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ou» Lrvciterkrnsm, dir im Auftrag einer größeren Anzahl von College« auf unserem Büreau er schien. um zu erklären, daß man in ihren Kreisen da» Borgehen der kaiserlichen Regierung voll ständig billige. Sie wüßten al» gediente Soldaten, wa« rS im Felde heiße, nicht die nöthige Unter stützung zu haben, und so könnten sie sich vor- Hellen, wie eS unserem Kaiser umS Herz sein utü> wie eS ihn entrüsten müsse, wenn ihm die Mfttel von dem Reichstag versagt würden, die unser Moltke für die Sicherstellung des Reiches für nothwendig halte. Sie zahlten jetzt 6 Mark Einkommensteuer — und besondere Freude mache das Niemandem; aber wenn eS einmal der Kaiser, Bismarck und Graf Moltke für nöthig erklärten, na, dann wollten sie auch gern 9 Mark geben." Von den Vertretern Sachsens im Reichs tage stimmten für den Stauffenberg'schen Antrag, dessen Annahme die Auflösung des Reichstages veranlaßte, die Abgeordneten Eysold, Buddeberg und Fährmann. Dagegen stimmten die Abgeord neten Ackermann, von Carlowitz, vr. von Frege, Gehlert, Günther, vr. Hartmann, Hartwig, Holtzmann, Klemm, Merbach, Penzig, Reich und vr. Tröndlin. Der Abstimmung enthielten sich die Socialdemokraten Geiser, Geyer, Kayser und Stolle. Gefehlt haben 3 sächsische Abgeordnete, von denen der Abgeordnete vr. Braun-Wies baden durch Krankheit verhindert war, während die Abgeordneten Viereck und Auer eine Ge- fängnißstrafe verbüßen. In voller körperlicher und geistiger Frische beging am 17. d. M. Herr Bürgermeister a. D. Pienitz in Pirna das fünfzigjährige Bürger jubiläum, aus welchem Anlaß dem vielverdienten Manne von allen Seiten die herzlichsten Glück wünsche dargebracht wurden. Das Eis der Elbe ist nun auch in Dresden zum Stehen gekommen. Die Eisdecke erstreckt sich von Cossebaude bis an die Marienbrücke und von der Angustusbrücke aufwärts, so daß nur noch zwischen der Marienbrücke und der Augustusbrücke freies Wasser zu sehen ist. Von den Beschälstationen wird im laufenden Jahre, laut Bekanntmachung des königl. Mini steriums des Innern^ die zu Schwein erden mit den Hengsten „Prinz, Merkur und Polder" Seiten des Königlichen Landstallamtes zu Moritz burg besetzt werden und deren Eintreffen am 1. Februar, deren Wieder-Abgang am 30. Juni erfolgen. Chemnitz, 18. Januar. Der wegen Mordes an dem Fuhrmann Naumann aus Frohburg zum Tode verurtheilte Handarbeiter Christian Friedrich Schroth aus Großrückerswalde ist am 18. d. Morgens ^8 Uhr, nachdem das Aller höchsten Ortes eingereichte Begnadigungsgesuch abschläglich beschicken wordcn ist, im Beisein der geladenen Zeugen nnd einer Anzahl Personen, denen durch Karten der Zutritt gestattet war, mittelst Fallschwertes hingerichtet worden. Trotzdem die Beweise erdrückend waren, leugnete Schroth jederzeit, an dem Morde des unglück lichen Naumann schuldig zu sein. Seinen letzten Stunden sah er nach der Urtheilsverkündung ohne besondere Aufregung entgegen und machte seitdem von den, den Todeskandidaten gewährten üblichen Vergünstigung betreffs Speise und Trank ausgedehnten Gebrauch. Die Tröstungen seines Seelsorgers nahm er ohne Gemüthsaufregung hin und auch bei dem Besuche des Scharfrichters behielt er seine Fassung vollständig. Mit einer gewissen Sehnsucht erwartete der Verbrecher den Abschiedsbesuch feines Bruders, der jedoch nicht erschien, und nach feiner, meist im Schlaf verbrachten letzten Nacht, trat er kurz vor V,8 Uhr, geführt von zwei Dienern und begleitet vom Arresthausdirector, sowie dem Geistlichen und seinem Vertheidiger, Herrn Rechtsanwalt Justizrath von Stern, aus der Zelle den ver- hängnißvollen Gang an. Am Fuße des Schoffots befanden sich die Mitglieder des Gerichtshofes, der Oberstaatsanwalt, die gesetzlich vorgeschriebenen , 12 Hinrichtungszeugen, die Vertreter der Presse und noch etwa 160 Personen. Nachdem der Herr Oberstaatsanwalt Schwabe nochmals dem Deliquenten den Spruch des Schwurgerichtes und die landesherrliche Entschließung publicirt hatte, übergab er ihn dem Scharfrichter und dessen Gehilfen zur Vollstreckung des Todes- urtheils, worauf Schroth mit matter Stimme erwiderte: „Herr Oberstaatsanwalt, Sie thun mir unrecht!" 1 Minute 10 Sekunden später hatte der Scharfrichter seinen Auftrag erfüllt. Der Leichnam SchrothS wurde in die Anatomie in Leipzig übergeführt. Die definitiven Ergebnisse de» im November stattgefundenen Chemnitzer Preis-Scat- Turnier» dürften für vie Scatfreunde von Interesse sein. Bon den zu spielen gewesenen 10,000 Spielen entfielen 3 auf Einpatz, 1588 auf Frage, 4492 auf Tournee, 194 auf Null, 2921 auf Farbensolo, 35 PuU ouvvrt und 767 Grandsolo. Gewonnen wurden 7093 und ver loren 2904 Spiele. Die Endresultate der sämmt- lichen Theilnehmer oder 125 Protokolle weisen 128,623 Points und 448 — Points nach. Das an einem Tisch erzielte höchste Resultat ist 1706, daS niedrigste 588 PointS. An 5 Tischen kamen keine Fragespiele, an einem dagegen deren 50 vor. Die höchste Zahl der Tournees ist 52, der Farbensolos 38, der Grandsolos 13. Auch ereignete sich der seltene Fall, daß an einem Tisch mehr Grandsolos als Farbcnsolos gespielt wurden. «> Berlin, 19. Januar. DaS Herrenhaus hat -heute in einer ganz kurzen Sitzung die Adresse, wie die Commission sie beantragte, einstimmig an genommen. Diejenigen Mitglieder, welche dagegen waren, hatten sich der Sitzung ferngehalten; es fehlten daher einerseits einige Polen und Ultra montane, welche am Montag gegen den Erlaß einer Adresse gestimmt hatten, andererseits ein großer Theil der liberalen Mitglieder. Die an genommene Adresse, welche durch eine Deputation des Herrenhauses überreicht werden wird, lautet: Eure kaiserliche und königliche Majestät sind der Schöpfer des preußischen Heeres in seiner gegen wärtigen Gestalt. Durch dessen und unserer Bundesgenossen Heldenmuth haben Eure kaiser liche und königliche Majestät das Deutsche Reich in nie dagewesener Macht und Herrlichkeit wieder hergestellt, und gestützt aus die jetzt einheitliche Deutsche Armee durch Allcrhöchstderen Weisheit den Frieden Europas während langer Jahre er halten. Gerade gegenwärtig sind die staatlichen Beziehungen der Völker Europas zu einander mannigfach so gespannt, daß die Gefahr nicht ausgeschlossen ist, auch das Deutsche Reich uner wartet in Krieg verwickelt zu sehen. Darum ist mit dem ganzen Lande das preußische Herrenhaus tief bewegt, daß Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät nach einer so langen glorreichen und gesegneten Negierung der Schmerz nicht erspart ist, daß die Bewilligung der Mittel, welche Aller- höchstdieselben und die verbündeten deutschen Re gierungen in einem solchen Augenblick zur vollen Wehrhaftigkeit der deutschen Armee erforderlich halten, an eine Einschränkung geknüpft wurde, welche, dem auf wiederholten Compromissen be ruhenden Herkommen entgegen, von Eurer kaiser lichen und königlichen Majestät für unannehmbar gehalten und.infolge davon die Auflösung des Reichstags für geboten erachtet wurde. Geruhen Eure kaiserliche und königliche Majestät es gnädig aufznnehmen, wenn wir unser erstes Wort nach unserem Zusammentritt an Allerhöchstdieselben mit der ehrfurchtsvollen Versicherung richten: daß wir, wie allezeit, so auch in der gegenwärtigen Lage, ganz und freudig zu Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät stehen, wenn wir Allerhöchst- demselben den allerunterthänigsten Dank dar bringen für die treue Sorge der unerschütterlichen Erhaltung und nothwendigen Fortbildung des deutschen Heeres, und wenn wir endlich Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät die Zuver sicht aussprechen: daß dem preußischen Volke kein Opfer zu schwer sein wird, das Heer dauernd bei der Wehrhaftigkeit zu erhalten, jede dem Vaterlande drohende Gefahr abzuwenden. Fürst Bismarck hat seinen Geheimsecretär v. Britzke durch den Tod verloren; Britzke war namentlich im Chiffrirbureau der Reichskanzlei thätig. Die Parteigruppierung des Reichstages war zur Zeit der Auflösung folgende: 77 Deutsch- conscrvative, 28 Freiconservative oder deutsche Reichspartei, 51 Nationalliberalc, 109 Zentrum, 60 Deutschfreisinnige, 6 Volkspartei, 16 Polen, 25 Socialdemokraten, 15 Elsaß-Lothringer, 1 Däne, 7 Wilde, zusammen 395 Abgeordnete. Zwei Mandate waren in letzter Zeit durch Tod erledigt: Roßhirt (Zentrum), Dirichlet (deutsch freisinnig). In Münchener gut unterrichteten Kreisen glaubt man, daß die Reise des bairischen Staats ministers Freihcrrn von Crailsheim und des würtembergischen Ministerpräsidenten von Mitt nacht nach Berlin der Vereinbarung einer Wahl- proclamation aller deutschen Bundesfürsten gelte. Wie die „Berl. Pol. Nachr." aus zuverlässiger Quelle hören, sind französische Agenten bemüht. Vermischtes. — Der deutsche Kronprinz hat gegenwärtig 72 Orden, Fürst Bismarck 49, Graf Moltke 44, Prinz Wilhelm von Preußen 34, sein Bruder Heinrich ebenso viel. Graf Herbert Bismarck besitzt 19, Graf Wilhelm Bismarck 13 Orden. — Am 17. d. Nachts ging in Corbetha ein von Leipzig gegen 3 Uhr abgelassener Postwagen in Hellen Flammen auf und brannte vollständig nieder. Es sind über 700 Postpackete mit ver brannt, nnd cs wird die Postverwaltung dadurch eine nicht unbeträchtliche Ersatzpflicht treffen. — Ein Bankier in Potsdam verlor letzthin auf der Eiscnbahnfahrt nach Berlin eine Brief tasche mit 9000 Mark Werthinhalt. Dem be treffenden Schaffner, welcher so glücklich war, die Tasche zu finden, wurden 900 Mark Be lohnung anstandslos gezahlt. — Der bekannte Centrumsführer Ludwig Windthorst feierte am 17. Januar seinen 75. Geburtstag, zu welchem ihm von seinen politischen und persönlichen Freunden zahlreiche Ovationen dargebracht worden sind. — In der Nacht zum 14. Januar hat der Handarbeiter Johannes Loos in Willmanns- hausen bei Eisenach seinen Vater, den Weber Friedrich Loos, mit einer Axt erschlagen und dann versucht, sich mit einem Rasirmesser die Kehle abzuschneiden. Es besteht die Hoffnung, letzteren dem Leben zu erhalten. Es ist noch nicht hinreichend aufgeklärt, welche Gründe Loos zu der That veranlaßt haben. — Beim Amtsgerichte zu Priem in Baiern kam kürzlich der seltene Fall vor, daß der Ober- Amtsrichter einen während der Verhandlung ein geschlafenen Schöffen zu wecken genöthigt war; es geschah unter der eindringlichen Mahnung, daß, wenn er nochmals als Schöffe schlafend angetroffen würde, er die Kosten sämmtlicher Verhandlungen des Tages zn'tragen haben würde. — Der größte Gänsemarkt in Deutschland ist wohl der m Rummelsburg bei Berlin. Er ist in dickem Jahre von 1,209,000 Stück Gänsen beschickt worden, die 930 EisenbahnwaggonS füllten. — Am 17. d. M. wollen 4 je mit 2 Pferden bespannte Geschirre eines Rittergutsbesitzers aus Wormsleben über den zugefrorenen See bei Eis leben fahren und sind dabei eingebrochen. Nur ein Knecht hat sein Leben retten können, alles Andere wurde von den Fluthen deS See» verschlungen. — Wölfe durchstreifen jetzt auch die Wälder der Eifel und des HundsrückS, begünstigt durch die meterhohe Schneedecke, und setzen die Bewohner der einsamen Walddörfer durch unangemeldete Besuche in Schrecken. — Friedland, 17. Januar. In dem 2 Meilen von Gerdauen und 1 Meile von Fried ¬ allen in Deutschland vorhandenen Schweftläther- aufzukaufen. Bekanntlich haben die Franzosen vor Kurzem einen neuen Sprengstoff Melimt er funden, von dessen verheerender Wirkung sie sich- viel versprechen. Zur Darstellung dieses Stoffe» ist Schwefeläther erforderlich. Die französischen: Fabriken sind aber nicht in der Lage, letzteren im den gebrauchten Mengen zu fabriciren. Berlin, 20. Januar. Die in Grootfo...... (etwa 19° 30' s. Br. und 18° ö. L.) in der Otowigegend in Südwestafrika angesiedelten Boer» sind auf ihren Antrag nach erfolgter Genehmigung. Sr. Majestät des Kaisers unter den Schutz de» Deutschen Reiches gestellt worden. O e st e r r e i ch. Kaiser Franz Joseph telegraphierte zum russischen Neujahrsfeste an den Kaiser von Ruß» land: „Ich hege die feste Ueberzeugung, daß e» uns bei vorurtheilsloser Beurtheilung der Sach lage und geleitet von unseren Gefühlen gelingen wird, die Schwierigkeiten, die uns umgeben, zu beseitigen und unseren Völkern die Segnungen des Friedens zu erhalten." Belgien. Belgien beginnt bereits zu rüsten! Ein Erlaß des Kriegsministers fordert alle de- missionirten Offiziere auf, sich zum sofortigen Wiedereintritt in die Armee bereit zu halten. General Nicaise erhielt die Ordre, zwei neue Ca- vallerie-Regimenter zu formiren. — Die Furcht Belgiens, von den Ereignissen in ähnlicher Weise überrascht zu werden, wie im Jahre 1870, ist für die allgemeine Situation um so charakteristi scher, als man auch in der Schweiz von ähn lichen Besorgnissen geplagt wird.