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Den Wehrpflichtigen 1) Curt Erasmus LehMM«, geboren am 14. Nsvemker, 1864 m LHe»Neukirch L. wohnhaft zuletzt in WWNH unt» > 2) Grifft Julius Mutsther, geboren am 29. November''1v66 zü WeUsHrf beiMMvmU zuletzt inOber-PuMU wohnhaft wird in Gemäßheit 8 40 Abs. 1 der Str.-P.-O. hierdurch bekannt gemacht, daß die Königliche Staatsamvaltschas, hier wihrr dicselbm auf Grund 8 140 Abs. 1 oo. 1 des ReichS-Str.-Gch.-Bch». wegen Verletzung der Wehrpflicht Anklage erhoben hat. Die Genannten werden auf Anordnung des Vorsitzenden der Ferienstrafkammer des Königlichen Landgerichts Hierselbst zugleich aufgefordert, sich innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen zu erklären, ob sie eine Voruntersuchung oder die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen, oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wollen. Bautzen, am 22. Juli 1887. Grnhle, Gerichtsschreibcr des Königlichen Landgerichts. Politische Wcltschau. Das herrliche Wildbad Gastein, welches sich so oft an dem deutschen Kaiser als Jungbrunnen bewährte, beherbergt abermals den greisen Mo narchen, welcher auf den ihm von dem Statthalter Grafen Thun bestellten EmpfangSgruß des Kaisers von Oesterreich fröhlich erwiderte: „Ich freue mich, wieder in Gastein zu sein!" Die herzliche Begrüßung, welche dem deutschen Kaiser bei der Fahrt von Bregenz nach Gastein überall durch die österreichischen^ Behörden, das Volk und die Presse Oesterreichs zu Theil wurde, der Jubel bei dem Empfang deS hohen Curgastes in dem Wildbade selbst bewiesen deutlich, daß das deutsch österreichische Bündniß nicht nur aus politischen Gründen unerschütterlich' ist, sondern auch auf der breiten Grundlage der Volkssympathien ruht. Gerade deshalb ist aber das deutsche Reich nicht in der Lage, den Preis zu zahlen, den Rußland für seine Wiederannäherung verlangt, die Gewährung voller Actionsfreiheit im Orient. Die deutsche Reichsregierung ist nicht gesonnen, etwas zuzulassen, was den Frieden Oesterreichs- Ungarns gefährden könnte, um so weniger, als Rußland durch eine ganze Reihe von tief ein schneidenden Maßnahmen sowohl die wirthschaft- lichen Interessen Deutschlands schädigte, als anch die im Czaarenrciche lebenden Deutschen auf's Tiefste kränkte. Es hat dies in den maßgebenden deutschen Kreisen um so größeres Mißvergnügen erweckt, als dieselben viele Jahre hindurch selbst mit hohen Opfern sich bemühten, die alten freund schaftlichen Beziehungen zu Rußland aufrecht zu erhalten, als der russische Staat nur mit deutschem Capital im Stande war, zahlreiche Eisenbahnen zu bauen und seine Armeen auszu rüsten. Die Ueberzeugung, daß die Panslavisten es trotzdem vermochten, den Czaarcn aus der Freundschaft mit Deutschland herauszuziehen, und zu feindseligen Maßregeln zu bestimmen, wirkte in Berlin so verbitternd, daß die preu ßischen Regierungsblätter begannen, die Finanz lage Rußlands schonungslos bloszustellcn und die deutschen Capitalisten vor der Betheiligung an russischen Anleihen zu warnen. Als Grund der Befehdung der russischen Werthe gab die ».Neue Preuß. Ztg " die Nothwendigkeit an, das deutsche Capital vor den Folgen eines etwaigen russischen Staatsbankerotts zu schützen und durch Verschließung des deutschen Geldmarktes den Haupturheber der fortwährenden Beunruhigung Europas und dessen unbändigen Machterwciterungs- trieb, der eine halbe Welt in ihrer naturgemäßen Entwickelung aufhält, auf ein Menschenalter lahmzulege». Wie cs scheint, handelt es sich bei diesen Angriffen nicht nur um leere Drohungen übereifriger Regierungs-Organe, denn zwei längere Besprechungen, welche der englische Finanzmann Lord Rothschild mit dem deutschen Staatssekretär Grafen Herbert Bismarck hatte, veranlaßten den Ersteren zu der Erklärung, daß man in England ebenso wenig wie in Deutschland Lust verspüre, sich an einer etwaigen neuen russischen Anleihe zu betheiligen. Zu der ge planten Ausschließung der russischen Papiere von der Lombardirung bei der Deutschen Reichsbank ist cs bis jetzt noch nicht gekommen, doch er- wartet man, daß Fürst Bismarck als oberster Chef der Reichsbank eine derartige tiefwirkcnde Verfügung in kürzester Frist veranlassen werde, wenn man in Petersburg nicht baldigst die pan- slavistischen Kreise zurcchtweist, denen der jetzige russische Finanzminister Wyschnegradski entnommen ist. Die Verhältnisse gestatten es der deutschen Rcichsregiernng nicht mehr, feindselige Nachbarn mit Sammethandschuhen anzufassen. Die Milde, mit der bisher die Französlinge in den Reichs landen behandelt wurden, hat schlimme Dinge ge zeitigt, über die in den vor dem Reichsgericht verhandelten Landcsverrathsprozessen erst Klarheit gewonnen worden ist. Die französische Patrioten liga scheint aber noch weiter gegangen zu sein, da in den Casernen von Mainz bei verschiedenen dort garnisvnirenden elsässischen und lothringischen Soldaten Schriftstücke vvrgcfunden worden sein sollen, aus welchen hervorgehe, daß diese Mann schaften mit Mitgliedern der Patriotenliga in engster Verbindung standen. Inwieweit diese Leute dabei gleichzeitig Landesverrath verübt haben, ist bis jetzt nicht in Erfahrung zu bringen gewesen, da von den Militärbehörden daS strengste Geheimniß über die ganze Untersuchung beobachtet wird. Fast gleichzeitig sind die Berliner Be hörden dem dort bestehenden geheimen socialdemo kratischen Centralcomitee auf die Spur gekommen und haben die bisher öffentlich wenig hervorge tretenen acht Mitglieder desselben verhaftet. — Das Ableben des Geh. Commerzienrath Alfred Krupp in Essen, des sogenannten Kanonenkönigs, veranlaßte vielfach Zweifel daran, ob dessen zur Weltbedeutung gelangten großen Gußstahlwerke unvermindert fortbestehen würden. Diese Frage darf nach der als „Manifest" zu erachtenden Erklärung des jetzigen Besitzers der Gußstahl fabrik, des Herrn Friedrich Alfred Krupp, an die „Beamten und Arbeiter", als im günstigsten Sinne für die nachhaltigste Fortführung beant wortet, betrachtet werden. Während man bisher annahm, daß die österreichisch-üngarische Regierung die Ver handlungen über die Erneuerung des deutsch österreichische» Handelsvertrages sehr bald beginnen lassen werde, verlautet jetzt, daß der Beginn dieser wichtigen Unterhandlungen etwas hinaus geschoben werden wird. Die österreichisch-unga rische Regierung beschloß nämlich, noch vorher den Handelsvertrag mit Italien zu erneuern, worüber die Unterhandlungen demnächst in Rom beginnen werden. Die Arbeiten zur Organisa tion des österreichischen Landsturmes sind nahezu vollendet. Die Gesammtzahl der marschfähigen Landsturm-Bataillone beträgt 106 und jedes dieser Bataillone besteht aus 1200 bis 1500 Landsturmpflichtigen des ersten Aufgebots sammt den dazu gehörigen Landsturmoffizieren. Die im Schlosse Ebenthal begonnenen Verhandlungen zwischen dem zum Fürsten von Bulgarien ge wählten Prinzen Ferdinand von Coburg und der Deputation der Sobranje sind in Wien fortgesetzt worden, ohne ein rechtes Ergebniß zu liefern. Die Deputation reiste deshalb sehr niedergeschlagen ab und ließ in Wien nur eine Delegation zurück, welche die endgiltige Ent scheidung des Prinzen entgegennehmen soll. Infolge der seltsamen Erklärung des belgi schen Ministeriums Beernaert, daß es aus der unveränderten Annahme der Recrutirungsvorlage keine Cabinetssrage machen werde, lehnte die clerikale Mehrheit der belgischen Kammer die von dem König Leopold II. selbst dringend befür wortete allgemeine Dienstpflicht ab. Bei einer am 20. d. M. in Brüssel stattgefundenen Truppen schau hielt aber der bei dem Monarchen in hoher Gunst stehende General Vandersmissen eine An sprache an die Offiziere, in welcher er beklagte, daß die Kammer das Prinzip der persönlichen Militärpflicht abgclehnt habe. Der General sprach die Ueberzeugung aus, daß das Land nicht säumen werde, die Nothwendigkeit anzu erkennen, die Necrutirung der Armee auf anderen Grundlagen als bisher erfolgen zu lassen. Auf die italienische Jugend hat das Decret des Königs Humbert, durch welches ein Frei willigencorps für die afrikanischen Colonien ge schaffen wird, eine begeisternde Wirkung ausge übt. In Bologna erbat sogar ein mehrfacher Millionär, der Fürst Filippo Hcrcolani, die Er- laubniß zum Eintritt in diese neue Truppe, die nach der etwaigen Heimkehr der italienischen Soldaten den Sicherheitsdienst in den afrikani schen Garnisonorten versehen soll. Am Donnerstag traf König Humbert in Livorno ein und bestieg die Jacht „Savoyen", um das dort ankernde Geschwader Revue passiven zu lassen. Die An näherungsversuche des Papstes an die italienische Regierung dürfen als gescheitert gelten, da das Rundschreiben des Cardinal - Staatssekretärs Rampolla an die päpstlichen Nuntien die Rechte des Papstes auf eine weltliche Herrschaft in einer Weise betont, die jeden Ausgleich unmöglich macht. Nach langen Debatten nahm auch der fran zösische Senat die Vorlage wegen versuchsweiser Mobilmachung eines Armeecorps, für welche der Kriegsminister Ferron und General Campenon energisch eintraten, mit 172 gegen 82 Stimmen an. Da damit die wichtigsten Gesetzentwürfe erledigt sind, dürfte am Schluffe dieser Woche die Vertagung der französischen Kammern ein treten. Der seit dem Scandal auf dem Lyoner Bahnhof in Paris selbst in radikalen Kreisen unmöglich gewordene frühere Kriegsminister Boulanger läßt durch die „France" Briefe ver öffentlichen, die auf sein Verhältniß zu verschiedenen Parteiführern ein merkwürdiges Licht werfen. Der Führer der Patriotenliga, Döruolode, reiste nach Clcrmont-F^rand, um den dort krank darniederliegenden General Boulanger zu besuchen. Das von dem aus Paris ausgewiescnen deutschen Bäcker Zangerle gegen den Polizeicommissar in Pagny versuchte Attentat wird allgemein als die That eines Irrsinnigen angesehen. Der für England befriedigende Ausgang der Verhandlungen über die afghanische Grenzen frage lenkt zum Glück für das arg erschütterte Cabinet Salisbury die Aufmerksamkeit von der Thatsache ab, daß die Versuche Sir Drum mond Wolffs, den Sultan zur Unterzeichnung des egyptischen Uebereinkommens zu be wegen, fehlgeschlagen sind, und daß Rußland am Goldenen Horn, bis auf Weiteres der vor herrschende Einfluß zugefallen ist. Infolge der Vorstellungen Rußlands und der Drohungen des französischen Botschafters Montebello ver weigerte der Sultan die Ratifikation der Con vention, worauf Sir Drummond Wolff nach monatelangen fruchtlosen Verhandlungen von Constantinopcl abgereist ist, ohne die übliche Ab schiedsaudienz beim Sultan gehabt zu haben. Eine ungewohnte Mäßigung bewies Ruß land bei der Behandlung der afghanischen Grcnzcnfrage, indem es zugab, daß Chodschah Saleh wieder an Afghanistan gelangte und sich dafür mit einem Stück Landes bei Pendschdeh begnügte, das früher den Saryk-Turkmenen ge hörte. Wahrscheinlich legt die russische Regierung jetzt mehr Gewicht auf die erzielte Vermehrung ihres Einflusses in Constantinopel, dem bereits der türkische Großvezier weichen mußte, welcher die englisch-türkische Convention befürwortet hatte. Dem Einfluß des Czaaren wird es auch zuge- schrieben, daß der ihm nahe verwandte Herzog von Chartres nicht nur auf die ihm angeblich zugesagte katholische Erziehung seines Enkels, des Sohnes des Prinzen Woldemar von Dänemark, verzichtete, sondern auch der am 20. d. M. im Schlosse zu Kopenhagen vollzogenen protestan tischen Taufe des Sohnes seiner Tochter selbst beiwohnte. Alle Nachrichten aus Gastein stimmen in der Erwähnung der erfreulichen Thatsache überein, daß das persönliche Befinden des Kaisers Wilhelm ein ausgezeichnetes ist. Gleichgünstig lauten die englischen Berichte über die rasch fortschreitende Genesung des deutschen Kronprinzen. Die Mittheilung eines Berliner Blattes, daß bei Gelegenheit des Besuches des deutschen Kaisers in Danzig dort eine Begegnung mit dem Czaaren, angeblich zur Erneuerung des Bündnisses, stattfinden werde, entbehrt jeder Begründung. Die Krzztg. bemerkt, daß auch auf deutscher Seite keine Veranlassung vorliege, eine solche Entrevue anzuregen. Sie wäre vielmehr von Rußland zu suchen. Das kronprinzliche Paar wird, wie der „N. Pr. Z." aus Mailand geschrieben wird, im Sep tember einen längeren Aufenthalt in Ober-Italien nehmen. Es heißt, entweder Pegli oder Venedig werden dazu ausersehen sein. Der „Reichsanz." veröffentlicht das Gesetz, betreffend die Ernennung und die Besoldung der Bürgermeister uud Beigeordneten in Elsaß- Lothringen. Die „N. Pr. Z. führt aus, gegenüber der Mobilisirungsprobe in Frankreich dürfte Deutsch- and Vorkehrungen treffen, welche zum Mindesten oweit reichen, jedem unvorhergesehenen Zwischen alle, sowie jeder Ueberraschung gegenüber gerüstet zu sein. Man schreibt aus Wesel: Die Erweiterung der Festung ist beschlossene Thatsache. Dieselbe soll in weiteren Dimensionen um die Stadt herum.