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Bischostwerda, deu S. Vermischtes. — Ein Hofmufikus. Bor der HülfS-Criminal- 'deputation de» Stadtgericht« zu Berlin stand der Dreh orgelspieler Fistel mit seiner Ehehälfte und einem Arbeiter Neumann unter der Anklage der Be leidigung von Polizeibeamteu und de« Widerstandes Legen die Staatsgewalt. Der 'Angeklagte war eines schönen Tages von einem Hofe der Gitschinerstraße, auf welchem er ohne Berechtigung mustzirte, durch ^iuen Schutzmann heruntergewiesen worden, gerieth aber darob so in Zorn, daß er den Schutzmann am Kragen packte und mit Hülfe seiner Frau und l>eS hinzugekommenen Neumann einen mächtigen Straßenauflauf provocirte. Fistel (mit theatralischer Grandezza am Schluß seiner Bcrtheidigung): Schn Se, Herr Gerichtshof, so war es und nich anders. Was die Schutzleute "sagen, iS Aliens falsch; sie haben un s an den Kragen gepackt und denn sind wir janz ruhig mit in die Wache gegangen. Präs.: Lassen Sie die Zeugen hereinkommen. Schutzmann Fischer bestätigt die Anklage im vollen Umfange und fügt hinzu, daß er von dem Angeklagten Fistel und anderen „Strolchen" hart bedrängt worden sei. Präs.: Bitte, unterlassen Sie hier solche Rede- tvendungen! Angeklagter Fistel (wüthend auf die Bank schlagend): Wat hat er jesagt? Strolche hat er je- sagt? Det wird ja immer besser! Det. lasse ick mir nich jefallen und werde augenblicklich det Lokal ver lassen ! Präs.: Angeklagter, bleiben Sie hier und ver galten Sie sich ruhig, sonst muß ich Sie hinaus- sühren lassen. Auge kl.: Immer zu! Det wird ja immer doller! Ick bin ein freier Mann und spiele meinen Leierkasten, aber „Strolch" schimpfen von 'nem Con- .stabler un rausschmeißen von 'nem königlichen Ge richtshof, det lasse ick mir nich und wenn Sie mir hundertmal inspunnen! (Er fuchtelt wüthend mit den Händen umher.) Präs, (zu dem GerichtSbotcn): Führen Sie den Mann hinaus! . Angekl.: Rühren Sie mir nich an, sonst können Se was erleben! Ick lasse mir nich rausschmeißen und wenn Se sich uff'n Kopp stellen! Der Angeklagte wehrt sich so standhaft, daß vier Gerichtsboten hinzuspringen und den Wüthcnden gewaltsam entfernen.. Vom Corridor her hört man denselben noch mächtig lärmen und toben. Inzwischen sinkt Frau Fistel wimmernd und schluchzend zusammen. Unter fortgesetztem Thränen- strom stößt sie laute Wehklagen aus: .IS et denn blos möglich, daß so 'ne Ungerechtigkeit existirt. Äiebt's denn gar keenen Herrjott mehr im Himmel. -Die Leute nehme ick Alle nich an , di» haben alle falsch geschworen; ick habe acht Zeugen. Nee, et iS jar nich zu jloben; ick habe zehn Kinder in die Welt jesetzt, nu muß mir uff meine ollen Dage noch so Ma« passiren." Sie wird nur mit Mühe beruhigt. Nach Schluß der^WUSaustahw^wir^F wieder hereingeführt. Präs.: Der Gerichtshof vernrtheilt sämmtliche Angeklagte, und zwar dm Fistel zu 6 Monate« Se- fängniß, die Frau Fistel und den Reumann zu je 2 Monaten Gefängniß. Außerdem hat der Gerichts hof beschlossen, den Fistel wegen ungebührlichen Be tragens vor Gericht sofort drei Tage in Haft z« nehmen. Ängekl. Fistel (vergnügt mit dem Kopfe nickend): Warum denn nich jleich sechs Dage? O Deutsch land, Deutschland, wo bist du jebliebeu. Präs.: Lassen Sie jede unpassende Bemerkung. Ange kl. (zu seiner Frau): Na adje, Mutter! Hier hast 'n Schlüssel zu't Haus und hier den Schlüssel zu de Dühre. Präs.: Beeilen Sie sich gefälligst, wir können hier nicht länger warten. Ange kl. im Fortgehen: Ach Jott, Sie haben wohl Hunger? Na, ick ooch! — Fast unglaublich klingt ein Bericht, welcher aus Gera über ein Rencontre zwischen einem Offizier und einem angesehenen Bürger der Stadt gemeldet wird. Man erinnert sich wohl noch jenes Vorfalls im Casino, welcher in die bis dahin sehr guten Beziehungen zwischen den Offiziere» und den Bürgern einen Riß brachte. Seitdem ist das Ber- hältniß ein gespanntes geblieben. Um so bedauer licher ist es, daß durch einen neuen Exzeß die Auf regung noch geschürt worden ist. Die „Geraer Zeitung", welcher wir die Verantwortlichkeit dafür überlassen müssen, berichtet wie folgt: Am Donnerstag Abend war der hiesige Rathskeller von Mitgliedern der Philologenversammlung dicht besetzt. An einem Tische hatte Herr Director vr. B. mit Herrn Fabrikbesitzer Lebe und noch einem Herrn Platz ge nommen. Sie führten ein lebhaftes Gespräch, in welchem Herr Lebe, der augenblicklich einen Umbau in seiner Fabrik vornimmt, seinem Mißmuth über manche ihm dadurch erwachsenen Unzuträglichkeiten Worte lieh. Er hiA den Kopf mit der einen Hand gestützt, in der anderen.ein Zeitungsblatt haltend. Da traten drei Offiziere an den Tisch heran und baten, Platz nehmen zu dürfen. Es wurde bereitwilligst gewährt, die Unterhaltung der Civilisten dadurch aber etwas beeinträchtigt, so daß Herr Lebe sich bald in die Lcctüre der Zeitung vertiefte. Er beachtete somit nicht, daß ein Lieutenant v. Boni« sich ihm zweimal vorstelltc. Der Lieutenant faßte dies indeß falsch auf und ließ Redensarten fallen, aus denen die Worte „Lümmel" und „Schwei " grell hervortönten, so daß der eine der Herren die Bemerkung machte: „Herr Lebe, das gilt Ihnen." Dieser fuhr natürlich lebhaft auf und verbat sich derartige Ungezogenheiten unter Hinweis auf seine Zeitungslectür'e. Lieutenant v. Bonin ließ sich dadurch aber nicht besänftigen, er erging sich in weiteren Redensarten, die selbst seinen Kameraden zu arg ge wesen zu sein scheinen. Sie zogen wenigsten« einen im Zimmer anwesenden Oberstabsarzt zu Rathe und conferirten gemeinschaftlich außerhalb de« Gast zimmer«. Lieutenant v. Bonin scheint aber auch dadurch noch nicht beruhigt worden zu sei»; er kehrte