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, - Dienstag, den 29. März 1887, 3 Uhr Nachmittags, loll in der an der Straße nach Kamenz hier befindlichen rechten Scheunengasse eine Halbchaise versteigert werden. Königliches Amtsgericht Bischofswerda, am 23. März 1887. — Appolt, Ger.-Vollz. Roß- und Viehmarkt zu Neustadt b. St. in Sachsen Mittwoch, den 30. März 1887. Zu recht zahlreichem Neuabonnement auf das mit dem 1. April beginnende 2. Quartal unseres Blattes laden wiv mit der Versicherung ergebenst ein, daß wir nach wie vor bemüht sein werden, durch möglichst schnelle Berichterstattung über locale Vorgänge und allgemeine Zeitereignisse, wie durch anziehenden Unterhaltnngsstoff in der Rubrik „Vermischtes", im Feuilleton und namentlich in der „Belletristischen Beilage" uns die Geneigtheit unserer geehren Leser zu erhalten. Inserate finden in unserem Blatte erfolgreiche Verbreitung. Unsere geehrten auswärtigen Abonnenten, welche das Blatt durch die Post beziehen, ersuchen wir, die Bestellungen bei den zuständigen Postanstalten-rechtzeitig zu bewirken. Die Expedition des „sächsischen Erzählers". Das nationale Bewußtsein. Die langjährige Zersplitterung des deutschen Reiches ließ in vergangener Zeit in dem deutschen Volke kein rechtes Nativnalgefühl aufkommen; vielmehr beherrschte die edelsten Geister Deutsch lands sehr lange eine ideale weltbürgcrliche An schauung, die freilich grundverschieden war von der Vaterlandslosigkeit der heutigen Social demokratie. Zur Zeit des großen Kurfürsten von Brandenburg, der ächt oeutsch dachte und handelte, gab es im Volk selbst nur Wenige, welche die Größe dieses Fürsten zu würdigen verstanden, und wenn auch später die Siege Friedrichs des Zweiten zahlreiche deutsche Dichter begeisterten, stand dieser königliche Bewunderer der französischen Philosophen doch selbst dem Deutschthum zu fremd gegenüber, um im deutschen Volke ein rechtes nationales Selbstgefühl wach- znrufen. So kam es, daß die erlesensten Geister Deutschlands vor nun hundert Jahren die Freiheitsregungen des französischen Volkes über mäßig bewunderten und erst nach längerer Zeit durch die Gräuelthaten Marats und NobieSpicrres von ihrem Jrrthum überzeugt wurden. Der selbe deutsche Dichter Klopstock, von dem die Worte sind: „Zorn blickt mein blaues Äug' avf Den, cs haßt mein Herz Den, der sein Vater land verkennt!"; er schrieb vor nun hundert Jahren: „Die größte Handlung dieses Jahr hunderts sei, -so dacht ich sonst, wie Hercules Friedrich die Keule führte, von Europas Herrschern bekämpft und Herrscherinnen! So denk' ich jetzt nicht. Gallien krönet sich mit einem Bürgerkranzc, wie keiner war; der glänzet Heller!" Der nationale Dichter Friedrich Schiller ließ sich in ähnlicher Weise vorübergehend von seinen kosmopolitischen Regungen beherrschen, daß er das Ehrenbürgerrccht der französischen Republik annahm. Der Begeisterung für die Befreiungskriege stand Göthe durchaus kühl gegenüber und selbst ein geistig so hochstehender Mann wie Alexander von Humboldt, hatte kaum eine Ahnung von nationalem Bewußtsein. In dem sogenannten Völkerfrühling dcS Jahres 1848 schwärmte man wohl allgemein in Deutsch land für die Feststellung der Grundrechte, aber darüber ließ man die nächsten praktischen Fragen ungelöst und in dem Sturm und Drang, der alle Verhältnisse beherrschte, begann sich das deutsche Nationalgefühl erst ganz leise zu regen. Wohl empfand man damals schon den wenig heilsamen Einfluß Rußlands auf die deutschen Verhältnisse, aber man schwieg sich darüber in den Parlamenten zu Berlin, Frankfurt a. M. und Erfurt gründlich aus. Man sympathisirte mit den radikalen Elementen Frankreichs und dachte nicht im Geringsten an die Wieder eroberung der Deutschland auf so schnöde Weise geraubten Provinzen Elsaß-Lothringen. Die so deutschfeindlichen Polen waren die erklärte» Schooßkinder der deutschen Demokratie, die Lieb linge vieler genialer deutscher Sänger. Nicht nur für die Deutschen in Oesterreich empfand man, ganz Oesterreich-Ungarn sammt den Czechen, Slovenen und Magyaren, galt als Bruderland und nur schwer hat man sich nach und nach, gezwungen durch den Druck der politischen Ereignisse, von dem großdeutschcn Gedanken los gesagt und mit der reindeutschen nationalen Idee befreundet. Streng genommen zeigte sich aber doch schon im Jahre 1848 bei dem schleswig- holsteinischen Befreiungskämpfe in dem Streite gegen Dänemark der gesunde Keim der nationalen Gesinnung; aber über den Weg, Deutschland zu einigen, herrschte noch lange Zeit darnach die 'größte Unklarheit. Der nationale Drang war da, aber die Verwirklichung des Gedankens stieß überall auf Schwierigkeiten; das Reichsverwescr- thum hatte ebensowenig Erfolg wie der Versuch, Friedrich Wilhelm IV. zur Annahme der Kaiser krone zu bewegen, auch die Triasidee, welches ein einiges Deutschland in drei Gruppen erstrebte, fand keinen Anklang. Auf Turner-, Schützen- und Sängerfesten wirkte der deutsche Gedanke ohne Thaten zn erzeugen, und fort und fort verspottete das gehässige Ausland diese uner sprießliche Schwärmerei, bei welcher der Jammer der Zersplitterung des Reiches fortwährtc. Im kummervollen Exil, in England, Frankreich und der Schweiz, ging manchem Deutschen, der seine Betheiligung an den Kämpfen des Jahres 1848 mit Verbannung büßen mußte, plötzlich ein Helles Licht darüber auf, daß Weltbürgcrthum und Vaterlandsliebe im praktischen Leben fast unver einbare Begriffe seien und daß die Deutschen vor Allem erst die Eintracht erkämpfen müßten, ehe sic daran denken könnten, freiheitliche Ideale zu erstreben. Nicht dem vielbewunderten „Romantiker auf deni Thron", wie man König Friedrich WilhelmIV. genannt hat, sondern dem so lange verkannten Prinzen Wilhelm von Preußen, dem schlichten, unerschütterlichen, charaktervollen Mann der That, war es vergönnt, Deutschland zu dem zn machen, was cs heute ist. Dieser fand als König von Preußen in dem Herrn v. Bismarck- Schönhansen den ruhigen lind klaren Denker voll kernsester deutscher und königstreuer Ge sinnung, der ihm Schritt für Schritt den Weg bahnte und an dem lange geschürzten Knoten mit so geduldiger Ausdauer arbeitete, bis die nationale Frage befriedigend gelöst war. Immer durch und durch Realpolitiker und felsenfest überzeugt von seines Monarchen Heldengröße und von der Zuverlässigkeit der Armee ver anlaßte es der Staatsmann, der heute noch Deutschlands Geschicke leitet, daß Dänemark aus Schleswig-Holstein verdrängt, daß von zu vielen nichtdeutschen Elementen durchsetzte Oester reich zum Austritt aus dem deutschen Bunde gezwungen, daß der Main überbrückt und nach der Wicdercroberung Elsaß-Lothringens auch das deutsche Kaiscrthum fest gegründet wurde. Wenn ein Schermund vvrausgesagt hatte, daß der deutsche Kaiser mit einem Tropfen demokra tischen Oeles gesalbt werden würde, so ist diese Prophczcihung insoweit eingetroffen, als Fürst Bismarck den freiheitlichen Regungen des deutschen Volkes durch die Reichsverfassung vollauf Rechnung trug und die deutsche Volksvertretung aus der allgemeinen unmittelbaren Wahl hervor gehen ließ. So gewann das neue Kaiscrthum den Hohenzollern, im Bunde mit allen deutschen Fürsten und mit dem deutschen Reichstage eine Form, die nach allen Seiten hin befriedigen konnte und die vollste Bürgschaft langer Dauer und segensreicher Entwickelung in sich trägt. Nach außenhiu schaffte das Kaiscrthum dem Reiche unendliches Ansehen und einen langjährigen Frieden; im Innern zeitigte es den Anfang der großen Svcialrcform, eine weitere treffliche Frucht des gesunden Realismus. Voll Bewunderung hat das jetzt lebende Gcichlecht die Eintracht und die Macht Deutsch lands erstehen sehen und sich selbst dabei von dem nationalen Geist durchdringen lassen, der heute schon in Saft und Blut der Mehrheit des deutschen Volkes übergegangcn ist. Viele,, die darüber innerlich ergrimmt waren, daß alles Große auf andere Weise erzielt worden, als sic cs geahnt und gewünscht hatten, verschlossen wohl ihren Sinn für die Bedeutung des auf nationalem Gebiete Erreichten. Die Heranwachsende Jugend Deutschlands aber empfindet die Größe der Errungenschaften mit empfänglichen warmen Herzen; sie ist, soweit sic nicht durch socialistische oder jesuitische Erziehung voni Vaterland künstlich abgelenkt wird, stolz auf das einige deutsche Reich und ausgerüstet mit einem kräftigen freudigen Nationalgefühl. Aus diesem hocherfreu lichen Aufschwung des nationalen Bewußtseins sind die letzten Reichstagsmahlen hcrvvrgegangen, bei welchen die national-schwachen oder national feindlichen Elemente glänzend besiegt wurden. Aus diesem regen Nationalgefühl erblüht die Opferfreudigkeit der deutschen Jugend für einen etwaigen schweren Kampf gegen das feindselige Nomanenthum und das sich demselben bedenklich nähernde Slaventhum. Die freiheitlichen Ideen sind deshalb nicht vergessen; sie müssen aber zurückstehen vor der Gefahr des Vaterlands, vor < der Pflicht, die Ehre des deutschen Stammes zu wahren. Ist erst das Haus des deutschen Volkes fest umfriedet und gegen feindliche Angriffe auf lange hinaus geschützt, dann wird auch die Zeit kommen, es mit Freiheit und Wohlfahrt zu schmücken. Auf diesem Hause soll aber zu allen Zeiten, in Krieg und Frieden, stolz das nationale Banner wehen! Deutsches 9t eich. Ihre Majestäten der König und die Königin kehren heute Freitag mittels Extrazuges von Berlin zurück. Der Extrazug wird gegen 11 Uhr Vormittags von Berlin abgehen und kurz nach 2 Uhr über Röderau auf dem Leipziger Bahn hofe in Dresden eintreffen. Se. Kgl. Hoheit Prinz Georg ist in der Nacht zum Donnerstag ^ii Uhr mit dem fahrplan mäßigen Courierzug von Berlin nach Dresden zurückgckehrt. Ihre Königl. Hoheit Prinzessin Mathilde ist bereits am Mittwoch von Berlin' abgereist, die Ankunft in Dresden erfolgte Nach mittags 5 Uhr. Se. Maj. der König Albert gewährte am 23. d. in Berlin den sächs. Rekchstags-Abgeordne- tcn Audienz, die vollzählig mit Ausnahme eines zufällig von Berlin abwesenden Abgeordneten, erschienen waren. Der König, so erzählt die „Post", unterhielt sich auf das Freundlichste mit jedem einzelnen Abgeordneten und sprach insbesondere seine Freude über die Beseitigung der Socialdemokratie in Sachsen aus. Nunmehr könne er jeden sächsischen Abgeordneten empfangen. Auch von den Prinzen Georg und Friedrich August von Sachsen wurden die Abgeordneten empfangen. Bischofswerda, 25. März. In allen Orten unserer Umgebung wurde, nach uns zugegangenen Berichten, Kaisers Geburtstag mit einem Ent husiasmus begangen, welcher ein glänzendes Zeug- niß für die Liebe und Verehrung ablegt, deren sich Kaiser Wilhelm auch hier erfreut. Unvergeßlich schön war die Feier des 90. Geburtstages Sr. Majestät des deutschen Kaisers aucb in unser«; Bischofswerda. Unvergeßlich schön schon die Vor feier in der festlich erleuchteten und geschmückten Turnhalle am Montag Abend von 7—8 U hr^