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Vermischtes. — Der verstorbene General Graf v. Werder ! mar zweifellos einer unserer genialsten Krieg». Führer. Vom 26. August 1870 bi» zum iS. Januar 1871 reichte seine Tätigkeit alSOberst- Eommandirender, und in dieser ganzen Zeit hatte -er stet» mit einem numerisch stärkeren Feinde zu thun, zugleich mit einem Feinde, dessen Bravour jeder Werder'sche Bericht rühmend anerkennen mußte. Bon Mundelsheim leitete der General dm Angriff aus Straßburg, und sein letzte» Haupt, quartier hatte et in Brövillier» zur Besiegung de» Gegner», der von Chagey bi» Montbelliard einen leidenschaftlichen Artilleriekampf unternommen hatte. Sech» Stunden lang leistete Werder dem rmaestüm hervorbrechenden Bourbaki erfolgreich Widerstand, obwohl der preußische General nur über die Hälfte der Streitkräfte verfügte, die dem französischen Anführer zu Gebote standen. Da» Vertrauen der Soldaten zu Werder war ein unbedingtes. „Ich kam mir", scherzte er gern, i,oft genug wie ein Abenteurer vor; aber wa» war zu machen? Bei häufig karger Verpflegung durch Strapazen ermüdete Truppen und immer in der Minderzahl. Da» war mein größte» Krieasgeheimniß; es gelang mir meistens, den Feind über unsere Stärke zu täuschen, und richtig glaubte er auch, hinter uns ständen wohl 100,000 Mann." — General v. Werder hinterläßt einen Sohn Hans, welcher den activen Militärdienst bereits verlassen hat, und drei Enkelkinder. Sein Schwiegersohn, Oberst Roeder v. Diersburg, ist Commandeur des 2. Brandenburgischen Feld- artillerieregiments. — Während der Manöver ereignete sich in Dsselwitz bei Herrnstadt in Schlesien folgender Unfall: Ein Kanonier, welcher eine Schlagröhre heimlich zurückbehalten hatte, wollte wissen, wie die Detonation einer solchen sich im Kanonenrohre ausnehm«. Er selber sah in das Rohr vor dessen Mündung hinein, und veranlaßte einen Kameraden, die Schlagröhre einzusetzen und den Draht zu ziehen. Keiner von beiden hatte eine Ahnung davon, daß das Geschütz, der bestehenden Vorschrift entgegen, nicht entladen war, also die volle Pulverladung noch enthielt. Die Wirkung ^uf den vor der Mündung Knieenden war eine schreckliche. Das eine Auge wurde durchschossen, und ist es sehr zweifelhaft, ob bei der Menge der übrigen Verletzungen der Mann am Leben bleiben wird. — * 300 Mark Belohnung sind ausgesetzt auf Entdeckung des Mörders vom Pfarrer Marell zu Passendorf bei Wünschendorf. Zu Kandrzin -wurde ein Mann festgenommen, den man für den Mörder hält. — Bei der Prüfung zum Einjährig-Freiwilligendienst erhielten in Liegnitz :von 11 Prüflingen nur 4 das Reifezeugniß. — Zu Bunzlau wurden 3000 Mk. zu Bohrungen Hei dem artesischen Brunnen bewilligt. — Ein "Bäckerlehrling zu Liegnitz wurde beim unvorsich tigen Umgehen mit Petroleum schwer verbrannt. — Die erste Anpflanzung der Kartoffel in Europa geschah 1587 (also vor 300 Jahren) im Garten Les Arztes Lorenz Scholz in Breslau. — In Alt-Reichenau in Schl, ist ein neuer Curort -(Sauerbrunnen) entstanden. — Zu Breslau wurden «uf einem Boden 2 Sparcassenbücher, in welche 10,000 M. eingetragen, als Nachlaß einer Wittwe -gefunden, die in den siebziger Jahren gestorben. -Eine arme Schwester ist die rechtmäßige Erbin. — Zu Rudolstadt in Schl, wurde der Kutscher Jentsch von einem Pferde so geschlagen, daß er nach einigen Tagen starb. — Die Frau de» Hüttenarbeiters Scheller zu Schönbach bei Rudol stadt wurde beim Füttern von einer Kuh so in Hen Unterleib gestoßen, daß sie nach mehreren Stunden ihren Geist aufgao. — In Goldmann». Horf bei Sohrau wurde eine Magd durch einen Forstaufseher erschossen als er ein geladenes Ge lvehr im Scherz auf sie abdrückte, das er für pngeladen hielt. — Eine Baucatastrophe hat sich in Fried lich» Hagen bei Berlin ereignet. Bei dem Neu bau derGladenbeck-Gießerei stürzten die angefangenen Gallerien theilweise zusammen, wobei 7 Personen verunglückten. Ein Arbeiter war sofort todt, vier find schwer, zwei tödtlich verletzt. Die Schuld an der Catastrophe trägt die mangelhafte Eon- jtruction. — Metz bekommt mehr und mehr ein deutsches Aussehen. Es ist jetzt auch die Ordre erlasse», Haß alle Firmen in erster Linie mit deutschen Aufschriften versehen sein müssen. Die Maler MabtN gewaltige Arbeit, die französischen Inschriften MtM^euKhe zu ersetzen. ..... ... — Sollen wkr bes offenen Fenstert» schlafen? Professor Birchow sagt nein und äußert sich wörtlich wie folgt! „Da» Ausströmen verdorbener Lust erfolgt nur vei Verschiedenbeil der Temperatur; e» unterbleibt, »denn die kalte Außenluft auch bereit» da» Zimmer erfüllt. Dann können jedoch bedenkliche KraakheitSerscheinunaen ««treten, und manche Personen haben an dieser irrigen Ansicht schon ihr Leben eingebüßt. UebrigrnS findet eine Ventilation auch bei geschlossenen Fenstern statt, nämlich durch die Wände, und selbst durch die dicksten Wände (d. h. wenn sie gut auSgetrvcknet sind)." — Rendsburg, 18. September. Tin sehr betrübender Unglücksfall hat sich vor einigen Tagen auf der zwischen hier und Neumünster liegenden Feldmark Jnnien zugetraaen. Durch einen unglücklichen Fehlschuß wwckw ein Rentier Schultz au» Hamburg auf der Jagd schwer ver wundet. Der nicht minder bedauernSwerthe Schütze, ein intimer Freund des Schwerverletzten, wollte, Angesichts des auf den H»d getroffenen Freundes, Hand an sich legen, und nur dem Dazwischentreten des Feldvogts ist eS zu danken, daß an dem UnglückSort nicht noch eine zweite Catastrophe eingetreten ist. Der Getroffene, welchem über 100 Schrotkörner tief in den Unterleib eingedrungen waren, ist seinen Leiden bereits erlegen. — Von der böhmischen Grenze, 18. Septbr. Die große Schmugglergeschichte, die jetzt in Wien so großes Aufsehen macht, hat sich in ihren Anfängen in der Gegend von Graslitz abgespielt. Die Wiener Cünfectionäre, die jetzt in Untersuchungshaft sitzen, hatten Tüll und Spitzen in Sachsen gekauft und diese Artikel durch bezahlte Leute Nachts über die Grenze nach Graslitz bringen lassen, von wo sie nach Wien gesandt wurden. Der österreichischen Regierung wurde die Sache verrathen; deshalb wurden die Grenzzollbeamten in Graslitz vermehrt. Trotz aller Nachforschungen konnte man der Sache nicht auf die Spur kommen. Das war ganz natürlich, weil die Wiener Firmen inzwischen ihren Plan geändert, Unterbeamte des Zollamtes be stochen und es soweit gebracht hatten, daß sie z. B. statt 10 nur 2 fl. Zoll bezahlten. Daß hier seit der Erhöhung der Zölle viel Schmuggelei getrieben wird, ist bekannt. Aus Wien wird übrigens gemeldet, daß wiederum neue Verhaf tungen von Beamten und Geschäftsleuten bevor stehen. — Eine entsetzliche Blutthat trug sich an vergangener Mittwoch Abends in Teplitz zu. Der aus dem Orte Sollnitz bei Reichenau gebürtige 23jährige Bäckergehilfe Joseph Myska hatte bereits seit zwei Jahren mit der aus dem selben Orte stammenden 19jährigen Näherin Anna Nowak ein Liebesverhältniß. In letzter Zeit gab es zwischen den beiden Liebesleuten allerhand Zwistigkeiten, bis eines Tages die Nowak dem Myska erklärte, daß sie von ihm nichts mehr wissen wolle. Die Näherin Nowak hatte inzwischen bei der Geschäftsinhaberin Frau Marie Palme in Teplitz Arbeit gefunden. Am Mittwoch Abend gegen 6 Uhr betrat Myska den Hof des Gebäudes Nr. 322 am Marktplatze in Teplitz und sah die genannte Näherin in der Werkstätte allein sitzen; er trat an das Fenster und schoß aus einem sechsläufiaen Revolver der ahnungslosen Nowak eine Kugel vurch ha» Fenster direct m das Gesicht. Die Nowak sprang auf, in demselben Momente krachte auch schon ein zweiter Schuß, welcher dem Mädchen in die linke Schulter drang. Trotz der Verwundung fand das Mädchen noch die Kraft, in den ersten Stock zu eilen. Der Attentäter glaubte jedoch, daß sich das Mädchen im Zimmer versteckt habe und wollte in dasselbe eindringen; zu diesem Behufe mußte er einen steinen Umweg um die Ecke des HofgebäudeS machen und bemerkte daher nicht, daß das Mädchen in den elften Stock geflohen war, sonst wäre er ihr unzweifelhaft dahin gefolgt. Er wähnte sie aber noch in dem Arbeitszimmer im Parterre und stürzte zur Thür desselben hin. Hier stand nun, vom Lärm herbeigeführt, der 78 Jahre alte Prokop Köhler, der Vater der Geschäftsinhaberin, welcher den Daherstürmenden zurückstoßen wollte. Letzterer feuerte aber auf den alten Mann ebenfalls einen Schuß ab; die Kugel drang demselben in den Unterleib und er stürzte sofort zusammen. Jetzt war die Bahn frei und Myska stürzte ins Zimmer; hier kand er jedoch die Gesuchte nicht mehr. Durch den Lärm der Schüsse und da» Geschrei herbeigelockt, hatte sich bereit» eine ungeheuere Menschenmenge vor dem Hause und vor der ThürrdeS Zimmer», »n Letzterer sah, daß die herbeigeholt« Polizei An stalten machte, in da» Zimmer zu dringen, droht» er mit twrgehaltener Schußwaffe Jeden zu t-dten, der sich ihm nahen wollte. E» wurde nun um Tendarmerieverstärküng geschickt, welch« auch sofort anlangte. Der Gendarmeriepostenführer Purkerl trat nun mit vorgehaltenem Teniehr zur Thür. Doch kaum hatte Myska da» Bayonnet durch die Glasscheiben erblickt, drehte er sich um und schoß sich im nächsten Moment eine Angel in den MuNd, welche ihm in den Kopf drang. M. stürzte sofort bewu ßtloS zu Boden. E» wurde nunmehr die TranSportirung der drei Personen in da» Friedrich-Wilhelm-Spttal veranlaßt und dort sofort ärztlicherseits alle nöthigen Vorkehrungen ^trUen^DerTHSterPoseph^HyA war jedoch Leiche, während der 78jährige Kühler um 1U» Nacht» den Verletzungen erlag. Der Zusta« des Mädchens, welches zwei Schußwunden ey hatten hat, ist bedenklich. Der Vorfall erre« selbstredend große Aufregung in der Stadt. — In der Nacht zum 14. d. wurde in mehrere« Ortschaften des Temeser Banats ein ErdhebH verspürt. Am heftigsten war dasselbe in DeutsH Szt.-Peter im Temeser Comitat, wo e» dM Secunden dauerte. Mehrere Häuser wurden arg beschädigt, zahlreiche Rauchfänge sind eingestürzh DaS Erdbeben hatte die Richtung von Südwest nach Nordost. — Aus Messina kommt die Meldung, dich die Cholera immer noch zunimmt. Die ZaP der täglichen Todesfälle »st über 100. Der Handel stockt völlig; wer kann, flieht. — In Messina ist die Cholera-Panik auf'» Höchste gestiegen und man weigert sich, die TodteU zu begraben. Fast alle Geschäfte sind geschlossen: Die orodlosen Arbeiter zogen vor das Rathhau- und verlangten Brod und Arbeit. Der Köysg Humbert wurde in der nächsten Zeit auf Sizilien zum Besuch der Choleraorte erwartet. In Troina sind drei Aerzte vom wahnsinnigen Pöbel er mordet worden. In Rom sterben 10—20 Per sonen pro Tag an der Krankheit. Uebcr den schrecklichen Sturm, der VÜM 11. bis 14. Juli an der Küste SüdbrasilienS und Uruguays zwischen Rio Grande do Sul mch Montevideo gewüthet hat, bringen die neuestes südbrasilianischen Zeitungen folgende Einzelheiten: Es sind bis jetzt 19 Schiffbrüche bekannt ge worden. Es sind dies die Dampfer Rio Aga; Cavour, Magellans und Jaguarao, die Segel schiffe Evora, Guilhermina, Nefert, Lake of PatoS, Telemach, Almirante, Miaulis, Marchino Genova, San Battistino und sieben andere, deren Namm noch unbekannt sind. Das größte Unglück hat den brasilianischen Küstendampfer Rio Aga be troffen, der mit Mann und Maus untergegangm ist. Der Dampfer fuhr am 5. Juli mit 107 Personen an Bord von Rio de Janeiro ab nach Süden. In den südbrasilianischen Häfen kam ohne Zweifel noch eine größere Anzahl von Fahrgästen hinzu, sodaß zur Zeit des Unglücht gewiß 150 Personen an Bord gewesen sein weMn. Unter diesen haben sich, sovtel man weiß, ein nach Montevideo reisender österreichischer Consul, ein deutscher Arzt vr. G. Meyer, ein deutscher Kaufmann aus Curityba und eine junge deutsche Dame befunden. Die sämmtlichen 20 angetriebenen Leichen waren mit Schwimmgürteln versehen. Da einige der Leichen Stich- und Hiebwunden zeigten und einzelne Holztheile der angeschwemmten Kajüten blutig waren, so vermuthet man, daß vor dem Untergang des Schiffes heftige Kämpfe stattgefunden haben, wahrscheinlich um die Boote und die Schwimmgürtel. Nach dem Erhaltungs zustand der an die Küste getriebenen Leichen zu urtheilen, muß der Rio Aga faßt zwei Wochen' lang hilflos auf dem Ocean umhergeschwommen sein, ehe er untersank. Die Strandbevölkerung Rio Grande do Suls hat sich bei dieser Gelegenheit in einem häßlichen Lichte gezeigt. Die gestran deten Güter sind geraubt, die Leichen bestohlen worden; auf gestrandete Schiffe sind, zum Theil mit bewaffneter Hand, Angriffe zum Zweck der Plünderung gemacht worden, so z. B. auf den englischen Dampfer Cavour, dessen Besatzung diesen Angriff aber zurückgewiesen hat. Genau läßt sich der Verlust an Gütern und Menschen leben noch nicht übersehen, ^»och dürften reichlich 200 Menschen den Tod gefunden habdy. Auch am La. Plata hüt der Sturm viESWM angerichtet. Go sind im Hafen von Colonia 2 > Boote eines rnglWen Kriegsschiffes mit 1y Offizieren und 28 MattofiU untergegangen.