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Wie verschiedene Blätter melden, hat der Kaiser das Abschiedsgesuch des Finanzminister» von Scholz bereits genehmigt. Als neuer Minister wird jetzt in verstärktem Maße der Centrums-Abgeordnete Frhr. v. Hüne genannt, doch sind das natürlich alles nur Muthmaßungen. Bremerhaven, 6. September. Die au» Samoa heimgekehrten Marinemannschaften von S. M. Kreuzer .Adler" und S. M. Kanonen boot „Eber" wurden heute an Bord des ReichS- postdampferS „Braunschweig" von den Biceadmiral Paschen mit einer Ansprache begrüßt, an deren Schluffe der Admiral ein Hoch auf Se. Majestät aus dem Unterbleiben eines Gegenbesuches des Czaaren am Hofe des deutschen Kaiser». Während sich kaum noch annehmen läßt, daß der Beherr scher Rußlands noch in diesem Sommer jener unerläßlichen HöfiichkeitSpflicht genügen werde, scheint festzustehen, daß der Großfürst-Thronfolger, nachdem er den Truppenübungen in Hannover beigewohnt, zum Besuche der Ausstellung nach Paris fahren und dadurch die Hoffnungen der französischen Chauvinisten in einer für Deutsch land unerwünschten Weise steigern wird. Die Nothwendigkeit, da» deutsche Reich nach zwei Seiten vor unliebsamen Ueberraschungen zu be wahren und zwei neue Armeecorps in den West- und Ostmarken des Reiches aufzustellen, ist des halb in letzter Zeit ernsthaft erörtert worden. Bon den neuen GeneralcommandoS würde das eine nach Metz, das andere nach Bromberg ver legt werden. Die Nachrichten über geplante Veränderungen im deutschen Heerwesen, welche u. A. die Absicht der Bildung zweier neuer Armeecorps - Commandos meldeten, wurden der „Berl. Nat.-Ztg." (mit dem Hinweise, daß die bezüglichen Erwägungen schon während des letzten Reichstages bekannt waren) als zutreffend, jedoch nicht als erschöpfend bezeichnet. Es soll sich auch um grundsätzliche Aenderungen und Neu erungen in der Cadres-Bildung handeln. Allem Anschein nach werden die Berathungen vor Be ginn des Reichstages ihren Abschluß finden und wird die letzte Tagung des jetzigen Reichstages durch Berathungen über die aufzubringenden Kosten dieser tiefgreifenden Veränderungen sich besonders belangreich gestalten. Unverkennbar geleitet von dem Gedanken, daß im Kriegsfälle die Provinz Galizien zuerst be droht wäre, hat der Kaiser von Oesterreich zu den in dieser Grenzprovinz stattfindenden Truppen übungen nur den deutschen und den italienischen Militär-AttachS eingeladen, was in Petersburg nicht unbeachtet geblieben ist. Kaiser Franz Joseph kam am vorletzten Sonntag früh aus Ischl in Wien an, empfing dort den neuen Mi nister für Kroatien, Josipovic, der den Amtseid leistete, und fuhr noch am selben Tage Abends nach Galizien, um dort mit den Erzherzögen Albrecht und Rainer den Manöver» beizuwohnen. Auf allen Stationen wurde der Kaiser herzlichst begrüßt, besonders feierlich war der Empfang in Pawlosiow bei Jaroslau, wo sich der Monarch bis zum 6. d. M. aufhielt. Der Landmarschall Tarnowski überbrachte dort dem Kaiser die Hul digungen der beiden Volksstämme Galiziens und empfing dafür die huldvolle Versicherung, daß der Kaiser besonders für das Wohl dieser Pro vinz besorgt sei, deren Vertreter stets opferwillig für das Recht und die Stellung des Reiches eintraten. Auch die polnische Presse beeiferte sich, bei dieser Gelegenheit die loyale Gesinnung der Bevölkerung zu betonen. Der Krakauer „Czas" schrieb: „Mit jedem Jahre wächst die Ehrfurcht und die Anhänglichkeit für den Kaiser, welcher für ganz Europa ein Muster eines Re genten und für seine Völker ein wahrer Vater ist. Seine Regierung hat den Erfolg aufzu- wecsen, daß die Begriffe Monarchie und Familie verschmolzen sind. Unsere Gefühle sind um so tiefer und lebhafter, als wir noch mehr als andere Völker die Segnungen der Regierung eines solchen Monarchen zu schätzen in der Lage sind." Eine Anzahl italienischer Republikaner reiste zum Besuch der Ausstellung nach Paris und wurde unterwegs in Toulon, Marseille, Lyon u. a. O. von den französischen Gesinnungsgenossen feierlich begrüßt, wobei die radicalen Italiener nicht verfehlten, ihre Bewunderung für den fran zösischen Freistaat und ihren Abscheu gegen die Regierungspolitik Crispis lauten Ausdruck zu geben. In Paris wiederholten sich diese Kund gebungen und kam es zu einer förmlichen Ver brüderung, welche nachträglich von den meisten französischen Blättern mit der Bemerkung ver spottet wurde, daß Frankreich darüber nicht ver gessen dürfe, daß dieses Häuflein Garibaldianer ohne Anhang sei, während das starke italienische Heer jenseits der Alpen bereit stehe, auf Bismarcks Anweisung sofort gegen Frankreich zu kämpfen. Die regierungsfreundlichen Blätter Italiens brand marken das vaterlandslose Treiben der nach Paris gezogenen Radicalen und weisen außerdem mit besonderer Genuathuung auf die erfolgreiche Colonialpolitik CriSpis hin. Ihr ist es in der Thal zu danken, daß das der Schutzherrschaft Italiens unterstehende afrikanische Gebiet, welches sich früher kaum bis Monkullo ausdehnte, heute ein Gebiet umfaßt, welche» an Flächenraum dem italienischen Besitzstände in Europa gleichkommt. Der unversöhnliche Widersacher Italien», Negu» Johanne», ist todt und an seine Stelle trat König Menelik von Schoa, wrlcher sich stet» als wahrer Freund Italien» «wiesen hat und durch stme jetzt Italien durchreisende Gesandtschaft den festen Willen bekundete, sich al» BündeSge- noffe de» italienischen Königreiche» zu bewähren. Da» Ministerium CriSpi beschloß, eine beständige s Gesandtschaft am Hofe von Schoa zu errichten und schlug für diesen Posten den Afrikareisenden Salimbem vor. Alle Parteien Frankreichs rüsten sich zu den auf den 22. d. M. anberaumten Deputirten- wahlen. Dem Manifest Boulangers ist ein Er laß des Grafen von Paris nachgefolgt, welcher die Monarchisten zum Kampfe gegen die Frank reich einkerkcrnde Republik aufruft, für die Ver fassungsrevision eintritt und die Bundesgenossen schaft der Boulangisten und Imperialisten bei der Bekämpfung der jetzigen Machthaber als Wünschenswerth bezeichnet. Prinz Victor Napo leon veröffentlichte zwar kein Wahlmanifest, aber er gewährte dem Mitarbeiter des Pariser „Figaro", Gaston Calmette, eine längere Unterredung, in der er sich ausführlich über das Programm der Imperialisten ausließ. Der Präsident der Repu blik wurde von dem Minister Constans vergebens bestürmt, durch einen aufklärenden Erlaß in die Wahlbewegung einzugreifen, was der Minister bei der jetzigen Lage als eine gebieterische Pflicht, der Präsident aber nach dem Wortlaut der Ver fassung als eine unzulässige Beeinflußung be zeichnete. Von dem boulangistischen Deputaten Martin wurde versucht, den General Boulanger als Wahlcandidaten bei der Seinepräfectur an zumelden; da er abgewiesen wurde, ließ Martin die Erklärung durch den Gerichtsvollzieher ab gehen. Um wieder wählbar zu werden, erklärte sich Boulanger in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten Tirard bereit, nach Frank reich zurückzukehren und sich dem Urtheil des Kriegsgerichts zu unterwerfen. Seine Freunde verkündigen, daß er in jedem Falle kurz vor den Wahlen urplötzlich in Paris auftauchen und dadurch die ihm abgestrittene Wählbarkeit wieder erlangen werde. Seit der Vertagung des englischen Par laments treten alle politischen Dinge in Eng land in den Hintergrund vor dem gewaltigen Eindruck des von dem Socialisten John Burns geleiteten Massenstreiks in London. Anfangs handelte es sich nur um einen Ausstand der sehr schlechtgestellten Dockarbeiter, deren ruhige Haltung in weiten Kreisen Sympathien erweckte; bald aber verbreitete sich der Streik auch auf andere Er werbszweige, so daß schließlich gegen 200,000 Arbeiter feierten, zu deren Unterhaltung die ein gehenden Unterstützungsgelder natürlich nicht ausreichten. Da die Dockgesellschaften und Schiffsrheder sich entgegenkommend zeigten, wurde endlich in einzelnen Lagerhäusern längst der Themse die Arbeit wieder ausgenommen und steht die baldige Beendigung des allgemeinen Ausstandes in Aussicht. Vielfach hatte man den Gerüchten von kriegerischen Rüstungen Serbiens und Bul gariens eine sehr ernste Bedeutung beigelegt. Die Anordnungen des serbischen Kriegsministers, wonach gewisse Theile der Reserve zu Waffen übungen herangezogen wurden, ebenso wie andere organisatorische Maßregeln, welche einige Ver säumnisse der letzten Zeit beheben sollten, hatten in Bulgarien überflüssig viel von sich reden gemacht. Die vorhandenen Besorgnisse wurden endlich dadurch beseitigt, daß der diplomatische Agent Serbiens in Sofia, Body, dem bulgarischen Ministerpräsidenten Stambulow die Versicherung ertheilte, daß die serbische Regierung auf dem Standpunkte der freundschaftlichen Solidarität zu allen Balkanstaaten stehe, und daß Bulgarien wegen Serbien auch nicht einen einzigen Mann zu mobilisiren brauche. Eine größere Sorge wird der serbischen Regierung durch die für die zweite Septemberwoche angekündigte Rückkehr der Königin Natalie nach Belgrad bereitet, der sich angesichts der von Rußland aus dafür gemachten Anstrengungen die Regentschaft nicht länger widersetzen mochte. Bremerhaven» ein Lorbeerkranz mit einer Gedenk schrift überreicht. Kapitän-Lieutenant Arend dankte im Namen der Mannfchasten, welche in der Halle des „Lloyd" bewirthet wurden und darauf die Weiterreise antraten. Berlin, 9. September. Die Kreuzercorvette „Olga" lief nach fünfjähriger Abwesenheit, au» Samoa kommend, heute 11V, Uhr Vormittags im Kieler Hasen ein. Das Aussehen der Mann schaften war, wie der „Nat.-Ztg." weiter berichtet wird, vorzüglich. Prinz Heinnch fuhr mit der Corvette „Irene" der „Olga" in See entgegen und geleitete dieselbe dann in den Hafen. Zahl reiche Dachten und Boote empfingen die „Olga", eine große Menschenmenge befand sich am Ufer^ die Stadt hatte geflaggt. Pari», 6. September. Der Justizminister- Thevenet forderte die Bischöfe durch Rundschreiben auf, die Geistlichen anläßlich der bevorstehenden Wahlen, daran zu erinnern, daß dem CleruS verboten sei, bei Ausübung priesterlicher Functionen irgend welche politische Parteinahme kundzugeben Die Regierung werde nicht säumen, gegen die jenigen Mitglieder des Clerus streng vorzugehen, welche diese Verhaltungsvorschriften übertreten sollten, auf deren Beobachtung seit Abschluß des Concordats von allen Regierungen Frankreichs bestanden worden sei. Paris, 9. September. Der Bischof vmr Seez richtete an den Justizminister einen ener gischen Protestbrief wegen des Rundschreibens, welches dem Clerus die politische Parteinahme bei Wahlen streng untersagt. Der Bischof erklärt: jede Regierung, welche die wahre Freiheit für: Alle gewähre, habe von der Mehrheit der Geist lichkeit nichts zu befürchten. Algier, 9. September. Beim Empfange der Offiziere der Landtruppen durch den Comman- danten des Mittelmeergeschwaders, Admiral Du Petit-Thouars, erinnerte dieser an den Krimkrieg und bemerkte, damals hätten die Franzosen mit einem ritterlichen Gegner gekämpft, dem sie nach dem Kampf die Hand loyal gereicht hätten und» den sie heute zu ihren Freunden zählten. Zanzibar, 9. September. Die Deutschen proclamirten eine strenge Blockade gegen Saadani, wo nächstens ein Kampf erwartet wird. Der englische Consular-Agent machte den indischen. Kaufleuten bekannt, daß ihren Dhows bei Strafe der Wegnahme verboten sei, nach Saadani zu fahren. Kaisertage in Dresden. Der dem Kaiser Wilhelm II. am Freitag. Abend von der Dresdner Bürgerschaft darge brachte große Fackelzug und die darauf folgende Serenade im Kgl. Residenzschlosse gestalteten sich zu einem glänzenden Schauspiele. Der aus mehr als 10,000 Theilnehmern bestehende Huldigungs zug bewegte sich kurz nach 8 Uhr von der Haupt straße über die von 3000 Gasglocken feenhaft schön erleuchtete Augustusbrücke nach dem Kgl. Schlosse. Einen solchen abendlichen Fest-Feuer- zug in solch' herrlicher Staffage hat Dresden noch nicht gesehen. Die alte, ehrwürdige Augustus brücke bot einen ganz besonders bezaubernden Anblick, als sich der feurige Zug, gebildet aus rothen, grünen, blauen und weißen Lampions und einer endlosen Reihe von Wachsfackeln, über ihren majestätischen Rücken wälzte. Dazwischen bewegten sich die zahlreichen Musikchöre, patrio tische Märsche spielend, mächtige rothe Feuersterne, ein feurig glänzender Triumphwagen mit der Kaiserkrone, sowie sonstige erleuchtete Decorations-. gruppen dem Schloßplatze zu, um vor dem Balkon des Kgl. Residenzschlosses über dem Georgenthor, auf welchem der Kaiser und die Kaiserin, sowie der König und die Königin und Prinzessin Mathilde versammelt waren, unter brausenden Hurrahs vorbeizumarschiren. Vordem Schlosse angekommen, machte die Spitze des Zuges, bestehend aus den Spitzen der städtischen Behörden, den Vertretern der Presse rc., Halt. Herr Stadtverordnetenvorstand Geh. Hofrath Ackermann hielt hierauf eine Huldigungsansprache. — Wenige Minuten danach erschienen auf dem Thurmaltan des Kgl. großen SchloßhofeS die Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, um die von ca. 1000 Sängern des Elbgau-und Julius« Otto. Bundes veranstaltete Serenade mit anzu hören. Unter Leitung des Kgl. Musikdirektor» Juliu» Reichel und de- Cantor» Schöne ge langten zur Aufführung: „Dem Kaiser Heil!" Dichtung von Herm. Traefer, Musik von Friede- Reichel; „Blücher am Rhein" von Kopisch und Reißiger; „Reiterlied" von VA» dM..- Sohn); „Höre un» Germcmial^MlWWWMV