschriften, Sammlung von Beiträgen, Auf lösung von Versammlungen nicht mehr wie bis her, nur an die Aufsichtsbehörde geht, sondern es wird dafür der ordentliche Beschwerdeweg er öffnet. Ferner werden beseitigt die §8 22—24. des Socialistengesetzes, auf Grund deren gegen Personen, welche sich die socialdemokratische Agi tation zum Geschäft gemacht haben, im Falle einer Berurtheilung auf Einschränkung des Auf enthaltes erkannt und gegen Gastwirthe, Schank- wirthe, Buchdrucker, Buchhändler rc. die Unter sagung des Gewerbebetriebes, sowie der Befugniß zum Handel mit Druckschriften im Umherziehen ausgesprochen werden kann. Weiter soll eine periodische Druckschrift nicht nach einer Nummer, wie bisher, sondern erst nach Verbot einer zweiten Nummer unterdrückt werden dürfen. Der keine Belagerungszustand wird lediglich auf die Aus weisungen beschränkt. Dabei ist hinzugefügt, daß nach Ablauf der Frist des kleinen Belagerungs zustandes die ausgewiesenen Personen nur mit Genehmigung der Landespolizeibehörden zurück kehren dürfen. Das Gesetz wird ohne Fristbe stimmung erlassen. München, 26. Oktober. Der Prinz-Regent überwies anläßlich seiner 50jährigen Jnhaberschaft des ersten Feldartillerie-RegimentS 20,000 Mk. zu einer Stiftung für Offiziere und Unteroffiziere. Wien, 26. Oktober. Prinz Ferdinand von Coburg ist aus München hier eivgetroffen und im Coburgischen Palai« abgestieaen. Dem Ver nehmen nach bleibt der Prinz euuge Tage hier. Die^erzogin Clementine von Coburg ist gestern aus Ebenthal hier an gekommen. Die Pariser Presse erörtert lebhaft das neue Werk de» MilitärschriststellerS Paul Marin: Die Franzosen und Russen gegenüber der „Tripelallianz", welche» nachwcist, daß auf die russische Armee nicht zu rechnen s«. Der „Solei!" nennt da» Buch „trostraubend".