Volltext Seite (XML)
Politische WeHchau. Im Reichstage tummelten sich vorige Woche 4>ie mittelalterlichen Kämpen wider die Gewerbe freiheit. Die bedeutendste Rede hielt Delbrück, indem er nachwie», daß auch im Mittelalter da» Kleingewerbe schwer zu kämpfen hatte und auch da» Handwerk nicht so glänzend dastand, wie mau an- mimmt. Treffend bemerkte Delbrück, wie alle Forde rungen der Zünftler wiederholt gestellt, gewährt Morden und verunglückt sind. E» ist in der That «ine unselige Täuschung, alle Hilfe von der Gesetz gebung zu erwarten, während str nur in der Selbst- Hilfe de» Handwerk» und der Gewerbe zu finden ist. Einige kleine Beschränkungen der Gewerbefreiheit werden nicht allzuviel schaden; wem man aber auf Hem betretenen Wege der Bevormundung de» Volke» weilrrgeht, so wird man bald empfinden, daß die «aservativen Heilmittel schlimmer sind al» die Krank heit der gewerblichen Verhältnisse. Die Gewerbe ordnung, welche gegenwärtig für da» deutsche Reich gilt, war in ihren wesentlichen Grundsätzen eine un vermeidliche Nothwendigkeit. Schon ihr Name, Melcher von einer Ordnung der Gewerbe spricht, «och mehr der Inhalt de» Gesetze» bezeugen, daß Don einer schrankenlosen Gewerbefreiheit in Deutsch land nicht die Rede ist, so wenig man auch in Ab rede stellen kann, daß gegen die früheren Gcwerbe- beschränkungen die jetzt geltende Gewerbeordnung viele Freiheiten gewährt. Die sogenannte Gewerbe freiheit ist im Grunde nicht» Andere», al» die Be seitigung theil» polizeilicher, theil» ort-behördlicher Schranken und solcher Einschränkungen, welche alte Privilegien, Bannrrchte und Jnnungeverfassungen «onservirt hatten. Im Grunde liegt der größte Fehler unserer Gewerbeordnung nicht darin, daß sie zu viel Freiheiten bietet, sondern in ihrer Unfertig test, weil eine Vorbedingung ihrer »ollen Wirksam- leit, wie z. B. die von der Gewerbeordnung in'» Auge gefaßte Regelung des JnnungSwesen», noch ! »icht durchgeführt ist. Daran ist aber nicht die Gesetzgebung, daran sind vielmehr ganz allein die gewerbtreibenden Stände selbst Schuld. Die Ab- LnderuugSvorschläge der konservativen Partei regen »un dir Lösung dieser JnnungSfrage an. Die Con- servativen möchten die alte Jnnungsleiche galvani« fireu. Die Fortschrittspartei möchte am liebsten die Angelegenheit sich selbst entwickeln lassen und höchsten» Den freien Bereinigungen zustimmen. Biele Volk»« Mirthe glauben, daß allmälig die Genossenschaften, die Gewerkvereine und gewerblichen Verbände, wie z. B. die Gcwerbevereine in Süddeutschland, die Innungen -auz überflüssig machen werden. Den besten ver mittelnden Vorschlag hat bisher Miquel gemacht, obwohl sich gegen sein Normalstatut einer „Neu- Innung" vielfache Einwendungen machen lassen. Jedenfalls aber, wenn hier Uneinigkeit und Ber« ! Wirrung herrschen, ist die Gewerbeorvnung unschuldig Daran. Sie enthält 25 Paragraphen über da» JnnungSwesen, wohlmeinende Vorschriften über die Pflichten von Meistern, Gesellen und Lehrlingen in 4hrem Verhältniß zu einander. Jede weitere Ge setzgebung kann an ihre Anregungen anknüpfen. Der «rste Punkt wirklicher Abänderungen, welche die konservativen beantragen, fordert eine Beschränkung Der Theaterfreiheit. Darin stimmt mit ihnen die Genossenschaft der deutschen Bühnenangehörigen Lberein, und im Allgemeinen können einige Be schränkungen dieser Freiheit, welche nicht zu gedeih lichen Verhältnissen geführt hat, schwerlich etwa» schaden. Ob e« wohlgethan ist, die Polizei dabei zur einzigen Richterin zu machen, ist allerdings eine andere Frage. Der zweit« Antragspunkt will da» Gewerbe der Auktionatoren von einer behördlichen Eoncrsston abhängig machen. Auch diese Forderung verdient ernstliche Erwägung. Haben sich wirklich Durch die Freiheit auf diesem Gebiete die Schwindel- «uctionrn herauSgebildet, so mag man versuchen, «b ihnen dadurch betzukommen ist, daß man zu Auktionatoren nur Männer zuläßt, welche eine ge« Miss« Garantie bieten, daß sie sich zu betrügerischen Auktionen nicht hergeben. Den besten Schutz wird allerdings wie bisher da» Strafgesetz bieten. End lich wollen die Lonservativen die Wanderauctionen aani verbieten und die Wanderlager hoch besteuern. Mit der schwindenden Ueberproduction und dem Aufräumen der Bestände an Maaren wird «in neue» ' Gesetz ziemlich überflüssig. Eine Steuer kann jeden- fall» der Wanderbetrieb der Geschäfte vertragen. Uebrigen« ist diese Frage bereit» vielfach erörtert worden und eine Regelung durch da» Reich ist ' wünschrnSwerth. Im Ganzen erscheinen die konser vativen Vorschläge der Beachtung werth, wenn sie wich nicht dazu führen werden, die Wünsch« der Zünftler zu erfüllen. Da» ist einfach unmöglich, «Wuhne Schädigung von L«ben»int«ressen mit der Gsviwurduung in ihren großen Grundzügrn nicht kann. Da» deutsch-österreichische «Ünbniß spielt jetzt beinahe dieselbe Rolle wie rittst die Drel-Kaiser- Allianz. Wenigsten» wissen die Offiziösen alle Augen blicke von einer Großmacht zu berichten, welche sich al» Dritte in den Bund zu gesellen gedenkt. Erst ist Rußland, dann Italien, jetzt England au die Reihe gekommen. Angeblich soll die Reihe der Königin Victoria nach Deutschland zu einer Zu sammenkunft mit Kaiser Wilhelm führen, in welcher eine Tripel-Allianz Deutschland», Oesterreich» und England» abgeschloffen werden soll. Hierbei scheint mehr der Wunsch einiger Zukunst»politiker der Vater de-Gedanken-zu sein, al- daß man den Gerüchten einen ernsten Untergrund beilegen könnte. — Der Polen-Club hat bezüglich seiner Stellung gegenüber der Regierung folgenden Beschluß gefaßt: „In Erwägung, daß die Regierung sich unser« Lande in Angelegenheiten, welche für dasselbe von höchster Wichtigkeit sind, nicht geneigt erwiesen hat; in fernerer Erwägung, daß die Vervollständigung de- Eabinet- keinerlei politische Idee zum Ausdruck gebracht hat, kann der Polen-Club die jetzige Re gierung nicht für «ine freundschaftliche betrachten. Der Club wird sich dem Ministerium gegenüber vollkommen objektiv verhalten unv nur da» LandeS- interesse zu seiner Richtschnur nehmen." Die Offiziösen sind über diese Kundgebung ziemlich ver schnupft und betonen, was ohnedies Jedermann weiß, daß die Polen politische GeschäftSmänner sind, bei denen der Bortheil da- Handwerk treibt. Sämmt- liche polnische Blätter erhalten au« Wien die Mit- thrilung, daß der Rücktritt ZiemialkowSki'» und deffen Ersetzung durch da» Herrenhaus - Mitglied Fürst Constantin CzartorhSki unmittelbar bevorstche. In der italienischen Deputirtenkammer ist e« zu einem starken Conflicte zwischen dem Deputaten Mancini und dem Präsidenten Farini gekommen, so daß Letzterer sich bewogen fühlte, den Präsidenten sitz zu verlassen und die Verhandlungen einstweilen unter der Leitung de» Vicepräsiventen Spomtigati sortgeführt werden mußten. Jndeß ist Hoffnung vorhanden, die Sache noch gütlich beizulegen. In Frankreich steht die Vertagung de» Par lament» vom 24. März bi- 1. Mai bevor. Ma die Jesuiten betrifft, so dürften dieselben schon während dieser Parlamentspause die schlimmen Früchte de» von den Herren Simon und Dufaure für sie errungenen Siege» zu kosten bekommen. Freilich hat der „UaiverS" auch jetzt noch die Keck heit, seinen Gläubigen zuzurufen: „Die bestehenden Gesetze, das sind die Waffen, mit denen Herr de Freycinet die Jesuiten bedroht; der Herr Conseils- Präsident wird wahrscheinlich weniger hochmüthig werden, wenn er belehrt worden ist, daß die famosen „bestehenden" Gesetze gar nicht bestehen." Jndeß will man, allen diesen Prahlereien gegenüber, schon mit ziemlicher Sicherheit wissen, daß die frommen Väter selbst bereit» darauf bedacht sind, ihr Haupt möglichst zeitig in Sicherheit zu bringen, weshalb sie schon jetzt diejenigen Mitglieder der Congregation, welche nicht französischer Nationalität sind, veranlaßt hätten, sich nach dem Au-lande zu begeben. Ob diejenigen deutschen Mitglieder, welche bei ihrer Austreibung au» Deutschland sich nach Frankreich gewandt haben, jetzt ihre Zuflucht wieder in Deutschland suchen werden, darüber scheint freilich noch nicht» festzustehcn. In England liefert die Unzahl Reden, welche die Blätter füllen, den besten Beweis, daß die Wahl campagne in vollem Gange ist. Die Hauptadressen waren diejenigen Lord John Manner'» und Sir William Harcourt'», letztere» ein sehr lange» Doku ment, da» die ganze Politik der Regierung angreift. Bier liberale Führer hielten Ansprachen an ihre Wähler. Mr. W. E. Forster sprach in Bradford; Mr. Lowe in der Exeter Halle ; Mr. Göschen in Ripon und Mr. StanSheld in Halifax; Mr. Fancell sprach in Hachney und die liberalen und konservativen Mit glieder für die Cith hielten gleichfalls Ansprachen an ihre Wähler. Au» dem Nord-Osten Lancashire'S wird der Uebertritt von Mr. Jame» Lomax von Clahton Hall vom liberalen in'» konservative Lager gemeldet. In Leed» wurde bei einem liberalen Meeting bekannt gegeben, daß Mr. Gladstone im Falle einer Niederlage in Midlothian für Leed» ein treten würde. Die Nachricht wurde mit Jubel aus genommen. Wa» die irischen Adressen anlangt, so nehmen von den bisher veröffentlichten nur sehr wenige direkten Bezug auf die Homerule; die Phrase scheint rasch au-sterben zu wollen. Da- erste Wahl meeting in Irland ist in Tralee «»gehalten worden. Au» der Grafschaft Wicklon wird gemeldet, daß eine Anzahl römisch-katholischer auf ihren Gütern lebender Grundbesitzer, ja sogar Farmer -egen die Homeruler stimmen werden. In Grafschaften wie Tipperarh und Städten wie Limerick und Eork wundert man sich über di« gering« Aufregung, welche die Wahlen Hervorrufen. Ja Cork wird zu Ehren de» rück- kehrenden Mr. Paraell eia Empfang «>d ItauM stattfiudtn. Der schon mit großer Ungeduld iW wartete wird sofort seine Thätigkeit beginnen MW soll für Wahlzwecke östrl. 10,000 au» de» VW einigten Staaten mitbringeo. Sa Spanien hat die Ernennung zweier av»W Minister stattgefuaden. Diese Ernennung watW schon seit mehreren Tagen erwartet. Wenigstem»^ sollte nach einer Meldung de» „Temp»" infolge dM Krankheit de» Marqui» Orovio eiu theilweifye i Ministerwechsel stattfinden, und zwar sollten LoG-^ gahon und Elvuahen die Portefeuille- der Finanz» und de- Aeußeren erhalten und General MorioW i nach seiner Rückkunft von den Philippinen dchtz l Krieg-Ministerium übernehmen. Der EiatrM? ElduahenS in da- Cabinet bedeutet eine Verstärk«« der reaktionären Partei in der Regierung. Bon Rußland au» wird die schwere Erkrankung > de- Czaaren in Abrede gestellt. Ob der Czacch krank ist oder nicht, erscheint übrigen» nebensächlich,^ e» wäre wichtiger, wenn man melde« könnte, daß . » da» Volk sich wohl fühlt. Der Kaiser beging am 22. d. seine« Äeburt»taz in voller Frische und Rüstigkeit, und nahm die Glückwünsche de- Hofes, der Prinzen und der Prinzessinen, der fremden Fürstlichkeiten und der al» » kaiserlichen Hofe beglaubigten Botschafter entgegen. Bei dem Empfange des Bunde-rath», der unter ' Führung de» Reichskanzler» Fürsten Bismarck er- .) schienen war, sprach der Kaiser die bestimmte Hoff nung au», daß auch in diesem neuen Jahre, welcheO er heute antrete, der Friede erhalten bleiben werde. Die Bunde-rath-mitgliever waren über da- frische Aussehen und die große Rüstigkeit de« Kaiser» st» ?' hohem Maße erfreut. Dem ReichStagSpräsidiuU» gegenüber äußerte der Kaiser seine hohe Befrieoiguug über die rasche Abwickelung der Geschäfte, namentlich über die Arbeiten der Militärcommisston, deren er lobend Erwähnung that. — Von anderer Seite wird dem „Deutschen Montags-Blatt" versichert, daß der i Kaiser auch zu einigen Generälen sich dahin geäußert habe, „wenn die Zeitungen jetzt sagten, der Friede ' sei gesichert, so trafen sie da» Richtige.". ES ist bereit- gemeldet worden, daß am 13. v. der deutsche Kronprinz einer AuSschußsttzung de» k deutschen Fischereiverein» beigewohnt hat, in welcher > über die Vorarbeiten der am 20. April zu eröffnende» H internationalen Fischereiau-stellung Bericht erstattet worden ist. E» ist noch nachzutrageu, daß tu Bo- H treff der auSzugebenden PreiSmedaillen, welche vq» dem Hofmodelleur Schwenzer an» Stuttgart äuge- Ä fertigt werden, die Bestimmung getroffen ist, daß > dieselben auf der einen Seite den Kronprinzen i» Kürassieruaiform darstellen, während auf der ander« Seite Embleme der Fischerei veranschaulicht werd« sollen. An Ehreapreiseu sind im Ganzen gewährt: H 3 vom Kaiser, je 1 von dem kronpriazlichen Paare, M den Königen von Sachsen und WÜrtemberg, d« H Großherzvgen von Baden, Mecklenburg-Schwerst^ H Oldenburg, den Hansastädten Hamburg und Breme» W und von dem Club der Landwirthe. Mit Ausnahme H von Frankreich, der Türkei, Griechenland, Spant« D und Portugal sind alle europäischen Staaten an der M Ausstellung betheiligt; Nordamerika wird bei derselbe» -Ä sehr stark vertreten sein, au» Centralamerika stad Z ebenfalls Anmeldungen eingeganzen, Brasilien, Japan» H China, die malahischen Inseln, Holländtsch-Jndte» M sind gleichfalls stark betheiligt. Wie man au» Part» unter« 21. März meldeH H ist gestern der russische Botschafter, Fürst OrlofH Z von hier nach Petersburg abgereist. Da» gesammte -I Personal der Botschaft geleitete den Fürsten zu« M Bahnhof. — Der in London weilende Hartmaa» H bezeichnet in einem an da» Justizvepartemeat ge» M richteten Schreiben seine von englischen Blättern ge» brachte angebliche Erklärung bezüglich de» Moskau« Attentate» al» vollkommen unbegründet, mit da» H Hinzufügen, daß er weder in Pari» noch in Londe» A mit irgend Jemand über die Angelegenheit zesproch« L habe. Hartmann stellte diese» Schreiben eiua» M Freunde zu, der eine« Direktor im Justizdrpartemea» - 'M persönlich bekannt ist und unterzeichnete e» ,A Hard- M mann", um die Echtheit desselben außer Frage zu stelle». M Au» Rom schreibt man untern» 22. März: Da» M vatikanische Blatt „Aurora" publicirte den Brich./W de« Papstes an den Erzbischof von Köln ohne jeglich« Commentar. — Im Städtchen Grosfeto vev»^W weigerten 200 Soldaten ihren Offiziere» da» horsam. 45 Soldaten wurden verhaftet. Sachsen. Se. Majestät der König hat fest gcheru -WM Fieber «ehr uud ist da» Allgemeinbefinden M» W befriedigende». Se. .Excelleaz der Minister de» Süß«« vo» W Nostitz-Wallwitz.hat einen Urlaub avgetrete» unst M sich uach Sohlaad begeben. . WD