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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 07.08.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190608077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19060807
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19060807
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-08
- Tag 1906-08-07
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Monat
1906-08
-
Jahr
1906
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Vielfach liegt wähl eine falsche Information vor, die ein Farmer, Händler oder Eingeborener dem ersten Absender der Depesche machte und die dieser für zuverlässig hielt. — Rußland. Kaum sind die zahlreichen blutigen Truppen-Revolten niedergeschlagen worden, naht schon wieder eine neue Gefahr, die bei der nicht unbedingten Zuver lässigkeit des russischen Militärs von unberechenbaren Folgen sein kann. Der G e n e r a l st r e i k soll auf Beschluß des Streik-Komitees in ganz Rußland einsetzen. In Peters burg machen sich bereits die ersten Anzeichen eines allgemei nen Streiks bemerkbar. Nach einer offiziösen Drahtnachricht nimmt dort der Ausstand immer größeren Umfang an. Die meisten Fabriken des Wyborger Bezirks haben den Betrieb eingestellt. Die Angestellten der Straßenbahn haben sich den Ausständigen angeschlossen. Die Bahnhöfe sind militärisch stark besetzt. Der fünfte Teil der Arbeiter feiert auf den Beleuchtungswerken. In mehreren öffentlichen und privaten Betrieben ruht die Arbeit. Der Eisenbahn-Verkehr auf der Linie nach Sestroriezk ist unterbrochen. Das Straßenbild ist dagegen unverändert. Die Geschäfte sind geöffnet, in allen Theatern finden Vorstellungen statt und die Dampfer ver kehren. Ruhestörungen sind nicht gemeldet, abgesehen von unbedeutenden Zusammenstößen aus Anlaß der Einstellung des Betriebes der Straßenbahnen. Infolge der bedrohlichen Lage macht sich eine erneute Massenflucht aus Rußland be merkbar. — Die Meuterei an Bord des Kreuzers „Pamiat Asowa" ist beendet. Der Kreuzer wurde von dem treu gebliebenen Teil der Besatzung den Behörden in Reval übergeben. Lokale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 6. August. Se. Majestät der König haben allergnädigst geruht, dem langjährigen technischen Bei rat des Albertvereins, Herrn Sanitälsrat I)r. Zschau hier, die Carola-Medaille in Silber zu verleihen, welche ihm gestern durch den Vorstand genannten Vereins über reicht wurde. — Eibenstock, 6. August. Wettervorhersage: Montag, den 6. 6. 06, abends 6 Uhr bis Dienstag, den 7. 8. 0«i, abends: Starke nördliche Winde, ziemlich trübe, Regenfälle, etwas kühler. — Schönheide. Am 24. Juli war ein Jahr ver stossen seit der, noch in schauriger Erinnerung stehenden, frevelhaften Mordtat an der N Jahre alten Ella Müller von hier, welche am 8. September 1905 nach langem Suchen in Abteilung 50 des Schönheider Forstreviers, ain Fuße des von Touristen gern besuchten Kuhberges, tot aufgefunden wurde. Wie wir s. Zt. berichteten, halte sich bas unglückliche Mädchen am 24. Juli in den Wald begeben, um Beeren und Pilze zu suchen. Es blieb spurlos verschwunden. Am 8. September wurde mit den Spürhunden der Stadtpolizei in Schneeberg eine Suche veranstaltet, unv dabei wurde die kleine Leiche am genannten Orte aufgefunden. Der Mörder halte sein Opfer in eine Vertiefung gebettet und sorgfältig mit Moos und Reisig zugedeckt. Das arme Kind hatte, wie sich bei der Sektion herausstellte, eine Schußwunde im Kopfe, die von einer 7 mm Revolverkugel herrührte. Rastlos fahndete die Gendarmerie und Polizei nach dem Mörder, doch sind alle Recherchen ohne Erfolg geblieben. — In gleich schauriger Erinnerung ist ferner die Mordtat an dem Gast hofsbesitzer E. Wappler aus dem benachbarten Schnarrtanne. Wappler, welcher sich am 9. September 1903 auf den An stand begeben hatte, wurde am folgenden Tage dicht an der Grenze des Schönheider Staatsforstreviers, unweit des erst genannten Tatortes, erschossen aufgefunden. Höchstwahr scheinlich ist er von Wilddieben getötet worden, er war aus kurzer Entfernung mir Schrot und Rehposten in Brust und Leib geschossen worden. Das Gewehr des Ermordeten ivar gestohlen, eine ihm gehörende Holzhacke zurückgelassen worden. Hluch in diesem Falle entwickelte damals die Gendarmerie eine ungemein rege Tätigkeit, doch es war nicht das Geringste von dem Mörder zu ermitteln. Ein tiefes undurchdringliches Dunkel hüllt beide Mordtaten ein. — Wildenthal,6. August. Wie aus dem Insera tenteil vorliegender Nummer ersichtlich, ist uns morgen abend im Gasthaus zur Post Gelegenheit zu einem außergewöhn lichen Genuß geboten, indem es Herrn Gnüchtel gelungen ist, das deutsche Meistersinger-Quartett zu einem Konzert zu gewinnen. Dasselbe steht unter der Leitung des überall bestens bekannten Opernsängers Herrn Linus Uhlig, welcher Umstand den Besuch des Konzertes allein schon empfehlenswert erscheinen läßt. Die Konzerte wurden überall sehr günstig beurteilt. — Leipzig, 4. August. Unter Leitung des Herrn Amtshauprmann Kammerherrn v. Nostitz-Wallwitz fand gestern eine öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses zu Leipzig statt. In derselben wurde insbesondere die E i n v e rl e i b u n g s - frage der Orte Möckern, Stötteritz, Probsthaida, Stünz, Dösen und Dölitz erörtert. Der Bezirksausschuß sprach sich gegen die Einverleibung aus. Dieser Beschluß hat aber keine entscheidende Bedeutung, da er noch dem Bezirkstage vorge legt werden muß. Der Herr Kreishauprmann wohnte dieser Sitzung bei. — Chemnitz. Wozu die Feuerwehr gut sein kann, zeigte ein tragikomischer Vorfall, der sich hier in der Brüderstraße ereignete. Ein Möbelhändler war in seiner Wohnung mit seiner Ehehälfte in Differenzen geraten und machte dabei seine Autorität in so kräftiger Weise geltend, daß die Frau „Hilfe" und „Feuer" schrie. Da nun die Fenster offen standen, so hörten die Nachbarn den Lärm. Eine Frau, die sich die Meldeprämie von 3 Mark verdienen wollte, rannte zum nächsten Feuermelder und „drehte" Großfeuer. Nach wenigen Minuten kam denn auch die Berufsfeuerwchr mit Steigerzug und Dampfspritze angesaust. Sie brauchte zwar nicht in Tätigkeit zu treten, denn es brannte nichts als der Rücken der geprügelten Ehehälfte, immerhin aber war sie insoweit von Nutzen, als nach dem Erscheinen der auf Steiger leitern in die Wohnung dringenden Feuerwehrleute merk würdige Ruhe eintrat. — Plauen i. V„ 2. August. Ein schweres Geschick sucht die Wettermannsche Familie Hierselbst heim. Die Fa milie hat innerhalb eines Monats drei Kinder durch Schar lach verloren. Zuerst starb eine Tochter von 17 Jahren, dann eine von 14 Jahren und gestern, Dienstag nachmittag, nahm der Tod den Schwergeprüften noch ein achtjähriges Töchterchen. Ein 16jähriger Sohn liegt augenblicklich noch an derselben Krankheit im Krankenhause darnieder. — Schneeberg, 4. August. In der vorigen Nacht trat hier wieder ein Unwetter mit heftigen Gewittern, mit Wirbelsturm und Regengüssen auf. Zum Glück hielt das Wetter diesmal nicht so lange an, doch ist der angerichtete Schaden wieder beträchtlich. Von der von Herrn A. Michaelis in der Scheunenstraße errichteten zweiten Fabrik ist das Dach vollständig zerstört worden. In den schönen Anlagen vor dem Seminare wurden eine mächtige Linde entwurzelt und andere Bäume stark beschädigt. Die Wassermassen haben Wege :c. arg zerrissen, auch drangen sie wieder in einzelne Häuier ein. Die Feuerwehr war zur Hilfeleistung erschienen. Die Stadtgemeinde und Private hatten schon durch den Wolkenbruch im Mai großen Schaden erlitten. — Die Tageslänge nimmt im August schon recht bedeutend ab. Am 1. August ging unser Tagesgestirn 4,20 Uhr auf und 7,51 Uhr unter, am 31. August gehl es dagegen erst 5,9 Uhr auf und schon 6,51 Uhr unter. Die Sonne geht also am letzten August eine volle Stunde eher unter und fast eine volle Stunde später auf. Amtliche Mitteilungen aus der 8. öffentliche« Hitzung des Stadtverarduetenkoll'egmms z« Eibenstock, am 28. Juli 1906. Anwesend sind 18 Stadtverordnete. Entschuldiqt fehlen 3 Stadtver ordnete. Den Vorsitz führt Herr Stadtverordneten Vorsteher Diersch. Der Rat ist vertreten durch Herrn Stadtrat Justizrat Landrock, Ritter pp. — Ohne Gewähr für daraus abgeleitete Rechte. — 1) Vom Rat ist beschlossen worden, die Bergstraße mit bearbeiteten Steinen zu pflastern und zwar sowohl den unteren Teil von der Brückenstraße aufwärts bis zu dem schon vorhandenen Pflaster, als auch den oberen Teil von der Wiesenstraße auswärt» und den Aufwand in Raten von jährlich 5000 Mark in den Haushaltplan einzustellen. Herr Stadtverordneter Höhl regt an, die für die Breitestraße an geschafften Steine, für die nach erfolgter Ausbesserung dieser Straße für längere Zeit keine Verwendung vorliege, zur Pflasterung der Berg straße zu benutzen. Die Herren Stadtverordneten Heckel und Löscher erläutern, daß die Bergstraße wegen ihrer Steilheit mit langen schmalen Steinen ge flüstert werden solle, damit die Zugtiere besser eingreifen könnten, und daß man bei Verwendung so kleiner Steine bei dieser steilen Straße die Standfestigkeit des Pflasters bezweifelt habe. Herr Hirschberg erklärt sich für Plasterung des am meisten der Zerstörung ausgesetzten unteren Teiles der Straße, erkennt aber eine Notwendigkeit sür die Pflasterung des oberen Teiles der Straße, so lange nicht an, als nicht klargelcgt sei, wie sich der Unterschied der Jahresausgabe jetzt und des Zinsenaufwandcs sür daS zur Pflasterung erforderliche Kapital stellt. Hiernach beschließt das Stadtverordnetenkollegium gegen 1 Stimme, dem Ratsbeschluffe über die Pflasterung der Bergstraße und zwar auch des unteren Teiles zwischen Brückenstraße und dem vorhandenen Pflaster beizutretcn, den Aufwand von ungefähr 20000 Mk. aber nicht bloß auf 3, sondern auf 4 Jahre im Haushaltplan zu verteilen. Man spricht hierbei den Wunsch aus, daß die seiner Zeit für die Breitestraße an- gefahrenen Steine möglichst sür die Bergstraßenpflasterung mit verwendet werden möchten. 2) Man stimmt hiernach dem Ratsbeschluffe über die Pflasterung eines Schnittgerinncs auf dem Areale deS vom Hüblerwege nach der Hinteren Rehmerstraße führenden Gäßchens zum Zwecke der Tagewäsferabführuug des Hüblerweges zu und bewilligt die entstehenden Kosten von ca. 1000 Mark aus laufenden Mitteln. Mit der Aussührungsart soll sich aber nochmals der Bauausichuß befassen. Man hält es sür gut, wenn die Pflasterung stufenweise ausgesührt wird. Die Herstellung einer Schleuse und eine» Einsallschrotes im unteren Teile deS Weges erklärt man sür unnötig und bewilligt hierfür keine Mittel. Man ist ferner damit einverstanden, daß die Neigung des Hübler weges nach und nach bergseitig verlegt und daS bergseitige Schnittge rinne auch allmählich breiter gepflastert wird. Weiter regt man an, im unteren Teile des Hüblerweges eine aus reichende Tagewässerabführung ins Auge zu fassen. 3) Man bewilligt die Kosten für die Erneuerung des Warmwasserbehälters im alten Rathausc von ca. 150 Mark aus lausenden Mitteln. 4) Nach Aussprache, an der sich besonders die Herren Müller und Löscher beteiligen, bewilligt inan den Betrag von 88 Mark sür Ankauf öffent lichen Areals des ReuterwegeS, daS im alten Flurbuche als Privatareal eingetragen ist. Das Stadlverordnetenkollegium hält das fragliche Areal zwar allgemein für städtisches, will aber mit Rücksicht aus die Geringfügigkeit des Gegenstandes Weiterungen nicht herbeisühren 6) Zur Herstellung eines vom Rate geplanten gepflasterten Straßen-Ueber- ganges bewilligt man die erforderlichen Mittel nicht. 8) Instandsetzung des Eisbahngrundstückes betr. Nach näherer Aussprache stellt das Stadtverordnctenkollegium fest, daß es fortdauernd ein Interesse an der Erhaltung einer Eisbahn habe. Man hält aber noch nähere Feststellungen des Bauausschusses in der Sache für nötig. 7) Man nimmt Kenntnis a) von der Abrechnung über die Ausbesserung der Breitestraße unter nachträglicher Bewilligung des entstandenen Aufwandes von 239,87 Mark aus laufenden Mitteln; >>) von der Bewilligung einer Staatsbeihilfe von 400 Mark für die Kochschule; e) von der Zuschrikt der Königlichen Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen, wonach auch die Telephonverbindung des unteren Bahnhofes fortbestehen soll; cl) von dem Dankschreiben des Vorstandes des Obererzgebirgischen Gausängerdundes für das städtische Entgegenkommen aus Anlaß des Sängerfestes 1906. 8) Man lehnt die Bewilligung des Betrages von 100 Mark für di« Be schaffung des Werkes „Innerer Ausbau" für die Bauamtsbibliothek ab. 9) Die oon Herrn Stadtverordnetenvorsteher Diersch nachgeprüften und für richtig befundenen Rechnungen der Dienstbotenkrankenkasse und der Biersteuer aus das Jahr 1905 spricht man für richtig. 10) Ebenso spricht man die Sparkassenrechnung sür das Jahr 1904, die Herr Stadtverordneter Wagner nachgeprüst und richtig befunden hat, sür richtig. 11) Gegen die im Entwürfe vorliegenden unbedeutenden Ergänzungen zu den Polizeivorschriften über die Benennung von Zusätzen zu Waren hat man keine Einwendungen zu erheben. 12) Ferner erklärt man Einverständnis zum Anschluffe deS Koderschen Neu baues an der Muldenhammerstraße an die Wasserleitung unter den vom Rate und Wasserausschusse festzustellenden, bisher geübten Bedingungen. Der Aufwand soll aus dem Reservefonds des Wasserwerkes gedeckt werden. 13) Aus Anregung des Herrn Stadtverordneten Hirschberg bewilligt man einen Betrag bis zu 250 Mark zur Beschaffung eines Gasbadeofens sür da» Krankenhaus und Durchbrechung einer Tür zwecks Ausstellung des Badeofens in dem neben dem jetzigen Badezimmer gelegenen Raum. 14) Herr Stadtverordneter Schlegel regt den Erlaß einer Bekanntmachung an, daß der Wegetrakt der Moltkestraßc und Llara Angermannstraße bis zur Schneebergerstraße nun in einer Richtung befahren werden dürfe Das Ende des heiligen römischen Reiches deutscher Nation (Am 6. August 1806 legte Kaiser Franz II. die deutsche Kaiserkrone nieder.) I8o6. — 6. August. — 1906. Von vr. Emil Turn au. Das sterbende 18. Jahrhundert und das besinnende 19. Jahrhundert war eine Zeit arger politischer Wirrnisse. Eine neue Konstellation wachte sich in jeder Beziehung be merkbar : die große französische Revolution hatte die Gemüter erregt, Napoleon hatte liegend und sengend die Lande durch zogen, die Verwertung des Dampfes kündete große wirtschaft liche Revolutionen an: kurzum die Periode einer allgemeinen Gährung war eine vollkommene. In diese Zeit fällt auch die Niederlegung der deutschen Kaiserkrone durch Franz II. Schon das Jahr 1805 hatte dem alten Reich einen Stoß versetzt, von dem es sich nur sehr schwer erholen konnte. Dann war der Juli des Jahres 1806 gekommen und mit ihm die Konstituierung des Rheinbundes. Die diesbezüglichen Urkunden waren durch die in Paris be findlichen Gesandten unterzeichnet worden und den einzelnen Fürsten zugestellt worden. Am 1. August hatte darauf der französische Geschäftsträger in Regensburg die in Frage kommenden Akten dem deutschen Reichstage unterbreitet und die Mitglieder des Rheinbundes hatten zur gleichen Zeit dem deutschen Reiche ihren Austritt aus diesem Staatenverband erklärt. Das Reich war also in voller Auflösung begriffen und dem Kaiser Franz II. blieb nichts weiter übrig als — gewissermaßen als Antwort aus die Austrittserklärung — die deutsche Kaiserkrone niederzulegen. Schon der Rcichsdeputationshauptschluß vom 25. Febmar 1803 hatte der Auflösung des Reiches vorgearbeitet. Nicht mehr die deutschen Fürsten, sondern französischer Geist regierte in Deutschland. Nur den einen Vorteil hatte Deutschland von diesem Beschluß gehabt, den: die Zahl der kleinen Länder war vermindert worden. „Dafür hatte aber," schreibt Schlosser, „das Reich auch die Schmach einer unerhörten Demütigung erlitten: zum Besten des Volkes selbst und zum Schutze seiner Rechte war nicht das geringste ausbedungen worden; Oesterreich hatte seinen Einfluß verloren, Preußen war ein Schatten dessen geworden, was es zwei Jahrzehnte früher gewesen, und Frankreich war fortan die gebietende Macht in Deutschland." Das waren böse Zustände für das Reich, aus denen es kaum mehr einen Ausweg gab. Und die Natur des letzten Kaisers des alten deutschen Reiches vertrug sich nicht mit allen den aus ihn einstürmenden Mißlichkeiten und Verworrenheiten. Er war eine gerade Natur, die nichts Zwiespältiges in ihrem Herzen barg, dazu kain eine Portion anererbten habsburgischen Trotzes, der es nicht zugab, daß man mit ihm umspringen durfte, wie es dieser oder jener tun zu können wähnte. Von allen verlassen, blieb Franz II. nichts weiter übrig, als seine Konsequenzen aus dem Verhalten derjenigen Reichsfürsten zu ziehen, die sich aus die Seite des Rheinbundes gestellt hatten, und seine Krone niederzulegen. Ein Jahrtausend lang hatte diese Krone deutschen Glanz und deutschen Ruhm gesehen. Und niemand hatte geahnt, daß ihr ein solches Ende beschieden sein würde. Und wie der Krone erging es allen Krönungskleinodien. Was nun diese selbst anbetrifst, so sei hier erwähnt, daß sie bestanden: aus der deutschen Königskrone, die aus vergoldetem Silber war, aus der goldenen Kaiserkrone, die etwa sieben Pfund schwer war, aus dem Kaiserszepter, gleichfalls aus vergoldetem Silber, aus dem goldenen Reichsapfel, dem goldenen Kaiser schwert, dem Krönuiigsmantel, der Alba, der purpurnen Tunicclla, der Dalmatika mit den Adlern, der Stola, den Gürteln, den Krönungshandschuhen, den Krönungssandalen, den purpurseidenen, goldgestickten Strümpfen, dem Säbel und Evangelienbuch Karls d. Gr., sowie den Reliquienkasten. Die meisten dieser hochwertvollen Gegenstände entstammten dem 12., 13. und 14. Jahrhundert. Jahrhunderte hindurch war ein schöner, hoher Glanz und manches erlesene, von alten Chronisten getreulich aufbewahrte Fest mit diesen Kleinodien verbunden gewesen. Die Krönungsfeierlichkeiten der deutschen Könige und Kaiser ge hören zu den schönsten Festen, die die Geschichte des deutschen Mittelalters und der Neuzeit (bis zum Jahre 1806) kennt. Eine reiche Fülle bunter Pracht und blendenden Prunkes wurde gelegentlich dieser Feste vor den staunenden Blicken des Volkes auSgcbreitet, das an solchen Tagen festlich be wirtet winde und dem neuerwählten Monarchen zujubelte. Von einer solchen Kaiserkrönung hat uns kein Geringerer, als unser Altmeister Goethe, ein treffendes Bild hinterlassen, das, auf die Krönung Joseph II. (1764) bezug nehmend, hier auszugsweise zitiert sein möge: „Vor unseren Augen fuhren indes die Gesandten auf den Römer, aus welchem der Baldachin von Unteroffizieren in das kaiserliche Quartier gebracht wird. Sogleich besteigt der Erbmarschall Graf von Pappenheim sein Pferd, ein sehr schöner schlank ge bildeter Herr, den die spanische Tracht, das reiche.Wams, der goldene Mantel, der hohe Federhut und die gestrählten fliegende Haare sehr wohl kleideten. Er setzt sich in Bewegung, und unter dem Geläute aller Glocken folgen ihm zu Pferde die Gesandten nach dem kaiserlichen Quartier in noch größerer Pracht als am Wahltage. Dort hätte inan auch sein mögen, wie man sich an diesem Tage überhaupt zu vervielfältigen wünschte ... Nun verkündigte der Glockcnschall und nun die vordersten des langen Zuges, welche über die bunte Brücke ganz sachte einherschritten, daß alles getan sei. Die Auf merksamkeit war größer denn je, der Zug deutlicher als vor her, besonders für uns, da er jetzt gerade nach uns ging. Wir sahen ihn so, wie den ganzen volkserfüllten Platz beinahe im Grundriß. Nur zu sehr drängte sich am Ende die Pracht; denn die Gesandten, die Erbämter, Kaiser und König unter dem Baldachin, die drei geistlichen Kurfürsten, die sich an schlossen, die schwarz gekleideten Schöffen und Ratsherrn, der goldgestickte Himmel, alles schien nur eine Masse zu sein, die nur von einem Willen bewegt, prächtig harmonisch und, soeben unter dem Geläute der Glocken aus dem Tempel tretend, als ein Heiliges uns entgegen strahlte .... Der von dem Markte her ertönende Jubel verbreitete sich nun anch über den großen Platz und ein ungestümes Vivat erscholl aus tausend und abertausend Kehlen . . ." Wir sehen diese Schilderung gewissermaßen wie ein schönes, altes Gemälde vor uns aufsteigen und können uns nach dein Lesen derselben prächtig in jene schöne, bunte, von hoher Begeisterung erfüllte Zeit hineinversetzen, die der Alt meister in ein so poetisches Gewand gekleidet hat. Und von Goethe zu Schiller ist nur ein kleiner Schritt. Auch ihm ge bühren reichlich alle Ehren! Wir denken seiner Poesie: und Schillers herrliche Ballade vom ersten Kaiser aus dem Hause Habsburg drängt sich uns ins Gedächtnis: Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, Jin altertümlichen Saale, Saß König Rudolf» heilige Macht Beim festlichen KrönungSmahle. Die Speisen trug der Pfalzgraf de» Rhein«, Es schenkte der Böhme de» perlenden Weins, Und alle die Wähler, di« sieben. Wie der Sterne Ehvr um di« Sonn« sich stellt. Umstand«« geschäftig den Herrscher der Welt, Die Würde de» Amte» zu üben. Soweit die belletristische Behandlung von Krönungs feierlichkeiten. Wir haben es hier eigentlich nur mit der ge schichtlichen Tatsache der Auflösung des alten deutschen Reiches und der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. zu tun. Die Erinnerung an diesen Tag wird heute besonders dadurch in uns wachgerufen, daß er sich zum hundertsten Male jährt. Heute vor hundert Jahren erlosch das alte deutsche Kaisertum. Es folgte eine kaiserlose Zeit, die mehrere Jahrzehnte andauerte. Dann aber entstand das deutsche Kaisertum zu neuer unge ahnter Macht im neuen deutschen Reiche. Im Kampf ums Htück. Roman von L. v. Livoniu». (2. Fortsetzung.) Er wandte sich kurz ab und eilte davon. Der Gedanke, mit Fremden zusammenzutreffen, war ihm unerträglich. Er
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