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t«n Fchzuae wiederum bedeutend vermehrt. Bor Allem ist al» neu zu emähnen die große Gruppe der Stadt Leipzig der die drei vom Professor Raumann in Dresden entworfenen Schmuckwagen der Buchdruckerei, des Buchhandels und der Pa piersabrikation voraussichtlich sich anschließen wer den. — Eine besonders prächtige Gruppe stellt die Elbschifffahrt, deren erster Schauwagen ein S bis 10 Meter langes, reich beflaggtes und mit Kindern in Matrosenkleidung besetztes Personen dampfschiff trägt. Höchst originell wird voraus sichtlich die Gruppe der Strohhutindustrie sein, die über 100 Personen umfassen wird. Sämmtliche Costüme, auch diejenigen der den Zug begleitenden Reiter und Reiterinnen, sind aus Stroh gefertigt und werden auf diese Weise schon am besten den hohen Stand dieser Industrie darthun. — Besonders farbenprächtig wird der Jagdschutzverein mit 5 Schmuckwagen und gegen 100 Personen zu Pferde und 50 zu Fuß eine Scene, die Rückkehr Kurfürst August'S von der Jagd, zur Darstellung bringen. — Auch die Kürschnerinnung zu Dresden wird dem Zuge einen Festwagen einrrihen, ebenso wie die Stuin- renden der König!. Thierarzneischule, »ährend die der bewährten Direktion des Hof rath vr. Nieper unterstehende Kunstakademie Leipzig durch costümirte Abordnung sich bethei ligen wird. — Selbst da» kleine, schnell auf strebende und blühende Pieschen wird es sich nicht nehmen lassen, in einer besonderen Gruppe den Gemüsebau auS seiner Umgebung zur Ver anschaulichung zu bringen. Pirna, 18. April. Betreff» der Ausschreibung der Bürgermeister-Stelle hat noch immer keine Einigung zwischen de« städtischen Kollegien er folgen können. Die eingeholte Entscheidung der königl. Kreishauptmaunschaft als Oberbehörde geht dahin, daß die zur Erhöhung des Gehalts für den neu anzustelleudru Bürgermeister erforder liche Abänderung des OrtSstatutS zur Zeit nicht ausführbar sei, da hierzu die Einmüthigkeit beider städtischer Collegien erforderlich sei; die königl. Kreishauptmannschaft stelltejedoch ihreZustimmung zur eventuellen Gewährung einer persönlichen Zulage in Aussicht. Es soll nun demnächst in dieser Angelegenheit eine weitere gemeinschaftliche Sitzung stattfinden. Eine Liebestragödie zwischen dem Gefreiten Schurig von der Chemnitzer Garnison und einem Mädchen aus Dresden spielte sich dieser Tage in einem Gasthof zu Freiberg ab. Der Soldat erwartete das Mädchen auf dem Bahnhof und beide mietheten dann im Gasthof, unter der An gabe Geschwister zu sein, ein Zimmer, in dem sie a« folgenden Morgen vom Wirth todt auf dem Topha liegend gefunden wurden. Der Gefreite hatte einen Schuß in die linke Schläfe erhalten, das Mädchen hielt den Revolver noch in der erstarrten Hand mit dem sie zwei Schüsse auf sich abgefeuert hatte. Wie sich hcrausstcllte, ist die Unglückliche nicht die Schwester des Gefreiten, sondern eine gewisse Marie Swoboda aus Dresden. Die unter dem Protektorat des Königs von Sachsen in Leipzig stattgefundene Erste große Allgemeine Ausstellung von Fahrrädern und Fahrrad-Utensilien in Deutschland hat mit einem Ueberschuß von 4546 M. 65 Pf. einen erfreulichen Abschluß gefunden. Unter der Leitung des Gauverbandes Nr. 21 „Leipzig" werden diese Ausstellungen alljährlich in Leipzig stattfinden. Grimma, 17. April. Im Bezirke der kgl. Amtshauptmannschaft Grimma wird fortan für jede getödtete eingelieferte Kreuzotter eine Be lohnung von 1 Mk. gewährt. Die Auszahlung der Belohnung für dieselben in hiesiger Stadt flur, sowie in den anliegenden Landgemeindefluren getödteten Kreuzottern erfolgt durch den Stadt rath zu Grimma. Die Sächsische Hauptbibelgesellschaft »eiche in diesem Jahre das Fest ihres 75jährigen Bestehens begehen wird, genießt seit 1828 das Recht einer „allgemeinen Kirchencollecte" für ihre Zwecke am 2. Osterfeiertag, nachdem bereits vor her durch Königliche Huld ihr zweimal eine solche Sammlung gestattet worden war, die im Jahre 1820 ziemlich 29,000 M., 1824 aber nur 14,430 M. erbrachte. Von 1828—1855 ergab diese Sammlung regelmäßig jährlich reichlich 2000 M. In den letzten Jahrzehnten aber machte sich eine erfreuliche Steigerung des Ertrags be merklich. 1869 betrug derselbe 4591 M., 1879 6253 M., 1888 aber 11,927 M. Im Ganzen sind bisher auf diese Weise für das Werk der Bibelverbreitung in Sachsen gespendet worden 173,394 M., ohne die Sammlungen der Leipziger Stadt- und Landephorie, welche in demselben Zeitraum 28,061 M. der Leipziger Bibelgesell schaft zuführten. Trotzdem aber wurde die Steigerung der Einnahmen übertroffen durch di« erhöhten Aufgaben, welche der Gesellschaft nament lich aus dem Wettbewerb mit ausländischen Ge sellschaften, welche unser Sachsen in der Meinung, daß Sachsen zu arm sei, das eigene Bedürfniß zu decken, zu wahrhaften Schleuderpreisen unvoll ständige Bibeln einführten, in den letzten Jahren erwuchsen. So hat die Gesellschaft sich genöthigt gesehen, jede Schulbibel zu '/«, jede Familien bibel zu «/« des Herstellungspreises abzugeben und im letzten Rechnungsjahre allein bei einem Absatz von 24,044 vollständiger Bibeln 12,000 M., bei Abgabe von 4412 Neuen Testamenten und 76 Psaltern 660 M. zuschießen müssen. Der Ausfall konnte durch die Ostercollecte nicht ge deckt werden. Die Jabreseinnahme betrug 69,050 M., die Ausgabe dagegen 75,758 M., mithin 6708 M. mehr. Uebrigens wurden 3409 Stück Bibeln mehr abgesetzt als im Vorjahre, und 9703 Stück mehr als 5 Jahre früher. 8 Der 12jährige Gey auS Cömmerei bei Grimma besuchte seinen Vater im Steinbruche bei Beucha, als gerade ein Schuß loSging. Ein Stein traf den 164 Meter entfernten Knaben so hart, daß er ihn tödtete. Wiederum eine Mah nung zur Vorsicht bei Steinsprengungen. — Herr LandwirthschaftSlehrer vr. Petermann in Rochlitz ist zum Director der landwirthschaftlichen Schule in Annabcrg erwählt worden.— Zu Schönbrunn bei Pohla ist der vormalige Gutsbesitzer und thierärztliche Empiriker und Bienenzüchter Herr Rentier Wustmann vor Kurzem gestorben. Der selbe hat sich schon bei Lebzeiten durch mehrere gemeinnützige Stiftungen resp. Schenkungen ein gutes Andenken gesichert. Leicht sei ihm die Erde! — Der landwirthschaftliche Krei-verein zu Dres den hat 2 Stipendien von je 100 Mk. an junge Mädchen bewilligt zum Besuche der Lchrmeierei FreibergSdorf. — Der Darlehnscasscnverein zu Langebrück, der am 1. April ins Leben getreten, hat in 10 Tagen 5000 Mk. Spareinlagen erhalten. Die Aussichten des Altersversicherungs-Gesetzes. Vor dem Auseinandcrgehen der die Oster ferien antretcnden Reichstagsabgcordneten be sprachen dieselben noch vielfach die Aussichten des Alters- und Invaliditäts-Gesetzes. Der Gegenstand lag ihnen um so mehr am Herzen, als derselbe seit langen Wochen erst die betr. Commission des Reichstages und dann den letz teren selbst beschäftigte, ohne zu einem rechten Abschluß zu kommen. Gerade bei dcr Berathung dieses Gesetzes, auf welches eine unendliche Mühe verwendet worden ist und von dem jeder einzelne Satz der gründlichsten Untersuchung unterworfen wurde, hat der mehrfach geäußerte Vorwurf der Neberhastung kaum eine Berechtigung. Die „Nationalliberalc Korrespondenz" gicbt zu, daß sich die Wirkung mancher Bestimmungen des Gesetzes noch nicht übersehen läßt, bestreitet aber, daß daran eine ungenügende Erörterung schuld sei. Es liege eben bei der Neuheit des Gegen standes die Nothwendigkcit vor, sich manche un gewöhnliche Bestimmung erst practiich bewähren zu lassen, ehe man über ihre Wirkung urtheilen könne. Durch theoretische Prüfung werde die Sache überhaupt nicht reifer werden, weshalb eine Vertagung auf den Herbst nirgends mehr ernstlich in Aussicht genommen sei. Das natio nalliberale Organ nieint ferner: „Die zweite Berathung wird nach Wiederaufnahme der Neichs- tagssitzungen in kurzer Zeit erledigt werden können. Es ist hauptsächlich noch die Festsetzung der Renten und Beiträge, über welche indessen die Verständigung gesichert erscheint, die Frage der Revision, welche den Landesversicherungs anstalten, nicht dem Reichsversicherungsamt über tragen werden soll, und die Angelegenheit des bairischen - württembergischen Postreservatrechts zu erledigen. Wie dann die dritte Lesung und die definitive Entscheidung ausfallen wird, läßt sich mit Sicherheit noch nicht sagen. Das Cen trum, welches bisher an der Socialreform eifrig und mit starkem Pochen auf dieses sein Verdienst mitgearbeitet hatte, hat jetzt.aus Angst vor dem Reichszuschuß und der Verstärkung der ReichS- und Staatsmacht, welche die Partei in dem Gesetz wittert, zum größten Theil seine Mitwirkung versagt; nur auf ein Dutzend Mitglieder wird zu rechnen sein. Immerhin wird diese Zahl ge nügen, um im Verein mit den Nationalliberalen und Conservativen eine Mehrheit zu bilden, wenn nicht von den letzteren noch zahlreiche Mitglieder aus Besorgniß vor der Ueberlastung der Land- wirthschaft abspringen. Wir wollen dies trotz der absprcchenden oder mehr als kühlen Haltung mancher Parteimitglieder und Preßorgane einst weilen noch nicht für glaubhaft halten, sondern da» Vertrauen haben, daß sich eine i«WW noch ansehnliche Mehrheit schließlich für daS- Gefetz entscheidet. Auch die Nationalliberale« müssen auf manchen Wunsch verzichten und- manche» schwere Bedenken unterdrücken. Um deis höheren Zwecke» Willen muß man Opfer bringen. Nachdem die Socialreform einmal so weit geführt worden, nachdem die Krone nicht nur, sondern alle positiv schaffenden Kräfte des Volkes in feierlicher Weise so oft dafür eingetreten sind,, kann auf den Schlußstein, der durch das vor» liegende Gesetz dargestellt wird, nicht mehr ver zichtet werden." Nach den bekannten Aeußerungen de» Grafen Mirbach erscheint der Zweifel an der Zustimmung eine» Theils der Conservativen nicht ganz unge gründet, zumal die „NeuePreuß.Ztg." seit jener Auslassung immer neue Bedenken gegen den Gesetzentwurf vorbrachte. Daß diese» Blatt nicht: im Sinne der gesammten Partei sprach, sondern: in der Hauptsache wohl die Meinung der Con servativen au» dem preußischen Osten vortrat, ging: u. A. auch daraus hervor, daß da» Organ des conservativen Landesvereins im Königreich Sachsen mit Entschiedenheit für den Gedanken der Vor lage eintrat und erklärte, daß die sächsischen Con servativen mit allem Eifer für da» Zustandekommen des Gesetzes arbeiten würden, auch wenn einzelne Wünsche nicht Berücksichtigung fände». Auf diese patriotische Aeußerung antwortete die „Neue Preuß.Ztg.": „Daß die sächsischen Conservativen,. ebenso die Baiern und Badenser, ein lebendiges Interesse an dem Zustandekommen de» Gesetzes in seiner jetzt vorliegenden Gestalt haben, ist all gemein bekannt, und wir sind weit entfernt davon, diese Thatsache zu bestreiten. Vielleicht sind aber die Gründe, welche bei ihnen diese günstige Stimmung bedingen, zum Theil wenigstens gerade dazu angcthan, da» Gesetz für die Conservativen des preußischen Osten» — von diesem haben wir im Besonderen gesprochen — wenig annehmbar zu machen. Es ist doch noch in Aller Erinnerung,, daß die von der preußischen Regierung ausge stellten Grundzüge für diese Gesetzgebung von. ganz anderen, sowohl vom allgemein socialpoli- lischen, wie vom speciell landwirthschaftlichen Standpunkt aus angesehen, sehr viel erwünschteren Gesichtspunkten ausgingen, als die jetzige Vor lage, und eS ist nicht minder bekannt, daß es dem Einflüsse der nichtpreußischen Mitglieder des Bundesraths gelungen ist, die veränderte Grund lage für das Gesetz durchzusetzen. Es kann des-, halb kein Wunder nehmen, daß man in Sachsen wesentlich anders über die Vorlage denkt, als in. Pommern, Ostpreußen, Westpreußen u. s. w." Eine gewisse Tragweite ist dieser Aeußerung der „Neuen Preuß. Ztg." um so weniger abzu sprechen, als die Nachricht verlautet, daß die Centralvcreine der westpreußischen und pommcr- schen Landwirthe im Begriffe stehen, in außer ordentlichen Generalversammlungen gegen das Alters- und Invaliditäts-Gesetz in seiner Fassung Stellung zu nehmen. Gegen den Vorwurf, daß. die Reichsregierung den in den „Grundzügen" zuerst ausgearbeiteten Entwurf nicht entschieden, genug gegen die mittel- und süddeutschen Inte ressen vertheidigt habe, wird sich der Staats- secretär v. Bötticher unschwer rechtfertigen. Bei den nach Ostern bevorstehenden weiteren Be- rathungen wird auch den Abgeordneten, welche jetzt ein Gesetz bekämpfen, das sie noch vor Kurzem als nützlich und nothwendig bezeichneten, sicher die Verantwortlichkeit vorgehalten werden, die sie damit auf sich nehmen. Gerade die Großgrund besitzer in Pommern, Ostpreußen und Westpreußen, die beständig über den Verlust der landwirth schaftlichen Arbeitskräfte durch den Zug nach. Westen klagen, haben allen Grund, opferwillig., zu der Vollendung des Gebäudes der Social reformen beizutragen, nm sich eine gesicherte und zufriedene Arbeiterschaft zu erhalten. DaS voll ständige Scheitern der jetzigen Vorlage, welche die Nationalliberalen mit den nichtpreußischen Conservativen nicht durchbringen können, würde den Großgrundbesitzern im Osten der preußischen Monarchie keinen Segen bringen und kann ihnen unmöglich erwünscht sein. Eine Nochmalige Vor legung des Gesetzes in der ihnen angenehmeren ursprünglichen Fassung ist in keinem Falle zu erwarten und wäre auch wohl aussichtslos. Wahrscheinlich wird ihnen Fürst Bismarck dies selbst nach Ostern zu Gemüthe führen. Wenn, man sich erinnert, daß der Eanzler in der letzten Session die Verhandlungen mit einer Rede ein leitete, in welcher er zu der Erklärung, daß er- allein der Urheber der Socialreform sei, die Ver sicherung fügte, daß er keineswegs gealtert, sondern- noch völlig arbeitsfähig sei, kann »an sich ine, Voraus denken, daß er nochmals mit aller Energie für die Vorlage eintreten und den ZW