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Dienstag, den 8. Februar 1887, 3 W Nachmittags Versteigerung eine» offenen Kutschwagen» und einer Halbchaise 1« de« a« Biehlehdentvege hier gelegene« Hta Königliche» Amtsgericht Bischofswerda, am-S. Feükuar »SS7. H Die Kriegsgefechte. In der deutschen Presse fehlt e» nicht an Un glückspropheten, welche einen Krieg mit Frankreich al» nahe bevorstehend verkündigen, zumal Graf Moltke die Ablehnung de» Septennats im Reichs tage als eine Förderung der Kriegsgefahr be zeichnet hatte. Jedenfalls ist eS aber gut, alle diese kriegerischen Nachrichten kaltblütig auf zunehmen und sich ohne Bangen ruhig auf die bewährte Umsicht und Wachsamkeit der deutschen Heeresleitung zu verlassen. Die Reichsregierung giebt ein Beispiel der Ruhe und Vorsicht, das lange nicht genug beachtet wird, wogegen die Berliner und Pariser Geschäftswelt sich weit mehr als nöthig scheint, von den aus guten Gründen einen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich herbeiwünschenden großen englischen Blättern in Aufregung versetzen lassen. Das, was man als Anzeichen einer nahe bevorstehenden kriegerischen Verwickelung betrachtet, verliert den bedrohlichen Charakter, wenn man eS näher in's Auge faßt. Die das Pferdeausfuhrverbot verhängende kaiser liche Verordnung ist im Grunde nur eine vor beugende Maßregel, die schon öfter in Friedens zeiten vorgenommen worden ist, sobald von einer fremden Armeeverwaltung außerhalb ihreZ Landes große Pferdeaufkäufe gemacht wurden. Da nun Frankreich jüngst in Belgien zahlreiche Pferde kaufte und zur Zeit noch große Posten Militär pferde in Skandinavien zu erhandeln sucht, lag die Gefahr eines Abflusses des deutschen Pferde materials ebenfalls nahe. Um diese Gefahr zu verhindern, die um so bedenklicher ist, als kein Land Ueberfluß an Militärpferden besitzt, wurde das Verbot erlassen, das vielleicht auch erfolgt wäre, wenn man geringere Ursache hätte, der Friedensliebe der Franzosen zu mißtrauen. Einen weiteren Grund zu Kriegsbefürchtungen boten die starken Bestellungen auf Schwcfeläther, welche die französische Armeeverwaltung in Deutschland machte, sowie deren Versuch, von dort große Mengen von Pikrinsäure zu beziehen. Es wurde angenommen, daß diese Stoffe für die neuen Mölinitbomben Verwendung finden sollten, mit welchen Geschossen der Kriegsminister General Boulanger die französische Artillerie auszurüsten gedenkt. Wie Berliner Zeitungen versichern, hat die betreffende Fabrik auf eine Anfrage an die Regierung, ob sie unter den obwaltenden Be sorgnissen die bestellten Mengen von Schwefel äther nach Frankreich liefern dürfe, eine bejahende Antwort erhalten. Die deutsche Heeresverwaltung fürchtet nämlich die Wirkung des in Frankreich so hoch gepriesenen Mölinits keineswegs und ist überzeugt, daß dieses Sprengmittel sich gar nicht mit dem neuen „Roburit" vergleichen läßt, einem großartigenZerstörungsmittel, welches die deutschen Artillerie-Feuerwerker schon seit längerer Zeit Herstellen. Man hat deshalb gar nichts dagegen, wenn die chemische Industrie Deutschlands, deren bedeutende Leistungsfähigkeit auf der Antwerpener Ausstellung allgemein anerkannt wurde, ihre nicht immer so massenhaft abzusetzenden Produkte für theures Geld an Frankreich los wird. Aehnlich verhält es sich mit den Holzhändlern im Schwarz wald und im Elsaß, denen die Reichsregierung das Geschäft gönnt, einige Millionen Bretter nach Frankreich zu verkaufen. Vorläufig sind eben nur Balken und Bretter bestellt, aber es stehen bis jetzt an der Grenze Deutschlands noch keine Baracken und sind zur Stunde auch noch keine solchen Truppenmassen in den Ostprovinzen Frankreichs zusammengezogen, welche aus Platz mangel in den Garnisonsorten diese Baracken be ziehen müßten. Immerhin könnte die Absicht, solche Barackenlager zu errichten, bedenklich genug erscheinen, wenn sie auch nichts weiter wäre, als eine Erwiderung der von deutscher Seite an gekündigten Verstärkung unserer Grenz-Garnisonen. Gerade die als unwahr bezeichnete Alarms Depesche der Londoner „Daily News" war ge- eignet, die Franzosen darauf hinzuweisen, was sie mit einer großen Truppenanhäufung an der Grenze Deutschlands herbeiziehen würden. Die Folge wäre, daß auch Deutschland bedeutende Truppen massen an der Grenze aufstellen und diplomatische Aufklärungen über Frankreichs Rüstungen ver langen würde, was einer Kriegserklärung so ziemlich gleich käme. Eine solche wäre den Franzosen jetzt sicher sehr unwillkommen, wie sich dies deutlich genug aus dem Schrecken ergab, ^estu^de»^Wrn BezrrksschpkinspectürS Schul- rath vk Wild im Schulsaale allhier abgehalten. Vom SchufauSfchuß wurde nach der Probe Herr Lehrer Hölzel in Schmölln gewählt. — 3. Februar. Das Stiftungsfest des- Gewerbevereins ward gestern im schön deco- rirten Saal des Schützenhauses unter zahlreicher Betheiligung der Mitglieder und deren Angehörigen,, bestehend in Jnstrumental-Concert und Ball, be gangen. Ganz besonderen Beifall ernteten die zu Gehör gebrachten Ziethervorträge. Auch ein Fastnachtsscherz kam zur Ausführung,, indem sich eine Capelle aus den Balkanstaaten präfentirte und ihre Weisen zu Gehör brachte, dieselbe erntete nicht endenwollenden Beifall.. Den Vorträgen schloß sich ein solenner Ball an. Die veranstaltete Sammlung zur Bereicherung der Wagnerstiftung ergab 33 Mark 50 Pfennige. — In der Zeit vom 7. bis mit 18. Februar wird, wie das „Dr. Journ." meldet, die Hälfte der Reservemannschaften des XII. lKönigl. sächs.> Armmeecorps behufs Einübung der Handhabung, des neuen Repetirgewehres zu einer Dienstleistung, herangezogen werden. Es ist dies eine Maßregel, die bereits in dem Entwurf des Etatsgesetzes für 1887/88, welcher dem nunmehr aufgelösten Reichs tage Vorgelegen hat, jedoch nicht zur Erledigung gekommen ist, vorgesehen war, somit also in keiner Weise einen außerordentlichen Charakter trägt. Die Hebung in jetziger Jahreszeit dürfte weniger störend in die Civilverhältnisse der Einberufenew eingreifcn, als dies bei einer Einziehung zu anderer Zeit der Fall sein würde. — Es ist dieser Tage eine Verordnung des kgl. Justizministeriums erschienen, wonach in der Uniformirnng der bei den Gerichten und Staats anwaltschaften fungirenden Diener eine Aenderung. eintritt. Bisher war neben der Dienstmütze der betr. Gerichtsunterbeamten der grüne Fedcrhut vorschriftsmäßig; selbiger wurde jedoch höchstens in „großer Gala" getragen. An Stelle des Hutes tritt in Zukunft der Helm mit sächs. Wappen und Landescocarde in Gebrauch. Es dürfte diese Aenderung nm deswillen schnell sich durch führen, weil von einer großen Zahl sächsischem Gerichtsdiener darum petitionirt worden ist. -sfi Demitz, 1. Februar. In der letzten Versammlung des hiesigen landwirthschastlichen Vereins wurden über 40 Eingänge erledigt.. Zum Vortrage und zum Besprechen kamen folgende Gegenstände: „Was versteht man unter Thomasschlacke?" „Bericht über einen Vortrag, des Herrn vr. Böhme im landwirthschastlichen Vereine zu BieSnitz über intensive Bewirthschaf- tung." Desgl. über einen solchen von vr. Horsch- über „den Kreislauf der Kohlenstoffe in der organischen Natur." „Ueber die Art und Weise der Potenzierung homöop. Heilmittel." „Ueber Bodenbearbeitung des Gartens im Herbste." „Eine Recension des Bauernkalenders auf 1887^ von Hans Huber." „Die Paradiesäpfelblätter als Mittel zur Vertreibung der Ameisen; übem Nutzen und Schaden derselben." „Die von Geh. Sanitätsrath vr. Heer in Ratibor empfohlene Hefen(pilze) als CH oleramittel." „ Ueber Simmen- thaler Vieh." <A Bautzen. (Schwurgerichtsverhand- lungen.) Des versuchten Raubes angeklagt erschienen auf der Anflagebank der Bäckergeselle Johannes Isidor Kühn aus Tharandt, der Eisenbohrer August Max Morgenstern aus Dresden und der Schlossergeselle Friedrich Gott lieb Lenze aus Nauen. Dieselben hatten den Entschluß gefaßt, den Gästwirth Muschter in Cosel, mit dessen Verhältnissen genannter Kühn bekannt war, gemeinschaftlich zu berauben und hatten sich zu Ausführung dieses Planes am 22. Oktober 1886 Abends gegen 10 Uhr in Cosel eingefunden. Lenze begab sich in dim Muschter'sche Gastwirthschaft, begehrte dort Nachtquartier und noch ehe derselbe vom Wirthm in das in der ersten Etage gelegene Fremden zimmer begleitet wurde, hatte Morgenstern Ge legenheit, der vorher getroffenen Verabredung, gemäß, sich unbemerkt in das ihm schon vorher bekannte Fremdenzimmer einzuschleichen und sich dortselbst hinter einen Schrank zu verbergen- Muschter hatte sich, nachdem er den rc. Lenze hinaufgeführt, wieder in die Schänkstube begeben, hatte dort noch Verschiedenes besorgt, nahm dann, wie er dies allabendlich zu thun pflegte sein Geld in einem Kasten unter den Arm un^. Bischofswerda, 4. Fcbr. Da durch den Weggang des Herrn Lehrer Pohl die 10. ständige Lehrerstelle an hiesiger Bürgerschule zu Ostern d. I. vacant wird, so hatte der hiesige Stadtrath, als .Collaturbehürde, drei Bewerber zu einer Lehrerprobc einaeladen. Dieselbe wurde Diens tag, den 2. d. M., von früh 8—11 Uhr unter «ppolt, Ger.-Vollz. ' / den die fälschliche Ankündigung eine» deutschen Ultimatum- ln Paris erzeugte. Man ahnt dort, daß der rastlos thätige deutsch« Generalstab seine Zeit noch besser verwendet hat, al» dir Gehilfen de» Kriegsministers Boulanger. Zur Beruhigung der Gemüther brachte der ministerielle „Temps" eine officiöse Mittheilung, wonach der französische Botschafter in Berlin, JuleS Herbette, in einer langen Unterredung mit dem Grafen Herbert Bismarck die Daily-News-Nachricht zur Sprache brachte und erfuhr, daß diese Nachricht völlig unbegründet sei. Der „Temps" stellt in Abrede, daß an der Ostgrenze Baracken errichtet würden, um dort 20,000 Mann Verstärkung unterzu bringen, erklärt aber nichtsdestoweniger, daß die dort thatsächlich gebauten Baracken bestimmt seien, den Reservisten und Landwehrleuten, welche keinen Platz in den Casernen finden könnten, als Logement zu dienen. Diese Baracken würden deshalb nicht allein in Geradmer, Corcieux, Saint Diö, sondern in der Nähe sämmtlicher Garnisonen des Ostens erbaut. Diese Mittheilung bestätigt also die bis jetzt von sämmtlichen Pariser Journalen abgeleugnete und nur als Erfindung der Reptilienpresse bezeichnete Nach richt des Ankaufs von Brettern zum Zweck des Barackenbaus. Ans alledem scheint hervorzugehen, daß zwar kein Grund zu unmittelbaren Kriegsbefürchtungen vorliegt, daß es aber mehr als leichtsinnig wäre, wenn von deutscher Seite die Eventualität eines neuen Krieges mit Frankreich außer Acht gelassen würde. Bezeichnend ist, daß der Pariser „Figaro", welcher sonst dem Kriegsminister Boulangcr keineswegs hold war und eine Zeit hindurch im Sinne des Friedens zu wirken suchte, jetzt, an scheinend einer Strömung der öffentlichen Meinung gehorchend, einen Artikel über angebliche Kriegs vorbereitungen wie folgt schließt: Da der Krieg nun einmal in den Friedensvertrag des Jahres 1871 mit eingeschlossen worden ist, so müssen wir uns entschließen, ihn immer vor uns zu sehen und uns daher beständig auf ihn vorbereiten. Das ist zwar traurig, aber das ist einmal so." Fast noch trauriger ist dieses Hangen und Bangen in schwebender Pein für die zwei kleinen neu tralen Nachbarn Frankreichs, für Belgien und der Schweiz, welche beide Staaten sich veranlaßt . fühlen, umfassende Vorsichtsmaßregeln zu treffen, als sei der Krieg im Frühjahr sicher und als liefen sie Gefahr, in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Nach einer Auslassung des Fürsten Bismarck ist die belgische und schweizerische Neu tralität am sichersten gewährleistet, wenn jedes dieser Länder sich genügend stark macht, um bei einer deutsch-französischen Verwickelung einen Durchmarsch fremder Truppen durch entschlossenen Widerstand erfolgreich zu verzögern. Deutschland wünscht, daß sich seine beiden neutralen Nachbarn gegen einen Einbruch sichern, weil dadurch die deutschen Flanken gesichert werden. Von deutscher Seite haben Belgien und die Schweiz keinen Versuch zu einem Durchbruch zu befürchten, so lange kein französisches Corps die neutrale Grenze verletzt. Die deutsche Heeresverwaltung unter schätzt die Stärke der französischen Befestigungs linien keineswegs; die letzteren sind aber zu ausgedehnt, um nicht eine Zersplitterung des Kriegsmaterials herbeizuführen und eine Concen tration der französischen Streitkräfte zu erschweren. Man ist in den leitenden Kreisen in Berlin auf Alles vorbereitet, ohne sich wirklichen Kriegs besorgnissen hinzugeben. Man würde les aber trotzdem gern sehen, wenn eine Cabinetscrisis die treibende Kraft der französischen Kriegspartei, den sich auf den Retter und künftigen Diktator Frankreichs hinausspielenden General Boulanger, hinwegspülte. In diesem Falle würde ein aber maliges Ministerium Ferry die Abstellung der beiderseitigen Rüstungen ermöglichen, deren Fort setzung in der jetzigen Weise kaum ohne ernste Folgen bleiben kann. zL.