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Mittwoch, den S. Oktober. Politische Weltjchau. Die CommissionSberathunge» über das Socia- listengesetz sind nunmehr zum Abschluß gelangt; aus denselben ist ein Werk hcrvorgegangen, auf Grund dessen eine Verständigung mit der Regierung ermöglicht ist. Bis zu unserer nächsten Rundschau wird das Schicksal des Gesetzes ohne Zweifel ent schieden sein, und enthalten uns daher heute billig des Versuchs, dasselbe im Voraus zu bestimmen. Die Entscheidung, mag sie fallen, wie sie will, wird eine schwere und folgenreiche sein! — Bezüglich der Verhandlungen mit dem Vatikan ist die Scene durch den bekannten Brief des Papstes Leo an seinen Staatssekretär sehr verändert und das Sprichwort vom Gang nach Canossa umgewendet worden. Was vielfach bezweifelt worden war, ist thatsächlich richtig: der Papst hat den Frieden gesucht und gewünscht, nicht wir! Auffallend ist es, daß die innere Lage des Reichs im Auslande vielfach falsch gewürdigt wird, so scheint es namentlich, daß man im Vatikan die inneren Schwierigkeiten viel zu hoch anschlägt; man glaubt dort offenbar, daß Fürst Bismarck um jeden Preis die Unterstützung des Centrums wünscht, dies ist unmöglich. Die Centrumspartei und die ultramontane Presse sind die Kärrner, die von dem Streite zwischen Kaiser und Papst leben; sie fühlen deutlich, daß sie ein „Martyrium" und „diocletia- nische Verfolgung" brauchen, um ihr Publikum bei sammen zu halten; das ihr Handwerkzeug. Von diesem Gesichtspunkte ist es ganz erklärlich, wenn einzelne Organe der ultramontanen Partei sich an schicken, mit Sack und Pack in da« Lager der Socialdemokratie überzugehen: „Wo das Aas ist, da sammeln sich die Raben." Während die österreichische Presse sich soeben über die Hartnäckigkeit gewundert und geärgert hat, mit der das Ministerium Auersperg — allen Ver sprechungen entgegen — sich an dem Ministersessel festhält, hat sich das ungarische Ministerium beeilt, der politischen Welt das nicht mehr ungewohnte Schauspiel einer Ministerkrisis zu geben. Da der Finanzminister Szell hierzu den Anstoß gegeben, läßt es sich mit Sicherheit annehmen, daß es Geld fragen sind, die dem Ministerium die Demission nahegelegt haben. Es wird nämlich darüber ge- Vreiunddreißi-iter Jahrgang. 11878. Z meldet, daß man in Wien neben dem bewilligten 7 60 Millionen-Credit noch weitere 85 Millionen 7^ Gulden für die Occupatio» verlangte und deshalb H dem ungarischen Ministerium eröffnete, es möge in Z dieser Richtung seine Vorkehrungen treffen. Finanz- O Minister Szell erklärte: er habe für die Ausgaben des - Staates bis zum 1. Januar 1879 vorgesorgt, er sei der Unterstützung der mächtigen Finanzgruppe, die bisher seine Anleihen durchgeführt, gewiß, aber nur insolange, als er nicht ungarische Schuldver- I schreibungen zu Schleuderpreisen begebe. Gegenüber den Anforderungen aber, die jetzt auftreten, würde er gezwungen sein, Geld zu den denkbar schlechtesten O Bedingungen aufzutreiben und das könne und wolle er nicht thun. Es bliebe nur ein Mittel, um Dem zu entgehen, und dieses Mittel bestehe in der Eon- trahirung einer gemeinsamen Schuld in irgend einer Form, entweder durch Ausgabe von Staats noten, oder durch eine Ausgabe von Banknoten, H für die der Bauk Sicherheiten geboten würde», oder endlich durch Emittirung eines gemeinsamen Anlehens, für welches gleichzeitig Oesterreich und Ungarn haftbar wären. Darauf hin erfolgte in Wien die Anfrage, wie sich der österreichische Finanz minister, Freiherr von Pretis, zu dem Gedanken der Contrahirung einer gemeinsamen Schuld stelle? Diese Anfrage wurde ablehnend beantwortet, worauf 7 zunächst Szell seine Demission einreichte, welchem Schritt sich dann die übrigen Minister anschlossen. Dies die Entstehungsgeschichte der Krisis. Ueber die Occupatio» in Bosnien, die einen ruhigen Fortgang nimmt, liegen belangreiche Nach richten nicht vor. Während in Zwornik und Serajewo die weiteren Dispositionen für die Occu- pation des südöstlichen Restes von Bosnien getroffen werden, scheint in Wien noch keinerlei Klarheit darüber zu bestehen, ob die Operationen auf das Sandschak von Novibazar ausgedehnt werden sollen oder nicht. Den militärischen Anschauungen, welche diese Frage unbedingt bejahen, stehen finanzielle gegenüber, welche die Beendigung der Action und die möglichste Reduktion der mobilen Armee fordernd Wie aus Constantinopel gemeldet wird, betreibt Graf Zichh lebhaft den Abschluß einer Convention für da» Sandschak Novibazar. Oesterreich nimmt die von der Pforte ursprünglich ausgestellten Punkts für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend, h Amtsblatt -er Kgl. Amtohanptmannschaft und -er Kgl. Schulinfpection zu Kauhen, sowie -es Königlichen Verichteamtes UN- -es Sta-trathes zu Pischofswerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch» und Sonnabends und kostet einschließlich der Sonn abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark SV Pfg. (IS Ngr.). Inserate werden di« Dienstags 7 und Freitags früh 8 Uhr angenommen.