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Ein Reichswohnungsgesetz soll im nächsten Reichstage eingebracht werden, um die Mängel der Wohnungen der kleinen Leute heben zu können. So berichtet die Bauwerkszeitung. Mit der Ausprägung der neuen 20-Pfennig- stttcke in Nickel sind die Münzstätten in Berlin, München, Stuttgart und Karlsruhe beschäftigt; es sind bis Ende Juli hiervon bereits 7,720,340 Stück geprägt worden. Das Armee - Verordnungsblatt veröffentlicht eine Cabinetsordrc des Kaisers, nach welcher das nach 8 47 der Disciplinarstrafordnung für das Heer zulässige Strafmittel des Gewehr- oder Satteltragens in Wegfall kommt. Auf Grund der cingegangenen amtlichen Berichte über die Verbreitung der Reblaus, welche dieselbe unter demüthigenden Bedingungen erfolgt sei. Dies dürfte insoweit zutreffen, al- der abessinische Heerführer, der früher fH die Befreiung I des genannten Mllalieds der Erpedmon Salimbeni eine Anzahl Gesvtyre und Munition verlangte, sich jetzt mit einer tmsehnlichen Gelosumme begnügte. Es erscheint außer Zweifel, daß der Versuch der Mobilmachung eines französischen Hrmxc- cörpS schon in den nächsten Tagen stattfinden und daß das 17. Armeecorps dazu ausersehen sein wird, dieses eigenthümliche Experiment zu vollziehen. Der Oberbefehlshaber dieses Truppen- Heils, dessen Hauptquartier sich in Toulouse be findet, General Breart, gilt als ein sehr tüchtiger Heerführer. Von den 25 französischen General- räthen, deren Session am Montag eröffnet wurde, haben 72 republikanische Vorsitzende gewählt. In dein Generalrath der Vogesen hielt der zum Präsidenten gewählte Staatsmann Ferry eine Eröffnungsrede, in der er seine engeren Lands leute zu ihrer zähen Vorliebe für positive Politik beglückwünschte, welche die Vogesen gegen den Hader der „oberflächlichen Bewegungen" und gegen den „PariserExport-Radikalismus" schütze. Im Tarndepartement erklärte der zum Vorsitzenden gewählte Marineminister Barbey, daß das Cabinet Rouvier keine Kampfregierung sein wolle, sondern den Frieden und Reformen anstrebe. Sehr scharf wird die auswärtige Politik des Ministeriums Rouvier von der „Justice" Clemenceans ange griffen, welche der französischen Regierung vor wirft, sich auf der einen Seite auf Giers, auf der andern auf Bismarck zu stützen und die französische Republik in der Achtung des freien Volkswillens in Bulgarien von Italien beschämen zu lassen. König Leopold von Belgien erhielt von dem belgischen Consul in Zanzibar, Cazenave, die bündigsten Versicherungen, daß die von dem dortigen französischen Consul aufrecht erhaltene Nachricht von der Ermordung Stanley's der Begründung entbehre. Die in diesen Tagen von der Fischerbevölkerung in Ostende verursachten ersten Ruhestörungen zogen ein scharfes militärisches Eingreifen nach sich, bei dem es leider zu Blut vergießen kam. Der Entschluß der englischen Regierung, die irische Nationalliga als eine gefährliche Ver bindung zu erklären und damit deren Unterdrückung anzubahnen, hat in Dublin eine großartige Protestversammlung veranlaßt und den englischen Demokraten Bright angeregt, die englischen Radikalen zum Eintritt in die verpönte Verbin dung aufzufordern. Im englischen Unterhause bekämpfte Gladstone am Donnerstag die Procla- matiou der englischen Negierung durch einen Antrag, in welchem erklärt wird, daß dem Hause keine Mitthcilung zugegangen sei, welche den Erlaß rechtfertige. Der Generalsceretär für Ir land, Balfour, sprach sich gegen diesen Antrag aus, widerlegte die Behauptungen Gladstones in entschiedener Weise. Die aus Teheran eingerroffene Meldung, daß von dort der bisher gefangen ge haltene Ayub Khan mit anderen afghanischen Häuptlingen nach dem russischen Gebiet entkommen sei, läßt neue Befürchtungen in Afghanistan be fürchten. Prinz Ferdinand von Koburg, der nm vor vergangenen Montag seinen Einzug in die bul garische Hauptstadt hielt, empfing von der Pforte die Mittheilung, daß sie die Besitzergreifung des bulgarischen Thrones als ungesetzlich ansehe, nnd von dem Sultan selbst die Aufforderung, Bulgarien wieder zu verlassen. Der bulgarische Ministerrath beschloß darauf am Mittwoch, diesen letzten Schritt als ungeschehen zu betrachten, aber eine Ver ständigung mit der Pforte zu versuchen, von der man kein thatkrästiges Eingreifen erwartet, da ein solches nur zu blutigen Kämpfen führen würde. Besser wäre es jedenfalls, das Feuer in Bulgarien nur auf seinen Heerd z» beschränken, bis es in sich erlischt, statt Maßregeln zu treffen, die einen Weltbrand Hervorrufen könnten. Deutschlands im Voraus gefaßt sein, zumal er wußte, daß er nicht von dem rechtmäßigen Par lament des vom Berliner Congreß geschaffenen und unter den Schutz Mropas gestMen. Bul- gareüstaats, sondern voneiner NMortalvMantmlung »um Fürsten gewählt war, welche Äs Vertretung ver von EuroM noch nicht anerkannten Veremi- W»g M BuWrjw isnd Ostiumelien zu dieser Wahl keine gesetzmaßigeBerechtigung hesäß. Die Fahrt des Prinzen von Ebenthal nach Sofia gilt der deutschen Reichsregierung um so mehr als eine Verletzung des Berliner Vertrags, als dieses Wagstück von dem Suzerän des Bulgaren staates, dem Sultan, entschieden mißbilligt wurde, außerdem aber jede Bürgschaft dafür fehlt, daß dadurch ruhigere Zustände in dem vielgeprüften Lande hergestellt werden. Nach der Stellung, welche der bulgarische Kriegsminister Nikolajew in letzter Zeit der Regentschaft gegenüber einnahm, erscheint die Zuverlässigkeit des bulgarischen Heeres unter dem jetzigen Regiment doch noch etwas fraglicher als unter der Herrschaft des Siegers von Sliwnitza; noch gefahrdrohender ist aber der Widerwille der orthodoxen Hierarchie gegen den katholischen Prinzen, bei dessen feier lichem Empfang der Metropolit Clement von Sofia kühn genug war, eine Lobrede auf Ruß land zu halten. Vermuthlich wäre es dem deutschen Reichscanzler hochwillkommen, wenn der zum Fürsten von Bulgarien gewählte deutsche Prinz das Unhaltbare seiner Stellung baldigst einsehen und friedlich nach seinem Schlosse Eben thal zurückkehren würde. Rußland kann nichts Besseres thun, als den Zeitpunkt abwarten, wo Prinz Ferdinand sich freiwillig zur Rückkehr ent schließt, denn wenn auch die gesammten Mächte unter Deutschlands Führung das Vorgehen des Koburgers in Bulgarien als gesetzwidrig erklären und ihre Vertreter aus Sofia abberufen, so ist es doch noch sehr fraglich, ob sie auch einem bewaffneten Einschreiten Rußlands ihre Zustim mung ertheilen würden. Dagegen erheben sich sogar in Frankreich bereits gewichtige Stimmen und würden die meisten übrigen Mächte entschieden Einspruch erheben. In Petersburg fühlt man sehr gut, was jetzt von der deutschen Politik abhängt, und deshalb werden die Maßregeln gegen die Ausländer plötzlich wieder sehr milde gehandhabt und ist die Absicht der panslavistischen Kreise Rußlands, eine Adresse an den General Boulanger abzusenden und ihn zum Besuch Mos kaus einzuladen, noch rechtzeitig vereitelt worden. Um fast unerträgliche Mißhelligkeiten zu beseitigen, sollen demnächst zwischen Deutschland und Frank reich wegen des Aufenthaltes der deutschen Landesangehörigen in Frankreich und der Fran zosen in Deutschland Verhandlungen stattfinden. — Das für die wirthschaftlichen Verhältnisse Deutschlands wichtige Unternehmen einer Actien- gesellschaft für bessere Verwerthung des Spiritus ist zur Stunde noch nicht gesichert. Fürst Bis marck bezeichnete das Unternehmen als ein nützliches und wünschte demselben gutes Gedeihen; von einer Bethciligung glaubte er indeß mit Rücksicht auf seine ministerielle Stellung Abstand nehmen zu sollen. Nichts kennzeichnet die in Oesterreich- Ungarn obwaltenden schwierigen Verhältnisse besser, als die verschiedene Beurtheilung, welche die czechischen Ansprüche bei den Magyaren, den Polen und den deutschen Clerikalcn erfahren. Während die deutschliberalen in Böhmen sich rüsten, bei den Ergänzungswahlen zum böhmischen Landtage nur solche Abgeordnete zu wählen, welche die Prager Landtagsstube nicht eher betreten, als bis die billigen Ansprüche der Deutschen erfüllt sind, erhebt sich unter den Czechcn Böhmens und Mährens ein wahrer Entrüstungssturm gegen den Unterrichtsminister v. Gautsch, welcher von dem czechischen Lärm unbeirrt mit der Verminde rung der Mittelschulen fortfährt. Sowohl der „PesterLloyd" wie der polnische „Czas" betonen, daß die Czechcn unter der Aera Taaffe mehr nationale Vortheile errungen haben, als irgend ein anderer Volksstamm und zu dem jetzt ge zeigten Unmuth um so weniger Ursache haben, als ihre Begeisterung für Rußland sehr schlecht zu ihrer angeblichen Regierungsfreundlichkeit paßt. Nur die deutschen Clerikülett suchen das Bündniß mit den Czechcn noch aufrecht zu erhalten, deren Partei das von den beiden Fürsten von Lichten stein inspirirte clerikalc „Grazer Wochenblatt" ergreift, trotzdem der Minister von Gautsch erst kürzlich durch Aufhebung des Bozener Gymnasiums den Clerikalen in Tirol seinen guten Willen deutlich genug bekundete. Von den italienischen Blättern wird die endliche Freilassung des so lange von RaS Alula gefangen gehaltenen Grafen Savoiroux als ein Tnumph bezeichnet, und in Abrede gestellt, daß eine höhe Gefahr für den ganzen Rheingau er gebe», verfüate der Reichscanzler in Gemeinschaft mit deW Mmskm der Finanzen und der Land- wirthschaft, dH schleunialt «ne Eonferenz der Behörden, HeS HufsichMomniffar« und der Sach verständiges stattfinden solle behufs Berathung der für den Rheingau zu treffenden Vorsichts maßregeln.^ Äse Confertnz wurde am 26. d. unter dem Vorsitze des Oberpräsidenten in Biebrich abgehalten. In Kiel ist am Montag der internationale Astronomencongreß in der Aula der Universität unter dem Vorsitz des Geheimraths Auwers- (Berlin) eröffnet worden. Die zahlreiche Ver sammlung, in welcher sich auch Delegirte aus Oesterreich, Frankreich Schweden-Norwegen und Amerika befanden, wurde im Namen der Staats regierung von dem Oberpräsidenten Steinmann begrüßt. Seitens der Universität bewillkommnete Rector Prof. Hensen den Congreß. Hierauf sprach Geheimrath Auwers besonders der Regierung den Dank aus für das der Versammlung bewiesene Interesse. Für den nächsten Congreß wurden Brüssel nnd München vorgeschlagen. Kiel, 28. August. Das Ostseegeschwader ist heute Vormittag 11 Uhr, nach Beendigung seiner Uebungen, aufgelöst worden. Der Chef der Admiralität, General-Lieutenant v. Caprivi, ist nach Berlin zurückgekehrt. Der deutsche Reichspostdampfer „Sachsen" hat von Shanghai bis Suez den französischen Postdampfcr „Ocöanien", welcher als einer der besten gilt, um volle 44 Stunden geschlagen. „Sachsen" langte in Suez am 3. Juli um 4 Uhr Nachmittags an, „OcSanien" am 5. Juli Mittags. Von Shanghai gingen „Ocöanien" und „Sachsen" fast zugleich ab, am Morgen des 4. Juni. „Ocöanien" stach aber sofort in See, während „Sachken" in Wosung auf die um 2 Uhr früh am 5. Juni eintreffende Post wartete und dann durch ungünstige Fluthverhältnisse noch bis gegen lO^/z Uhr am Morgen des 5. Juni in Wosung festgehaltcn wurde. Wegen Verunglimpfung der deutschen Flotte resp. Beleidigung des Corvettencapitäns Nötiger (es handelte sich um die Besprechung von Maß nahmen des Capitäns auf den Marschall-Inseln, die er gegen Missionäre ergriffen haben sollte) verurtheilte das Berliner Landgericht den Re dakteur des „Neichsbotcn", Pastor Engel, und den Pastor Kriele zu Lauchstädt bei Wolkenburg zu je 300 Mark Geldbuße eventuell 20 Tagen KM Gefängnis;. Wie gemeldet wird, kollidirte ein englisches Torpedoboot, auf dem sich die deutsche Kron prinzessin befand, am letzten Donnerstag auf der Höhe von Cowes mit dem Wachtschiffe „Jnvin- cible. Ueber den Unfall liegen jetzt einige weitere Nachrichten vor. Die Kronprinzessin begab sich an dem genannten Tage, nachdem sie in Ports mouth das Marinehospital besichtigt hatte, in Begleitung des Capitäns Fullcrton an Bord des Torpedoboots Nr. 79, um mit demselben die Rückfahrt anzutreten. Der Führer deS Tor pedobootes beabsichtigte, den königlichen Herr schaften einige Manöver zu zeigen und wollte zu diesem Zwecke mit voller Fahrt um das un weit Cowes stationirt liegende Wachtschiff „Jn- vincible" herumgehen. Nachdem der Hintertheil des Schiffes passirt war, wurde das Ruder hart nach Steuerbord übergelegt, um an die andere Seite des „Jnvincible" zu gelangen. Dann wurde der Befehl gegeben, das Ruder mitschiffs zu legen, doch war es nicht möglich, das Ruder zu bewegen, und ehe noch irgend etwas gethan werden konnte, rannte das Torpedoboot recht in die Seite des Wacht- schiffes hinein. Der Zusammenstoß verursachte eine furchtbare Erschütterung auf dem kleinen Fahrzeuge, dessen Steven fast in zwei Theile ge spalten wurde; außerdem litt der Bug der Tor pedobootes schweren Schaden. Die königlichen Herrschaften und die übrigen an Bord befindlichen Personen waren im ersten Moment sehr erschreckt, da man den Umfang des Schadens nicht kannte. Mit Blitzesschnelle wurde von der in Bereitschaft liegenden königlichen Dacht „Victoria und Albert" eine Barcasse zu Wasser gelassen, welche eiligst nach dem Torpedoboote abdampfte nnd die könig lichen Herrschaften aufnahm, welche alsdann mit der Dacht nach Cowes zurückkehrten. Der Zu sammenstoß, der sehr leicht schwere Folgen hätte haben können, verlief so günstig, wie irgend möglich, so daß die hohe Frau mit dem bloßen Schrecken davonkam. Das Torpedoboot kehrte unter Dampf langsam nach dem Hafen von Portsmouth zurück, wo es reparirt wird. Die allmächtigen Czechcn sind ein klein wenig in Ungnade gefallen! Bei Hofe und im Ministerium . verfolgt man schon seit Jahr Usid.