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von der Suh verfolgt, nach Pulsnitz zu. Unter- thcgS kam oaS Pferd wiederholt zu Falle, wodurch es sich ganz erheblich verletzte. Nur hierdurch wurde es der verfolgenden Kuh möglich, das Pferd an der Parkmauer des Pulsnitzer Schlosses eimuholen und dasselbe so zuzurichten, daß die Töotung des Pferdes erfolgen mußte. Mehr und mehr war Vie Kuh wüthend geworden und raste sodann in den Hof eines Töpfermeisters, einen sich entgegenstellenden Mann beiseite schleudernd. Durch Schließung des Thores gelang cs nunmehr, die Kuh zu fesseln. Sayda. „Ein Unglück kommt selten allein!" Erschütternder hat wohl selten Menschen die volle Schwere dieses Wortes getroffen, wie gegen wärtig eine arme Familie. Dem Tagearbeiter Müller raffte innerhalb 8 Tagen die Diphtheritis drei Kinder dahin, und nunmehr ist auch das älteste Kind, ein Mädchen von 10 Jahren, von der tückischen Krankheit ergriffen und aus's Krankenlager geworfen worden. Der Mann selbst laborirt an einem Lungenleiden, an Athemnoth, was ihn nur in beschränktem Maße. Erwerb suchen und finden läßt. Und zu allem Unheil hat sich nun auch noch die Frau den Arm ver renkt und behindert sie dies an der Arbeit. Kan» man sich mehr Elend innerhalb der engen vier Wände eines armen Tagelöhners vereint denken? (Die Kaiserfeier in Berlin.) Man meldet aus Berlin vom 22. d.: Der erste Glück wunsch aus der Familie wurde dem Kaiser Vor mittags 10 Uhr durch die Kaiserin dargebracht. Um 11 Uhr versammelte sich der engere Familien kreis: der Kronprinz, welcher am Morgen im Garten des Prinzessinnenpalais zur Erinnerung an den denkwürdigen Tag eine Kastanie gepflanzt, die Kronprinzessin und die Familie des Prinzen Wilhelm. Die kleinen Prinzen Wilhelm, Eitel Fritz, überbrachten dem Urgroßvater frische Blumen sträuße. Auch die Kronprinzessin von Schweden erschien mit ihren beiden Söhnen. Dieser Empfang sand statt im Salon derKaiserin, wo die Geburts tagsgeschenke aufgebaut waren, bestehend in kost baren Kunstsachen, Gemälden und dem Ehrensäbel des Königs von Portugal. Später begann die Auffahrt der Fürstlichkeiten, etwa 100 Fürsten und Fürstinnen aus europäischen und deutschen Häusern. Die Königin von Sachsen erschien in einer Robe von lichtblauer Seide mit dunkelblauen Sammetblumen, die Könige von Sachsen und Rumänien trugen die Uniform ihrer preußischen Regimenter mit dem Bande des schwarzen Adler ordens. Der Kaiser nahm die Glückwünsche jedes Einzelnen entgegen und dankte namentlich dem Könige von Sachsen in bewegten Worten. Jede Dame überreichte als duftige Gabe einen Blumen strauß, so daß der Salon in eine» Blüthengarten umgewandelt wurde. Inmitten dieses glänzenden Kreises erlauchter Gäste verkündete der Kaiser die Verlobung seines Enkels, des Prinzen Heinrich, mit der Prinzessin Irene von Hessen, worauf das Brautpaar die Glückwünsche der sämmtlichen Fürstlichkeiten entgegennahm. Der Kaiser war ungemein frisch und geistig angeregt. Die Gratu lation währte etwa eine Stunde. Der Kaiser begleitete in voller Rüstigkeit die Königin von Sachsen, die Großherzogin von Weimar, die Prinzessin Friedrich Karl und die Großfürstin Wladimir bis an die Treppe und tauschte mit jeder der hohen Damen noch herzliche Worte. Um 1 Uhr empfing der Kaiser Bismarck und Moltke, welche dem Vernehmen nach durch hervor ragende Gnadenerweise ausgezeichnet wurden. Der Reichsanzeiger publicirt die Verleihung hoher Orden an die Minister Puttkammer, Lucius, Bötticher, Goßler, Scholz, Bronsart, an den Militärcabinetschef Albedyll, den Staatssecretär Graf Bismarck, den Admiralitätschef Caprivi und publicirt ferner die officielle Verlobung des Prinzen Heinrich. Abends fand bei den Majestäten im Schlosse Soiree statt, wozu an sämmtliche Fürst lichkeiten mit Gefolge im Ganzen 900 Einladungen ergangen waren, leider hielt das „Kaiserwetter" wenig über die Gratulationscour hinaus an. Der Nachmittag brachte intensiven Regen, der Abends etwas nachlieb, aber doch die Illumination etwas beeinträchtigte. Nichtsdestoweniger durch zogen unausgesetzt Tausende und Abertausende die Straßen nach den Linden zu. Der vom Magistrate veranstaltete feierliche Zug zum Haupt gottesdienste in die Nicolaikirche setzte sich um 12 Uhr in Bewegung. Voran die Marschälle und Nuntien mit dem großen Stadtbanner, die gefammte evangelische Geistlichkeit, die Vertreter der Tivil'und Militärbehörden, der wissenschaftlichen und künstlerischen Institute, der Kaufmannschaft, Lehrer, Ehrenbürger, Magistrat, Stadtverordneten rc., zusammen über 2000. Im Zuge waren mehrere Musikchors, welche feierliche Märsche und Choräle bliesen; die Geistlichen und der Magistrat waren in ihrer Amtstracht. Die Festpredigt hielt Probst Brückner. Mittags wurden auf dem Königsplatze zur Feier des Tages 101 Salutschüsse gelöst. — Vormittags 10 Uhr erfolgte die Auffahrt der deutschen Studenten schaft in mehreren hundert Wagen. Begleitende Musikcorps in mittelalterlicher Tracht zu Pferde spielten die Nationalhymne, das Preußcnlicd und die Wacht am Rhein. Chargirte der Studenten zu Pferde eröffneten und schlossen den Zug. Als der Zug nahte, trat der Kaiser an das Fenster. Die Volksmenge schwenkte Tücher und Hüte und begrüßte den Kaiser mit brausenden Hochrufen. Der Kaiser grüßte wiederholt. — Für die Studentenschaft hatte der gestrige Fackelzug noch ein hochbeglücken des Nachspiel im kaiserlichen Palais. Kurz nachdem sich der Zug der Fackelträger nach Ab- singung der Nationalhymne wiederum in Be wegung gesetzt hatte, erschien der Polizeipräsident Freiherr von Richthofen bei den vor dem kaiser lichen Palais ausgestellten Chargirten mit der unerwarteten Mittheilung, daß Se. Majestät der Kaiser eine Abordnung des Vorstandes zu sehen und zu sprechen wünsche. Da galt es kein langes Besinnen; rasch war die Abordnung zusammen getreten, drei Herren vom Ausschuß, welche die verschiedenen Richtungen innerhalb der Studenten schaft repräsentiren, und Vertreter der militär- medicinischen Bildungsanstalt, und in wenigen Minuten standen sie, vom Flügeladjutanten Major von Bülow geleitet, mit ihren vom Fackel qualm geschwärzten Gesichtern vor Sr. Majestät dem Kaiser. Der hohe Herr ließ sich jeden Einzelnen vorstellen, erkundigte sich auf das Gütigste nach Herkunft und Studium und wendete sich dann mit Worten außerordentlicher Befriedigung und des Dankes für die veranstaltete imposante Huldigung an die Gesammtheit der Herren. Hieran schloß Se. Majestät der Kaiser ungefähr folgende Worte: „Ich freue mich sehr über den Geist, der in der deutschen Jugend herrscht und darüber, daß Ich von der akademischen Jugend so schnell und richtig verstanden worden bin. Namentlich bei der Auflösung des Reichs tages hat sich dies in erfreulichster Weise gezeigt, denn von fast allen Hochschulen Deutschlands sind diesbezügliche Telegramme und Adressen eingetroffen. Wenn Ich in die Zukunft blicke, so erfüllt Mich der treue nationale Sinn der Studentenschaft mit Beruhigung, und deshalb habe Ich bei der Studentenschaft eine Ausnahme gemacht und ihren Fackelzug angenommen. Daß Ich Mich in dieser Anschauung nicht getäuscht, dafür haben Sie Mir soeben einen leuchtenden Beweis erbracht". Und nochmals beglückte Se. Majestät die Abordnung mit Worten des Dankes und ersuchte die Herren, denselben ihren Com- militionen zu übermitteln. Inzwischen war auch Ihre Majestät die Kaiserin im Salon erschienen und schloß sich den Dankesworten ihres erlauchten Gemahls an, „auch für Meine liebe Tochter, die Großherzogin von Baden", die überaus beglückt sei durch die herrliche Feier. Schließlich trat auch der Großhcrzog von Baden ein und äußerte sich in demselben Sinne. Auf das Höchste beglückt durch diesen unvergeßlichen Act kaiserlicher Huld, verließ nunmehr die Abordnung das kaiserliche Palais. Berlin, 23. März. Wie die „N.-Z." er fährt, ist dem Kaiser die gestrige Geburtstagsfeier vorzüglich gut bekommen. Heute erledigte der Kaiser in der gewohnten Weise die laufenden Regierungsangelegenheiten. Nachmittags findet bei den Majestäten im runden Saale des Kgl. Palais die Familicntasel von ca. 80 Gedecken statt. Berlin, 23. März. Der „Rcichsanzeiger" veröffentlicht einen Erlaß des Kaisers, worin derselbe für die tief empfundene Theilnahme des Volkes an seinem Geburtstage und für die so zahlreich ihm erwiesenen liebevollen Aufmerksam keiten seinen innigsten Dank ausspricht. Sodann heißt es: „In frühester Jugend habe Ich die Monarchie Meines tiefgebeugten Vaters in einer verhängnißvollen Heimsuchung gesehen, Ich habe aber auch die hingebendste Treue, die Opferfreudig- keit, die ungebrochene Kraft und den unverzagten Muth des Volkes in den Tagen seiner Erhebung und Befreiung kennen gelernt. Jetzt in Meinem Alter blicke Ich nach so manchen Wechselfällen meines Lebens mit Stolz und Befriedigung auf die großen Wandlungen, welche die ruhmvolle Vergangenkeit der jüngsten Zeit, ein unvergängliche» Zeugniß deutscher Einigkeit und aufrichtiger Vaterlandsliebe in Deutschland geschaffen. Möge- unserem theuren Vaterlande '-diese langersehnte Errungenschaft, wie Ich es zuversichtlich hoffe, in ungestörter segensreicher FriedcnSarbeit zu stets wachsender Wohlfahrt aller Classen der Nation gereichen.« An der Berliner Börke waren Gerüchte verbreitet, Baden würde unter Zufügung von Elsaß-Lothringen zum Königreich erhoben. Berlin, 24. März. Reichstag. Die Abg. Biehl, Ackermann und Lohren begründen ihre Anträge betr. die Abänderung der Gewerbeordnung (Erweiterung der Jnnungsbefugnisse). Abz. Meyer erklärt Namens der Nationalliberalen, dieselven könnten den Anträgen Ackermann nicht zustimmen,, weil sie für das Handwerk schädlich seien. Abg. Grillenberger ist ebenfalls gegen die Anträge,, als Vorrechte für die Großmeister schaffend. Das Haus verwies die Anträge an eine 21 gliedrige Commission. Berlin, 23. März. Herrenhaus. Zur Tages ordnung stand die Berathung der Kirchenvorlage. Fürst Bismarck führt bezüglich der Frage über die Orden ans, es komme namentlich darauf an, ob die katholischen Mitbürger derselben zu bedürfen glauben, diesem Bedürfniß müsse im Einklang mit der Gesetzgebung entsprochen werden. Der Staat habe natürlich ein Interesse an einer guten Vor bildung der Priester, eine solche lasse sich aber auf den Seminaren ebensogut erlangen, wie auf den Universitäten. Die erbittertsten Gegner der Regierung gingen hervor aus den Universitäten,, nicht aus den Seminaren. Auf die Anzeigepflicht lege er keinen besonderen Werth; habe man doch gesehen, daß Geistliche, die jahrelang unter den Äugen der Regierung amtirten, ihre Gesinnung änderten, als sie Bischöfe wurden. Die Regierung mache keineswegs zu große Concessione», sie gebe keine Hoheitsrechte auf. Er habe niemals an einen dauernden Kampf mit der Curie gedacht; er habe schon 1885 den Cardinal Antonelli auf die Gefahr der Bildung einer politischen Partei hingewiesen, seitdem die Curie ihren friedlichen Willen bekundete, habe er sofort ein Friedens programm aufgestellt, an dessen Verwirklichung er 10 Jahre gearbeitet. Er hoffe, durch die jetzigen Vorschläge zu einem dauernden Frieden zu gelangen.. Sollte sich das nicht erfüllen, so könne man jeden Augenblick das jetzt Geschaffene aus dem Wege räumen. Man müsse dem Centrum, welches sich mit allen landes- und reichsfeindlichen Ele menten verbinde, durch die bestehende Gesetzgebung den Vorwand zur Opposition nehmen. Im Hin blick auf die Einigkeit der Nation, auf die Gefahren, welche dieser Einigkeit drohen, habe er die jetzige Gesetzgebung auf kirchenpolitischem Gebiet in diese Wege geleitet; er könne dies mit seiner Verant wortlichkeit wohl vereinen. Ob die Vorlage zum Frieden führe, wisse man nicht, da die Partei leitung des Centrums sich in Widerspruch zum Papst gesetzt habe. Nicht minder gefährlich wie die Fortschrittspartei seien die unterwühlenden Tendenzen der niederen Geistlichkeit, an deren Beseitigung der Papst und der Kaiser gleiches Interesse haben. Wenn der Papst und der Kaiser einig seien, dann habe der Widerstand Windthorsts und des Centrums nichts mehr zu bedeuten.. Bismarck empfiehlt die Annahme der Vorlage und die noch vom Cultusminister zu vertheidigenden Amendements. Die (zuerst von der Münchner „Allg. Ztq." verbreitet) Nachricht von einer theilweisen Be gnadigung Viereck's und von Vollmar's hat bis jetzt keine Bestätigung gefunden. Frankreich. Der am Dienstag zu Ehren des Kaisers vom Grafen Münster in Paris gegebenen Soiree wohnten außer sämmtlichen Ministern auch Herr v. Lesscps, Clemenceau und verschiedene Mitglieder der radikalen Linken bei. Bemerkt wurde eine längere Unterredung des Grafen Münster mit dem früheren Ministerpräsidenten Freycinet. Der Kriegsminister Boulanger erschien in Civil. Rußland. Man glaubt vielfach, die russischen Atten täter würden zum Tode verurtheilt, jedoch nicht hingerichtet werden. Vermischtes. — (Wie alt wird Kaiser Wilhelm werden?) Diese Frage schwebt jetzt, wo wir das 90. Geburtsfest des geliebten Monarchen gefeiert, auf den Lippen all' der Millionen Menschen, deren Wünsche sich darin vereinen, daß ihm beschicken sein möge, noch lange Jahre seines Herrscheramte^