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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 23.04.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190704235
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19070423
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19070423
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-04
- Tag 1907-04-23
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Monat
1907-04
-
Jahr
1907
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klagten je einen Zahn der Leiche. Auch der Angeklagte nahm einen Zahn an sich. Er trägt diesen heute noch gewissermaßen als Talisman bei sich in der Geldbörse und behauptet, daß er seitdem im Kartenspiel immer Glück habe, während er früher fortdauernd verlor. Eine Zeugin ist sehr traurig darüber, daß sie ihren Zahn verloren hat. Sie habe, so sagt sie, jetzt kein Glück mehr. Oberstaatsanwalt Bernhardt, der die Anklage vertrat, erblickt in der Tat des Angeklagten keine böswillige Absicht, sondern neigt der Ansicht zu, daß der Be schuldigte unter dem Einfluß des Traumes gehandelt habe. Immerhin sei aber eine Schädigung des Grabes als erwiesen zu erachten. Das Gericht erkannte auf Freisprechung. - Meißen, 19. April. Beim Umbau des Schellen- bergschen Hauses an der Neugasse hier hat man am Dienstag eine große Anzahl verschiedener Silbermünzen und Schmuck gegenstände ans Tageslicht gefördert. Sie waren in der Scheidewand der Hausflur, ziemlich oben an der Decke, in einem großen Sandsteine, in welchen ein Loch eingehauen «ar, verborgen gewesen, und zwar in einem Lederbeutel. Außer einer ganzen Anzahl kleinerer Münzen zählte man 54 Stück große, meist Gulden- und Zweiguldenstücke. Sie stammen aus der Zeit von 1587 bis 1625, sind also zweifellos während des dreißigjährigen Krieges verborgen worden. Die Münzen sind, weil sie vollständig trocken gelegen haben, sehr gut erhalten, nur der Lederbeutel war vermodert. Zumeist waren es nach dem „Mciß. Tgbl." Prägungen der Ernestinischen und Albertinischen Linie. Bei den Münzen lagen einige silberne Ketten und ein kleiner Kirchenkelch, der leider defekt ist. Eine große starke Kette, an der sich eine Kapsel befindet, wird von Kennern als ein Schmuckstück bezeichnet, das von Bischöfen bei besonderen kirchlichen Feierlichkeiten getragen wurde. — Plauen, 16. April. Durch Verfügung des Kgl. Hofmarschallamts in Dresden ist der dem Photographen Graul in Bad Elster seinerzeit vom König Albert ver liehene Titel eines Kgl. Hoflieferanten ihm wieder entzogen worden und zwar deshalb, weil Graul für das Warenhaus Voigtland in Plauen Photographien zu Schundpreisen ge liefert hat. Auf eine Beschwerde der Gewerbekammer hin, wonach das Gebühren Grauls nicht mit dem Ansehen eines Hofphotographen in Einklang zu bringen sei, entzog das Kgl. Hofmarschallamt dem Photographen Graul den Hoflieferanten titel. (Sehr richtig!) Trotzdem aber führte Graul diesen Titel weiter, weshalb er mit '10 Mark Geldstrafe belegt wurde. Er beantragte richterliche Entscheidung. Das Kgl. Schöffen gericht bestätigte heute die Strafe. Graul legte Berufung gegen das Urteil ein, die aber wohl ebenso abgelchnt werden dürfte. -- Falk en st ein. Eine Verhandlung, die in Stickereikreisen Interesse erregt, fand am vergangenen Donnerstag vor dem hiesigen königl. Schöffengericht statt und beschäftigte dasselbe mit nur einstündiger Mittagspause und einer solchen von 10 Minuten am Abend bis tief in die Nacht hinein. Dieselbe richtete sich gegen den 1866 in Schneidenbach bei Reichenbach geborenen Kaufmann Johannes Spranger, der in der König Albertstraße hier auf den Namen seines Vaters, des Lehrers em. Karl Jonathan Spranger in Frohnau, ein Stickereigeschäft führt. Eine große Anzahl Zeugen, welche namentlich für Spranger gearbeitet hatten, hatten Vorladungen erhalten. Spranger ist, wie wir dem „Falkensteiner Anzeiger" entnehmen, wegen Beamtenbeleidigung undHausfriedensbruchs vorbestraft. Die Eintragung des Geschäfts auf seinen Namen konnte nicht erfolgen, da er, wie er angibl, früher am Rande einer „Pleite" gestanden und den Offenbarungseid geleistet hat. Nach der Anklageschrift ist der Geschäftsführer Johannes Spranger verdächtig, in Falkenstein in 60 selbständigen Fällen das Vermögen eines anderen dadurch geschädigt zu haben, daß er die von den Zeichnern auf den Schablonen ange gebenen, auch für die Berechnung des Sticklohnes maßgebende Stickzahl absichtlich niedriger bezifferte, die Schablonen mit der abgeänderten Stichzahl an die für ihn arbeitenden Lohn sticker ausgab, die sich über die Richtigkeit dieser Stichzahl täuschen ließen, die Aufträge annahmen und durch die Be rechnung des Sticklohnes nach der falschen Stichzahl um die einzelnen Beträge zum Vorteile Sprangers geschädigt wurden. Der Angeklagte bestreitet das ihm zur Last Gelegte. Durch die in, Verhandlungssaale ausbelegten Schablonen und zahl reiche Zeugenaussagen wurde indessen dargetan, daß tatsäch lich rechl bedenkliche Unterbezifferungen vorgekommen sind. Die Verkündigung des Urteils erfolgt nächsten Donnerstag. — Schneeberg, 16. April. Vom hiesigen Schöffen gericht wurde heute Donnerstag der Maurer Karl Otto Bachmann aus Chemnitz wegen Beleidigung des Oberkomman dos, der Offiziere und Mannschaften der Schutztruppe mit 75 M. oder 5 Tagen Gefängnis verurteilt. Er wurde über führt, in einer am 12. Januar in Oberschlema abgehaltenen Reichstags-Wähleroersammlung gesagt zu haben, nach Süd westafrika sei bloß der Abschaum der Offiziere und Mann schaften geschickt worden. — Neichstagsersatzwnhl Glauchau-Meerane. Die Sozialdemokratie ist, wie die „Leipziger Volkszeitung" zugesteht, durch die ganz außergewöhnlich frühzeitige Anbe raumung der Ersatzwahl im Wahlkreise Glauchau-Meerane unangenehm überrascht worden. — Auf bürgerlicher Seite ist man sofort mit aller Entschiedenheit und Siegeszuversicht in den Kampf eingetreten. Der Kandidat I)i. Claus - Loschwitz, der sich bei der letzten Wahl durch sein geschicktes und wirksames Auftreten hohes Ansehen und Vertrauen er warb und im Wahlkreise überdies von seiner früheren Tätig keit in Meerane bekannt ist, wird in einer Reihe von Ver sammlungen sprechen. Die Reichstagsabgeordnetcn Basser- mann, Merkel-Mylau, I)r. Stresemann, vr. Junk, Eoerling, I)r. Heinze haben ihre Unterstützung zugesagt. Auch die Landtagsabgeordneten Langhammer und I)r. Vogel, ferner I)r. Ritter-Dresden, Generalsekretär IM. Westenberger und andere Herren werden als Redner milwirken. Alles spricht dafür, daß der Kampf sich äußerst heftig gestalten wird. — Die mit Bauarbeiten in den Ortsfernsprechnetzen be schäftigten Telegraphe narbeiter sind verpflichtet, in jedem Falle den Hausbesitzern, den Inhabern von Sprech stellen oder den sonstigen berechtigten Personen beim Betreten der Grundstücke ihre Ausweiskarte unaufgefordert vor zulegen. Diese Karte ist mit einem Stempel der Kaiserlichen Ober-Postdirektion in Chemnitz und einer Nummer versehen, die mit der an der Dienstmütze des Telegraphenarbciters an gebrachten Zahl übereinstimmen muß. Geldforderungen haben die Telegraphenarbeiter für vorgenommene Arbeiten nicht zu stellen. Theater t« Eibenstock. Wohl «in«- der amüsantesten der bisher ausgeführten Stücke war „Die schöne Ungarin", welche» Sonnabend gespielt wurde Die wirklich hübschen Szenen, mit Gesangs- und Lanzpwcen, boten eine reiche Abwechselung. Immer mehr zeigt sich, daß die Direktion sich bemüht, dem Publikum nur gutes zu bieten. Der Besuch dieser Vorstellung war gut. Allgemein war man vollbesriedigt über den Verlauf, und reichen Beifall ernteten die Spielenden. — Dienstag wird die jetzt über alle Bühnen gehende Novität „Hu s a r e n f i « d er" zur Aufführung gelangen. Daß diese» überall mit großem Beifall ausgenonimcne Lustspiel ein zahlreiche» Publikum anziehen wird, ist wohl kaum zu bezweifeln. 14. Zte-img 5. Akaffe 151. Aöniak. Sacks. Laubes - Lotterie, gezogen den 18. April. 5000 M. auf Nr. 20428 64238 88935. 3966 M. aut Nr. 1296 2012 2643 5675 8707 8906 10781 12164 15443 22926 32764 34055 38019 38183 42239 47489 58750 60930 70183 70328 70648 73316 73573 78618 78900 89724 89788 97375 97687 99596 99796. 299» M. aus Nr. 1748 2279 6925 8094 10822 14393 19537 32761 36888 42815 44743 53929 54546 63211 63982 68108 71051 71476 73749 80905 85248 92517. 1999 M. aus Nr. 191 1092 5105 6738 8212 9222 9663 11680 14049 18155 18356 18625 19353 22413 26918 30185 31892 32386 35342 39574 39607 40329 41034 42679 44986 457134 47728 49448 51094 51736 52076 54013 54473 54670 55403 62743 03396 65273 67574 68978 69583 69731 70377 71681 73249 73843 76036 78191 78380 79482 82685 86962 89816 96215 96747 98165. 500 M. aus Nr. 2948 4506 9168 9918 10299 11561 12426 13593 15188 19276 22504 23347 23717 25116 25515 26506 30750 32617 34932 36853 42908 46253 48632 48893 53926 55280 55786 63352 64867 67908 67955 69729 72556 78453 78534 78730 80458 82758 83169 83660 85142 86190 86362 86617 87057 89256 90109 93323 94025 94117 96032 97085 97151. 15. Ziehung, gezogen den 19. April. 3« VON M. auf Nr. 84091. 10 V0V M am Nr. 9108. .->006 M. auf Nr 23291 73311 85902 88236. 30 00 M. aus Nr 2059 4577 7598 10271 23735 23803 24336 36923 38324 50157 53983 54024 69682 73, «4 74102 78107 81237 87551 88685 2000 M. aus Nr. 1129 2466 6073 11056 28225 31265 43291 47016 47693 49457 50791 53064 55056 58581 64716 81915 89332 90351 93848 98607. lOM! M. auf Nr. 594 M3 7944 7945 10885 13877 16029 17268 20934 23939 24636 28044 31474 32835 35493 35874 39849 41429 43726 44132 44395 4700! 49122 50854 51897 54121 55383 56490 62319 63062 63301 63709 66158 69047 69475 70947 70976 71969 72590 76726 81223 83557 84837 85144 85705 85848 87470 87481 89970 89999 91529 92624 94059 94083 96007 596 M. aus Nr. 2270 3988 4731 5924 MM 11 IM 13588 14830 16401 19656 25308 31387 34143 35733 45323 46741 47538 48322 51M5 51124 51982 61716 62653 63969 64645 65027 68019 70778 72641 72664 77200 78334 80557 80911 81283 81513 83924 84954 85484 85807 87664 89685 89950 90922 91143 94453 96184 97466 97522 99277. Amtliche Mitteilungen aus der 5. öffentlichen Sitzung des Stadtverordnetenkollegiums vom 12. April 1907. Anwesend: IS Stadtverordnete. Entschuldigt: I Stadtverordneter, unentschuldigt: 1 Stadtverordneter. Den Vorsitz fuhrt Herr Stadtverordnetenvorsteher Diersch. Der Rat ist vertreten durch Herrn Bürgermeister Hesse. 1) Es wird beschlossen, dem Ankauf der A. L. Unger'schen Muldcnbrücke zuzustimmen und den zum Briickenkause zugesicherten Beitrag von 2506 Mark an die Kgl. Amtshauptmannschafl zur Weitergabe an die Verkäuferin einzuzahlen, den Kaufvertrag aber und die Bestimmungen für den zu bildenden Brückenverband bei dieser Gelegenheit gleich mit tunlichst sestzulegen. Nach Aussprache stimmt das Kollegium dem Natsbeschlusse ein mütig zu. 2) Darnach gab das Kollegium einstimmiges Einverständnis zur Erwerb ung einer Arealfläche von dem Grundstücke Nr. 1250 des Flurbuchs an der verlängerten Magazinstraße zur Abrundung des städtischen Magazin grundstückes aus dem städtischen Stammvcrmögen. Die der Stadt zu fallenden Straßenbaukosten sollen aus den für Straßenbauten bestehenden Anleihemitteln gedeckt werden. 3) Sodann wird der Fluchtlinicnplan für das Grundstück Nr. 12'0 des Flurbuchs vorgelegt und gegen denselben keine Bedenken von, Kollegium erhoben. 4) Ferner stimmt nian nach vorheriger Aussprache, an der sich die Herren Stadtverordneten Clauß, Maennel und Höhl beteiligen, der Herstellung eines ordnungsmäßigen Granitsußweges längs der Nordseite der inneren Auerbacherslraße am alten Friedhose zu, indem man die Kosten aus Anleihemitteln übernimmt; ebenso der Uebernahme der bleibenden Ver bindlichkeit zur Unterhaltung und Reinigung des Fußwegs. Herr Stadtverordneter Lirschberg hat das von seinem Garten grundstücke zur Fußwegherstellung erforderliche Areal unentgeltlich an die Stadtgemeinde abgetreten. Der Annahme des Areals stimmt man dankbarst zu. 5) Alan ist mit Verwendung der vorhandenen Kleinpflastersteine zur Her stellung gepflasterter Schutzstreifen am neuen Rathause einverstanden. 6) V"n den vorliegenden Anschlägen über eine Ueberdeckung des Dorf baches zwischen Neumarkt und Brühl nimmt man Kenntnis. Man tritt dem Natsbeschlusse bei, wegen der jetzt vorliegenden dringenderen Stadt- baugeschäste die Ueberdeckung noch zu verschieben. Die Ueberdeckung selbst hält man für eine Notwendigkeit und man nimmt schon heute in Aussicht, diese Bauausführung im nächsten Jahre endlich zu bewirken. 7) Man beschließt den Beitritt der Stadt zu dem zu begründenden Ver bände sächsischer Sparkassen, dessen Satzungsentwurs verlesen wird. 8) Weiter nimmt man Kenntnis von einem Dankschreiben der Firma Rudolph L Georgi sür Beglückwünschung anläßlich ihres 40 jährigen Geschäftsjubiläums. 9) Von der Ablehnung der Petition um bessere Zugsverbindungen auf der Aue-Adorfer Linie nimmt man Kenntnis, wünscht aber, daß energisch weiter petitioniert werde namentlich auch nach der Richtung hin, daß mehr Wert darauf gelegt wird, der Chemnitz - Adorfer Linie günstige Anschlüsse zu sichern. 10) Aus eine heute erst cingegangene Eingabe des Erzgebirgszweigvereins bewilligt inan zur Herstellung der 5. Auflage der Broschüre „Eibenstock und seine Umgebung" den Betrag von 150 Mark. Außerdem wirft man den nicht mit erbetenen Betrag von 50 Mark zu dem Zwecke aus, daß der ErzgebirgSvereinsvorsitzende, der seit langer Zeit an der OrtSchronik arbeitet, iin Staatsarchiv« zu Weimar ortsgeschichtlichc Nachforschungen anstelle. 11) Aus eine Anfrage des Herrn Stadtverordneten Höhl erklärt der Herr Ratöveltretcr, daß die Windfangtüren in den Schulen an hiesige Tischler vergeben sind. Hlm des Kindes Ktück. Novelle von Fritz Gantzer. (4. Fortsetzung) Kein Wort sprach sie — die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Durch ihre Seele aber brauste ein heißer schwerer Kampf. O, wie gerne hätte sie ihm ein frenndlichcs „Ja" entgegengcrufen. Wie sie ihn liebte, wußte sie es denn überhaupt? Doch da .rat wieder des Vaters Wort: „Ein Dornberg tritt nicht über meine Schwelle" mit erschreckender Klarheit vor ihre Seele. Und nun war der Kampf entschieden. Wozu dem Geliebten Hoffnungen erwecken, die doch nie in Erfüllung gehen konnten? Nein, lieber jetzt mit blutendem Herzen den entscheidenden Schnitt getan, mochte er auch noch so schmerzend sein. Sie richtete sich voll auf, und Dornberg sah in ein tod trauriges Antlitz. Nein, so sah man nicht aus, wenn man ein „Ja" auf den Lippen trägt. Und dann sprach sie, nach Worten suchend, wie abwesend: „So schmerzlich mir es ist. Ihnen eine Enttäuschung zu be reiten, so gern ich Ihnen eine andere Antwort gegeben, ich kann nicht anders, ich kann nicht ich kann nicht "—. „Dora, Dora," kam es wie ein Wehelaut von den Lippen des Mannes. „Warum das, Dora?" — „Fragen Sie nicht, Herr Dornberg, ich kann Ihnen nimmer sagen, was mich zu meiner Entscheidung veranlaßt. Gehen Sie nun und vergessen Sie, daß Sie mich gesehen. Töten Sie Ihre — Liebe zu — mir. Die Zeit wird geschlagene Wunden heilen. Leben — Sie wohl!" O, daß er doch gehen möchte! Ihre Kraft war am Ver löschen. Oder nein, daß er noch bliebe, daß er überhaupt nie wieder von ihr ginge. Ihre Sinne verwirrten sich o, sie war zu groß diese Qual! — So fahrt dahin, Liebe und Glück, vorbei der goldene Traum — nun würden trübe — einsame Tage kommen, ein sam bis an das Lebensende. — lieber das Gesicht Dornbergs hatte sich eine tiefe Bläste gebreitet, er grub die Zähne tief in die Lippen. Das hatte er nicht erwartet, daß Dora ihn abweisen würde. Endlich raffte er sich auf und umfaßte mit langem Blick die ganze Gestalt des Mädchens, als wollte er ihr Bild für alle Zeiten unauslöschlich in seine Seele graben. Dann plötzlich riß er sie an sich, und Dora fühlte auf ihren Lippen einen langen, glühenden Kuß. „Leb' wohl, leb' wohl!" Er stürmte davon. — Vom nahen Hügel, den er vorhin so freudig bewegt herabgeschritten war, winkte er dem Mädchen seinen letzten Scheidegruß zu. Jetzt war er verschwunden! Für immer — unwider ruflich! Wie Dora an diesem Tage heimkam, wußte sie später nicht zu sagen. Mechanisch nahm sie den Korb auf und schritt langsam aus dem öden, sandigen Heidewege dahin. Wild hämmerte das Blut in den Schläfen, und die Füße versagten ihr fast den Dienst. — Die sonnige Heide kam ihr vor wie ein einzig großes Grab, in dem sie ihre Liebe begraben, und das fröhliche Gesumme der Bieuen deuchte ihr wie aus weiter Ferne herübertönendcs Sterbegeläut. 4. Kapitel. Die altmodische Küchcnuhr hob zum Schlage aus und sandte elf Helle, rasch aufeinanderfolgende Schläge durch die stillen Räume des Karstcnsschen Hauses. Hanne saß am Tisch, hatte eine große braune Schüssel zwischen die Knie gezwängt und sortierte Reineclauden. Alle nicht ganz einwandfreien wurden rücksichtslos von ihrem scharf zwischen gut und schlecht scheidenden Einmachesinn entfernt. Die mutzten gleich verbraucht werden, sonst verdarben später in den Gläsern alle. Und Hanne mußte das wissen; denn das Reine- claudcneinmacheu war ihre Spezialität. Sie war so vertieft in diese Arbeit, daß sie beim ersten Schlage ihrer alten Zeitkünderin erschreckt auffuhr. Fast wäre ihr die Schüssel entglitten und zweifellos aus den marmorierten Fliesen in Scherben gegangen, wenn sie nicht noch rasch die Knie zusammengepreßt hätte. „Göttchen doch, schon elf! Und die Dora ist noch nicht hier!! Wo sie nur bleiben mag?", sagte sie halblaut vor sich hin. Sie stellte die eben gefährdet gewesene braune Schüssel mit ziemlicher Verve auf den Tisch und monologisierte weiter: „Ja. ja, so ist das, kein Verlaß auf die Jugend von heute. Will erst gleich wieder da sein, sich gar nicht aufhalteu, und nun ist sie bereits drei, sage und schreibe: drei geschlagene Stunden weg. Wenn da nichts mit im Spiele ist, will ich nicht Hanne Kamp meier heißen." — Tann wars sie einen schnellen Blick auf die brodelnden, dampfenden Töpfe, sah noch einmal auf die gemäch lich tickende Uhr und eilte einem plötzlichen Entschlüsse folgend vor's Haus. Von der Gartentür aus spähte sie angestrengt hinaus in die Heide. Flimmerndes Sonnenlicht allüberall und die weißen Fäden des Altweibersommers m unzähligen Mengen! Aber solange auch die allen Augen hinansschaulen, — Dora war nicht zu sehen. Kopfschüttelnd, mit einer leisen Unruhe im Innern, kehrte sie in die Küche zurück. Eiuviertel zwölf! — Halb zwölf! „Kommt nicht — kommt nicht", schien das leise Ticken in dem wurmstichigen Gehäuse der Uhr zu höhnen. Hanne wollte eben wieder mit dem vom Herdfeuer hochge röteten Gesicht zur Gartenpforte eilen, um Ausschau zu halten, als die Haustür langsam geöffnet wurde und gleich daraus müde, schleppende Schritte über den Flur kamen. Wenn jetzt Dora heimkehrte, so war es nicht die Dora, die sie heute morgen hatte lustig und fröhlich in die Heide hinein wandern scheu! Hanne sah auf die Tür, durch welche die Erwartete jeden Augenblick einlreten mußte. Ihr Blick war starr, gespannt, wie etwas Ungeheuerliches besürchlend. Als sie Tora sah, stieß sie einen leisen Schrei aus. Mein Gott! Verweint, verstört, bleich, ganz gebrochen! ! „Aber mein liebstes, bestes Kindchen, was ist denn geschehen? Wie sehen's denn nur aus? Hab' ich mir doch gleich gedacht, daß etwas passiert sein müßt', die Angst hat mich ja bald aufgesrcssen. T-orachen, Dorachen, sagen's um Gotteswillen was ist's?", bat die gute Seele inständig. Dora stand sekundenlang regungslos, die Arme hingen schlaff am Körper herunter, ihre Augen schauten mit einem herz zerreißenden Ausdruck die alte Hanne an. Und plötzlich ließ sie Korb und Glas fallen, eilte auf Hanne zu und umschlang den Hals der mütterlichen Freundin. Schluchzend barg sie den Kopf an Hannes Brust. — Wo waren alle unterwegs gefaßten Vorsätze geblieben? O, sie ivar eine so schlechte Schauspielerin! Das „Sichnicht- merkenlasscn" und das „Alleintragen" hatten elenden Schiffbruch gelitten! O, wie wohl tat es ihr, sich an dem Herzen der treuen Alten auszuwcinen. — Hanne fragte nichts mehr! Leise strich sie nur über das braune, seidige Haar ihres Lieblings. Sie wußte, solch ein Schmerz muß sich erst austoben, neue Fragen und erneutes Drängen um Aufklärung wären ja jetzt auch nur rohe Ein dringlinge gewesen in seine Größe und Heiligkeit. — Nach und nach wurde Dora ruhiger; sie schluchzte nur noch ein paarmal heftig auf. Dann lösten sich ihre Arme vom Halse der Getreuen. „O Hanne", sagte sie! „Nun erst ein ganz kleines Augenblickchen Ruhe, Dorachen, gehen's oben und legen's sich aufs Bett. Später erzähleu's mir alles." Doras Augen begannen sich schon wieder mit Tränen zu füllen, doch sie kämpfte sie tapfer nieder. „Aber, Hanne, um Gotteswillen, der Vater darf nichts wissen, sage ihm kem Sterbenswort, wie ich heimgekommen bin", bat sie langsani und stockend. „Am liebsten blieb ich gleich in meinem Zimmer", fuhr sie dann müde fort, „aber was würde der Vater sagen, wenn ich bei Tisch fehlte? Hat der Vater überhaupt noch nicht nach mir gefragt, Hanne?" — Muß wohl vor lauter Studieren heute noch gar nicht an seine Tochter gedacht haben — aber, liebstes Kindchen, gehen's doch erst, fallen's sonst noch um, sehen aus wie eine Kalkwand. Hier erst schnell ein Schlückchen vom Kräuterlikör und dann partout nach oben." (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — In den letzten Tagen sind unaufhörlich von den verschiedensten Punkten des Erdballes Meldungen über Er der schütter ungen bald größeren und bald kleineren Umfanges eingelaufen. Am schwersten heimgesucht wurde Ainerika, das klassische Land vulkanischer Katastrophen, unter denen die jüngsten von St. Francisco, Valparaiso und Kings ton mit ihren grauenvollen Opfern an Menschenleben und
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