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welcher der Besuch des Czaaren in Berlin be vorstehen soll, von der „Köln. Ztg." eine kriege rische Denkschrift des russischen Generalstabschefs Obrutschew besprochen wurde, erinnerte lebhaft an die Enthüllungen über die gefälschten Akten stücke, die seiner Zeit dem Czaarenbesuch in Ber lin vorangingen. Bor der Abreise nach Schwerin hat der deutsche Kaiser die Gesandtschaft des Sultans von Zanzibar feierlich empfangen und aus ihren Händen die werthvollen Geschenke des Sultans entgegcngenommen. Die der Gesandt schaft in Berlin gewährte höchst ehrenvolle Auf nahme wird sicher dazu beitragen, die von den Deutschen in Ostafrika errungene Stellung durch freundliche Beziehungen zu dem Beherrscher von Zanzibar zu befestigen. Nach zehnmonatlicher Dauer ist am 1. dieses Monats die Blokade der ostafrikanischen Küste, welche Deutschland und England gemeinsam und mit Unterstützung Italiens und Portugals unternommen hatten, aufgehoben worden. In vielen Kreisen Oesterreichs und Un garns erregte die Erklärung der officiösen „Montags-Revue", daß weder der Kaiser von Oesterreich noch der österreichische Ministerpräsident Graf Taaffe jemals ernstlich daran gedacht hätten, eine böhmische Königskrönung vorzubereiten, leb hafte Befriedigung. Um so rücksichtsloser geht aber nun die jungczechische Agitation vor sich, die sich besonders scharf gegen das Bündniß mit Deutschland richtet. Daß der Minister Graf Kalnoky nicht daran denkt, den von jungczechischer Seite offen geäußerten Wunsch nach einer An näherung Oesterreichs an Rußland zu erfüllen, erhellt aus der offenen Erklärung des ministeri ellen „Fremdenblattes", daß die Pforte gut daran thun werde, die Vereinigung Ostrumeliens und Bulgariens und die Gesetzmäßigkeit der jetzigen bulgarischen Regierung anzuerkenncn. Besonders bemerkenswerth ist der Zusatz des erwähnten Blattes, daß Oesterreich keinen Grund hätte, einem solchen Schritt der Pforte, der die Her stellung gesunder Zustände auf der Balkan-Halb insel bezweckte, feine Billigung zu verweigern. Auf ernste Verwickelungen mit Rußland scheint man trotzdem weder in Wien, noch in Pest zu rechnen. Der ungarische Ministerpräsident Tisza, zu dessen Ehren in Grvßwardein ein glänzendes Festmahl stattfand, hielt dabei eine Rede, in der er nicht nur feine Stellung zur inneren Politik Ungarns erörterte, sondern sich auch über die auswärtige Lage äußerte, die er als eine fried liche bezeichnete, obgleich sie nicht derartig ge staltet sei, um die Rüstungen aufgeben zu können. Mit der am 1. d. M. durch den König von Italien bewirkten Ratificirnng des zwischen dem König von Schoa und dem Grafen Antonelli vereinbarten Freundschaftsvertrages und der von Crispi und dem Führer der äthiopischen Mission unterzeichneten Zusatz-Convention hat Italien seine Erfolge in Afrika auf längere Zeit befestigt und außer den politischen Errungenschaften auch bedeutende Vortheile für seinen Handel gewonnen. Die glückliche Wendung, welche die italienische Colonialpolitik genommen hat, kommt der durch das Attentat in Neapel ohnehin erhöhten Volks- thümlichkeit des Ministerpräsidenten Crispi sehr zu Statten und wird von ihm in der Programm rede, die er am 14.d.M. in Palermo zu halten beabsichtigt, sicher in das hellste Licht gesetzt werden. Trotz der Unterstützungen, welche den streikenden Dockarbeitern der niederländischen Hafenstadt Rotterdam von den englischen Socialisten zu- flossen, bewahrten die meisten Streikenden in Rotterdam eine den Socialrevolntionären kaum erwünschte patriotische Haltung. Die Schiffs eigner zogen die Beschwerden und Forderungen der feiernden Arbeiter in Erwägung und zeigten ein Entgegenkommen, welches die Mehrzahl der Dockarbeiter veranlaßte, am 2. d. M. früh Hie Arbeit wieder aufzunehmen. Die niederländische Regierung wies den Vertreter der englischen Gewerkvercine, Orbell, wegen Verhetzung der Arbeiter aus. Wie zu erwarten stand, haben der Präsident der französischen Republik und der Minister präsident Tirard bei der glanzvoll arrangirten Preisvertheilung im Pariser Gewerbepalaste in schwungvollen Reden den riesigen Erfolg der Weltausstellung gefeiert, und daran die günstigsten Consequenzcn für die innere und äußere Lage Frankreichs geknüpft. Der Präsident Carnot dankte den Ausstellern und sprach die Hoffnung aus, daß die Ausstellung von 1889 für Frank reich eine Aera der Beruhigung eröffnen werde. Bei dem feierlichen Leichenbegängniß des Generals Faidherbc hielt der Kriegsminister Freycinet die Gedächtnißrede, in welcher er die echt repu blikanische Gesinnung des Dahingcschiedenen rühmte und ihn als Vorbild hinstellte, dem man in Frankreich nachstreben müsse. Dem General Boulanger scheint eine finanzielle Catastrophe zu drohen; er soll beabsichtigen, sich nach Jersey zurückzuziehen, theils um daselbst über die Vergäng lichkeit alles Irdischen nachzudenken, theil- weil es auf dieser Insel billiger ist al- in der kost spieligen englischen Hauptstadt. In der englischen Königsfamilie scheinen seit der Vermählung der Prinzessin Louise mit dem Herzog von Fife ernste Zerwürfnisse zu herrschen, welche den Herzog von Edinburg an geblich zu der Erklärung veranlaßten, seinen bleibenden Aufenthalt in Deutschland nehmen zu wollen. Gleichzeitig wird angeküudigt, daß der Prinz von Wales, nachdem er in Athen der Vermählung des griechischen Kronprinzen bei gewohnt, noch nach Egypten zur Besichtigung der dortigen Truppen gehen werde. Am 2. d. nahm der augenblicklich am dänischen Hofe ver weilende englische Thronfolger an einer Jagd Theil, der sowohl der Czaar, wie die russischen Großfürsten trotz der vorher in Aussicht gestellten Betheiligung, schließlich doch feinbliebcn. Vielfach wurde deshalb angenommen, daß ein deutsch dänisches Verlobungsproject, das im Czaaren einen Gegner, im Prinzen von Wales einen Förderer zu haben scheint, die Ursache eines Zerwürfnisses zwischen beiden Schwagern sei. Bei den Wahlen zur serbischen Scupschtina haben die Radikalen einen glänzenden Sieg er rungen, da ihnen 102 Mandate zufielen, während es die Liberalen nur auf 15 brachten. An Bord eines von ihr gemiethetcn Dampfers ist die Königin-Mutter Natalie am 29. v. M. unter ungeheurem Jubel der Bevölkerung in Belgrad eingetroffen, hat aber die Pforten des Konaks verschlossen gefunden und in einem Privathause Wohnung nehmen müssen. Da sie über die Dauer ihres Aufenthalts in Belgrad jede Zu sicherung verweigerte, wurde es ihr zunächst nicht gestattet, ihren Sohn zu sehen. Die auf eine Zusammenkunft des jungen Königs Alexander und seiner Mutter bezüglichen Verhandlungen werden jedoch fortgesetzt. Berlin, 7. October. Der Kaiser begiebt sich heute Abend 11 Uhr auf dem Dampfer „Alexandria" nach Spandau und von dort mittels Extrazugcs nach Kiel, um das morgen dort eintreffendc englische Geschwader zu begrüßen. Der Kaiser hat aus Anlaß seines Besuches in Schwerin i. M. dem dortigen Bürgermeister 2000 Mark für die Armen der Stadt übersenden lassen. Die Ankunft des Czaaren steht nahe bevor. Sie dürfte, wie schon gemeldet, am Donnerstag oder Freitag Vormittag erfolgen; der Aufent halt wird bis bis Sonntag oder Montag dauern. Laut Drahtmcldung aus Petersburg find' verschiedene russische Großwürdenträger, n. A. der Minister des kaiserlichen Hauses, Graf Woronzow-Daschkow, und der Commandirende des Hauptquartiers, General-Lieutenant Richter an, Montag nach Berlin abgereist. Der russische Hofzug hat im Laufe des Montags, nachdem die erforderlichen Reparaturen in der Eisenbahn-Werkstatt zu Rummelsburg beendet waren, eine Probefahrt von dort nach Fürstenwalde und zurück unternommen und ist dann Nachmittags nach dem Fernperron des Schlesischen Bahnhofes zu Berlin überführt worden. Auf einem der Mittelgeleise der Bahn hofshalle stehend, reichte der lange Hofzug bis nahe an die über die Koppenstraße führende Eisenbahnbrückc. Im Laufe des heutigen Diens tages dürfte der russische Hofzug nach Bahnhof Charlottenburg und von dort — den angeblich getroffenen Dispositionen zufolge — nach Kiel dirigirt werden. Im Namen des Kaisers wird Staatssccretär v. Bötticher am 22. October die Session des deutschen Reichstages im Weißen Saale des k. Schlosses in Berlin eröffnen. Das Befinden des Fürsten Bismarck ist trotz der in letzterer Zeit herrschenden Ungunst der Witterung, welche die gewohnten täglichen Spaziergänge einschränkte, ein vorzügliches. Obwohl dem Reichskanzler bei seinem Land aufenthalte in FriedrichSruh nur die wichtigsten Schriftstücke nachgesendet werden, ist doch ein erheblicher Theil des Tages der Arbeit gewidmet. Dies hindert jedoch den Fürsten nicht, in seiner verbindlichen Weise Gastfreundschaft auSzuüben. Fast täglich sieht er Gäste an seiner Mittags tafel. Dieselben sind entzückt von der liebens würdigen Art und Weise, in welcher der Fürst und seine Gemahlin ihnen entgegenkommen. Der Reichscanzler wird, wie die „B. B. Z." wissen will, im Reichstage erscheinen, um eine militärische Eisenbahnvorlage zu begründen. Sachsen. ^Jhre Majestäten der König und die Königin trHen Dienstag Abend gegen 10 Uhr von Rehcfcld in Strehlen wieder ein. Se. Majestät wird die Gesandtschaft des Sultans von Zanzibar am Mittwoch Vormittag im Dresdner Schloß in Audienz emvfangen. Ueber die große Reise Sr. Ä Prinzen Friedrich August, die angrtreten werden dürfte, drinaeaM Die Fraktionen werden nach den inzwischen stattgehavten Veränderungen in folgender Stärke im nächsten Reichstage erscheinen: Deutfchconser» vative 76, Freiconservgtive 38. Erntrum 103, Nationalliberale 93, Deutschfreisinnige 35, Polen 13, Socialdemokraten 11, zu keiner Partei ge hörig 25. Erledigt sind drei, bisher konservativ vertretene Wahlkreise. München, 5. October. In der heutigen Kammersitzung legte Minister v. Crailsheim die Forderung eines Credits in Höhe von 50,716,200 Mk. für Neu-, ErgänzungS- und Erweiterungs bauten der bairischen Bahnen vor, darunter 21,540,000 Mk. für Anlage von Dvppelgeleisen. Die Gesetzesvorlage wurde dem Finanzausschüsse überwiesen. Die Gebühren-Novelle, sowie die Malzaufschlags-Novelle wurden besonderen Aus schüssen zur Vorberathung übergeben. München, 5. October. Die der Kammer dec Abgeordneten gemachte Bahnvorlage schlägt die Anlage von Doppelgeleisen für folgende Bahnlinien vor: München-Landshut, München- Ingolstadt - Treuchtlingen, Fürth - Rottendorf, Fürth - Bamberg - Lichtenfels - Hochstadt-Unter steinach; außerdem sind ausgeworfen 2,278,000 Mk. für Signalvorrichtungcn, Dienstwohnungen und die Passauer Donaulände; 10,188,000 Mk. für Vermehrung des Fahrmaterials und Ein führung der Westinghouse - Bremse bei den Waggons der Personenzüge; 2,100,000 Mark für Erweiterung der Bahn-Central-Werkstätten in München, Nürnberg, Regensburg und Augsburg; 12,440,000 Mk. für Erweiterung des Münchener Central-Bahnhofes; 2,070,000 Mk. für Umbau des Aschaffenburger Bahnhofs. — In der heutigen Sitzung wurde außerdem das Aus- führungsgcsetz zu dem Reichsgesetze, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, in der ersten Lesung angenommen. Abg. Gunzen- haeuscr kündigte einen Antrag, betreffend Nach lassung der Hypothekengebühr bei Ccssionen infolge Umwandlung der Genossenschaften an. Finanzminister vr. v. Riedel äußerte Bedenken gegen diesen Antrag,, versprach aber dessen Prüfung. Dagegen sprach sich der Minister des Innern vr. v. Lutz entschieden gegen denselben aus. Wien, 5. October. Das „Frcmdenblatt" hebt, unter Bezugnahme auf die jüngste Aus lassung des „Reichsanzeigers" und frühere Aeußerungen Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm über seine Stellung gegenüber den Parteien, hervor, dem thatkräftigen jungen Monarchen schwebe ein lebendiges Kaiserthum vor. Nicht in unnahbarer Höhe wolle er thronen, sondern in beständiger Berührung mit der Volksstimmung stehen, unlGder Kaiser als Führer der Nation sei der ihm vorschwcbende Gedanke, den er mit ungewöhnlicher Entschiedenheit zur Geltung bringe. Schweiz. Zum Bmidcsanwalt ist der Ständerath Scheck (Thurgau) vom Bundesrathe ernannt worden; derselbe tritt am 15. October sein Amt an. Der große Rath in Bern beschloß einmüthig die Gründung einer Universität. Die Eröffnung der juristischen und philosophischen Fakultät findet bereits nächsten Monat statt. Der schweizerische Episkopat bestreitet den Unterhalt der theologischen Facultät. Die Eröffnung letzterer erfolgt wahr scheinlich im Sommersemester nächsten Jahres. Paris, 7. Oktober. Von den Ergebnissen der Stichwahlen sind bis-jetzt 170 bekannt, davon entfallen auf die Republikaner oder Radikalen 122 und 48 auf die Oppositionellen. Neben den Wahlergebnissen der Colonien stehen noch 15 Resultate aus. Paris, 7. October. Nach dem officiellen. Bericht des Ministeriums des Innern ist das Gesammtergebniß der Stichwahlen bis jetzt: 124 Republikaner und 45 Oppositionelle. Die neue Kammer wird demnach enthalten: 365 Republikaner, nämlich 236 gemäßigte und 129 radicale und 211 Mitglieder der Opposition, nämlich 102 Royalisten, 60 Bonapartisten untr 49 Boulaugisten. New-Jork, 7.October. In vielen Städten der Union wurde gestern seitens der Deutschen der zwcihundertste Jahrestag des Landens der ersten deutschen Ansiedler in Amerika festlich be gangen.