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Sturm genommene Position wieder verlassen werden mußte. Beim Sammeln reichten die braven Schützen einander die Hände und meinten mit Thränen in den Augen, heute hätte ihnen der liebe Herrgott das Leben zum zweiten Male gegeben, und sie hatten Recht; denn an keinem Gefechtstage nn ganzen Feldzuge hatte das Regiment so viel Leute verloren, als am 2. December, wo nicht weniger als 13 Offiziere und 205 Mannschaften den Helden tod starben und 23 Offiziere und 470 Mannschaften verwundet wurden. Unter den Offizieren befanden sich zwei Stabs offiziere, ein Bataillonsadjutant, viele Hauptleute und Subalternoffiziere; das zweite Bataillon ver lor beispielsweise alle Hauptleute und wurde von einem Premierlieutenant aus dem Höllcnfeuer her- ausaeführt. Die enormen Verluste wurden haupt sächlich dem Umstande zugeschrieben, daß weder Artillerie noch Cavallcrie auf dem dm Franzosen äußerst günstigen Terrain in's Gefecht eingreifen konnte und die braven Schützen die ganze Last des Kampfes allein zu tragen hatten. Und sic hatten auch gestanden wie die Mauem und gefochten wie Helden. Ruhm und .Preis dieser hcldenmüthiaen auf opfernden Tapferkeit der braven sächsischen Schützen, wie ihren Kameraden, namentlich vom königl. sächs. 8. Infanterie-Regiment Nr. 107, welche am 2. Dec. 1870 den mindestens vierfach überlegenen Feind bis zum Abend zurückhielten und den an diesem Tage versuchten Massenausbruch aus Paris und Durchbruch nach der Loire vereitelten. Sie erfüllten ihre Pflichi als wackere Krieger in bewunderungs würdiger Weise und besiegelten mit ihrem Herzblut den einst ihrem Kriegsherrn und dem Vaterland« geleisteten Eidschwur. Ihr König aber war jener glorreichen Waffen chat eingedenk und als die sächsischen Truppen wieder heimkehrtcn aus dem Felde und am 11. Juli 1871 die sächsischen Truppen ihren Einzug hielten in die festlich geschmückte Residenzstadt an der Elbe, da ward auch des Schützenregimentcs, das noch länger im Franzosenlande weilte und erst später hcimkehrte, seitens des Königs Johann an erkennend gedacht, indem er dem Regimcnte seinen Sohn, General Prinz Georg, welcher am 2. Dec. 1870 commandirt hatte, zum Chef gab. Seitdem und anläßlich der ruhmvollen Kämpfe bei Brie und Viliers fuhrt das kgl. sächs. Schützenregiment Nr. 108 den Namen: Prinz Georg. Dulcigno über! Was Immer man der europäischen Diplomatie Gutes oder BöseS nachsagen mag: des Dichters Mahnung, der Besiegten zu schonen und die lieber- mächtigen zu bekriegen, hat sie sich nicht zum Wahl spruche genommen. Stolz aufrecht stehen die Donau festungen, die Bulgarien seit vier Monaten voll ständig hätte abgetragen haben sollen. Die Diplo matie begnügt sich mit dem lächerlichen Vorwande, eS fehle dazu an Geld und an Arbeitskräften, während doch Geld genug vorhanden ist, um einen kostspieligen Gcneralstab zu organisiren und den her umlungernden Soldaten eine wahre Wohlthat wider führe, wenn man sie durch die Verwendung zu DemolirungSarbeiten vom Vagabundiren abhalten und den Nachtheilen, die damit für di« bürgerliche Bevölkerung verbunden sind, ein Ende machen wollte. Alle die wiederholten Gerüchte, als ob England oder irgend eine andere Macht dem Fürsten Alexander aufgegeben hätte, nunmehr Ernst mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen zu machen, erweisen sich als Humbug. Wenn da« englische Parlament sich gern nachrühmen ließ, e« könne Alle-, nur nicht einen Mann in ein Weib verwandeln, jetzt hat e« seine Ohnmacht auch noch in einem zweiten Falle erprobt. E« ist völlig außer Stande, sein Cabinet durch Interpellationen in und außer dem Hause zu bestimmen, daß es die Vollziehung vertragsmäßiger Aufgaben erzwingt, wenn diese Bestimmungen Ruß land unangenehm sind und der Ehef der englischen Regierung Gladstone heißt. Schlimmer vielleicht noch ist die offene Verhöhnung de« Berliner Vertrage«, die zwar nicht seinem Buch staben zuwiderläuft, seioeo Seist aber geradezu ironiflrt: wenn eben da« Bulgarien, welche« al« Schranke gegen Rußland errichtet und dessen Räu mung von russischen Truppen so streng stipulirt ward, daß der Termin wenigsten« halbwrg« einge hakten werdrn mußte... wenn eben die« Fürstenthum heute mehr denn je eine russische Statthalterschaft ist. Offiziell sind die Regimruttr de« Ezaaren heim wärt« marschirt, offiziös wimmelt e« von rus« stfchea Soldaten und Offizieren, die sich'« in den bulgarischen Festungen bequem machen, wie sie in Varna und Burgo« einen Fuß am Schwarzen Meere besitzen, von den. Wällen Rustschuk« und Silistria« die Donau, von Gchumla au« die Balkan pässe beherrschen, auf ppm Strom« selber noch ihre Flotille schwimmen hab«, die ein Sroßmuth«act de« Kaiser« Alexgnder in «ine bulgarisch« umgetauft. Urberall im Land« commaudiren russische Generäle, letten russische Stabsoffiziere die Verwaltung, herrscht russische» Paßwesen. bitten Rubel und Kopeken die eiuzigcourstrenden Münzen. Man vergegenwärtige sich da« uur so recht und man wird zurückschrecken bei dem.Gedanken, wie nahe Rußland dem Bosporus gerückt ist, dessen Besitz nach 'Napoleon die Weltherrschaft bedeutet! Zumal wenn man bedenkt, daß ja schon seit einem Deceon ium die Neutraliflrung de« Pontu« Euxinu« und seiner Ufer aufgehoben ist, daß längst wieder eine mächtige Flotte auf seinen Wogen schwimmt, die Werke Sebastopol«, die Werften Nikolajew« in aller Furchtbarkeit dastehen! Die Diplomatie freilich erntet mit dieser Fopperei von Seiten Rußland« nur, wa« sie selber gesäet hat, als sie unter dem Deckmantel de» offiziellen Frieden den offiziösen russischen Krieg in Serbien gestattete, ohne gegen diesen Bruch des Völkerrechte« zu pro- testiren; al« sie den geradezu empörenden Mißbrauch des Rothen Kreuze« für Waffen- und Munitions sendungen gestattete — doppelt empörend, weil sie ja fortwährend, den Bekenner» de« Islam und dem Halbmonde gegenüber, spezifisch-christliche Gangart anzunehmen liebte. Wa« die Diplomatie jetzt in Bulgarien erlebt; die kolossale Nase, die sie sich dort drehen lassen muß, ohne reclamiren zu dürfen, ist nur die gerechte Strafe für eine Kaste, die sich zu einem Achselzucken über die „Principienreiter" be rechtigt fühlt, wenn sie auf Charaktere stößt, die noch an die Macht der Ideen glauben. In Bul garien, in der stetigen aber unaufhaltsamen, wenn gleich allmäligen Rückoerwandlung des Berliner Ver trage« in den Frieden von San Stefano; in dieser Metamorphose, die Rußland» Herrschaft trotz alledem unv alledem bi» gen Adrianopel vorschiebt, ohne daß die Diplomatie einzuschreiten wagt: muß endlich doch auch sie die Gewalt der Idee erkennen, die ihre Consequenzen ganz allein mit einer unerbitt lichen Logik zieht, hoch erhoben über die Ränke und Schliche, womit die Diplomatie der Weltgeschichte ihr Geleise vorzuzeichnen vermeint. Fürchtet sie nicht, daß die Geschichte einst über die große Action der „gemischten" Flottendemonstration als Motto das Verslein schreibt vom kreißenden Berg, der ein Mäuschen geboren? Und wenn nun ein pomphafter Tagesbefehl die Auflösung und Heimkehr de» gewaltigen Geschwaders anorvnet, weil der Zweck de» Unternehmens ja glorreich erreicht und Montenegro im Besitze Dul- cigno« sei . . . werden da die derben und wenig diplomatisch geschulten Theerjacken nicht irgend ein Schelmenlied anstimmen! Wahrlich, wenn da« in Wehr und Waffen starrende Gesammt-Europa nun einmal sein Herz darauf gesetzt, daß ein, seit den Tagen der Venetianer-Herrschaft vollständig verödeter und verlassener Ankerplatz mit einem erbärmlichen albanesischen Flecken fortan nicht mehr nominell zur Türkei, sondern zu dem Reiche Nikita'» gehöre, so konnte der factische Ausgang doch wohl von vorn herein nicht zweifelhaft sein. Daß aber in dem Spielen der Noten und Jntriguen die Pforte der abendländischen Diplomatie an .Fixigkeit" und Findigkeit um ein bedeutende« .über" gewesen, da wird diese selber nicht leugnen können. Ein neue« Blatt hat sie durch die Dulcigno-Affaire ihrem Lorbeerkranze sicher nicht etngeflochten. Im Gegentheil, sie muß erleichtert aufathmen, daß die Staatsmänner de« Sultan«, nachdem sie monatelang mit ihr wie die Katze mit der Mau« gespielt hatten, ihr endlich durch Nachgiebigkeit eine goldene Brücke zum Rückzüge gebaut. Nicht eigent lich al« Siegerin ist sie au« dem Strauß hervor gegangen: r« ist ihr vielmehr eia Stein vom Herzen gefallen, daß sie noch so mit dem blauen Auge davongekommen und die bisher so hal«starrige Pforte r« nicht bi« auf den Punkt getrieben, wo da« viel gerühmte europäische Eoncert vollend« au« dem L-ime gehen mußte. Denn daß dieser Termin nahe und sicher groug bevorstand, wenn die Türkei e« nicht eben au« ganz andere« Rücksichten für gerathen gefunden hätte, ihre Renitenz nicht über ein gewisse« Maaß au«zudehnrn, liegt auf der Hand. Deutsches Reich. Se. Majestät der König hat zu genehmigen ge« ruht, daß der Direktor der Turnlehrer-Bildungs anstalt, Professor vr. Kloß in Dresden, die ihm von dem Fürsten Earl I. von Rumänien verliehene goldene Medaille 1. El. für Kunst und Wissenschaft annehme und trage — Mi» Genehmigung Sr. Majestät de« König« sind der Rath Moritz Alexander varifch beim Landgericht Leipzig pnb der Amt«richt«r Paul Conrad Ranft beim Amtsgericht Rochlitz al» Amtsrichter zum Amt-gericht Leipzig, der "Wt^ Gustav Eouard Bieler beim Landgericht Chemnitz zum Landgericht Leipzig versetzt worden. Bischofswerda. Durch die Novelle zum. Reich«-Militär-Gesrtz haben die Pflichten der Mann schaften de- Beurlaubtevstande« und der Ersatz- Reserve mancherlei Veränderungen und Erweiterungen erfahren. Die Mannschaften de» Beurlaubten stande« werden dadurch insofern betroffen, al« die Ueberführung derselben zur Landwehr bez. zum Land sturm nicht mehr bei der Herbst-Controle, sondern, soweit die 12jährige Gesammldicnstzeit zur Ein führung gelangt ist, bei der nächsten, auf Erfüllung, der Dienstzeit in der Reserve bez. Landwehr statt findenden FrühjahrS-Controle erfolgt. Nur diejenige» Mannschaften, die in der Zeit zwischen 1. April und 30. September in den aktiven Dienst eintraten, werden, wie bisher, beider Herbst-Control-Ver sammlung ihre« 12. Dienstjahre« entlassen. — Tief greifender sind die Veränverungen in den Dienst obliegenheiten der Ersatz-Reservisten, die unter gewissen Bedingungen zu Uebungen hcranzuziehen sind. De« beschränkten Raume« wegen können wir auf die Detail« dieser Vorschriften nicht eingehen, sondern empfehlen allen Interessenten da« Studium eine» diese Materie eingehend behandelnden SchriftchenS, das unter dem Titel „Der Ersatz-Reservist" soeben erschienen ist und in dem sich alle die Bestimmungen in übersichtlicher Weise zusammengestellt finden, welche für die Ersatz-Reservisten erster und zweiter Claffe bezüglich ihrer militärischen Pflichten maßgebend sind. Als Anhang sind dem Schriftchen Schema'» zu Meldungen beigegeben, die zum schriftlichen Ver kehr mit den Militärbehörden in allen Fällen der Praxi» eine bequeme Handhabe bilden. — Da» Büchelchen kostet 25 Pfennige und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen, auch in der Expedition diese« Blattes zu haben. — Wir machen insbesondere auch die Herren Gemeinde-Vorstände auf diese In struction mit der Bitte aufmerksam, das Erscheinen derselben den Ersatz-Reservisten ihrer Ortschaften bekannt zu geben. (K. W.) — 2 December. Wieder ist einem Bedürfnis Rechnung getragen worvcn, indem Herr Gelbgießer Kaltke allhier einen Dampfapparat zum Reinigen der Bicrleitungen angeschaffl hat. In einem Inserat der heutigen Nummer werden die Herren Restaurateure zqr Benutzung de» Apparate» ersucht. E« dürfte sehr zu empfehlen sein, von diesem Apparat den aus giebigsten Gebrauch zu machen, denn wir hatten Gelegenheit uns zu überzeugen, wie wenig durch greifend da» sorgfältigste Reinigen, selbst mit heißem Sodawasser wirkt, indem ein kurze Zeit vorher erst, gereinigter Zinnschlauch nochmal« durch diesem Dampfapparat gereinigt, «inen schlammigen, schwarze» Absatz hcrauSbließ, der den Bierappetit vergehen ließ. Im sanitären Interesse de« Publikum» wäre e» wünschen-werth, wenn diese Dampfreinigung der Bierleitungen durch polizeiliche Verordnung allgemein^ in Anwendung gebracht werden müßte. — In der Nacht zum 28. September 188V ward der wiederholt wegen Diebstahls bestrafte, 40 Jahre alte Cigarrenmacher Carl Gottlieb Mattusch von hier durch den Nachtwächter Schwarz auf denn hiesigen Marktplatz« in dem Moment ertappt, al» er: von dem hier gestandenen Handwagen de« Weber»» Seifert au- Bretnig einen Sack mit ungefähr 2° Metzen Zwiebeln entwendete. Man sollte meinen, daß unter solchen Umständen, zumal da auch ein zweiter Wächter kurz vorher den Angeklagten in ver dächtiger Weise um jenen Wagen batte schleich«» sehen, Mattusch ohne Weitere« geständig wäre; aber weitgrfehlt! Mattusch erklärt: der Wächter habe de» Sack Zwiebeln vom Wagen herabgenommen, sei damit an ihn, den Unschuldigen, herangetretea und habe ihn de» Diebstahl» beschuldigt. Diese plumpe- Ausrede hatte natürlich dem erwiesenen Thatbestaude gegenüber keine Wirkung, Mattusch ward vielmehr, wegen Rückfall-diebstahl« zu einem Jahre Zuchthaus, fünf Jahren Ehrenrecht-verlust und Zulässigkeit »o» Polizeiaufsicht verurtheilt. tz Bautzen. (Schwurgericht-Verhand lungen.) In der am 2b. November abgrhaltrnem Hauptverhandlung wurde der 27 Jahre alte, bereit» mehrfach bestrafte Handarbeiter und Weber Carl August Höhne au« Cunewalde wegen Betrug« im wiederholten Rückfälle und falscher Beurkundung in gewinnsüchtiger Absicht zu 3 Jahren Zuchthau«, 600 Mk. Geldstrafe, event. weitere 2 Monate Zuchthau» und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren, sowie in der Hauptverhqnd» lung am 26. Nov. der schon vielfach bestrafte Hand arbeiter Johann Gottlieb Lannert au« Haiuewafde, welcher angrklagt war» am 21. Juli 1880 eiste auf den Feldern de« Rittergut«» Mitteloderwitz stehende Strohfeime im Werth« vou ungefähr 1400 Alk«, vorsätzlich in Brand gesetzt zu haben,,