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Warum sollte mm jetzt bet« Anbruch einer besserer Zeit mit mehr Gelegenheit zur Arbeit und besserem Verdienst die Militärlast unerträglich werden? Wer überdies dl« Landlrutr jener Gegenden kennt, die bei der Auswanderung hauptsächlich in Frage kommen, /wird wissen, paß gerade sie am wenigsten von den Militärlasten gedrückt werden. Der Militärdienst hat für die jungen Leute, die von Kindheit an die allgemeine Wehrpflicht al- etwa- ganz Natürliche« zu betrachten gelernt haben, gar nicht- so Ab schreckender. Auch die Staat-steuern sind für Biele Mch nicht die schlimmste Abgabe; «in Schulhausbau erscheint beispielsweise den Landleuten oft viel drückender, al« die Militärlast. Ebensowenig kann man da- sociale Uebel im Allgemeinen für die Zunahme der Auswanderung verantwortlich machen. Schon au- dem Grunde »icht, weil diejenigen Arbeiter, welche am meisten unter dem socialen Uebel leiden, die wenigsten Theil« uehmer zu den Auswanderungszügen stellen. Es sind weit weniger Fabrikarbeiter, die sich zur Amerikafahrt entschließen, al» Landleute, und zwar keine ländlichen Proletarier, sondern Männer mit Besitz, mit tüchtiger Arbeitskraft und meist auch von ordentlichem Lebenswandel, deren Lage noch keineswegs die schlechteste unter der Bevölkerung Deutschlands ist. Sie kommen auch nicht aus über völkerten Gegenden, welche die Masse der Ein wohnerschaft nicht ernähren können, sondern aus Distrikten mit dünner Bevölkerung, wo eine tüchtige Arbeitskraft noch immer gesucht ist und mit Erfolg sich geltend machen kann. Zur Auswanderung scheint sonach die Erwartung deS Glückes in Amerika viel mehr zu reizen, als die Unzufriedenheit mit dem Loose in der Heimath. Es ist heute für diese Auswanderungslustigen in Deutsch land nicht schlechter, als es seit Jahren war ; aber e« ist in Amerika heute viel bester und verheißungs voller, als es dort in den letzten Jahren gewesen ist — da« giebt den Ausschlag. Von den bei der Auswanderung immer mitsprechenden beiden Faktoren: der Unzufriedenheit mit den heimischen Verhältnissen und der Hoffnung auf goldene Berge in der neuen Heimath, ist der letztere gegenwärtig der weitaus stärkere. Alle amerikanischen Berichte lassen erkennen, daß dort ein gewaltiger Aufschwung der Geschäfte stattgefunden hat. Während in den letzten Jahren nichts als Klagen über die herrschende Noth über den Ocean zu uns herüberdrangen, kommen jetzt begeisterte Loblieder über den glänzenden Verdienst, der Jeden erwartet, wenn er nur arbeiten will. Da mußte e« ja ganz sonderbar zugehen, wenn in unserem zum Wandern allezeit aufgelegten, zur Seßhaftigkeit nie besonders neigenden Volke sich nicht die Lust zur Auswanderung auf'- Neue regen wollte. Was Jahre lang durch die zu uns gelangten trüben amerikanischen Brächte zurückgehalten war, das ergießt sich jetzt in breitem Strome nach der neuen Welt. Die Briefe der dortigen deutschen Ansiedler und die Vorspiege lungen der Auswanderungs-Agenten tragen das Ueb- rige dazu bei, die neue Welt im rosigsten Lichte zu zeigen. Vorwiegend wandern Landleute aus, weil diesen sich im amerikanischen Westen günstigere Aus sichten bieten, als die Heimath ihnen gewähren kann. Mit der jungfräulichen Erde des amerikanischen Westens kann unser deutscher Boden nun einmal die Concurrenz nicht aushalten. Gerade diese Sachlage, dieses Vorwiegen der Hoffnung auf eine glücklichere Zukunft, sollte uns veranlassen, der Colonial-Frag« näher zu treten als dies bisher geschehen ist. Gingen die Auswanderer nur deshalb über da« Meer, weil ihnen in der Heimath Diese« und Jene« nicht zusagt, so könnten unsere Bemühungen sich darauf beschränken, diese Mißstände zu beseitigen. Da aber die Auswanderer jevseit« de« Meeres größeren Wohlstand al« hier erhoffen und zum Theil wohl auch erlangen, so liegt für un« darin die dringende Aufforderung, ihnen diesen Wohlstand zu sichern und denselben gleichzeitig für unser gesammte« Volk nutzbar zu machen. Das aber kann nur dadurch geschehen, daß wir die Jahr zehnte lang vernachlässigte Frage der Colonisirung endlich der Lösung näher führen. Deutsches Reich. Dresden, 7. Juli. Den Festzug der Feuer wehr am 18. d. M. wird Se. Majestät der König vom Balkon des königlich«« Schlöffe« in Augenschein nehmen. U Umschau in der Lausitz, 8. Juli. Durch Blitzschlag wurde rin Hau« de« Gutsbesitzer- Güttler in Friedrichsdorf eiagräschert. (Der Besitzer wohnt in Ebersbach.) Gleiche« Geschick hatte eben falls durch Blitzschlag am 1. Juli da« Schulze- Schustrr'sch« Wohuhau- zu Nieder-Schönberg. — Den 1. Juli wurde Vut«b«fitzer Zenker zu Kott- «ar-dorf vom Blitz erschlagen. — Der 66jährige Dachdecker Possrlt au- Altstadt bet Ostritz ist zu Dittersdorf am 3. Juli vom Thurme der Kirche gefallen und hat so schwere Verletzungen erlitten» daß er nach einer Stunde seinen Geist aufgab. — Den 2. Juli ist der 40jährige Arbeiter Linke zu Großschönau beim Futterabladen circa 3 Meter herabg,stürzt, wa- seinen Tod zur Folge hatte. — Den 3. Juli wurde der bisherige Oberlehrer und Vicedirrctor bei der Realschule zu Löbau, Herr Prirtzel, als Director derselben Anstalt feierlich in sein neue« Amt etngewiesen. — Bei der Kreishaupt- mannschaft Bautzen sind von verschiedenen Sammel stellen 57,032 Mk. 13 Pf. eingegangen; dabei sind 5000, 7000 und 10,000 Mk. von Zittau al- 1. bis 3. Zahlung. — Der Graf Schall - Riaucour zu Gaußig hat 1000 Mk. für die Ueberschwemmtrn gespendet. — Den 30. Juni hat der 12jähr. Schul knabe Hermann Weinert zu Weißenberg einen 9jähr. badenden Mitschüler mit eigener Lebensgefahr vor dem Tode de« Ertrinkens gerettet. — Den 1. August tritt zu Kittlitz bei Löbau eine Postagentur in'S Leben. — Der Borschußverein zu Bautzen hat seine Aktiva und Passiva aus'S 1. und 2. Quartal 1880 mit je 125,816 Mk. 22 Pf. beziffert. Der Bruttogewinn betrug 4110 M. 92 Pf. Infolge der in letzter Zeit wiederholt in Dresden vorgekommenen Insubordinationen hat da« königliche Kriegsministerium eine Beschränkung in der Ausgabe von Nachtzeichen eintreten lassen und im Weiteren angeordnet, daß von jetzt ab die einzelnen Compagnien genauen Rapport über die Anzahl der Nachtbeur- laubungen, welche täglich Bewilligung finden, an da- Ministerium zu erstatten haben. Bei den in der sächsischen Oberlausitz befindlichen geistlichen Stellen sind in der ersten Hälfte dieses Jahres folgende Veränderungen vorgekommen: Emeritirt wurden die Herren Pfarrer Walther in Berzdorf a. d. Eigen, Kirsche in JonSdorf und Willkomm in AltgerSdorf, wogegen angestellt bez. befördert wurden: Herr Pfarrer Johann Schwabe in Dürrhennersdorf als DiaconuS in Döbeln; Herr Floren- Herrmann Leo, Pfarrer zu Großerkmanns dorf, al« solcher zu Berzdorf auf dem Eigen; Herr Rudolf Tzschaschel, DiaconatSvicar in Stolpen, als Pfarrer in SpitzcunnerSdorf; Herr Franz Wilhelm Edmund Schulze, Pfarrvicar in Pesterwitz, al« Pfarrer in Dürrhennersdorf; Herr Moritz Herrmann Kern, DiaconuS in Cunnewalde, al« Pfarrer in JonSdorf; Herr Friedrich Wilhelm Carl Melzer, DiaconuS in Pegau, als Pfarrer in AltgerSdorf. Endlich ist der Candidat der Theologie, Herr Paul Richard Steglich, zum DiaconatSvicar in Cunnewalde und der PredigtamtScandidat Herr Paul Stange zum Hilfsprediger in Schönau auf dem Eigen er nannt worden. In der bereit« lebhaften Besuchs sich erfreuen den deutschen Wollenindustrie-Ausstellung zu Leip zig sind folgende sächsische Orte durch Aussteller vertreten: Aue, Bautzen, Bischofswerda, Böhrigen bei Roßwein, Burgstädt, Chemnitz, Crimmitschau, Dresden, Fischendorf bei Leisnig, Frankenberg (Web schule: Zeichnungen und Arbeiten, C. Rob. Lange : patentirte verstellbare Jacquardvorrichtung), Freiberg, Glauchau, Großenhain, Großröhrsdorf, Großschönau, Hainichen, Harthau, Herrnhut, Kamenz, Lausigk, Leipzig, Leisnig, Lichtenstein, Limbach, Löbtau bei Dresden, Lommatzsch, Lugau, Lunzenau, Markers dorf bei Burgstädt, Meerane, Mittweida, Mylau, Netzschkau, Neugersdorf, Neumark, Oederan, Oschatz, Plauen i. V., Reichenau bei Zittau, Reichenbach bei Königbrück, Reichenbach i. V-, Roßwein, Sauber«, dorf bei Kirchberg, Schloß-Chemnitz, Schönau bei Chemnitz, Stollberg, Untersachsenfeld, Waldheim, Werdau, Wurzen, Zittau, Zschopau, Zwickau, Zwönitz. — Für die von der königl. Staatsregierung genehmigte Berloosung von Ausstellungs-Gegenständen der Deutschen Woll-Industrie-« usstellung haben die hiesigen Kaufleute Carl Krug und Max Dietze einen Verkauf von Loosen, pro Stück 1 Mark, übernommen. Dresden. Dem für den XI. deutschen Feuer- wehrtag festgestellten Programm zufolge wird Sonn tag, den 18. Juli, Nachmittags 3 Uhr der große Festzug stattfinden. An der Spitze derselben wird eine Abtheilung berittener Dresdner Bürger al« Fahnenwacht den in ihrer Mitte getragenen Stand arten in den deutschen und sächsischen Farben da« Ehrengrleite geben. Daß der Festzug zu den im posantesten gehören wird, welche Dresden jemals sah, dafür bürgt die große Zahl der Teilnehmer; von Au-wärt« allein sind bi» jetzt über 400V Gäste angemeldrt. Bet dem Festzuge wird so manche« Originelle erscheinen. Unter Anderem werden die 18 Schornsteinfegermeister von Dresden im Essen- Ithrer-Eostüm erscheinen, doch wird da- Costüm von schwarzem Sammel gefertigt und werden Kelle und Gürtelschloß von massivem Silber sein. Di« Fahne de- Kriegerveretn«, deren Einweihung in Dresden vor Kurzem mit so großer Feierlichkeit vor sich ging, ist jetzt im köoigl. Kunst- gewrrbechuseüm, Anton-platz 1, ausgestellt. GeWK werden sich zahlreiche Beschauer derselben einfinden, die an den Festtagen nicht Gelegenheit hatten, da interessante Kunstwerk näher in Augenschein zu nehmen. Die Fahne ist ausgeführt durch die Fahnen« und Uniformstickerei von Hedwig FItzau in Dresden und vom Architekten E. Fleischer ent worfen. Der wegen Zweikampf» zu einer mehrmonatliche» Festungshaft verurtheilte Redakteur Billig au- Zi ttau ist nach einer theilweisen Verbüßung derselbe» begnadigt worven. Am Sonntag fand in Schandau die Ein weisung de« neuen Seelsorgers, de« Herrn Pastor GrieShammer, durch Herrn Superintendent vr.. Blochmann bei zahlreicher Theilnahme der Gemeinde glieder statt. Aus Anlaß der jüngsten Ueberschwemmungen iu der Oberlausitz hat Herr Polenz in Zittau eine Erinnerungs-Medaille au« Metall-Composition an fertigen lassen. Die Medaillen, an Band in de» Lausitzer Farben, tragen auf der Vorderseite die Inschrift: „Erinnerung an die Ueberfluthung der Oberlausitz am 14. Juni 1880". Auf der Rückseite steht: „Den Bedrängten zur Linderung, dem Wohl« thäter zur Zierde". Der Brutto-Ertrag vom Ver kaufe der Denkmünzen fließt zur Hälfte der Casse de- UnterstützungS-Comitee« zu. Wie man aus Chemnitz unterm 6. Juli meldet,, wurden auf Grund des Socialistengcsetzes der Reichstagsabgeordnete Vahlteich zu 1 Monat Ge- fängniß und 50 Mark Geldbuße und der Buchdrucker Reichert zu 20 Mark verurt heilt. Es handelte sich- um Verbreitung von Wahlaufrufen und Sammlung, von Geldbeiträgen zu Wahlzwecken. In dem festlich geschmückten Döbeln fand am Montag und Dienstag die 26. Jahresversammlung de- sächsischen Forstvereins statt, welcher auch Ver treter de« bömischen, mährisch-schlesischen und preußisch-schlesischen ForstvereinS beiwohnten. Leider war der Besuch der Versammlung nicht so zahlreich wie gewöhnlich, da eineStheil« durch die Königsreife viele Forstbeamte des Erzgebirges, und de- Boigt- landeS, anderntheilS manche Lausitzer durch da dortige Unglück zurückgehalten worden sind; doch wies die Präsenzliste am zweiten Tage 227 Name» auf. Oberforstmeister von Berlepsch au- Grüllen- burg hielt nach Erledigung geschäftlicher Forma litäten einen Vortrag über die Frage: »In welcher Weise ist bei den Auktionen der Forstproducte zu> verfahren, um die besten Resultate zu erzielen?* Au- der sich anschließenden lebhaften Debatte ergab sich, daß e- nicht wohl angehe, allgemeine bindende Grundsätze aufzustellen, sondern daß überall de» localen Verhältnissen Rechnung getragen werden müsse. Doch war man darin einig, daß möglichst: auf Baarzahlung zu dringen und da- Creditgeben zu vermeiden sei, damit nicht durch ein Staats institut da- verwerfliche Borgsystem, an dem da ganze deutsche Gewerbsleben kranke, befördert werde. Nachmittags wurde ein Ausflug nach dem Timmlitz- Revier (Hochwaitzschener Waldung) unternommen,, der viele interessante Laub- und Nadelholzbestände zu Gesicht brachte. Abends vereinigten sich die Mitglieder de» Vereins, die In Privatwohnungen untergebracht waren, mit ihren Quartiergebern in einem Concerte auf der Muldentcrraffe. (Interessanter Rechtsstreit.) DerKauf- mann F. zu B. hatte im Januar und Februar 1877 eine größere Anzahl Colli'S, declarirt als Wagenfett und Garnschnüre, in Wahrheit aber Dynamit und bez. Zündschnur« enthaltend, durch die Bahn ver senden lassen. Darauf strengte da- sächsische Finanz ministerium Klage an auf Zahlung der von F. ent wickelten Conventionalstrafe nach Höhe von 12 Mk. für jede- zur Beförderung aufgegebene Kilogramm de« fraglichen Frachtgutes. Neuerdings wurde nun in gleichlautenden Entscheidungen zweiter und dritter Instanz, de« Dresdner Oberlandesgericht« und de- ReichSgerlchtS H., Cirilsenat, der Beklagte zur Zahlung der vollen Klagsumme von 40,860 Mark bedingungslos verurtheilt. Am vergangenen Sonnabend gelang e« der Chemnitzer Schutzmannschaft, zwei von der Justiz behörde zu Dresden steckbrieflich verfolgte jüdische Leinwandhändler, sogen. Prisenhändler, festzunehmrn. Einer derselben hatte sich in Dresden beim Verkauf seiner Waaren al» einen Lalamitosen der Oberlaufitz ausgrgeben, der, nur um Geld zu erhalten, seine bei der Catastrophe noch geretteten Waaren um jeden Preis verkaufen müsse. Dabei bot er seine Waaren al» gute Bielefelder Waare an, die aber später^ sich al« ganz ordinäre Artikel, besonder« in den Tisch zeugen, erwiesen. Dem Bernehmen nach sollen noch mehrere derartige Handel-leute in der Chrmnjtzer Gegend sich aufhalten. Am 6. Juli Abend« siege« 7 Uhr MgMWM dem vischofswege in Dresden an