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Kränkung netzen dem Leibarzt zugezogenen ärzt lichen Autoritäten sich damit einverstanden er« Karten, daß der englische Specialist Morell Mackenzie mit seinem Urtheil gehört werde. Derselbe ist vor einigen Tagen in Berlin ein- getryffen und fand nach wiederholter Untersuchung des Kronprinzen dessen Zustand nicht sobesorgniß- erregend, daß er nicht hoffte, durch zweckent sprechende Behandlung das Uebel in nicht zu langer Zeit beseitigen zu können. Nack dem dem Reichstage vorgelegten Bericht der Schuldencommission betrug die Schuld des deutschen Reiches am Schluß des Rechnungs jahres 1885/86 642,551,195 M-, darunter 440 Millionen M. 4proc. Anleihen, 65 Millionen M. Schatzanweisungen, 137,527,795 M. Reichs- cassenicheine und 23,400 M. gekündigte Schuld verschreibungen der Bundesanleihe von 1870. Für da« Jahr 1886/87 sollten dazu 42,520,647 Mark durch Verausgabung 3proc. Schuldver schreibungen beschafft werden. Außerdem befanden sich Ende März 1886 noch 10 Mill. M. 4proc. Anleihe unveräußert im Bestände der Reichs hauptbank. Die Petitionscommission des Reichstages em pfiehlt dem Plenum, über eine ziemlich gleich lautende Petition dreier großer Vereinigungen des deutschen Kellnerbundes, des Vereins der Hotel angestellten zu Dresden (mit mehr als 5000 Unterschriften) und des Vereins derHotelangestellten zu Berlin, welche dahin geht, „die Kellner auf Grund des tz 33 der Gewerbeordnung als Ge werbegehilfen anzuerkcnnen," zur Tagesordnung überzugehen. Bon Interesse ist die Erklärung, welche der Regierungscommissar in der Commission abgab: „Die Bestimmungen der Gewerbeordnung finden auf die im Gast- und Schankgcwerbe an gestellten Personen insoweit Anwendung, als die letzteren „gewerbliche Arbeiter" im Sinne dieses Gesetzes sind. Unter diesen Begriff fallen alle Arbeiter, welche in einem vertragsmäßigen Dienst- verhältniß zu einem selbstständigen Gewerbtreibenden stehen, infolge dieses Vertragsverhältnisses dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft^— nicht etwa blos eine oder einzelne specielle Arbeitsverrichtungen — zu Gebote stellen und Dienstleistungen ver richten, welche in Arbeiten des Gewerbebetriebes bestehen. Soweit die gedachten Personen haus- wirthschaftliche Dienste leisten, nehmen sie die rechtliche Stellung der Dienstboten, soweit ihre Dienste, wie z. B. diejenigen des Buchhalters eines Wirthes, welchem die Führung der Bücher über die von diesem vorgenommencn Eiukaufs- geschäfte obliegt, kaufmännischer Art sind, die recht liche Stellung eines Handlungsgehilfen ein." — Hiernach ist die Frage, in welchem Umsange die Bestimmungen der Gewerbeordnung aus die im Gast- und Schankgcwerbe angcstcllten Personen Anwendung finden, eine Frage, deren Entscheidung von den tatsächlichen Verhältnissen des einzelnen Falles bedingt ist. Die letztere» werden auch dafür entscheidend sein müssen, ob die „Kellner" unter die Vorschriften des Titel VII der Gewerbe ordnung lallen. Im Allgemeine» wird dies zwar anzunchmen sein, indessen darauf hingcwicsen werden müssen, daß die Bezeichnung einer Person als „Kellner" nicht genügt, um derselben in allen Fälle» den rechtlichen Character eines „gewerblichen Arbeiters" beizulegen, vielmehr auch hier das Wesen und der Inhalt des abgeschlossenen Ver trages und die Natur der zu leistenden Dienste für die Würdigung der rechtlichen Stellung dieser Personen von entscheidender Bedeutung sind. Die zahlreichen Petitionen gegen Hausirhandel, Wanderlager und Abzahlungsgeschäfte sind von der Petitionscommission des Reichstages durch- berathen worden. Der Antrag auf Ucbergang zur Tagesordnung wurde mit 19 gegen 3 Stimmen abgelehnt. Der Antrag auf „Berücksichtigung" wurde ebenfalls mit 11 gegen 11 Stimmen ab gelehnt, dagegen der Antrag, die Petitionen zur Erwägung zu überweisen und zu empfehlen, mit 12 gegen 10 Stimmen angenommen. Die Com mission schlägt daher dem Plenum vor, die Petitionen dem Cauzler zur Erwägung in der Richtung zu überweisen, in wie weit die in den Petitionen gerügten auf dem Gebiete des Gc- werbewesenS hervorgetretcnen Mißstände durch eine Aenderung, sei es des bürgerlichen, sei es des GewerbercchtS, beseitigt werden können, ohne die berechtigten Formen des Gewerbebetriebes zu beeinträchtigen. Die Branntweinsteuercommission des Reichs tages hat am Mittwoch die zweite Lesung des Entwurfes bi« quf die Frage der Nachbesteuerung erledigt und einige Beschlüsse zu Gunsten der gewerblichen Brennereien beschlossen. Die Ge- sammtabstimmung erfolgt erst nach Pfingsten. Der Prinz Leopold von Preußen, der einzige Sohn des verstorbenen Feldmarschalls Prinz Friedrich Karl, trifft in diesen Tagen von seiner Reise um die Erde wieder in Berlin ein. Die Reise wurde von Brindisi in Italien über Indien angetreten, die Rückkehr erfolgt von Nordamerika über England. Der Prinz-Regent von Baiern hat angeordnet, daß dem Reichskanzler auch bei seinem dies jährigen Aufenthalt in Kissingen kgl. Equipagen zur Verfügung gestellt werden sollen. Für die Packetträger, Stadtpostboten und Landbriefträger der Reichspostverwaltung wird im EtatSjahr 1887/88 insofern eine große Be günstigung eintreten, als das Reichspostamt ge nehmigt hat, während solche gewöhnlich erst nach zwölfjähriger Dienstzeit angestellt wurden, die selben ausnahmsweise bereits dann, wenn sie am 1. April d. I. eine mehr als neunjährige Gesammtdienstzeit zurückgelegt und davon minde stens sechs Jahre im Post- bezw. Telegraphen dienst zugebracht haben, ctats mäßig anzu stellen. Posen, 25. Mai. Die hiesige, überwiegend aus polnischen Elementen bestehende Schützen gilde wählte in ihrer letzten Versammlung einen rein polnischen Vorstand. Der Magistrat, welchem das Recht der Bestätigung zusteht, wünschte aber beide Nationalitäten im Vorstände vertreten zu sehen. Weil die Gilde aber hierauf nicht Rück sicht nahm, hat der Stadtrath heute den polnischen Gildenvorstand seiner Aemter enthoben. Die Casse, die Insignien, die Kostbarkeiten, sowie das Schützenhaus wurde in städtische Verwahrung genommen. Die Sache hat hier großes Auf sehen erregt. O e st e r r e i ch. In Gastein ist am Dienstag die Bestellung von Quartier für den Kaiser Wilhelm eingetroffen. Die Ankunft des Kaisers daselbst ist auf den 19. Juli festgesetzt. Frankreich. Paris, 26. Mai. Freycinet hat die Bildung eines neuen Cabinets übernommen. — Heute Vormittag fand bei Grüvy eine Conferenz statt, an welcher Freycinet, Devcs, Fcrry, Rouvier und Raynal theilnahmen; dieselbe dauerte bis Mittag. Seit dem letzten Kriege hat Deutschland noch immer das Ministerium Bismarck, anders aber ist es in Frankreich. Das hat bis jetzt seit 1870 21 verschiedene Ministerien gehabt. Die selben waren September 1870 bis September 1871 I. Favre, von da ab bis Mai 1873 Dufaurc, ,, „ Mai 1874 Broglie, „ März 1875 Cisscy, „ März 1876 Buffet, „ Dcccmber 1876 Dufaurc, „ Mai 1877 I. Simon, „ November 1877 Broglie, „ Dcccmber 1877 Nochebonet, ,, „ Februar 1879 Dufanre, „ Dcccmber 1879 Waddington, „ September 1880 Freycinet, „ November 1881 Fcrry, „ Januar 1882 Gambetta, „ Juli 1882 Frcycinet, „ Januar 1883 Duclerc, „ Februar 1883 Fallieres, März 1885 Fcrry, „ Januar 1886 Brisson, „ Dcccmber 1886 Freycinet, f, „ Mai 1887 Goblet. Rußland. Ein Brüsseler Blatt meldet, auf den Wagen des Czaaren sei während der Festtage in Tscher- kask ein Schuß abgefeucrt worden. Die Nachricht ist unwahrscheinlich. Vermischtes. — Eine recht hübsche Anecdote, bei der Fürst Bismarck die Hauptrolle spielt, wird der„K.Z." mitgetheilt. Ein früherer Offizier des französischen Gcneralstabs, Graf Hörisson, hat vor 2 Jahren ein Buch „ckouruick ck'un (Meier ck'orckonnanov" veröffentlicht, worin er erzählte, wie er nach Ver sailles zum Fürsten Bismarck geschickt wurde, um diesem die von der französischen Regierung end- giltig unterschriebene Capitulationsurkunde zu überbringen. Unterwegs kam ihm der verwegene Gedanke, auf eigene Hand und ohne jeden Auf trag dem Fürsten Bismarck noch eine Milderung der Bedingungen abzuringen und die in der Capitulation ausgemachte Uebergabe der Fahnen der Pariser Garnison zu verhindern. Er crkärte daher dem Fürsten, daß er die unterschriebene Capitulation zwar mitgebracht, aber den Auftrag habe, sie nur dann zu übergeben, wenn mqn deutschrrftit» auf die Auslieferung der Fahnen verzichte. Fürst Bismarck war zuerst sehr ärger* lich und erregt, gab aber schließlich nach und — HsrissonS List war gelungen. Als HSrisson die Geschichte in seinem ,^ouroul ck'un okkvisr ck'orckonnano«" erzählte, stieß sie aus gewisse Zweifel. Sie ist aber nicht nur buchstäblich wahr, sondern Fürst Bismarck selbst hat gleich nachdem Erscheinen des Buches durch eine hochgestellte Persönlichkeit dem Grafen Hörissou mittheilen lassen, daß er seine Erzählung mit hohem Inte resse gelesen habe und ihn zu dem patriotischen Erfolg beglückwünsche, den er über ihn (den Canzler) davongetragen habe. — Jeder deutsche Soldat, der künftig in's Feld zieht, wird vor dem Ausmarsch ein Ver bandpäckchen erhalten, das ihn in die Lage ver setzt, bei Verwundungen den ersten Verband selbst anznlegen. Mit der Anfertigung des größten Theils dieser Verbandpäckchen ist eine Berliner Firma in der Oranienburger Straße seitens des Kriegsministeriums betraut worden. Jedes dieser Verbandpäckchen enthält eine Cambriebindc, zwei. Compressen aus entfettetem Mull und eine Sicher heitsnadel. Diese Gegenstände sind in eine Um hüllung von wasserdichtem Verbandstoff eingenäht.. Die Binden sowohl als die Compressen werden, bevor sic eingenäht werden, mit einer Snblimat- lösung (Quecksilberchlorid, das stark desinficirenk wirkt) getränkt. Man kann sich einen Begriff von dem Umfang der Lieferung machen, wenn man erwägt, daß ca. 18,000 Kilo Sublimatlösung zu der betr. Jmprägnirung verbraucht werden. Die Bestimmung der Binden und Compressen sowohl wie auch das Sublimat erfordern die größte Sauberkeit und Umsicht bei Anfertigung von Verbandpäckchen. Deshalb sind auch, wie die „Post" berichtet, die 200 Mädchen, die dieselben Herstellen, mit weißlcinenen Mänteln bekleidet, während zugleich in einem Vvrraum zu den Arbeitssälen Reihen von Wajchgcfäßen ausgestellt sind. Für die Garderobe der Arbeiterinnen ist wiederum ein besonderer Raum bestimmt und ebenso ist ein besonderer Saal für sie hergerichtet, in dem sie ihr Essen einnehmen, da es ihnen anf's strengste verboten ist, während der Arbeit zu essen. Die Herstellung der Verbandpäckchen geschieht unter steter Controle der Militär verwaltung, die ein eigenes Büreau neben den Arbeitssälen hat, in dem der mit der Controle beauftragte Sanitätsoffizier mit dem ihm bei gegebenen pharmazeutischen und militärischen Personal die Abnahme bcivirkt. Je 10 Verband päckchen werden zniammengeschnürt nnd mit einer Marke versehen, welche die Unterschrift des con- trvlirendcn Sanitätsoffiziers trägt. Die Ver sendung an die einzelnen Truppentheile geschieht von der Fabrik auS. Die täglich fertiggestellten Packete werden unter militärischer Bewachung zur Post geleitet. Täglich werden über 15,000 solcher Verbandpäckchen hergcstellt. — * In Gorpc bei Christiansstadt starben 3 Personen von 16—40 Jahren binnen 8 Tagen an Diphtheritis nnd Scharlach. — In Liegnitz starb ein Klcmpucrbursche an Blutvergiftung, der eine Kopfblattcr vernachlässigt hatte. — Der Handlungsrcisendc Güntzel, welcher an geklagt war, den Kaufmann Kreis in Berlin ermordet und beraubt zu haben, wurde vom Schwurgericht zu Berlin am Mittwoch zu lebens länglichem Zuchthaus und dauerndem Ehrenverlust verurtheilt. — Wie aus Breslau berichtet wird, steht nunmehr fest, daß der Mörder der Nachtwacht männer der „Arbeiter" Alois Thiem ist. Thiem ist trotz seiner 20 Jahre einer der gefährlichsten Einbrecher. Er soll sich in der Nähe der Stadt herumtreiben. — Die Telegraphenleitung von Krummhübel über das Gehänge nach der Schneekoppe, die Ende der vergangenen Woche anfgcbracht und am 21. d. dem Verkehr übergeben wurde, ist, wie aus Hirschberg geschrieben wird, schon tags daranf durch ein Schneetreiben wieder zerstört worden. Während des Schneewetters hatte sich ein finger langer Eisbehang an der Leitung gebildet; die Drähte wurden tief nach unten gezogen und zwischen dem Melzer- und Riesengrunde sogar vom Sturme zerrissen. — Ein Veteran aus den Frecheitskriegen, Namens Friedrich Schlote, ist am 18. d. M. zu Ober-Schmölln in Schlesien im Alter von fast 98 Jahren gestorben. — Die Ueberschwemmungsnachrichten au« Ungarn lauten fortwährend traurig. Die Flüsse TemeS, Bega, Körös und Maros sind infolge der Regengüsse angeschwollen und verheeren die Felder. Brücken und Dämme wurden zerstört, Petromary ist vollständig überschwemmt, viele Häuser sind eingestürzt, tue Einwohner -WchtA.