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SOS »MM M- m Juden hin und hob hervor, daß die Merkmale tausendjähriger Knechtschaft nicht mit einem Tage verschwinden könnten. Er verurtheilte die Antisemiten bewegung al- Racenhaß. Biceprästdent Stolberg constatirt, daß die in der Interpellation erwähnte Petition bisher nicht an die Staat-regierung gelangt sei, letztere war daher nicht in der Lage, Erwägungen darüber anzustellen. Er nehme gleichwohl keinen Anstand, zu erklären, daß die bestehende Gesetzgebung die Gleichberechtigung der Confessionen ausspreche. Die Regierung beabsichtige nicht Aenderungen darin eintreten zu lassen.. Der österreichische ReichSrath ist auf den 30. November einberufen worden. Der allgemeine Parteitag der Deutschen hat ein Menetekel an die Wände des Versammlungssaale« geschrieben, da» die föderalistische Majorität und das Cabinel Taaffe, wenn sie klug sind, ignoriren können. Die ver fassungstreue Opposition ist nur um weniger Stimmen schwächer als ihre durch vielfache Interessen und nationale Sonderbestrebungen geschiedenen, nur im Hasse gegen das deutsche Element einigen Gegner. Der föderalistische Krug dürfte aber trotzdem so lange zum Brunnen gehen, bis der Henkel bricht. ES wäre nicht das erste Mal in Oesterreich, daß eine Regierungspolitik, welche die deutschen Grund lagen de« Staatswesens vergißt, sich selbst ruinirt. In Italien ist das Parlament am 15. d. wieder eröffnet worden, und die Regierung wird allerdings ein schwere» Stück Arbeit zu vollbringen haben, wenn sie die verwirrten Parteiverhältnisse, die sich namentlich in der Deputirtenkammer geltend machen, auch nur einigermaßen ordnen und ihre Gesetzvorlagen durchbringen will. Jndeß würde man sehr Unrecht thun, wenn man die Lage Italiens deswegen geradezu als eine verzweifelte anschen und alle Hoffnung auf eine bessere Gestaltung der Dinge gleich aufgeben wollte. Vielmehr muß man sich der Fortschritte erinnern, welche das junge König reich in den letzten Jahren thatsächlich gemacht hat. In Frankreich giebt man sich der Hoffnung auf eine vor Ablauf der Mandatzeit vorzunchmende Auflösung der Kammer und auf Ausschreibung der Neuwahlen jetzt weniger hin, seit der Präsident der Republik mehreren Personen erklärt hat, daß die Kammer seines Erachtens die ganze Dauer ihres Mandates zurücklegen sollte und daß er seinen Ein fluß aufbieten werde, um zu verhindern, daß die allgemeinen Wahlen vor dem September 1881 statt fänden. Auch Gambetta hat sich dem „National" zufolge sehr bestimmt über die Frage der allgemeinen Wahlen ausgelassen. ES glaubt, daß das allge meine Stimmrecht nicht vor einem Jahre befragt werden solle; auch scheint es ihm wichtig, daß das Ministerium Ferrh die ihm obliegende peinliche Ar beit bis an'S Ende verrichte. In England scheint da» Ministerium sich endlich dahin entschlossen zu haben, daß das Par lament für den 6. oder 7. Januar einberufen werde; eine Aenderung des Ministeriums gehört aber trotz dem immer noch zu den Möglichkeiten, denn wenn inzwischen die Nothwendigkeit einträte, Zwangsmaß- regeln in Irland anzuwenden, so wäre es allerdings nicht abzusehcn, wie Bright und Chamberlain, welche eben erst jede Zwangsmaßregel so kategorisch ver worfen haben, im Cabinet zu bleiben vermöchten. Die Türkei spielt ihre alte Comödie fort. Derwisch Pascha hat Mittwoch sämmtliche Offiziere und Beamte der Armee auf dem Serailplatze von Skutarie versammelt und an dieselben eine Ansprache gehalten, in welcher er den von den Albanesen be züglich Dulcigno'S verlangten 31 tägigen Aufschub verweigerte und auf die Nachtheil« hinwieS, welche ein fernerer Widerstand dem ottomanischen Reiche verursachen würde. Derwisch Pascha erklärte gegen die Albanesen eventuell mit Gewalt vorzugehen und den Belagerungszustand aufrecht zu erhalten. Die Albanesen werden wissen, wie diese Drohungen auf- zunrhmen sind. daß er am 19. d. nach Berlin zurücktehrea und» einen Theil seiner Geschäfte wieder übernehm«» konnte. Bischofswerda, 22.Nov. Schon seit längerer Zeit hat sich der hiesige Stadtrath mit der Frage wegen Einführung der Trichinenschau beschäftigt. Wie uns nun von zuverlässiger Seite m tgetheilt wird, hat sich der Stadtrath in neuester Zeit dahiw schlüssig gemacht, daß in Zukunft alle Schweine, welche in hiesiger Stadl geschlachtet werden, und deren Fleisch zum gewerbmäßigrn Vertriebe bestimmt ist, einer mikroskopischen Untersuchung auf Trichinen zu unterwerfen sind, bevor sie zum Genüsse zerlegt oder verarbeitet werden, und daß demnach insbesondere alle Fleischer, Gast-, Schank- und Speisewirthe,. sowie alle Personen in hiesiger Stadt, welche Schweine zu ihrem Gewerbebetriebe schlachten oder schlachten lassen, die Verpflichtung haben, letztere der mikroskopischen Untersuchung unterziehen z» lassen. Wir sind in der Lage, das darüber ent worfene Regulativ nebst den Bestimmungen über die Anstellung und die Verpflichtung der Fleisch beschauer, wie dasselbe dermalen dem Stadtrath hier zur Berathung vorliegt, mittheilen zu können, und thun dies hiermit in der Überzeugung, daß durch Einführung eines solchen Regulativs dem Wunsche der gesammten Einwohnerschaft Rechnung getragen wird. — Regulativ, die mikroskopische Unter suchung de« Schweinefleisches betreffend. 8 1. Alle Schweine, welche in hiesiger Stadt geschlachtet werden und deren Fleisch zum gewerbmäßigen Vertriebe be stimmt ist, sind, bevor sie zum Genüsse zerlegt oder bearbeitet werden, einer mikroskopischen Untersuchung zu unterwerfen, und liegt daher namentlich allen Fleischern, Gast-, Schank- und Speisewirthen sowie allen Personen in hiesiger Stadl, welche Schweinr zu ihrem Gewerbebetrieb schlachten oder schlachte» lassen, die Verpflichtung ob, letztere der mikroskopischen Untersuchung unterziehen zu lassen. — 8 2. Die giltige mikroskopische Untersuchung kann nur von einem vom Stadtrath hier verpflichteten Fleisch beschauer bewirkt werden. — 8 3. Nur dann, wenn von dem Fleischbeschauer bescheinigt worden ist, daß er in dem von ihm untersuchten Schweine Trichinen nicht vorgefunden habe, darf da» letztere weiter zer legt, verarbeitet und verkauft werden. — 8 4. Die Kosten der mikroskopischen Untersuchung und die Ausstellung der Bescheinigung darüber haben die jenigen zu bezahlen; für deren Gewerbebetrieb die Schweine geschlachtet werden. Die Höhe derselben bleibt der freien Vereinbarung mit dem Fleisch beschauer überlassen, jedoch sollen dieselben einschließlich^ der Gebühr für die von dem Fleischbeschauer über den Befund ausgestellten Bescheinigung den Betrag von 1 Mark für jedes Schwein nicht übersteigen. — 8 5. Da» Fleisch trichinenhaltiger Schweine darf nicht vertrieben werden, sondern ist unter obrigkeitlicher Aufsicht zu vernichten, es kann jedoch die Aussiebung desselben zu gewerblichen Zwecken nachgelassen werden. — 8 6. Die Reinigung der Lokalitäten und Geräthe, mit welchen trichinenhaltige» Fleisch in Berührung gekommen ist, hat nach polizeilicher Anordnung und auf Kosten des Besitzer» des trichinenhaltigen Schweines zu erfolgen. — 8 7. Zuwiderhandlungen gegen dieses Regulativ werden mit Geldstrafen von 15—150 Mark bez. mit entsprechender Haftstrafe belegt, sofern nicht Bestrafung nach den Bestimmungen des ReichS- strafgesetzbuchs einzutreten hat. — 8 8. DaS gegen wärtige Regulativ tritt mit dessen Bekanntmachung iw- Kraft. — Bestimmungen wegen der Anstellung der Fleischbeschauer rc. betreffend. 8 1- Als Fleisch beschauer werden vom Stadtrath zu Bischofswerda nur solche Personen angestellt und verpflichtet, welche s) unbescholten, d) im Besitz eine- zweckentsprechende» MikroScopeS sind und v) nachgewiesen haben, daß sie bei der Thierarzneischule eine Prüfung in der mikro-copischen Fleischbeschau mit Erfolg bestände» haben. — 8 2. Der verpflichtete Fleischbeschau«« hat die auf Trichinen zu untersuchenden Flrischstücke von den Zwergfellmuskeln, den Bauchmuskeln, de» Halsmuskeln, insbesondere den Kehlkopfmuskel», Zwischenrippenmuskeln, Augenmuskeln und der Zungenwurzel, persönlich zu entnehmen. Dafern er behindert ist, die Entnahme der zur Fleischbeschau erforderlichen Stücke selbst zu bewirken, sind die betreffenden Fleischer oder Schlächter verpflichtet^ dafür Sorge zu tragen, daß diese Stücke in die Hände de« Flrischbeschauer« gelangen. — ZS. Da« Resultat der Untersuchung ist, wenn Trichine» nicht gesunden worden sind, dem Besitzer de» Schweine« in Form einer mit der Unterschrift de» verpflichteten Fleischbeschauer« zu versehenden Be scheinigung nach dem Schema snd G uuverzüglit^ mttzutheileu. — 8 4. Sobald da« Borhandensem von Trichinen in einem Schweine constatirt ist, hat der Flrischbeschauer diese« dem LigenthüMer »dew Besitzer de« Schweine« bekaunt zu tziach« Sachsen. Wie Berliner Blätter melden, wird Se. Majestät der König Albert sich Anfang de« Monat« December nach Berlin begeben, um Se. Majestät den Kaiser zur Theilnahme an den Hofjagden, am 4. Dec., nach der Letzlingen-Colbitzer Forst zu begleiten. Bei den vom 9.-13. und 16. -18. d. in Wermsdorfer und Luppaer Revier und in den Oschatzer Hölzern abgehaltenen königl. Jagden wurden 1 Stück Wild, 52 Rehböcke, 59 Ricken, 203 Hasen, 5 Fasanen, 1 Schnepfe, 1 Baummarder, 25 Füchse, 4 Kaninchen und 2 Eulen geschossen. Ihre Majestät die Königin ist, von Nizza kommend, am 22. d. früh halb 8 Uhr in der königl. Billa zu Strehlen eingetroffen. Der Königl. Sächsische Gesandte und Bundes bevollmächtigte v. Äostttz-Wallwitz ist von dem er« lttteueo Kravkhrittanfalle so wett wieder hergestrllt, Politische Weltschau. E« scheint allmältg bei Staatsmännern Sitte zu werden, da« Vertrauen im Volke neu zu beleben. So ist wohl auch die Rede aufzufaffen, welche vorigen Freitag der preußische Minister Bötticher bei Er öffnung de« neunten deutschen Handel«tag» in Berlin hielt. Derselbe besagte: ,,E« gereicht mir zu großer Freude, Sie namen« der deutschen Relch«regierung begrüßen zu dürfen. Meine Freude ist um so größer, ak« ich gleichzeitig der Träger de« Gruße« de» ReichScanzler« bin, der mich beauftragte, Ihnen in seinem Namen rin herzliche« Willkommen entgegen zurufen. Al« vor nunmehr zwei Jahren der achte deutsche HandelStag in Berlin tagte, lastete auf allen Gebieten de- Handel« und der Gewerbe ein großer Druck; eine verhängnißvolle Geschäftsstille war ein getreten, die alle Gemüther mit banger Sorge er- Mte. Der damalige preußische Handelsminister Maybach rief dem Handelstage zu: Deutscher Muth, deutscher Eifer, deutsche Arbeit werden auch diese verhängnißvolle Krisis überwinden. Diese in vollem Maße ausgeübte deutsche Grundtugend blieb auch nicht erfolglos. Bereit» beginnt neue» Leben auf allen Gebieten des Handels und Verkehrs, besonders seit dem letzten Halbjahr, sich geltend zu machen. Wenn auch einige Zweige des Handel« und Gewerbe« noch immer darniederliegen, so ist doch begründete Aussicht vorhanden, daß die Morgenröthe einer besseren Zeit für Handel und Wandel beginnt. Umsomehr begrüßt die deutsche Regierung den Wieder zusammentritt des deutschen Handelstages. Die deutsche Reichsregierung ist einig mit Ihnen, Alles zu thun, was geeignet ist, Handel und Gewerbe zu heben. Vor zwei Jahren beriethen Sie die Bildung eines deutschen VolkSwirthschaftSratheS und beschlossen damals mit geringer Majorität die Bildung desselben. Vor einigen Tagen erließ der König eine Verordnung, wonach der BolkSwirthschaftSrath demnächst gebildet werden soll. In diesem BolkSwirthschaftSrath wird Handel und Gewerbe eine geeignete Vertretung finden. Die Einrichtungen des preußischen Bolks- wirthschaftSrathS sind derartig, daß er jederzeit die Erweiterung auf die deutschen Bundesstaaten gestattet. Die deutschen Bundesregierungen lehnten nur aus äußeren Gründen vorläufig die Bildung eine» deutschen Volkswirthschaftsraths ab. Sie wollen des Beirathes eines solchen VolkSwirthschaftSratheS bei Gelegenheit der Besprechung handelsgewerblicher Fragen in der nächsten Reichstagssession nicht entbehren, halten aber die Zeit von der Bildung eine» deutschen Bolks- wirthschaftSrathS bis zu Beginn de« Reichstages für zu kurz. Es könnte vielleicht den Anschein haben, al« sei infolge der Bildung de» VolkSwirthschaftS- rath» die Aufgabe de« deutschen Handelstages erledigt, allein die Ausgaben de« Volkswirthschaftsraths sind sehr beschränkt. Die Reichsregierung hofft nach wie vor auf den werthvollen Beirath des deutschen Handelstage«. Indem ich Sie im Auftrage der Reichsregierung willkommen heiße, spreche ich den Wunsch gegen Sie au», Ihre Verhandlungen mögen dem Handel und Gewerbe zum Wohle und dem Lande zum Heile gereichen." (Lebhafter Beifall). Delbrück dankte dem Minister und bringt ein drei fache« Hoch auf den Kaiser aus. Oberbürgermeister v. Forckenbeck begrüßte den Handelstag namens der städtischen Behörden. Hierauf wurde Delbrück zum ersten, Director Fromme!-Augsburg zum zweiten, Kaufmann Edgar Roß sen.-Hamburg zum dritten Vorsitzenden gewählt. Wohl selten wurde im preußischen Abgeordneten hause ein Gegenstand von so allgemeinem deutschen Interesse verhandelt, wie in der abgelaufenen Woche die Frage über die Höhe der Gerichtskosten. E- war ja wohl vorauszusehen, daß diese Interpellation auf recht schöne Worte, aber auf kein sofortiges Entgegenkommen stoßen würde. Nicht blo» die Kirche, sondern auch der FiScuS hat einen guten Magen; er kann Alle- vertragen, und was er ein mal in seiner Gewalt hat, da- giebt er nicht sogleich wieder heran-. Der Justizmintstrr vr. Friedberg räumte ein, daß die Klagen über die Höhe der Ge richtskosten sehr lebhaft sind. Aber dieselben gingen doch weniger vom Volke, al» von der Press« au», al- ob da» Volk ein andere» Mittel hätte, seinen Ansichten Au-druck zu geben. Tagtäglich würden ihm unzählige Zeitungen mit derartigen Klagen zu gesandt. E« befände sich darunter viele» Richtige, aber auch manche Räubergeschichte. Die jetzige Prozeßform habe den großen Bortheil, die Injurien- und kleinen Schwindelprocesse vermindert zu haben. Nicht- würde versäumt werden, um zu einer Besserung zu gelangen; aber man müsse der Gesetzgebung Ruhe gönnen und sich vor fortwährenden Aenderungen hüten. — In der Sonnabendsitzung kam die Inter pellation der Fortschritt-Partei wegen der Judenfrage zur Berathung. Abgeordneter Hänel wie- auf den Congrrßbeschluß bezüglich Rumänien», Serbien«, Montenegro«, betreffend die Gleichberechtigung der