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O e st e r r e i ch. Wien, 27. Juni. Die «Politische Corre* spondenz" meldet aus Berlin, das deutsche Kaiser paar und der Kronprinz werden anläßlich ihrer Reise nach Athen dem italienischen KönigSpaar in Monza einen völlig intimen, privaten, eine Woche dauernden Besuch abstatten. Alsdann werde sich das Kaiserpaar in Neapel nach Athen einschjffen. Der Kaiser habe den Wunsch ge äußert, die gegenseitigen Besuche des deutschen und des italienischen Hofes möchten sich alljährlich wiederholen. Dagegen wird die Nachricht, daß Fürst Bismarck nach Neapel zu reisen beabsich tige, dementirt. Schweiz. Die schweizerischen gesetzgebenden Körper schaften entwickeln eine sehr bemerkenswerthe Eile in der Ausführung der Reformvorschläge des Bundesrathes, betr. die Fremdenpolizei. Der Nationalrath hat das Gesetz betr. die Ein setzung eines ständigen Bundesstaatsanwaltes be reits einstimmig angenommen. Die verschieden sten Redner forderten eine strenge Handhabung der Fremdenpolizei. Es »nterliegt keinem Zweifel, daß auch der Ständerath ohne Säumen seine Zustimmung ertheilen wird. In der Sache würde also den Wünschen Deutschlands damit zu einem Theile genügt werden. Bliebe nur noch übrig, daß die Schweiz die Inhaftnahme Wohlgemuths entschuldigt und die strengere An wendung der Niedcrlassungsbestimmungcn zusagte. Dann wäre aller Hader beseitigt. Beide Schweizer Kammern in Bern haben jetzt die Einführung des kleinkalibrigen Repetir- gewehres genehmigt. Die Herstellung beginnt sofort. Die neuen Schweizer Bestimmungen über die Controle der eidgenössischen Frcmdcnpolizei durch einen Bundesstaatsanwalt werden unver züglich in Kraft treten. Der Hauptvortheil der Neuerung wird sein, daß nur auf Befehl der Centralstelle in Bern gegen einen Nichtschweizer vor gegangen werden darf, im Gegensätze aber vor gegangen werden muß. Bern, 27. Juni. Der Ständerath hat einstimmig die Einsetzung eines ständigen Bundes staatsanwaltes beschlossen. In 'einer Rede cou- statirte Bundesrath Ruchonnct, daß der Bundes rath erst durch den deutschen Gesandten v. Bülow von Wohlgemuths Verhaftung Kenntniß erhalten habe. Solche Unterlassungen seitens der can- tonalen Behörden, sowie Indiskretionen','wie die jenige des Polizei-Inspektors Fischer, dürften sich nicht wiederholen, deshalb sei ein Bundes anwalt absolut nöthig. Italien. Die neuerlichen Zusammenstöße zwischen fran zösischen und italienischen Arbeitern im Maas becken und die Tödtung eines der letzteren in Chaumont gaben letzter Tage dem Abgeordneten Brunialti in der italienischen Kammer Anlaß zu der Frage an den Ministerpräsidenten, ob die Regierung im Stande sei, die Staatsangehörigen im AuSlandc zu schützen, oder ob Frankreich ein gefährlicher und zu widerrathendcr Aufenthalt für die italienischen Arbeiter sei. CriSpi ant wortete: „Ich habe, sobald ich von den beklagens- werthen Vorgängen unterrichtet war, an den Botschafter telcgraphirt und die Antwort erhalten, daß die Untersuchung im Gange sei und die Ge rechtigkeit ihren Lauf nehmen werde. In einer Drahtmcldung von gestern hat der Marchese Menabrea mir mitgctbeilt, daß viele Arbeiter in die Heimalh zurückkehren müssen. Wie cs meine Pflicht war, habe ich Anweisung gegeben, unseren Landsleuten die Heimreise in aller Art zu erleichtern. Tic Lage unserer Arbeiter in Frankreich ist seit acht Jahren eine wahrhaft be dauerliche. (Aufsehen und Ausrufe.) Dies wird von den Franzosen selber anerkannt, namentlich von den Fabrikbesitzern, welche über unsere Ar beiter des Lobes voll sind. Der italienische Ar beiter ist fleißig, sorgsam, nüchtern. Diese gntcn Eigenschaften erregen die Eifersucht der fran zösischen Arbeiter und daraus entstehen die be- klagenswerthen Vorgänge, die leider mit bedauer licher Häufigkeit sich wiederholen. Ich weiß in der That nicht, wie dieser Sachlage abzuhelfcn ist. Frankreich kann uns mit seinen Gesetzen und seiner Regierung keine genügende Gewähr geben und wir sind fortwährend auf dem „tzui vive". Es ist ein peinlicher Zustand. Aber, wie gesagt, er dauert schon acht Jahre, ohne daß wir daran schuld sind. Trotz der republikanischen Regierung, trotz der Hundertjahrfeier der Re volution sind die BrüderlichkeitSgesiunungen in Frankreich nicht im Schwünge und unsere Ar beiter bleiben unschuldige Opfer der Erwerbs eifersucht." Rom, 27. Juni. AuS Tunis wird über einen neuen französisch-italienischen Zwischenfall telcgraphirt: Im Hafen von GabeS bestieg fran zösische Polizei gegen den Willen des Consuls einige angeblich des Schmuggels verdächtige ita lienische Schiffe; der Polizeicommissar insultirte die italienische Fahne und wollte dieselbe zerreißen. Der italienische Consul protestirte dagegen und berichtete über da« Vorkommniß nach Rom. Vermischtes. — (Candidaten für das Scharfrichrer- Amt.) Während der Untersuchung gegen den Scharfrichter Krauts, dessen Posten allgemein für vakant gehalten wurde, haben sich nicht weni ger als 26 Personen bei der zuständigen Behörde als Bewerber um das Nachrichter-Amt gemeldet. Die gesammten Reflectanten sind vorläufig ab schlägig beschieden worden. Bezüglich der Frei sprechung des Scharfrichters Krauts wird mit- getheilt, daß die Majorität der Geschworene» für „Schuldig" gestimmt haben soll; cs waren aber nur sieben Stimmen dafür, und das Gesetz ver langt, daß ein Schuldspruch „mit mehr als sieben Stimmen" gefällt wird, also mindestens mit acht Stimmen. — (Die Macht der Einbildung.) In der Poliklinik eines großen Berliner Kranken hauses ereignete sich dieser Tage ein Vorfall, der vielleicht zu dem Streit über die praktische Be deutung der Suggestion einen Beitrag bietet. An einer kräftigen, nur etwas nervösen Fran sollte eine unbedeutende Operation an der Hand vorgenommen werden, und der dirigircndc Arzt lehnte es ab, die Frau zu chloroformiren. Diese aber bestand so entschieden darauf, daß schließlich der Arzt lächelnd seinem Assistenten einen Wink gab, und dieser der Frau eine neue, noch unge brauchte Chlorosormmaske vorhielt, an welcher sich auch nicht eine Spur des betäubenden Mittels befand. Die Frau zähte nur bis 9 und war dann völlig in „Narkose". Nach vollzogener Operation behauptete sic, gar keine Schmerzen empfunden zu haben und erklärte noch nach mehreren Tagen, daß sie — den unangenehmen Chloroformgcruch nicht lvswerdcn könne! — (Militärmannschaften als Maurer.) Seit Montag Vormittag sind auf den Königl. Bauten, wie auf dem Neubau des Polizeipräsi diums in Berlin eine Anzahl von Maurern beschäftigt, welche als Soldaten dem Garde- und dem 3. Armeekorps angehören und jetzt Sommer- Urlaub erhalten haben. Diese Maurer erhalten dieselben Löhne, wie sic den privaten Maurer gesellen bisher gezahlt werden nnd stehen sich sehr gut dabei. Die Beurlaubung soll in um fangreichem Maße bewilligt worden sein, weil man die Bauten möglichst schnell fcrtigzustellcn wünscht. — Die Berliner Zimmerleute haben am Mittwoch die Arbeit zu den schon vor fünf Wochen von den Meistern angeborenen Beding ungen wieder ausgenommen. Der Ausstand der Maurer, die sich auf ihre Ncunstundenarbeit steifen, dauert fort, ebenso der Streik der Maler und Anstreicher. -- Freiberg, a. U. 23. Juni. Das hiesige Schöffengericht vcrurtheilte den aus Halle ge bürtigen Seiltänzer Kutscher und seine Ehefrau wegen tvdtbringcnder Mißhandlung ihres 7- jährigcn Töchterchens zu 2 Jahren Gefängniß. — In Gera ist Capcllmeistcr Tschirch, der bekannte Componist, in den Ruhestand getreten. — In Vohenstrauß (Baiern) sind am 21. Juni 16 Gebqndc abgebrannt. Mehrere Feuer wehrleute erlitten Verletzungen. 8 — Zu Pcntsch bei Strehlen in Schlesien ertrank das 2jührigc Töchterchen des Nahrungs besitzers Mundil. — Zu Goldberg mußte 1 Knabe, der einen Kirschkern verschluckt, der sich an unrechter Stelle festgesetzt, 2-malige Operation bestehe» und viele Schmerzen erdulden. — Die Papiersorticrcrin in der Salomon'scheu Papier fabrik zu Cunnersdorf bei Hirschberg, Anna Kluge, erhielt für 40jährige treue Dienste das von der Kaiserin Augusta gestiftete goldene Kreuz. — Zu Marklissa hat eine große Feuersbrunst am Markte die Häuser von Scholz, Hähnel, Hoffmann, Heinze nnd Huhn vernichtet und mehrere arg beschädigt. — An mehreren Stellen des Riesen gebirges hat der Niescngcbirgsverein im vorigen Jahre Edelweiß gepflanzt, welches gut fortge kommen ist. Es sollen weitere Anbauversuchc gemacht werden. — Zu Hirschberg hielt am 21. Juni der Centralvorstand des Riesengebirgs- vercins eine Sitzung. — In Schlesien giebt es 11 katholische Seminare mit 36 Classen und 73 Lehrern, 8 evangelische Seminare mit 25 Classen und 28 Lehrern und 1 Herrnhuter Anstalt. Ferner giebt eS 5 höhere Bürgerschulen, 2 Real lang bei aelrg Der konu Km Vcr! v g Ä d warn wird, treib« Havi Abfa Länx r i c r a I«, was« Un von v, der erwo 690 mere Zahl abzu Stal stimt Verc vom Kren den unse Zukl trete Ans, theil Z'tti vom proghmnasien, 2 Progymnasien, 2 Oberrealschulen 8 Realgymnasien und 37 Gymnasien. Diese 58 Lehranstalten — die Seminare ungerechnet — hatten 1889 15,892 Schüler. — Ratibor, 27.'Juni Seit gestern brennt der fürstlich Pleß'schc Wald in Wessola, Kreis Pleß. Hundert Morgen sind bereits abgebrannt, und der Brand greift noch immer weiter um sich. — H a m b u r g, 27. Juni. Der große Thran- speicher in der Hafenstraße ist vollständig nieder gebrannt. Der Schaden wird aus 400,000 Mk._ beziffert. — Hamburg, 27. Juni. Der Hamburgische „Correspondent" meldet aus Lüneburg: Die großartige Böttcherei des Senators Reichenbach ist innerhalb weniger Stunden ein Raub der Flammen geworden. Vormittags gegen elf Uhr entstand in dem Oelschuppcn Feuer, welches in den großen Holzvorräthen reichlich Nahrung findend, sich so schnell verbreitete, daß die Feuer wehr ein Haus nach dem anderen den Flammen preisgcben mußte, bis eine veränderte Windrichtung und die vermehrte Anstrengung der Feuerwehr die weitere Ausdehnung des Feuers verhinderten. Die Werkstätten nebst den maschinellen Anlagen, Comptoir, Wohnhaus, Lagerräume sind zerstört und außerdem 12 andere Wohnhäuser vernichtet oder zum Abbruch fertig. Die nahe Nikolaikirche schwebte in größter Gefahr, ein Dachfenster brannte bereits und war die Hitze im Dachstuhl uner träglich, als durch die veränderte Windrichtung und den Zusammenbruch der brennenden Werk statt das prächtige Gotteshaus erhalten blieb. Kein Menschenvcrlust ist zu beklagen, obwohl die größte Gefahr für die Feuerwehr vorhanden war. Viele kleine Leute sind obdachlos, die Mobilien derselben sind gerettet. Um 4 Uhr Nachmittags war die Gefahr beseitigt. — Prag, 26. Juni. Es wird ein neuer Streik-Ausbruch in Kladno befürchtet. In den Dynamitkammeru wurden Diebstähle entdeck,, die Verhaftungen dauern fort, bisher wurden 196 vorgeuommcu. An die Wände des militärische» Hauptquartiers wurden Drohungen in ezechischcr Sprache geschrieben. — Kopenhagen, 26. Juni. Der Erfinder des kleinen Infanterie-Spatens, Hauptmann Linnemann, ist gestorben. Seine Erfindung ist in der deutschen, österreichischen und rumänischen Armee cingcführt und hat sich als sehr praktisch erwiesen. — Lüttich, 27. Juni. Der Schah von Persien bestellte hicrselbst 60,000 Gewehre. — Ein neuer Eisenbahnunsall wird ans Brüssel telegraphisch unterm 27. d. gemeldet: Bei Cincy in der Provinz Namur sand gestern Abend ein Eisenbahnunfall statt. Die Maschine des Zuges und 15 Wagen wurden zertrümmert. — Paris, 26. Inin. Nach einem Hochzeits mahle in Tomblaine bei Nancy zeigten sich bei sechzehn Personen Vcrgiftungssymptome; zwei Personen starben, alle übrigen sind schwer er krankt, man gab die Vergiftung einem unglück lichen Zufall schuld. Heute stellte sich heraus,, daß der Vater des Bräutigams, Joseph Albal, der der Partie entgegen war, die Gesellschaft vergiftete. Nur die Braut, welche die Speisen nicht berührt hatte, ist gesund geblieben. — Petersburg, 27. Juni. Berichte aus der Provinz bestätigen, daß der jüngst gefallene Regen den Stand der Felder gebessert und die Befürchtungen um die Ernte zerstreut habe. — (Ernteaussichteu in Rumänien.) Auch in Rumänien sind, vorliegenden Zeitungs nachrichten zufolge, die ErnteauSsichtcn keines wegs glänzend, da in manchen Landstrichen der Winterweizen durch die große Dürre sehr gelitten hat. Sommergetreide steht besser, sein Ertrag ' fällt für den Landwirt!) aber weniger ins Ge wicht. Auch der Mais zeigt bis jetzt einen guten Stand, dagegen sind die Aussichten für Wein und Obst namentlich durch Winterschäden ge trübt und der Raps wird eine vollkommene Mißernte liefern, wodurch der rumänischen Land- wirthschaft ein nach Millionen zählender Ausfall erwächst. Da Rumänien als Ackerbaustaat ausschließlich auf den Ernte-Ertrag angewiesen ist, jo wird das unbefriedigende Ergebniß aus den Stand der Volks- und Staatswirthschaft seine Rückwirkung schwerlich verfehlen. — Ein Taucher Namens O'Hara in Liver pool kaufte das Wrack des „CreScen," welche« vor 20 Jahren bei Cap Galley mit Lstr. 60,000 in Gold an Bord gesunken war. DaS Wrack liegt in fünf Faden Wassertiefe. — Eine Kabcldepesche au« New-Dork meldet: Die in Boston vor vielen Jahren errich tete Fabrik von Feuerwerkskörpern ist seit dem- 22. d. M. früh ein Schutthaufen. sion hat das weitläufige Gebäude. MM